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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Sonntag, 11. März 2012

Buchbesprechung: Explosionsgefahr (ab 8 Jahren)


Christine Gerber, Doris Mendlewitsch
Wissen macht Ah!
EXPLOSIONSGEFAHR - Famose Experimente mit Shary und Ralph
Ab 8 Jahren


Bindlach 2011, 112 Seiten, Hardcover,
18.5 x 23.0 cm, € 14,95 (D), Loewe Verlag


Es wird heiß, immer heißer, auf einmal beginnt es zu knallen. Eine Explosion jagt die andere. Peng!
Klingt wie ein Actionfilm? Ist aber keiner. Es wird nur beschrieben, was entsteht, wenn man Hitze und Mais zusammenbringt: Popcorn!
Und wer wollte darauf schon bei einem richtig spannenden Streifen verzichten?
Oder beim Lesen eines spannenden Buchs? Wie diesem hier. Nicht nur Popcorn fliegt den Lesern darin um die Ohren. Brandgefährlich wird's auch, wenn die beiden unscheinbare Zitronen in Stromkraftwerke verwandeln und die erste unbemannte Plastikflaschenrakete starten.

Doris Mendlewitsch ist eine echte Düsseldorferin und der Landeshauptstadt immer treu geblieben. Dabei ist sie ausgesprochen reisefreudig und neugierig auf andere Kulturen, fremde Menschen und ihre Geschichten. Durch das breit angelegte Studium der Politischen Wissenschaft und zahlreiche interessante Projekte hat sie die Palette ihrer Fachthemen ständig vergrößert. Zu ihren Hauptgebieten gehören Geschichte, Politik, Religion sowie Wissen für Kinder.



Viele, viele Anleitungen gibt es hier beim WDR.

Der Sturm von Anner Griem

Der Sturm


Der Ansturm der Zeiten
Vergessend, gewandelt
In Plasma, das
Den Augenblick im
Matten Abglanz der
Gleißenden Sonne
Überzieht mit
Traurigem Licht


Warm einzig der
Moment der Begegnung
Entsagend dem Ewigen


© Anner Griem

Samstag, 10. März 2012

Ab März neu bei ECM


All Our Reasons” von Billy Hart/Ethan Iverson/Mark Turner/Ben Street ist das erste ECM-Album einer Formation, die seit 2003 höchst erfolgreich zusammenspielt. Sowohl Drummer Hart als auch Tenorsaxophonist Turner und der als Mitgründer der Gruppe The Bad Plus bekanntgewordene Pianist Iverson haben zu dieser Produktion Kompositionen beigesteuert.

“Sunrise”, das ECM-Debüt von Masabumi Kikuchi, ist eine Trio-Session mit Paul Motian und dem Bassisten Thomas Morgan. Motian und Kikuchi waren seit vielen Jahren befreundet, und Paul verstand die Eigenheiten und den individuellen Charme des sehr persönlichen Stils des japanischen Pianisten vielleicht besser als irgendwer sonst.

Mit einem ursprünglich für die Swedish Jazz Celebration 2010 formierten Ensemble präsentiert Bassist Anders Jormin ein ungewöhnliches Projekt: Er hat für „Ad Lucem“ Lyrik der dänischen Autorin Pia Tafdrup und eigene Texte für die Sängerinnen Mariam Wallentin und Erika Angell vertont.

Demnächst erscheinen zudem drei Neuheiten bei ECM New Series:

Im Jahr 1990 nahm das Hilliard Ensemble die Tenebrae-Responsorien von Gesualdo auf – eine Einspielung, die zum Klassiker geworden ist. Mehr als zwanzig Jahre später widmet sich das Ensemble nun zusammen mit der Sopranistin Monika Mauch und dem Countertenor David Gould dem fünften von sechs Büchern Gesualdos mit fünfstimmigen Madrigalen aus der Zeit zwischen 1594 und 1611.

Unter dem Titel „Saltarello“, der Bezeichnung für einen schnellen Tanz aus dem 14. Jahrhundert in Italien, der sich bis in die Gegenwart als Volkstanz erhalten hat, vereint der Viola-Spieler Garth Knox  Werke vom 12. Jahrhundert bis heute. In Begleitung der Cellistin Agnès Vesterman und des Perkussionisten Sylvain Lemêtre stellt er eigene Werke neben jene einer Hildegard von Bingen, John Dowlands Renaissancemusik neben die subtil mit Elektronik operierenden Stücke Kaija Saariahos, und anonyme Tanzsätze neben Vivaldis Konzert für Viola d’amore in d-Moll.

Über Dario Castello und Giovanni Battista Fontana, zwei Komponisten an der Wende des 16. zum 17. Jahrhundert, weiß die Musikforschung wenig. Immerhin sind von beiden Werke erhalten, die sie als bemerkenswerte Komponisten für die Violine ausweisen. Der Geiger John Holloway wählte für seine neue Aufnahme neben Solo-Sonaten für die Violine und Basso Continuo auch sechs Sonaten für Violine, Dulcian und Basso Continuo aus, die zeigen, dass auf der Landkarte alter Musik immer noch Terrain entdeckt werden kann. Mit Holloway musizieren hier Jane Gower (Dulcian) und Lars Ulrik Mortensen (Cembalo).

Dichterhain: Frohes Gedicht über den Weltuntergang von Hermann Mensing

frohes gedicht über den weltuntergang

sagen sie,
hat irgendjemand
irgendwo schon irgendwas gehört,
oder hat sich anderswo
jemand dran gestört?

und was hat das alles
nur mit mir zu tun,
bringt der fortgang dieses falles
mich dazu, zu ruhn?

treibt es mich
mit peitschen
durch die nächste tür,
lässt es mich dann weit sehn,
oder lässt's mich hier?

froher morgen,
milchig feucht und grau,
mit beleuchtung,
ohne sorgen, keine frau.

schließlich - mittags,
immer noch kein licht,
schmiere mir ein butterbrot,
wag's und schäm mich nicht.

stunden später
wenn die nacht mich wieder überfällt,
warten ich und mein verräter,
stille auf den untergang der welt.



© Herman Mensing             

+ Das Gedicht liegt auch in einer vertonten Version vor, wie auch 215 andere davor und weitere danach. + Bitte nutzen Sie diesen Link für ungebremsten Hörgenuss oder diese Videos zum Anhören.
+ Alles über den Autor bei Wiki.Münster.

Freitag, 9. März 2012

ABSAGE: Lisa Bassenge, geplant für 9.3.2012 in Neunkirchen/Saar, fällt aus


Für Sie besucht: Harry Rowohlt live in Neunkirchen/Saar

Harry Rowohlt, Jahrgang 1945, gebürtiger Hamburger, Halbbruder vom Verleger Heinrich Maria Ledig-Rowohlt, lebt heute in seiner Heimatstadt. Der Übersetzer und Vortragskünstler, Selfmade-Anglist/-Amerikanist mit einem Kurzzeitstudium von 2,5 Stunden an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Obdachloser in der „Lindenstraße“ und grimmig dreinblickender Vollbart mit Esprit, besuchte das Saarland. Am 4.3.'12 war er in der Stummschen Reithalle, Neunkirchen/Saar zu sehen und bereitete den Besuchern vergnügliche drei Stunden Abschweifungen, Geistreiches, Freches, Konsternierendes, Gesungenes und Witziges. 

Der mehrfache Preisträger, Sprecher von „Pu der Bär“ (Goldene Schallplatte 2000), ist auch seit 1996 Ambassador of Irish Whiskey, was wir später live zu hören bekamen. Manchen fällt bei seinen Übersetzungen gerade seine aktuelle Übersetzung des „Romans in Fragen“ von Padgett Powell ein, ein Meisterwerk der Assoziationsorgie und Abschweifketten. So buntschillernd und ungewöhnlich, wie er durch die Presse wandert, untergräbt er auch sämtliche Erwartungshaltungen an einen Vortragskünstler. Nicht nur die sprachgewaltige Darbietung kommt auf einen zu, sondern die Kunst des Verweisens auf Wichtiges im Nebensächlichen und ganz woanders. Zu Beginn seiner Lesung (aus dem Buch Gum und Rowohlt) gönnte er uns allen erst mal eine Anschleimphase, in der er gerne Blitzlichtgewitter über sich ergehen lässt, sofern es stattfindet, und klärte er alle offenen Fragen. Dass er nun neuerdings auf seinen Wein bei der Lesung verzichtet hängt damit zusammen, dass er diese leidige Polyneuropathie bekommen habe, die sich eben auch bei Abusus einstellen könne. Wir erfuhren am Ende des Abends, dass es wie Laufen in Cowboystiefeln sei, in denen ein starres Noppenfußbett läge, und das unter dem Diktat des Bewegungszwangs zur Schwierigkeit mutierte. Er beschränke sich nun auf die Quartalstrinkerei und gibt sich zu diesen Terminen dann die vom Arzt „empfohlene“ Kante. 


