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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Donnerstag, 10. Januar 2013

(11) Und wenn sie nicht gestorben sind ... EINE TIERISCH GUTE BAND - ein modernes Märchen von Siglinde Goertz

JA KLAR - Hartz-IV-Band, Nähe Wilhelmshaven
"Ich leb von Hartz IV / und trinke zuhause mein Bier
Grundsicherung bei Erwerbsminderung
Das Leben ist n Laster / Ich hab zu wenig Zaster
Ich leb von Hartz IV“

Slide Group, Köln
Eine tierisch gute Band - Drum singe, wem Gesang gegeben – doch auch wer’s nicht kann, kann gut davon leben!
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„Was ist denn das für eine Scheiß-Akustik hier?“, brüllte Gerd Grautier (sprich: Grohtjeee) durch den Ballsaal. Die anderen drei Bandmitglieder saßen ziemlich lustlos in einer Ecke und schlürften Kaffee. Eigentlich eine Zumutung, dass sie, als aufstrebende Band, heute Abend Tanzmusik machen sollten. Aber die Nichte des Königs hatte es sich gewünscht – was will man da machen? Und Hauptsache, die Knete stimmt.

„Voll krasse Location hier!“, krähte Coco Vin, der Sänger der Band. Gerd schüttelte den Kopf. Diese Sprache passte zu dem alten Gockel wie ein Pornofilm in die Frühmesse! Eigentlich waren sie eh alle zu alt, um als „Teenie – Bopper Band“ durch die Gegend zu tingeln. Aber was soll’s? Im Menschenreich waren anscheinend auch alte Männer angesagt. Da gab es doch diese Rockband, die Stones, oder wie die hießen. Die wurden ja mittlerweile von ihren Zivis auf die Bühne gekarrt.

Wenn er so darüber nachdachte, war es schon ein richtiger Glücksfall gewesen. Im Grunde waren sie ja nur ein zufällig zusammengewürfelter Haufen. Kennen gelernt hatten sie sich bei der „Grundsicherungsstelle für Arbeitssuchende“, wo sie alle vier ALG II beantragen wollten – nee, mussten. Von wollen war da keine Rede. Während der Wartezeit waren sie miteinander ins Gespräch gekommen und hatten festgestellt, dass sie alle gerne Musik machten. Zwar nicht besonders gut – und die Jüngsten waren sie, wie gesagt, auch nicht mehr – aber das spielte ja heutzutage beides nicht mehr so eine große Rolle. Und etwas besseres als Hartz VI fand man überall!

So waren sie auf die Idee gekommen, eine Band zu gründen. Einen Versuch war es wert. Wäre doch klasse, wenn sie den Durchbruch schafften und zukünftig auf Sozialleistungen verzichten könnten. Allerdings galt es noch einige Anfangsschwierigkeiten zu überwinden. Ein Bandname war zwar schnell gefunden. Da sie alle aus dem Norden kamen, nannten sie sich einfach „Die Bremer Stadtmusikanten“. Okay, im Menschenreich konnte man mit diesem Namen keinen Teenager mehr hinter der Playstation weglocken, aber fürs Märchenland reichte es. Die Kollegen meinten dann noch, sie müssten sich jetzt Künstlernamen zulegen. Na ja, ob Coco Vin (er sprach es übrigens Kock-ooh Wähng aus) besser klingt, als Fritz Hahn – das mag man jetzt mal dahingestellt sein lassen. Er selbst hatte sich jedenfalls strikt geweigert, sich fortan Earl Grey zu nennen.

Kitty, die Keyboarderin und Backgroundsängerin, bestand darauf neuerdings „Feles“ zu heißen. Sie fände den Namen cool, meinte sie. Außerdem lebte sie in dem Glauben, das würde von ihrer Bildung zeugen. Als ob einer der Banausen hier im Land wüsste, dass das lateinisch war und „Katze“ hieß. Aber den Vogel hatte mal wieder Hasso Dobermann, der Gitarrist, abgeschossen. Snoop Doggy Dog wollte er sich jetzt nennen. Hatte Gerd doch irgendwo schon mal gehört. Er war sicher, dass das Probleme geben würde. Na, ihm konnte es egal sein.

Das Witzigste war allerdings die Story, wie sie an ihren Proberaum gekommen waren. Irgend jemand hatte ihnen eine Adresse genannt und gesagt, dort würden jeden Abend ein paar Schallplattenproduzenten rumhängen. Sie sollten doch mal dahin gehen und einfach vorspielen. Gesagt – getan! Sie waren zu diesem Haus gefahren, hatten sich heimlich in die große Diele geschlichen, ihr Equipment aufgebaut und losgelegt! Leider hatten sie sich in der Hausnummer geirrt. Von wegen Produzenten! Einbrecher waren es, die dort ihr Warenlager hatten. Als nun Kitty zu einem Solo ansetzte, dachten die, das wäre eine Polizeisirene und verließen fluchtartig das Lokal. Ihre Beute ließen sie bei dem panischen Aufbruch natürlich zurück. Was für ein Glück!

