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Donnerstag, 17. Oktober 2013

Auszug aus: 7 Männer für Emma von Jo Berger

Wer sieben gute Bücher hat,
braucht keine Menschen mehr.
Börries Freiherr von Münchausen (1874-1945)


Ich hätt´ gern sieben Männer,
dann bräucht ich keine Bücher mehr.

Emmas Leben läuft aus dem Ruder. Insbesondere die Sache mit der Liebe bereitet ihr schlaflose Nächte. Nach der Trennung von einem unerträglichen Perfektionisten muss die junge Frau nicht nur ihre Frustpfunde auf den Hüften loswerden, sondern in erster Linie das Vertrauen die Männerwelt und - vor allen Dingen - in sich selbst wiedererlangen. Doch das starke Geschlecht macht es Emma nicht leicht. Tritt es nun in Form von diversen Schönlingen auf, als steife Vorgesetzte im Büro oder als herzlose Automechaniker.
Wie gut, dass es beste Freundinnen und Weinschorle gibt.



Denkmal unter der Dusche (aus: 7 Männer für Emma, Jo Berger)

Wer behauptet, Autofahren macht keinen Spaß, lügt. Täglich fuhr ich mit Leidenschaft eine halbe Stunde einfache Strecke ins Büro und wieder zurück. Auf der Autobahn. Dort nämlich, besonders im Sommer, wenn sich Stoßstange an Stoßstange auf dem heißen Asphalt vorwärts schob, konnte ich so richtig abschalten. Alle Fenster heruntergekurbelt, mein Kopftuch adrett zusammengebunden, Ellenbogen zum Fenster raushängend fühlte ich mich wie Grace Kelly auf der Küstenstraße. Mit der einzigen Ausnahme, dass es auf der A5 etwas voller war und ich nirgends die Leitplanken durchbrechen und den Abhang hinunterstürzen konnte. Deutschlands Autobahnen waren sicher.
Ich zählte mich zu der Gattung der gediegenen Golf-Fahrer. Das Auto war sicher und robust und verlieh der Fahrerin einen Hauch Understatement. Dass der Auspuff nur noch an einer Schraube hing, die Füllung aus den Sitzen kam und die Zündkerzen schon mal irgendwie zündender gewesen waren, zählte nicht. Ich liebte mein Auto, sprach mit ihm und es antwortete mir mit einem zärtlichen »Pottpott«. Auch bei hundert Sachen.
Geschafft! Acht Uhr abends, und ich war endlich zu Hause. Aufatmend riss ich mir die Business-Klamotten vom Leib und warf sie über den Stuhl. Meine Füße taten weh. Ich begutachtete meine schmerzende Ferse. Sie wurde von einer riesigen Blase gekrönt. Ich hatte mal gelesen, Leder neuer Schuhe würde schön weich, wenn man reinpinkelte, aber ich konnte mich nicht dazu durchringen, den Trick auszuprobieren.
Was nützten mir schöne weiche Schuhe, wenn der Geruch jede Gesellschaft vertrieb?
Mein Anrufbeantworter blinkte heftig. Ich drückte auf Wiedergabe.
»Hallo, Emma, ich bin’s! Ich würde dich gerne treffen. Vielleicht morgen? Im Café Dreh in Heidelberg um sieben? Ruf mich doch zurück. Meine Nummer hast du ja.«
Wer war Ich bins? Den Schuh noch in der Hand steckte ich mir eine Zigarette zwischen die Lippen und kramte nach meinem Feuerzeug. Die Stimme kam mir irgendwie bekannt vor. Eine männliche und warme Stimme. Mal überlegen. Wen hatte ich letztes Wochenende kennengelernt, der mir seine Telefonnummer gegeben hatte? Au Backe, Samuel! Samuel war der Barkeeper in unserer Lieblingskneipe und ein wirklich lustiger Geselle. Leider so gar nicht mein Typ. Barkeeper waren immer die auserwählten Opfer liebesbedürftiger Solistinnen. Aber Lynn und ich waren nicht liebesbedürftig. Und schon gar nicht zählten wir uns dem Kreis schnatternder Hühner zugehörig, die aufgereiht am Tresen hockten und auf ein Körnchen vom Bauern hofften. Nein, wir waren selbstbewusste, beruflich erfolgreiche Frauen, die wussten, wo’s langgeht. Wir ragten durch unseren Charme weit über die Menge der sich anbiedernden Weibchen heraus. Die Barkeeper flogen auf uns, nicht wir auf sie.
Siehste, Hagen, anderen Männern gefalle ich. Auch mit Schwabbelschenkeln.
Ich hatte mich wohl dazu hinreißen lassen, mit Samuel zu flirten, rein der Übung halber. Irgendwann hatte er mir seine Telefonnummer zugesteckt, und Lynn gab ihm meine. Biest! Da hatte ich den Salat.