Wir hörten einiges aus „Sie sind ein schlechter Mensch, Herr Gum!“ von Andy Stanton, erfuhren etwas über „The Dead“ von John Houston, einer Verfilmung von James Joyces Vorlage. Und über das Thema Prominente pobeln, am Beispiel des Nationaltrainers Jogi Löw und des eigentlich deutschen Prinz Charles aus UK, der ebenfalls sehr prominent diese Tradition aufrecht hält. Während wir durch die Wohnung des Messis Gum geführt wurden, machte uns Rowohlt klar, dass Schauspieler nichts taugen..., Ralf Wolter (1926) zum Beispiel, der in unzähligen Rollen zu sehen war. 1962 in der ersten Winnetou-Verfilmung spielte Wolter die skurrile Figur des Trappers Sam Hawkens („wenn ich mich nicht irre, hihihi“), den hilfreichen Begleiter der beiden Helden Winnetou (Pierre Brice) und Old Shatterhand (Lex Barker). Harry Rowohlt könnte Sam vielleicht sogar besser spielen ... In absoluter Selbstverliebtheit lobt er sich doch lieber selbst, wenn er zur Selbstergötzung je eine Magister- und eine Staatsexamensarbeit zur Eddie-Dickens-Trilogie von Philip Ardagh, die er übersetzte, liest. Lesealterangaben sind ihm suspekt, denn wer mit 5 zu doof ist, eine Geschichte zu verstehen, versteht sie mit 99 auch noch nicht...

Seine (Zeit-)Kolumnen haben es natürlich auch in sich, wir bekamen mindestens drei, nämlich die vom 11.8.2011, die vom Mai 2011 und eine von 1997 als Hintergrundgeschehen genannt – er schaffte es vom Leserbriefschreiber zum Kolumnist - der ganze Abend übrigens unterbrochen durch insistierende penetrante Werbung für die anwesende Buchhandlung aus Neunkirchen, die alle seine eigenen und genannten Werke zum Verkauf anböten. In der aktuellsten Kolumne kam er auf der Fahrt von St. Pöltgen nach Hütteldorf so vom Thema ab, dass er bei den österreichischen Nana-Witzen landete. Einer davon? Ein Patient muss rektal ernährt werden... Der Pfleger führt einen Applikator ein, der zu Stöhnen beim Patient führt. „Zu heiß?“, erkundigt sich der Pfleger, worauf er zur Antwort bekommt: „Na,na, zu süß ...“
Wir lernten seine Familie kennen, der Vater bei den Soldatenräten in Wilna 1917, direkter Draht zur USDP, der Opa als Kommunist im Bochumer Gefängnis, die Mutter mehrfach agitatorisch tätig und einkassiert, auch mal Tischdame bei Hitler, weil sie eine nötige Ähnlichkeit mit einer BDM-Frau aufwies. Die Deutschen wären eben gut im zackigen Umorganisieren, genauso wie das Polizeikorps in Stuttgart die irische Hymne als Marsch spielte, sodass die Sportler ihre Hymne nicht erkannten und auch nicht mitsangen... Wie sie wirklich geht, hörten wir von ihm später dann live, er hängte auch noch die 
Hamburger Hymnen A und B an. Der wirklich gute Autor Irlands heißt für ihn übrigens nicht James Joyce, sondern Flann O´Brien, von dem er alles übersetzte, was es gab. Aber wie es so ist, werden die wirklich Guten nicht erkannt, so auch bei Marcel Reich-Ranicki, der alle guten Autoren in Deutschland verpennt hätte, Frank Schulz z.B. aus Hamburg, den er, HR, wärmstens empfiehlt. 


Rowohlt wird in Erfurt als Punk-Ikone geschätzt, erzählte er während der Fahrt nach Heathrow (Kolumne 2), was ihm so nicht plausibel sei, aber es ändere nichts daran, dass die 9 % aktiven Christen, die das Sagen haben wollen, eigentlich ganz ruhig sein sollten. Denn wie es in dem zitiertem Witz (ganz anders als im Johannes-Evangelium 8,7, wer ohne Sünde sei, soll die Ehebrecherin zuerst bewerfen) heißt, der Stein wurde nicht auf Jesus als Sündenfreien geworfen, sondern paradoxerweise auf eine Dirne. Und bei Kolumne 3 landeten wir bei der Presse. Das Zitiertwerden in der Presse und im Radio ist Harry Rowohlt ein Graus, weil es immer verkehrt wäre. Wahrscheinlich verhören sich alle ... Nicht ausgelassen hatte er noch die obligatorische Veräppelung seiner Lieblingsfeinde Bremer, allesamt nur Bonsai-Hanseaten, das Bonsai ließ er sich mehrfach genüsslich über den Gaumen klingen … im Vergleich zu den Hamburger Hanseaten alle sozusagen nur Miniaturen ... 
Harry Rowohlt ist ein echtes Urgestein, eine Institution, aufbegehrend, analysierend, querdenkend, intelligent motzend und durch seine langen Assoziationsketten nach Stunden ein bisschen ermüdend, aber einfach sehens- und hörenswert!

Donnerstag, 8. März 2012

Die Broom Bezzums diese Woche in Rheinland-Pfalz/Saarland


Diese Woche ist Katie Doherty wieder dabei, mit drei Gigs in Rheinland Pfalz und dem Saarland. Freitag sind die BB in Guntersblum, Samstag in Franks Bodega in Grosskarlbach und am Sonntag mit einem familienfreundlichen Konzert in der Waldorfschule in Walhausen, Saarland.

Tickets für Walhausen kosten 10 Euro für Erwachsene und 3 Euro für Kinder unter 16. Die gibt es nur an der Abendkasse - also, kommt rechtzeitig! Das Konzert fängt um 19 Uhr an. Einlass ab 18 Uhr. Mehr Infos:http://www.waldorfschule-saar-hunsrueck.de/index.php

Relativ kurzfristig gebucht noch ein Gig am Samstag, den 17. März, in Offenbach-Hundheim.

Lost in the near of Luxembourg oder Endlich angekommen in Deutschland von Stefan Vieregg

Tatjana und Vassili leben schon lange in Deutschland. Sie kamen aus Sibirien, ganz weit im Osten, und lebten sehr, sehr einfach und keineswegs anerkannt in der Nähe von W. Kärglicher Lohn, große Armut und immer ziemlich stark Ausländer. So wie heute auch als deutschstämmige Ausländer in Deutschland. Wir zwei bei den Kartoffeln, sagen sie sich oft. Die Russen nennen Deutsche Kartoffeln, so wie die Amerikaner sie Krauts getauft haben. Sie haben sich über EverDarling kennen gelernt und verabredeten sich spontan zum Fasching an der Mosel. Der Rosenmontagszug in Nittel wurde ihnen empfohlen und so trafen sie sich um 10 Uhr am Bahnhof in Trier, um den letzten Weg gemeinsam zu fahren. Sie freuten sich sehr, sich zu sehen.
Vassili hatte sich als rosaroter Panther, in einem 100%-Polyester-Gewand steckend, verkleidet, was bei den Temperaturen nicht verkehrt war, aber doch ziemlich warm, weil es an der Mosel ja bekanntermaßen drunter und drüber geht. Tatjana war eine liebreizende Ballerina... Was er zu viel anhatte, fehlte bei ihr deutlich... Sie konnte zwar Bein zeigen, das war nicht das Problem... Schöne wohlgeformte Beine mit einer Faschingsstrumpfhose verziert, die sich nach oben in einer weichen Hüfte verloren, darüber ein zartviolettes Ballettkleidchen mit Rüschenrand. Ihre schwarzen Haare und blauen Augen verliehen ihr einen seltenen Reiz. Das Kleid war zu dünn. Was auch immer sie drunter trug, es konnte nicht viel sein, denn auch der Oberkörper zeigte eine natürliche Schlankheit, der Busen war echt... nein, nicht ausgestopft. In der Hand hielt sie ein kleines Silberlurextäschchen, in dem alles war, was sie heute noch brauchte: Zigaretten, Flaschenöffner, Feuerzeug, drei Kondome, Papiertaschentücher und Kleingeld. Vassili hatte sich in seinem Kostüm vorne eine Tasche eingenäht, in der er – ja, was für ein Zufall! - seine Zigaretten, Flaschenöffner, Feuerzeug, drei Kondome und Papiertaschentücher lagerte... Kleingeld auch ein wenig … Er selbst hatte seine roten Jeans an und ein dickes Fleeceshirt.

In Trier suchten sie den Zug nach Saarbrücken, der sie in Nittel absetzen sollte. Sie stiegen ein und fuhren die wundervolle Strecke die Mosel entlang nach Nittel. Nicht sonderlich groß, 1900 Einwohner mit den eingemeindeten Ortsteilen Köllig und Rehlingen, die das nie wollten, denn Rehlinger sind Rehlinger, und Kölliger Kölliger. Hier leben viele Winzerfamilien, das Dorf sieht aus wie ein Wanderschuh, der sich den Berg hinauf in die Weinberge erstreckt. Die reizvolle Landschaft wird mit hohen Dolomit- und Kalkfelsen am oberen Rand des eindrucksvollen Panoramas umrahmt. Wie eine Steinkrone sitzen die Felsen auf den Gipfeln der Hänge. Vom Fuß der Felsen ragen die Weinberge bis zur Mosel und zum Dorf hinab.