Die Vier ließen sich sofort häuslich nieder, verscherbelten die Sore und richteten sich von der Knete ein geiles Tonstudio ein. Geld zum Leben hatten sie nun auch genug und es reichte sogar noch, um einen Manager einzustellen. Auch wenn es nur so ein abgetakelter Musikfuzzi aus dem Menschenreich, namens Pieter Dohlen, war. Der machte seine Sache gar nicht mal so schlecht. Zwei goldene Schallplatten und eine erfolgreiche Tournee, das konnte sich doch sehen lassen. Ihre Songs hörten sich zwar alle gleich an, aber wenn es die Fans nicht störte...! Und es sah nicht so aus, als täte es das. Sie konnten sich jedenfalls vor Groupies kaum retten.

Gerd grinste. Die Groupies - das war überhaupt das Beste an dem ganzen Bandgedöns! In allen Altersklassen hatte man die freie Auswahl. Auf ihn fuhren mehr die „reiferen“ Damen (so von 25 an aufwärts) ab, musste wohl an seinen grauen Haaren liegen, während die jungen Hühner tierisch auf Cocos roten Irokesen standen. Tja, und Hasso becircte die Ladies mit seinem treuen Hundeblick. Aber auch Kitty, pardon, Feles, kam auf ihre Kosten. Sie trieb es am dollsten von ihnen allen. Jeden Tag einen anderen Kerl in der Kiste. Ständig war sie rollig! Sie krallte sich jeden, der ihr gefiel und nicht bei drei auf dem Baum war. Das Miauen, dass dann nachts aus ihrem Schlafzimmer drang, weckte Tote auf! Na, sollte sie doch. Er gönnte ihr den Spaß!

„Verdammt noch mal, Gerd! Jetzt komm mal endlich in die Hufe! Wir müssen noch die Tonprobe machen und der komische Koch, Zwerg Langnäse, oder wie der heißt, will hier gleich das Buffet aufbauen! Mach ma hinne!“ Gerd zuckte zusammen und stand widerwillig auf. Na gut. Dann wollte er sich mal nicht so eselig anstellen. Sprang ja auch ordentlich was bei raus, bei diesem Auftritt. Man war ja nicht umsonst bei Königs! Und spielen würde man erst recht nicht umsonst – im Gegenteil! Musste der olle Frosch ordentlich was für abdrücken.

Und außerdem sagte ihm sein Instinkt: „Gerdi“, sagte der, „Gerdi! Heut Abend passiert wat!“ Etwas, was sozusagen den krönenden Abschluss einer scheinbar unendlichen Geschichte bilden würde!

Aber man kann sich ja auch irren! Oder???

© Siglinde Goertz, Uedem

Montag, 17. Dezember 2012

(10) Und wenn sie nicht gestorben sind ... WEM DER SCHUH PASST ... DER KANN BALD AUF GROSSEM FUSS LEBEN von Siglinde Goertz

Wer sich einen Prinzen angeln will, der muss sich was einfallen lassen!

Aschenputtel drehte sich vor dem Spiegel hin und her und betrachtete sich wohlgefällig. Sah geil aus, das Kleid. Damit würde sie heute Abend auf dem Ball zu Ehren von König Erdals Rückkehr alle anderen ausstechen.

Was für ein Glück, dass sie diesen Baum hatte. Der schüttelte wenigstens phantasievolle Roben aus seinen Ästen. Alle ihre Freundinnen kauften die Kreationen von Karlchen Legerfald, diesem Mickerling. Grauenhaft, diese Klamotten! Aber er glaubte, er wäre der größte Modedesigner aller Zeiten. Führte sich auf wie eine Diva! Dabei sah er höchstens lächerlich aus, mit seinem Zopf und diesem albernen Fächer. Seine Frau ärgerte sich auch schon seit Jahren, dass sie dieses Männlein am Hals hatte.


Na, das sollte nicht ihr Problem sein. Sie hatte sich ja damals den gut gebauten Prinzen geangelt. War ein hartes Stück Arbeit gewesen! Aber es hatte sich gelohnt. Das einzige, was sie noch störte, war dieser dämliche Name. ASCHENPUTTEL! Er erinnerte sie immer an die Zeit, in der sie diesen hässlichen grauen Kittel und die Holzschuhe tragen musste. Wenn sich ihre Freundinnen doch endlich daran gewöhnen können, sie Cinderella zu nennen. Das klang doch viel hübscher. Aber nein! Vermutlich machten sie es mit Absicht, um sie zu ärgern. Ganz besonders regte es sie auf, wenn Eulalia sie „Aschi“ nannte. Wie klang das denn? Und Schneewittchen sagte sogar „Putti“! Ätzend! „Das nächste Mal sag ich ‚Spritti’ zu ihr!“, schwor sich Aschenputtel.