Andererseits, Salat war gesund und super, wenn man abnehmen wollte, und Samuel war ein netter, lieber Anfang-Dreißiger, der nur nebenberuflich hinter der Bar stand. Und er hatte große blau strahlende Augen mit für einen Mann ungewöhnlich langen Wimpern. Und er war Skorpion.
Überredet. Ich würde ihn anrufen. Skorpion! Das passte zu einem Löwen wie mir! Ich hatte zu meinem letzten Geburtstag ein Löwe-Buch geschenkt bekommen. Es stand weit hinten im Regal, versteckt hinter Leitfaden Finanzierung, Nieten in Nadelstreifen und Ganz legale Steuertricks. Ich zog es hervor und blätterte. Ah, da. Der Löwe und sein Liebeshoroskop. Löwe und Skorpion. Ein wahres Feuerwerk der Leidenschaft. Huh! Gesucht und gefunden. Der eine kann ohne den anderen nicht sein. Ergänzung und Harmonie in allen Lebenslagen. Löwenherz, was willst du mehr?
Ich griff zum Telefon und wählte.
»Zweiler?«
Eine Frauenstimme. Na, super. Verheiratet, zwei Kinder und einen Kombi in der Garage.
»Weber mein Name. Ich bin eine Kollegin von Samuel und habe ein paar Fragen wegen des Meetings. Ist er zu sprechen?«
Gut gebrüllt, Löwin.
»Moment bitte. Mein Sohn ist noch unter der Dusche. Ich sehe mal nach, ob er ans Telefon kommen kann, ja?«
»Ähm … ja. Bitte. Danke.«
Sohn! Ich bat Samuel innerlich um Verzeihung. Warum musste ich auch gleich an Betrug, Hinterlist und Untreue denken?
»Saaaaamueeel! Teeeleefoon!«, hörte ich Mutti rufen. »Eine Frau Weber!«
Ein erwachsener Mann, der noch bei Muttern wohnte? Na, auch nicht das Gelbe vom Ei. So einer war es gewohnt, sich bekochen und betüddeln zu lassen. Wo sind meine frischen Socken? Und ist das gute Hemd schon gebügelt, und was gibt es denn zu essen, hörte ich ihn in Gedanken.
»Hallo, Emma. Das freut mich aber, dass du so schnell zurückrufst!« Er hatte meinen Nachnamen behalten. Pluspunkt.
»Ja. Ähm, sorry. Habe ich dich unter der Dusche rausgeholt?« Immerhin, keine völlig abstoßende Vorstellung.
»Nein, ist schon okay. Ich komme gerade vom Sport, da springe ich danach immer schnell unter die Dusche.«
»Hm. Ja.« Huch, ich war ja aufgeregt. Wie das denn? »Wir können uns gern treffen. Morgen im Café Dreh. Um sieben?«
»Schön. Super. Freu mich.«
Vielleicht hatte ja bis morgen einer von uns gelernt, wie man sich unterhielt, ohne zu stottern, sonst würde dieses Date gewaltig in die Hose gehen.
Jetzt machte ich es mir erst mal gemütlich. Ein Gläschen Rotwein, sanfte Musik und mein Tagebuch. Ich schlüpfte in meine Lieblings-Löchersocken und musste bei ihrem Anblick unwillkürlich an Hagen denken. Was er jetzt wohl machte? Entweder arbeitete er noch, oder er überprüfte seine Kontoauszüge. Oder er schlief vor dem Fernseher, bei einer politischen Debatte. Alles andere als politische Debatten und Wirtschaftsmagazine war Schund. Er sollte sich ein Denkmal aufstellen lassen. Denkmal!
Da sagte die Oma zu Klein-Frieder: Guck, Enkel, das ist ein Bild von Opa. Denkmal ganz fest an ihn, dann lebt er in dir weiter. So oder so ähnlich musste das Wort entstanden sein.
Genüsslich streckte ich die Füße auf dem Tisch aus und öffnete mein Tagebuch. Der Anblick weißer, unbeschriebener Seiten entzückte mich immer wieder aufs Neue. Es war ein schönes Gefühl, diese reinen Seiten mit kräftiger blauer oder schwarzer Tinte zu beschreiben. Nur hatte ich die dumme Angewohnheit, das Datum oben auf die Seite zu schreiben und dann in Gedanken zu verfallen. Eine Stunde später erwachte ich aus der Trance und hatte nicht eine Zeile zu Papier gebracht. Meistens kritzelte ich dann im Telegrammstil ein paar Informationen für die Nachwelt: anstrengender Tag heute. Viel gearbeitet. Stress. Immer noch zu fett! Muss abnehmen. Müde jetzt. Gute Nacht.
Wie würde wohl der Abend mit Samuel werden? Schließlich waren da nur wir beide. Keine anderen Menschen, die uns über eventuelle peinliche Schweigeminuten hinweghelfen könnten. Was, wenn wir uns rein gar nichts zu sagen hätten?
»Nette Kneipe hier.«
»Mhm. Nett.«
»Bist du öfter in der Stadt unterwegs?«
»Na ja, halt samstags. Du?«
»Ja. Auch.«
»Mhm.«
»Mhm.«
Grauenvoll! Wenn das eintrat, schwor ich mir, würde ich in alle Schuhe dieser Welt strullen.
[...]

(c) Jo Berger bzw. chichilli verlag