Nittel veranstaltet wie jedes Jahr einen Rosenmontagsumzug, der fast einen Kilometer lang ist. Er schlängelt sich so langsam und behäbig wie eine Python den Berg herunter, ist ordentlich bunt und dröhnt und scheppert. Die vielen herumwuselnden Arme der Schlange verteilen Wein, Sekt, Glühwein, Chips und Popcorn, Schnittchen, Bonbons, Narrenkappen und einiges mehr ... Und sie tauchen alles in Konfettis. Jeder Zuschauer zahlt einen kleinen Beitrag und bekommt alles gratis … So auch Vassili und Tatjana, die sich kaum in den Zug eingekauft mittels „Trinkobolus“ voll in die Lebensfreude stürzten und den köstlichen Elbling in großen Mengen zu trinken begannen. Elbling gibt es an der Mosel schon 2000 Jahre, weil schon die Römer diese uralte Rebsorte anbauten und pflegten und sich an ihrem vergorenen Saft stärkten. Elbling schmeckt nach Mosel, Weinberg, Muschelkalk, Liebe: lebendig, rassig, anregend und dabei leicht bekömmlich für einen unbeschwerten Genuss. Gerne trinkt man ihn über den Genuss zum Durst hin und zurück in vielen Schüben.

Vassili und Tatjana begannen immer mehr zu schunkeln, zu tanzen, sich neue Beute aus dem Zug zu besorgen, liefen um die Umzugswagen herum und sammelten auf oder nahmen entgegen, was ging. Das Tröten nahm überhand, sie stürzten die Becher, jubelten und ließen sich das goldige Nass über die Lippen und das Gesicht laufen. Die Küsse wurden immer heißer, die Blicke glühender, der Wein immer besser. Zu allem Überfluss kam noch ein Luxemburger Sektwagen vorbei. Gezogen von einem riesigen Traktor in der Preisklasse bis 500.000 EUR. Es gab Crémant bis zum Abwinken. Die beiden hängten sich ein und stürmten dem Wagen entgegen. Doch kaum war der Crémant ausgeschenkt, versaute eine Konfettiwerferin in giftigem Grün den Genuss durch eine Handvoll Konfettis in Vassilis Becher. Enttäuscht besorgten sich die Trunkenen eine neue Füllung und schon wieder wurde das Trinken verwehrt – Konfettis, dieses Mal weiße, landeten in dem edlen Getränk. Auch der dritte Becher wurde das Opfer der verrückt herumwirbelnden Faschingsgeister, die nur noch Konfettis auszuspucken schienen. Erst als der Gesandte des Großherzogs – ein riesiger Fendt 900 csi in edlem Schwarz mit Silberlackierung und Chromteilen - davon rollte, kehrte wieder Ruhe ein. Den vierten Becher konnten sie schließlich ganz in die Menge retten, um ihn dort gierig zu leeren... Die Welt in Deutschland war plötzlich schön, es machte so Spaß mit den Zuschauern zu toben und zu tanzen, zu trinken und sich in die Arme zu fallen... Als das Ende des Zuges nahte, nicht ohne vorher noch drei Becher Elbling getrunken zu haben, sahen Tatjana und Vassili, wie die Menge eine Straße ins Dorf hinunterströmte. Sie folgten den Menschen und sahen, dass sie unten die Möglichkeit hatten, noch mal den halben Zug mitzuerleben und noch einmal ungestörte Genießer des Luxemburger Crémants zu werden... Der Tag bekam eine gewaltige Biegsamkeit, die Beine tanzten alleine, und Vassili küsste und umarmte seine Tatjana immer heftiger. Sie erwiderte seine Liebe mit langanhaltenden Küssen ...

Als auch das zweite Elbling-Tsunami die beiden Liebenden überspült hatte, war den beiden, als ob sie ein riesiges Strohlager bräuchten zum Ausruhen vor ihrem heldenhaften Sturm auf die nicht mehr vorhandene Bastille des anderen. Sie wankten an die Mosel und legten sich ans Ufer. Die Kälte machte ihnen schon lange nichts mehr. Schön war es hier, die Flussreiher und tutenden Frachter, der Rosenmontag, die sich verlaufende Menge, die zumeist im Gasthof oder dem Bürgersaal weiterfeierte ... die Hand des anderen umfassend... Als es zu kalt wurde, schlug Vassili vor, Tatjana solle zu ihm in den Panther kriechen. Tatjana konnte nicht mehr darüber nachdenken und sie wollte es auch schon lange nicht mehr. Sie verschwand hinter dem Reißverschluss, bis nichts mehr von ihr zu sehen war. Ob an diesem kalten, aber wohl glückseligen Abend noch irgend etwas Großes zwischen ihnen passierte und wo sie gelandet sind, wissen nur die Flussreiher, die mit klassischer Formation und heftigem Flügelschlag sehr dicht über dem Wasser an ihnen vorbeizogen...

Mittwoch, 7. März 2012

Irisch-zünftiger Freitagabend mit den Seldom Sober in der Stummschen Reithalle, Neunkirchen/Saar



Irish Folk hält, was er verspricht, auch wenn er von Nichtiren gespielt wird - wenn er gut gespielt wird. Und Seldom Sober spielt ihn klasse, eine saarländische Gruppe. Man merkt es nur, wenn sie ihren Dialekt sprechen oder Gälisch. Denn das lernt man auch mit einem Sommerkurs pro Jahr in Ireland in langer Zeit nicht so schnell ... Seldom Sober darf übrigens nicht verwechselt werden mit Seldom Sober Company, die auch Irish Folk spielen. Allerdings keine Saarländer!

Letzten Freitag, den 2. März '12, spielte Seldom Sober mit Dances, Tunes und Saufliedern auf und heizte dem Publikum in der gut erwärmten Halle schnell ein. Nicht nur die hart an der Hitze mit ein paar Schlückchen Bier arbeitenden und moderierenden Eva Edlinger, absolut überzeugender Gesang, und dominant durch Stimme und Gitarre Wolfgang Schuhmann, der seit 30 Jahren Irland besucht und liebt, auch eigene irische Songs schreibt, sondern auch die anderen Mitglieder der Band: der sehr virtuose Rudi Schömann mit Irish Flute, Querflöte, Wooden-Böhmflöte, Tin Whistle, Low Whistle und der schottischen Small-Pipe, die stilvoll bunt gestylte Regina Steffen mit ihrer noch zurückhaltenden stimmigen Mandoline und Stimme, außerdem aus St. Wendel Roland Schmitt mit Akustikgitarre (Akkordbegleitung und Akustikbass), Sven Biehl aus Püttlingen mit Cajon und Bodhrán, der für stimmungsvolle Percussion sorgte, und an der Fiddle ebenfalls sehr gekonnt Solveig, die Ulrich Leibrock bis Sommer ersetzt.
Irische Lieder besingen ja ganz oft die leidvolle Vergangenheit der Iren, die Not, das Auswandern, die Arbeitslosigkeit, der Kampf gegen die Krone. Es sind ihre Mythen und Realitäten, seit Jahrhunderten besungen. Das Repertoire an diesem Abend bestand aus großen, wohlklingenden irischen Liedern. Los ging's auch hier mit "O'Sullivan", einem Marsch aus County Clare, es folgte ein Lied über Fremdarbeiter in England von dem berühmten "Streets of London"-Ralph McTell, das "It's a long Way from Clare to here" hieß. Die irische Hungersnot im 19. Jahrhundert wurde in "Spancill Hill" besungen. Viele verdingten sich zur Arbeit in Übersee und fuhren auf den sogenannten Seelenverkäufern in die USA. Die Missernten und Hungersnöte forderten von den Iren 1 Mio Tote. Im Lied träumt ein Auswanderer in Kalifornien von der Heimat. Die "Lispelnde Fee" besuchte uns, bei der man nur einen Wunsch freihat, aber nicht immer erfüllt bekommt, "Seetang" wurde auf Gälisch kredenzt, das fast so klingt wie der Dialekt im saarländischen Wadrill, wie Roland Schmitt einwarf. In der "Rocky Road to Dublin" wird ein Landbewohner besungen, der nach Dublin will, bestohlen und betrogen wird, mit den Schweinen reisen muss, bis er ankommt. Große Romantik in "Die Hütte an Lough Tay", ein echter Meditationsort südlich von Dublin. (Ob es nur an der gigantischen Whiskeybar liegt?) In "The Star of County Down" bringt eine Wunderschöne den Wanderer dazu, alle Laster aufzugeben, Rauchen, Trinken, Spielen ... Sex wohl kaum. Ein Lied von den Dubliner's über eine Amazone hinterher. Mit drei schottischen Liedern und der Small-Pipe ging es mit den Frauen im Jacobitter-Zeitalter zum Schafott und fielen 3 trunkene Polizisten auf, die Streifenfahrt und der dritte die Sirene spielten.
Es folgten noch etliche gute Lieder an diesem langen Abend, davon seien das Liebeslied "Black is the Colour of my true Love's Hair" und die "Spanish Lady" von den Dubliners (durch eine Polka erweitert) genannt, die "Jacobites", ebenfalls aus dem Jacobitter-Zeitalter, wo es noch Männer gab wie im 13. Jahrhundert ... Braveheart, schwärmte Eva Edlinger.
Noch ein bisschen Tanz an diesem Abend und ein Fass Irish Lager und/oder Guiness, und die Irish Night wäre noch perfekter gewesen und hätte noch länger gedauert ...


Durchhänger wegen zu viel Social Media und Foren noch und nöcher?


Die Informationsflut durch Online-Netzwerke wie Facebook und Twitter kann Stress verursachen - darauf hat nun am Rande der Social Media Week in Hamburg auch ein Psychologe hingewiesen. Die Mailbox voll mit Benachrichtigungen, derer man sich kaum noch erwehren kann, und Hunderte nutzlose Aufrufe von Posts bis zum Abwinken, ein Arbeitstag gar nicht geeignet, aber mal mitgerechnet viel zu kurz, die Nacht sowieso. Kein Wunder, dass eine übertriebene Nutzung zu einem Erschöpfungssyndrom beitragen könne. Wie genau sich der Informationsstress durch Hunderte Tweets, Statusmeldungen und Kontaktanfragen auswirkt, sei bislang zwar noch nicht in Studien erforscht worden, aber wer es mal selbst ausprobiert, merkt gleich wie verführerisch das gerade auch für Jugendliche ist.
Die kommen gar nicht mehr weg vom Bildschirm und vergessen noch mehr als andere ihre eigentlichen Aufgaben, ihre Termine, ihre Familie ... Die Grenzziehung zwischen Privat- und Schulleben fällt immer schwerer, sie sind dauernd erreichbar, und auch noch mal mehr durch die Smartphones, überall und dauernd, beim Essen, im Zug, auf der Toilette, unter der Bank, im Pausenhof, im Bus, beim Sex, im Zimmer zu Hause, bei Freunden, in der Disco, während der Klassenarbeit (!) ... Der Kontrollverlust durch Zeitdruck und Hetze kann durchaus Erschöpfungen, Lethargie und Bewegungslosigkeit als Antwort hervorrufen.


Eltern und selbstbetroffene Erwachsene müssen sich gute Strategien überlegen, wie sie ihre Kinder und sich von dieser Radikalvereinnahmung befreien können.
Zieh den Stecker und vergrab dein Smartie!!

Dienstag, 6. März 2012

Buchbesprechung: (Militär-)Psychiatrie in den Weltkriegen


Krieg und Psychiatrie 1914-1950
Hg. von Babette Quinkert, Philipp Rauh, Ulrike Winkler
Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus, Bd. 26
(Herausgeberinnen u. Redaktion: Christoph Dieckmann u.a.), Göttingen 2010, 264 S., 3 Abb., brosch. 20,- € (D), Wallstein Verlag

Der Bericht über die psychische Verfassung und Versorgung vieler in Afghanistan statio­nierter Soldaten, den der damalige Wehrbeauftragte Reinhold Robbe Anfang 2010 vorgelegt hat, zeigte, dass psychische Störungen von Soldaten mitunter auch heute noch einem Tabu unterliegen.
Ihren Anfang findet die Militärpsychiatrie in Deutschland während des Ersten Weltkriegs. Kurz nach Beginn des Krieges sahen sich die Militärpsychiater mit einem bis dahin in dieser Form nicht bekannten Krankheitsbild konforntiert: Eine Vielzahl der Soldaten reagierte auf das Erlebte mit Lähmungen und dem sog. Kriegszittern. Die auftretenden psychischen Krankheiten wurden als Zeichen von Minderwertigkeit ab­getan und später sogar als genetische Mängel deklariert. Davon machten in der Folge die Nationalsozialisten für ihre perfiden Ideen Gebrauch. Die im WK I diagnostizierten und bekannt gewordenen Fälle wurden im WK II ermordet. 
Dieser Band schildert ausführlich und quellenbelegt die Entwicklung der Militärpsychiatrie mittels bis dahin unbekannter Patientenakten und ermöglicht damit neue Einblicke und neue Forschungsansätze für die Wissenschaft.
Viele Leser werden am eigenen Leib auch nach 1950 noch erfahren haben, wie vermeintliche psychische Probleme nicht hinterfragt schnell und schwer widerlegbar zum Anlass von gesellschaftlichen, sozialen, Arbeitsmarkt- und juristischen Ausgrenzungen verwendet werden. Das ist nicht nur an der afghanischen Front so, das kann auch in hiesigen Kasernen so sein. Man findet dies natürlich auch im Rahmen von Familienangelegenheiten. Sorge- und Umgangsrechte für viele Jahre aberkennen, ohne dass noch verifizierbare Gründe vorliegen. Eine (Falsch-)Aussage eines bestellten Gutachters und der Vorhang fällt. Glücklicherweise kann sich die deutsche Psychiatrie die begangenen Mordszenarien - wenn auch damals nur im Regierungsauftrag der Nazis - nicht mehr leisten, aber ein sozialer Tod oder eine haftähnliche soziale und weitergehende Ausgrenzung 
schreien  gerade bei unbegründeten Fällen nach wie vor nach Klärung und Gerechtigkeit.   


Leseprobe 1:
"»Was glauben die denn, wo wir hier sind? Bei einer Kaffeefahrt oder auf dem Ponyhof? Infanteristen sind in letzter Konsequenz dazu da, zu töten oder getötet zu werden.«(1)
Mit diesem Satz reagierte ein Hauptmann der Bundeswehr auf die Meldung, dass zwei seiner Soldaten aus psychischen Gründen aus Afghanistan nach Deutschland zurückgeführt werden müssten.(2) Die Haltung dieses Offiziers zeigt, dass psychische Störungen von Soldaten mitunter auch heute noch einem Tabu unterliegen. Dabei gehört das Erleben von psychisch belastenden Situationen in kriegerischen Auseinandersetzungen zum Alltag von Soldaten. Dass diese darauf mit seelischen Störungen reagieren, ist spätestens seit dem Ersten Weltkrieg bekannt.(3) Seitdem hat jeder Krieg eine ihm eigene Konstellation an psychischen Symptomen hervorgebracht.(4) Während die Militärpsychiater des Ersten und auch des Zweiten Weltkrieges mit dem Phänomen der »Kriegsneurose« konfrontiert wurden, ist seit 1980 (zunächst Bezug nehmend auf die Langzeitfolgen des Vietnamkrieges) von »posttraumatischen Belastungsstörungen« (PTBS) die Rede(5) - eine Diagnose, die durchaus auch kritisch diskutiert wird.(6)"


Leseprobe 2:

"DIE NATIONALSOZIALISTISCHE KRANKENMORDAKTION T4
Mit der Patientenzahl stiegen auch die Kosten enorm an. Aus Sicht der NS-Führung konnte dieser Anstieg nur durch eine Senkung des Pflegesatzes für jeden einzelnen Patienten gestoppt werden und der verordnete radikale Sparkurs sorgte umgehend dafür, dass in den psychiatrischen Einrichtungen Überbelegung, Personalknappheit und Mangelernährung den klinischen Alltag bestimmten.(33) Die Pflegesätze wurden nach und nach unter das Existenzminimum gesenkt, so dass am Vorabend des nationalsozialistischen Krankenmordes den schwächsten, unruhigsten und pflegebedürftigsten Menschen in den Anstalten die Lebensgrundlage bereits entzogen war.(34)
Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde die deutsche Psychiatrie zum Schauplatz eines bis zum heutigen Tage einzigartigen Krankenmordes. In den Heil- und Pflegeanstalten des deutschen Machtbereichs wurden — in verschiedenen Mordaktionen, von denen die so genannte Aktion T 4 die bekannteste ist — insgesamt etwa 300.000 Anstaltspatienten ermordet.(35) Im Sprachgebrauch der Täter wurden für diesen Massenmord die euphemistischen Begriffe »Euthanasie« oder »Gnadentod« verwendet.

Todesurteil per Meldebogen — Die Aktion

Im Juli 1939, also noch vor Beginn des Krieges, beschloss die NS-Führung Insassen von Heil- und Pflegeanstalten zu ermorden.(36) Mit der Durchführung betraute Hitler die Kanzlei des Führers, die die Planungszentrale für den Krankenmord in eine beschlagnahmte jüdische Villa in der Tiergartenstraße 4 (daraus entstand die Bezeichnung T4) verlegte. Im Oktober 1939 beauftragte Hitler Philipp Bouhler und Karl Brandt damit, »die Befugnisse namentlich zu bestimmender Ärzte so zu erweitern, daß nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranken bei kritischster Beurteilung ihres Gesundheitszustandes der Gnadentod gewährt werden kann.«(37) Diese »Führerermächtigung« wurde auf den i. September 1939, d.h. auf den Tag des Überfalls auf Polen, zurückdatiert.
Im Oktober begann auch die systematische Erfassung der Anstaltspatienten. Die Leiter der Heil- und Pflegeanstalten erhielten die schriftliche Aufforderung, mittels beigefügter Meldebogen bestimmte Anstaltspatienten der T4-Zentrale zu melden. Dieser Meldebogen war das zentrale Dokument der Selektion von Patienten für die »Euthanasie«, aus ihm lassen sich die Selektionskriterien der Aktion T4 ableiten. Die Fragen bezogen sich auf die dauernde Anstaltsbedürftigkeit bzw. Unheilbarkeit des Patienten, seine Therapiefähigkeit, sein Verhalten, seine Arbeitsfähigkeit, die »Erblichkeit« seiner Erkrankung sowie seinen Familienanschluss. Die Meldebogen wurden im Laufe der Aktion T4 mehrmals modifiziert, wobei das Kriterium der Arbeitsfähigkeit des Patienten einen immer größeren Raum einnahm.(38)
Die ausgefüllten Meldebogen wurden an so genannte T4-Gutachter - beinahe ausschließlich renommierte Universitäts- bzw. Anstaltspsychiater — weitergeleitet, die dann allein auf dieser Grundlage über Leben oder Tod der betreffenden Kranken entschieden. Dabei waren Heilbarkeitsprognose, Pflegeaufwand und Verhalten wichtige Kriterien, doch entscheidende Bedeutung gewann die Frage der Arbeitsleistung des Anstaltsinsassen. Wurde der Patient im Meldebogen als produktiver Arbeiter beschrieben, hatte er mit Abstand die größten Chancen, die Aktion T4 zu überleben.(39) Die als »lebensunwert« eingestuften Patienten wurden kurze Zeit nach der Begutachtung in so genannte Tötungsanstalten abtransportiert und dort vergast. Bis zum vorläufigen »Euthanasie«-Stopp im August 1941 kamen auf diese Weise über 70.000 geistig behinderte und psychisch kranke Menschen ums Leben.
Der offizielle Abbruch der Aktion T4 bedeutete jedoch nicht das Ende der Mordaktionen an geistig Behinderten und psychisch Kranken. Es begann eine als dezentral zu bezeichnende Phase der Krankenmorde: Bis Kriegsende starben im Reichsgebiet Anstaltspatienten in verstärktem Maße durch Medikamente und Hunger.(40) Auch die Anstaltspatienten in den von Deutschland besetzten Gebieten waren bedroht: So erschossen oder vergasten zum Beispiel Wehrmacht und SS in den ab Sommer 1941 eroberten Gebieten der Sowjetunion tausende von Patienten aus Heil- und Pflegeanstalten.(41)"

Die Herausgeber
Babette Quinkert, geb. 1963, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutsch-Russischen Muse­um in Berlin-Karlshorst. Veröffentlichungen u.a.: Propaganda und Terror in Weißrussland 1941-1944. (2009).
Philipp Rauh, geb. 1976, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ethik und Geschichte der Medizin in Erlangen. Seit 2006 Mitarbeit am DFG-Projekt »Krieg und medikale Kultur. Patientenschicksale im Zeitalter der Weltkriege«.
Ulrike Winkler, geb. 1966, selbstständige Politikwissenschaftlerin, zahlreiche Veröffentli­chungen zur Diakonie-, Sozial- und Zeitgeschichte.


Montag, 5. März 2012

10. März 2012: Lesung von Patrick Roth in Zürich


Am 10. März 2012 liest Patrick Roth aus

SUNRISE. Das Buch Joseph 


im Psychologischen Club Zürich, Gemeindestr. 27, Zürich, Schweiz

Beginn: 19.30 Uhr
Einführung: PD Dr. Michaela Kopp-Marx, Universität Heidelberg

In der Literatur der Gegenwart hat Patrick Roths Schreiben den Ruf des Besonderen. Etwas Fremdes und zugleich Faszinierendes geht von den Geschichten aus, die lang nachhallen, zu denken geben, Vergessenes wach werden lassen. Die besondere Fähigkeit, innere Prozesse im Leser anzustoßen, beruht im Kern auf der Numinosität des Stoffs, der sich in den Erzählungen und Romanen Ausdruck verschafft. Schreiben ist Totensuche, heisst es in den Frankfurter Poetikvorlesungen (2002), die sich an den Mythos von Orpheus anlehnen. Patrick Roth erläutert darin, wie er in den eigenen Träumen das Material für seine künstlerische Arbeit findet, wie er es in einem zweiten Schritt anreichert und schließlich nach seinem möglichen Sinn befragt. Schreiben ist mithin ein Prozess des Über-Setzens: Man geht den Weg hin und her, sucht den inneren Bildern und Prozessen mit den Mitteln der Poesie Ausdruck zu verleihen. In den Heidelberger Vorlesungen (2005) findet sich das Bild vom Alchemisten: Das alchemistische Opus am Gefäß und die schriftstellerische Arbeit am Buch ähneln sich im Bestreben, die Gegensätze zusammenzuführen. SUNRISE. Das Buch Joseph spielt im Jahr 70 n. Chr. während der Belagerung Jerusalems durch die Römer. Sein Bogen spannt sich zurück in die Zeit vor Jesu Geburt: Im Mittelpunkt der Ereignisse steht Joseph, der Mann der Maria, von dem die Evangelien berichten, dass er Träumen gehorchte, als er Frau und Kind annahm. Ihm entwirft der Roman ein Leben voller Spannungen, ein Drama zwischen Mensch und Gott. 

 "SUNRISE. Das Buch Joseph" ist seit 1. März 2012 auf dem Markt (Wallstein-Verlag). 

 Die Veranstaltung wird nicht öffentlich angekündigt und beworben. Interessierte sind herzlich willkommen.

(1) Und wenn sie nicht gestorben sind ... Ein Comedy-Märchen von Siglinde Goertz

... leben sie glücklich und zufrieden... oder?


Ach nee, das Märchenland ist auch nicht mehr das, was es mal war!
„Die olle Memme“, regte Prinzessin Eulalia sich auf. „Nicht mal mehr in den Keller traut er sich. Was ist nur aus dem Kerl geworden, der mit Totenköpfen kegelte und vor nix Angst hatte?“
„Tja“, meinte Schneewittchen und nahm einen Schluck aus ihrer Kaffeetasse, „vielleicht sollte er mal wieder in die Welt hinausziehen. Dieses Mal um das Fürchten zu verlernen“.
Eulalia seufzte. Hätte sie doch damals nicht den Eimer mit den Fischen über ihm ausgekippt. Seitdem war der Mann nur noch ein Nervenbündel. Und sie selbst auch! Sein feiges Gejammer ging ihr aber so was von auf die Eierstöcke.. War es da ein Wunder, dass sie sich heimlich mit dem starken Hans tröstete? Das war wenigstens noch ein Kerl nach ihrem Geschmack. Kein kleines Mädchen, als Mann verkleidet. Zwar nicht besonders helle, aber dafür hatte er andere Qualitäten. Und dumm ... Na, man kennt ja den Spruch!
Sie schaute ihre Freundinnen, Aschenputtel und Schneewittchen, an und verdrehte die Augen. Richtig glücklich sahen die beiden auch nicht aus! Wobei Aschenputtel sich ja eigentlich gar nicht beklagen konnte. Ja gut, sie hatte jetzt ein wenig Ärger, weil Stiefmutter und -schwestern sie auf Unterhalt verklagen wollten. Eine Frechheit! Sollten sie doch Hartz IV beantragen, mussten andere ja auch. Aber Rumpelstilzchen, Aschis Anwalt, hatte sie schon beruhigt. Sie würde nichts zahlen müssen. Schließlich war sie mit denen ja nicht verwandt! Wobei ... Ob man diesem Anwalt trauen konnte? So ganz astrein war der auch nicht. Was der damals mit der Tochter vom Müller abgezogen hatte, war nicht unbedingt die feine Art. Und seine Wutausbrüche waren berüchtigt. Eulalia zuckte mit den Schultern. Konnte ihr ja wurscht sein. Das war Aschis Problem.


Schwieriger lag der Fall bei Schneewittchen. Die Ärmste sah total verheult aus. Nix mehr mit weiß wie Schnee, rot wie Blut und schwarz wie Ebenholz. Wenigstens nicht mehr in der ursprünglich gemeinten Reihenfolge. Weiß waren jetzt die Haare, rot leuchteten die geplatzten Äderchen im Gesicht und schwarz wie Ebenholz waren höchstens noch die Ringe unter ihren Augen. Innerlich schüttelte Eulalia den Kopf. Jeder hier wusste, dass die Gute gern mal ein bisschen zu tief ins Glas schaute. Dabei war ihre Leber durch den vergifteten Apfel schon geschädigt. Andererseits ... Sie hatte auch ganz schön was auszuhalten, mit ihrem Gemahl. Jeden Tag die gleichen Fragen: „Was war mit den 7 Zwergen? Hast du mit allen ...? Waren sie besser als ich? Waren wohl richtige Orgien?... Nun gib es doch schon endlich zu ...“ Bei so viel Eifersucht konnte Frau schon das Saufen anfangen.
Ja, als die alte Hexe noch lebte, da war vieles einfacher. Wenn man ein Problem hatte, ging man einfach zu ihrem Knusperhäuschen und sie mixte einem dann ein Elixier aus irgendwelchen Pülverchen und Zaubersprüchen zusammen. Das nahm man ein paar Tage (oder mischte es jemandem ins Essen, je nachdem) und schon sah die Welt wieder besser aus. Aber leider lebte sie ja nicht mehr. Brutal ermordet von zwei „natural born killers“ namens Hänsel und Gretel. Das muss man sich mal vorstellen! Da schubst dieses Mädel die alte Frau in den Backofen. Und wird nicht mal bestraft! Im Gegenteil ... Nicht zu fassen. Angeblich soll sie eine Kannibalin gewesen sein. Gretel hatte behauptet, die Hexe hätte ihren Bruder fressen wollen.
Mädel, Mädel ... da haste aber was gründlich missverstanden. VERNASCHEN wollte sie ihn, nicht fressen, VERNASCHEN! Das ist etwas völlig anderes, als das, was du gedacht hast. Die Alte stand nun mal auf pubertierende Jünglinge. Und ein fesches Kerlchen war er ja, der Hänsel. Aber mit seinen 17 Jahren viel zu jung für die Schreckschraube. Die hatte ja schon mindestens 105 Jahre auf dem krummen Buckel. Aber immer noch spitz wie Nachbars Lumpi!


Eulalia grinste in sich hinein. Trieb sich schon eine Menge schräges Volk hier rum. Wenn sie da nur an Karlchen Legerfald dachte, das mickrige Schneiderlein. Sie könnte sich wegschreien, wenn er mit seinem Fächer wedelte und davon erzählte, dass er sieben auf einen Streich erledigt hätte. Dabei hatte seine Frau ihr mal anvertraut, dass er sich im Traum verraten hatte. Von wegen Riesen - sieben Fliegen hatte er erschlagen, der große Held! Typisch Mann, macht aus jeder Mücke einen Elefanten!
Oder Hans im Glück ... der Dummdödel. Kriegt einen Batzen Gold und verzockt alles. Da war ihr feiger Ehemann ja noch das kleinste Übel. Und der Gute hatte sich inzwischen auch in psychologische Behandlung begeben. Vielleicht würde es ja sogar helfen. Doktor Allwissend galt immerhin als Koryphäe auf diesem Gebiet. Na, mal sehen.
Eulalia trank den letzten Schluck Kaffee und erhob sich. „Kinders, ich muss los! Ich hab noch einen Friseurtermin, den darf ich nicht verpassen. Ihr wisst ja, wie schwierig es ist, bei Rapunzel dranzukommen. Und vorher muss ich noch Rotkäppchen bei der Oma abholen.“
Sprach’s – und zog von dannen. Froh, endlich entronnen zu sein. Nee, was waren die beiden langweilig geworden! Da war es ja noch unterhaltsamer, Dornröschen zu besuchen, die alte Trantüte! Hundert Jahre gepennt – und immer noch ein Temperament wie eine Schlaftablette! Und das nennt sich dann Märchenland!
Dornröschen's Mann meinte inzwischen auch, dass er sich das Wachküssen hätte sparen können. Merkte eh keiner den Unterschied! Dafür vertrieb er sich die Langeweile mit Jorinde und Joringel! Was für Namen! Waren das Kinder von Filmstars? Eulalia konnte sich nie merken, wer von beiden Männchen und wer Weibchen war. Dornröschens Gemahl war das allerdings schnuppe. Der fuhr auf beides ab. Neuerdings munkelte man aber, dass er eine heftige Affäre mit König Drosselbart habe.


Sie seufzte tief und schaute auf die Uhr. Ach was! Rotkäppchen konnte heut den ganzen Tag bei der Oma bleiben. Und auf Haareschneiden hatte sie auch keinen Bock. Sie würde sich jetzt vom Eisernen Heinrich zum Starken Hans fahren lassen. Dort würden sie die neueste CD von den "Bremer Stadtmusikanten" auflegen, am Tischlein deck dich was Leckeres essen -


- und dann den Knüppel aus dem Sack lassen!

Sonntag, 4. März 2012

Harry Rowohlt in Neunkirchen/Saar


Foto: © Martin Kunze

Harry Rowohlt liest und erzählt am Sonntag, den 04.03.2012, 20.00 Uhr - Stummsche Reithalle
AUSVERKAUFT!Harry Rowohlt ist der ungekrönte König der Vorleser, der Erzähler, der Wortzauberer. Ein Abend mit Rowohlt ist nicht nur eine Lesung, sondern ein brillantes Feuerwerk aus Kolumnen, Briefen, Vierzeilern, Kommentaren, Übersetzungen, Exkursen und Dialogen mit dem Publikum. Harry Rowohlt hat die Abschweifung zur Kunstform entwickelt, und immer, wenn er über seine Brillengläser hinweg ins Publikum schaut und sagt: „Da fällt mir ein...“, dann kann man sich schon mal auf eine Anekdote mit einer geschliffen formulierten Pointe freuen. Der Übersetzer, Vorlesekünstler, Kolumnist und Gelegenheits-Schauspieler der „Lindenstraße“ besitzt neben seiner grandiosen Bühnenpräsenz einen Brummbass, der sich sofort in die Gehörgänge schmeichelt – ein Naturereignis.

Buchvorstellung: Der Fluch des Ahnen


Bernward Mankau
Der Fluch des Ahnen
Wiesenburg Verlag, 1 Aufl. Juni 2011
16,80 € (D) / 17,30 € (A), Hardcover, 196 Seiten


Uffing am Staffelsee/Indonesien. – Um den Diebstahl einer Ahnenfigur auf der indonesischen Insel Sulawesi geht es in dem spannenden Roman „Der Fluch des Ahnen“. Autor Bernward Mankau  bringt als ehemaliger Missionar und Buschpilot kenntnisreich und gekonnt unterschiedliche Kulturen und Charaktere zusammen und macht ganz nebenbei auf die Tragik des gedankenlosen Diebstahls von Kulturgütern aufmerksam.

Die Handlung
Jan Djonie, ein reicher Geschäftsmann aus Jakarta, kehrt zurück in seine Heimat Sulawesi, um die traditionellen Rituale am Felsengrab des Großvaters zu erfüllen. Als plötzlich die Ahnenfigur, der geschnitzte Seelenbehälter, verschwindet, macht sich Angst vor dem Fluch des verstorbenen Ahnen breit, der für das Dorf eine große Bedeutung hatte. Verzweifelt heftet sich der Mann aus den Bergen an die Fersen der Diebe. Die Jagd über das Meer wirft ihn auf sich selbst zurück, und zunehmend wird er sich dabei auch wieder seiner familiären Wurzeln bewusst. Auch die Diebe merken erst langsam, auf was sie sich eigentlich eingelassen haben …

Fiktion und Wirklichkeit
„Natürlich ist der Roman Fiktion, doch alle Orte habe er selbst erlebt“, erzählt Bernward Mankau. „Und auch der gedankenlose Diebstahl von Kulturgütern in der ganzen Welt sei leider keine Erfindung von ihm.“ Mit seinem Buch möchte er unter anderem darauf aufmerksam machen, „welche Schmerzen die Betroffenen beziehungsweise Bestohlenen dabei empfinden“. Die Toradja in Sulawesi, die für ihre verstorbenen Ahnen solche Kunstwerke schaffen, sind hierfür nur ein Beispiel. „Er habe die Abbilder der Toten an den Felswänden gesehen und wäre tief beeindruckt gewesen.“
Auch für die „Bösewichte“ hatte der Autor ein reales Vorbild: Im abgelegenen Osten von Sulawesi begegnete Mankau vor Jahren zwei Motorradfahrern aus Alaska und verband ihnen die Wunden, die sie sich bei einem Unfall zugezogen hatten. Beide wohnten –zusammen mit Mankau – in einem heruntergekommenen Hotel und  hatten ihre Mischlingssöhne im Schlepptau, von denen der eine gerade mal drei Jahre alt war. Diese nicht sehr vertrauenerweckenden Abenteurer hinterließen bei Bernward Mankau einen bleibenden Eindruck; ihre fiktiven Spiegelbilder spielen im Roman eine zentrale Rolle.
Die Verfolgungsjagd geht von Makassar (Sulawesi) nach Sumbawa (Bima u.a.) und zu verschiedenen kleinen Inseln nach Westflores. Das winzige Felseneiland Batu balong westlich von Flores, in der Nähe von Komodo, wo das Drama seinen Höhepunkt erreicht, kennt Mankau vom Tauchen.

Die Bedeutung der Ahnen
Bei allen so genannten Naturvölkern spielt der Ahnenkult eine große Rolle. Im Bewusstsein der Familien leben die Ahnen weiter, man begegnet ihnen in Träumen, und sie haben weiter Einfluss auf das Leben der Nachgeborenen. Werden bei der Beisetzung die vorgeschriebenen Opfer nicht erbracht oder die tradierten Kulthandlungen nicht ordnungsgemäß vollzogen, kann dies große Ängste auslösen – bis hin zum Tod involvierter Familienmitglieder. Die Nachfahren haben erst Ruhe, wenn die Toten die Schwelle zum Totenreich überschritten haben. Wann das ist, erfahren sie oft im Traum. Der Tod wird bei vielen Völkern als Höhepunkt des Lebens empfunden.

Der Autor: Globetrotter und Indonesien-Kenner
Bernward Mankau, der Indonesien viele Male bereiste, machte Abitur am Gymnasium Josephinum in Hildesheim und war nach dem Studium der Philosophie und Theologie Missionar und Buschpilot am Kongo. Mit dieser Zeit setzt sich sein Roman „Sehnsucht nach Kipalanga“ auseinander. Nach der Zeit in Afrika war er Leiter des Bildungszentrums Murnau am Staffelsee.


Samstag, 3. März 2012

Für sie besucht: Das legendäre "Haus am See", das eng mit Henry Fondas Tod in Verbindung steht, in Neunkirchen/Saar

Manchmal ist der beste Weg nach vorne der zurück in die Kindheitstage. Ob das die eigene Geschichte betrifft oder die einer Familienbeziehung, einer Partnerschaft …, im Vergangenen ruhen oft viele schöne Szenen des Glücks, der Einheit, des positiven Lebensgefühls und der Unfrustriertheit. Was keine Regel darstellen soll, denn in anderen Fällen liegt das Glück im Heute und Morgen, niemals aber im Gestern.
In Ernest Thompsons Theaterstück „Haus am See“ (Uraufführung 1979 am Broadway) wird das back to the roots, Neuanfang und Lösung des Generationenkonflikts zitiert und bemüht. Beim Gastspiel des Theaters aus Kempf im Bürgersaal Neunkirchen/Saar am Schalttag 29. Februar 2012 spielten Volker Brandt, Viktoria Brams und Susanne Meikl die Familie Thayer, die ihre Konflikte der Vergangenheit und Zukunftsgestaltung in einem entscheidenden der vielen Sommer im Ferienhaus am See bearbeiten und lösen. Die Tochter Chelsea kündigt sich mit ihrem neuen Mann Bill und dessen Sohn Billy zum Geburtstag Normans an. Der Alltagstrott kommt durcheinander und mischt die Karten neu. Das Stück kommt etwas langweilig in Fahrt, aber nach 10 Minuten greift der Wortwitz Normans, auch Ethel gewinnt an Fahrt, die anfangs gegen ihn zu bescheiden und blass wirkt, und wird zur agilen Tatkräftigen. Volker Brandt und Viktoria Brams ein ganz authentisches Ehepaar Norman und Ethel Thayer. Sehr überzeugend auch Susanne Meikl - Bill und Billy leisten ebenso gute Arbeit.
Die Handlung:
Das Ehepaar Norman und Ethel Thayer hat eine lange Strecke Ehe zurückgelegt, ist saturiert und voll im Alltagsehetrott. Norman ist pensionierter Literaturprofessor der Universität Pennsylvania, mit beginnender (frühzeitiger) Alterssenilität, sprich: Demenz, der völlig larmoyant und latent depressiv seinen Tod imaginiert, das Ende in allen Varianten reflektiert. Er weiß, dass er seines Gedächtnisses verlustig gehen, dass der Alltag schlimm sein wird. Er möchte nicht überflüssig, alt und abgestellt sein, deswegen studiert er die Stellenanzeigen und prüft jede Betätigung, die in Frage kommen könnte: Zeitungen austragen, Betreuer für Senioren und Jugendliche undundund, alles nur nichts mehr in seinem Beruf, den er nicht mehr gut ausüben kann – wegen des Gedächtnisverlustes. Er hat keine sonderliche Lebenslust mehr, lässt die kaputte Fliegentür kaputt sein, obwohl Tausende von Fliegen dieses Jahr wieder unterwegs sind, hockt im Haus und kann sich an seinem Seeparadies – ganz im Gegensatz zu seiner viel aktiveren und genussfähigen Ehefrau - schon lange nicht mehr erfreuen. Dennoch ist er der intelligente, schlagfertige und eloquente Mensch geblieben, der er schon immer war. Als sich Tochter Chelsea (42) mit Anhang zu Normans Geburtstag ankündigt, ist das zunächst eine Belastung, die das Zurückgezogensein stört. Als sie aber alle da sind und der Sohn des Freundes Bill die Opa- und Vaterseite in Normans Wesen anspricht, entwickelt sich alles anders. Eine große Wendung tritt ein.


Thompson hat sein Theaterstück klassisch aufgebaut, die Pyramidenstruktur des historischen Dramas in fünf Akten mit unveränderter Illusionsbühne und einem einzigen Schauplatz komplett übernommen, aber schelmisch aus dieser Dramenstruktur eine Komödie gemacht. Selbst das tragische Ende findet nicht statt, sondern ein Ausweg in die Schönheit der untergehenden Sonne. Mit einem stark an John Irving oder andere große, sehr befähigte und unnachahmliche angelsächsische Schriftsteller erinnernden Wortwitz sorgt Norman bis zum Ende gewollt/ungewollt für Turbulenzen, und weil er anders ist als die anderen, darf er das sagen, was normalerweise nicht geäußert wird. Die Aktwechsel wurden mit der ansprechenden und kritischen Musik von Neil Young aus den 70ern unterlegt.
In Akt 1 startet das Stück mit der Exposition, Situationsklärung und Beschreibung der Demenz, u.a. durch ein lustig erscheinendes Telefonat mit der Auskunft. Norman ist der Meinung, die Auskunft hätte ihn angerufen. Das Alter und die Interpretation durch die Eheleute erfährt in einem witzigen Dialog eine Klärung. Ethel ist der Meinung im mittleren Alter zu sein, er korrigiert: „Nein, die Menschen werden doch nicht 150 Jahre, du bist alt, ich aber steinalt.“ Man muss nicht rechnen, um auf die 75 Lenze der beiden zu kommen.
Das Thema läuft weiter in Akt 2, die Steigerung kommt hinzu: Norman fühlt sich überflüssig, fühlt sich wie 108: „Was fängt man nur mit einem alten Kauz wie mir an? Ich habe nicht die leiseste Ahnung.“ Er lebe nur noch auf Abruf, Zeitungslesen sei sein einziger Kontakt zur Realität. Die Vergesslichkeit erneut... Postbote Charly kommt mal wieder mit seinem Boot vorbei und erkundigt sich nach Chelsea und ihrem Alter: „Da müssen Sie ihre Mutter fragen...“ Chelsea kündigt sich mit Begleitung an, Billy soll in den Ferien im Ferienhaus bleiben.
Als in Akt 3 Billy mit gerade 15 auftritt, Rucksack, Kopfhörer, viel zu weite Bermudas und laut, ändert sich alles. Norman erkennt die völlig andere Welt der Jugendlichen wieder. Er ist über die Verrohung und Kulturlosigkeit entsetzt und beauftragt ihn sofort, das erste Kapitel der „Schatzinsel“ zu lesen und am nächsten Morgen Bericht zu erstatten. Mit Chelseas Mann, der ihn überanständig fragt, ob er mit seiner Tochter in einem Bett schlafen dürfe, redet er unverblümt über Sex mit, gar gleich Missbrauch seiner Tochter und bietet den Platz vorm Kamin für Sex an, sodass der liebe Zahnarzt Bill Ray sich ziemlich veräppelt fühlt und sich das verbittet.
Die Ferien gehen weiter, in Akt 4 dann schon ein verwandelter Norman, der Steg und die Fliegentür repariert, Norman verwechselt Billy immerzu mit Chelsea. Der alte Vater-Tocher-Konflikt wie auch ihre emotionale Beziehung wird auf den Jungen übertragen und abgearbeitet. Die beiden gehen angeln, der Junge lernt Französisch, hat Marcel Prousts: „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ kennengelernt. Chelsea taucht auf, um ihren Eltern ihre in der Zwischenzeit erfolgte Eheschließung mitzuteilen, beschimpft in einem Gespräch ihren Vater verärgert als „Der alte Scheißkerl“ und wird dafür von ihrer Mutter geohrfeigt. Die Klärung setzt sich fort, die Tochter sucht das Gespräch mit ihrem Vater und kann auch viel klären - immer hatte sie das Gefühl, ihm nicht genügen zu können. Norman findet die neue Ehe sehr gut, denn dadurch bleibt ihm Billy erhalten. Mit dem Postboten Charly werden von Mutter und Tochter alte Zeiten voller Tollereien heraufbeschworen: „Wir sind die Mädchen vom Goldenen See ...“
Im letzten Akt wird die Szenerie wieder für den Winter eingemottet und abgebaut, das Saisonende ist da. Der neue Schwiegersohn ruft an und lädt zu einem längeren Besuch in Kalifornien ein, Chelsea erklärt ihrem Vater ihre Liebe am Telefon, und Billy findet es obercool, wenn sein „Opa“ kommt. Hier lässt Thompson Norman geschickt in einen fingierten Herzinfarkt fallen, ruft kurz eine Reminiszenz an das klassische Drama hervor, sabotiert die Tragik jedoch wieder, da der Infarkt einzig dazu dient, dass auch Ethel ihrem Mann ihre Liebe erklärt und sie erneuert. Norman freut sich jetzt nach langer Zeit wieder über die Eistaucher am See, deren Liebesspiel und -gesang seine Frau schon zu Beginn der Ferien in Aufregung versetzten. Norman und Ethel, die Familie neu geeint, wenden sich ihrem Lebensende zu. Happy End ...




Ernest Thompson (* 6. November 1949 in Bellows Falls, Vermont) ist ein US-amerikanischer Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor, der für das Drehbuch zu "Am goldenen See" (1981) den Oscar für das beste adaptierte Drehbuch, den Golden Globe Award für das beste Filmdrehbuch sowie den Preis der Writers Guild of America (WGA Award) für das beste adaptierte Drehbuch gewann und außerdem 1983 für einen British Academy Film Award (BAFTA Film Award) für das beste Drehbuch nominiert war. Er ist Eigentümer eines Theaters in Kittery und ist auch als Regisseur tätig.

"Am goldenen See" war der letzte Kinofilm von Henry Fonda und gleichzeitig der erste Film, den er gemeinsam mit seiner Tochter Jane gedreht hatte. Der Film wurde am Squam Lake in New Hampshire gedreht. Der unvergleichliche und einmalige Henry Fonda starb im Sommer nach den Dreharbeiten. 

Freitag, 2. März 2012

Tageshinweis: Frauenchor mal anders und Irish Folk

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Heute und morgen,
Freitag, den 2. März, in der Stadthalle in Birkenfeld und am Samstag, den 3. März, in der Göttenbach-Aula Idar-Oberstein.

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HEUTE um 20.30 Uhr in Neunkirchen/Saar, Stummsche Reithalle 
spielt außerdem Seldom Sober "Irish folk an' so much 
more..." 

Donnerstag, 1. März 2012

Für Sie besucht: „Pasión de Buena Vista“ in Neunkirchen/Saar


Am Sonntagabend, 26. Februar, hat der Neunkirchener Kulturverein den Bürgersaal mal wieder voll ausgelastet. Über 500 Besucher erlebten die heißen Rhythmen, unverwechselbaren Stimmen und atemberaubenden Tanzchoreographien von „Pasión de Buena Vista“. 21 Künstler in insgesamt 120 Kostümen bieten hier vor einem tollen Bühnenbild (eine Impression aus einer kubanischen Stadt) mit perfekter Lightshow eine Show voll mit pulsierender Musik, heißer Erotik, anspruchsvollem Tanz und authentischer Dynamik aus der Karibik.
Kuba ist ein armes Land, es ist in keinem guten Zustand, seine Bewohner auch nicht, Zensur, Arbeitslosigkeit, Armut überall. Dennoch ist die kubanische Lebensfreude fast unvergleichlich. Mit ihrer Musik, ihrem Rum und ihrem Lebenswillen wird alles erträglich und mit stolzer Haltung präsentieren sie uns die Kunst des Lebens als Leidenschaft.

„Pasión de Buena Vista“ ist eine Erfolgsgeschichte.
Millionen Zuschauer erlebten einen Ausschnitt des Programms im Juni 2009 über Deutschlands Straßenleerer Nr. 1 "Wetten, dass...? auf Mallorca. Hinzu kamen über 250.000 begeisterte Besucher in über 25 Ländern mit über 150 Shows. Selbst in Ramstein-Miesenbach wurde die Show wenige Tage davor gezeigt.
Wichtig für ihren Erfolg ist „La Idea“, eine zehnköpfige Band bekannter kubanischer Musiker und ein Backgroundsänger-Trio, das bei der Moderation und eigenen Gesangseinlagen immer wieder nach vorne tritt. Außerdem der 76-jährige Pachin Inocencio, die stimmgewaltige Mariela Stiven sowie Senior Dariel Lopez.
Pachin Inocencio musiziert bereits seit seinem 13. Lebensjahr mit dem Son-Musiker und Grammy Award-Preisträger Ibrahim Ferrer, eine Legende auf der karibischen Insel. Alle drei sind Stars auf Cuba und mittlerweile auch bekannt durch ihre Mitarbeit in Wim Wenders Film "Buena Vista Social Club" aus dem Jahr 1999.
Dariel Lopez begann ebenfalls früh, mit 16 Jahren, zu singen, erhielt zahlreiche Nachwuchspreise und ist durch seine „La vida es un carneval“-Darbietung beim „Wetten, dass…?“-Auftritt aus Palma de Mallorca bekannt. Und wichtig sind auf gleicher Ebene die durchtrainierten, flexiblen und ausdauernden drei Tänzerinnen und drei Tänzer, die in bunten Kostümen den Wirbel auf der Bühne erst richtig verursachen.

Die Show begann mit einem Bekenntnis zu Buena Vista, "... our life ...", führte gleich den Special Guest Inocencio aus dem Social Club mit einer Gesangseinlage ein und ging zum weltberühmten "Guantanamera", in weißen Anzügen mit roten Scherpen und roten Blüten im Haar getanzt, über. Es folgte Mariela Stiven und Salsa getanzt in ansprechendem Grün-Weiß-Schwarz. Victor Antonez präsentierte ein Lied im Cha-Cha-Cha-Rhythmus und es folgte "Days of Salsa" getanzt. Einprägsam entwickelte sich das Muster erst ein gesungenes Lied, dann ein Tanz im selben Rhythmus. Wir erlebten Salsa und Bongos, mit atemberaubend schnellem Trommelrhythmus, einen Tanz in edlem Schwarz mit Silberaufnähern, einen mit fast brasilianisch bunten Karnevalskostümen. Die beiden Son-Veteranen sangen ein Lied über die Leidenschaft, es folgte der Moderator mit "Que sera" und einem Saxofonsolo. Dann wieder die Senioren mit Mariela Stiven. In einer 10-minütigen Aktion wurden zur Steigerung rund 20 Zuschauer auf die Bühne geholt und zum Mittanzen aufgefordert. Mit den Senioren und Mariela ging es weiter, es kam eine große Karnevalseinlage "La Vida" hinzu, und ganz aufreizend, eine kleine discoähnliche Karnevalseinlage. Über einen beeindruckenden Step-Klepper-Tanz ging es über in Samba bis zum Ende. 2 Stunden Programm ohne Kurzweil, obwohl man manchmal die hohe Routine und Reibungslosigkeit im Ablauf schon ordentlich spürte ... 

Musikkunde:
Heute in aller Welt bekannte Musikstile wie Rumba, Mambo, Cha-Cha-Cha und Salsa haben ihren Ursprung in vier Grundelementen. Außer Klanghölzern und Trommeln finden sich hier keine weiteren Instrumente. Unter Zugabe von melodischen Instrumenten entwickelte sich die heute kommerzialisierte Form des Rumba sowie weitere Modetänze wie der Mambo. Aus dem „Son“, der an einem Wechselgesang zwischen Sänger und Chor zu erkennen ist, entwickelte sich der heutige Salsa. Der „Danzon“ wurde lange Zeit von der Oberschicht nicht akzeptiert, ist heute jedoch der beliebteste Tanz in Cuba. Aus ihm entwickelte sich der Cha-Cha-Cha. Bei dem „Trova“ sangen reisende Sänger traurige und schöne Balladen. Die Texte wurden in der Zeit der Revolution thematisch verändert und als Propaganda gebraucht. Später fanden die Musiker wieder zu ihren ursprünglichen Themen zurück. Das, was Cuba-Reisende heute als kubanische Musik wahrnehmen, ist also eine Synthese afrikanischer Perkussion und Rhythmen mit spanischen Coplas und ihrer Instrumentierung. Der Son ist dabei eindeutig der Publikumsliebling. "Erfunden" wurde er von den Zuckerarbeitern in Santiago in den 20er Jahren. Anfangs war er ein Stück für 3 Personen, begleitet von der spanischen und lateinamerikanischen (drei Doppelsaiten) Gitarre. Claves und Maracas bildeten den Rhythmus. Erst mit der rasanten Verbreitung des Sons kamen auch mehr Instrumente hinzu: der Holzbass, Bongos, die Marimbula (Resonanzkörper mit Metall-Lamellen) und in den 40er und 50er Jahren Trompeten aus der amerikanischen Bigband-Tradition. So entsteht ein komplexes, polyrhythmisches Klanggebilde, das sich für europäische Ohren zuerst wie ein heilloses Durcheinander anhört, später aber fasziniert und den Hörer in seinen Bann zieht.

Dichterhain multimedial: Cocktailparty von Anner Griem