Sie sah auf die Uhr. Noch Zeit genug, sie brauchte sich nicht zu beeilen. Ach, war das schön! Endlich mal wieder ein Ball! Sie musste daran denken, wie sie sich ihren Gemahl an Land gezogen hatte. War gar nicht so einfach gewesen! Ihre Stiefmutter und die Stiefschwestern hatten ihr das Leben ganz schön sauer gemacht. Papa hatte sich natürlich aus allem rausgehalten und ihr nicht beigestanden. Warum waren die Väter hier im Märchenland nur alle solche Waschlappen? Na, das konnte ihr jetzt egal sein. Von ihrer Familie hatte sie sich bei ihrer Hochzeit losgesagt. Mit denen wollte sie nichts mehr zu tun haben!

Wie hatte sie damals gebettelt, um mit auf den Ball gehen zu dürfen. Aber nein! Immer neue Schikanen hatte die Alte sich ausgedacht. Putzen, waschen, Erbsen lesen.. so doof, wie die sonst war – da gingen ihr die Ideen nicht aus. Aschenputtel hatte geschuftet wie eine Blöde, bis das Haus blitzte und blinkte. Tja, und dann hieß es: Du hast ja nichts anzuziehen! Diese Zimtziege! Gut, dass sie nix von dem Baum wusste! Na ja – langer Rede kurzer Sinn: Sie hatte sich in Schale geschmissen und war heimlich zu dem Ball gegangen. Wow! Dieser Prinz! Hin und weg war sie von ihm. Den musste sie haben! Koste es, was es wolle.

Aber sie war ja keine kleine Dumme! Wie man Kerle um den Verstand bringt, das wusste sie. Ordentlich anheizen.. und dann erst mal vom Acker machen! Das funktioniert immer! Anfangs hatte sie sich ja wenig Hoffnung gemacht. Bei ihren Erkundigungen über ihn fand sie nämlich heraus, dass er Schuh- und Fußfetischist war. Leider stand er auf kleine Füße. So ein Pech aber auch, dass sie Schuhgröße 40 hatte, genau wie ihre Stiefschwestern! Doch dann kam ihr die genialste Idee aller Zeiten. Sie musste zwar dem Kammerdiener des Prinzen ein bisschen Schmiergeld zahlen, doch das war es ihr wert.

Wenn die alle wüssten, wie sie es angestellt hatte! Aschenputtel lachte. Sie war schon ganz schön raffiniert, das musste man ihr lassen! Schon bei den ersten beiden Bällen hatte sie den Prinzen so heiß gemacht, dass er am liebsten gleich mit ihr in die Kiste gestiegen wäre. Aber kurz vor Mitternacht hatte sie ihn beide Male stehen lassen (mit allem, was sonst noch so stand) und war verschwunden. Beim dritten Ball das gleiche Spielchen. Nur mit dem Unterschied, dass sie, gaaaaaanz zufällig natürlich, einen ihrer winzigen (!) Schuhe verlor! Sie wusste genau, dass der Prinz jetzt diejenige suchen würde, der dieser Schuh (in Größe 35!!!) passte! Tja, und so geschah es ja auch. Durch das ganze Land zog er mit dem Schuh, bis er endlich bei ihr zu Hause aufkreuzte.

Die Stiefmutter witterte eine Chance, wenigstens eine ihrer krötigen Töchter unter die Haube zu kriegen und sperrte Aschenputtel in der Besenkammer ein, damit der Prinz sie nicht sah. Klar, dass beiden der Schuh nicht passte! Aschenputtel grinste schadenfroh, bei dem Gedanken daran, dass sich die beiden hohlen Fritten die Füße verstümmelt hatten. Für nichts und wieder nichts! Der Prinz brachte sie jedes Mal postwendend zurück, samt ihrer blutenden Quadratlatschen. Als er dann fragte, ob es nicht doch noch eine dritte Tochter gäbe, nieste sie ganz laut in ihrer Besenkammer. Da blieb der Alten nix anderes übrig, als sie da rauszulassen.

Was hatte die dämlich aus der Wäsche geschaut, als Aschenputtel der Schuh passte! Wusste sie doch, dass die drei Mädels alle die gleiche Schuhgröße hatten. Was sie allerdings nicht wusste: Aschenputtel hatte zwei identische Paar Schuhe gekauft, in zwei verschiedenen Größen. Und der Kammerdiener des Prinzen hatte in dem ganzen Durcheinander schnell den 35er gegen den 40er ausgetauscht. Tja – man muss sich nur zu helfen wissen. Die dummen Gesichter der drei Schnepfen, als sie in den Schuh schlüpfte und der wie angegossen saß – herrlich! Sie kriegte heute noch Lachkrämpfe, wenn sie daran dachte. Erst befürchtete sie ja, der Prinz könne etwas merken... aber der war so damit beschäftigt, ihr in den Ausschnitt zu starren, der hätte nicht mal bemerkt, wenn sie Schwimmflossen getragen hätte!

„Schaahaaaaatz! Bist du fertig?“ Die Stimme ihres Mannes riss sie aus ihren Gedanken. Ups – so spät schon. Jetzt wurde es aber Zeit. Schließlich wollten sie nicht das Buffet verpassen. Adelheids Gatte hatte sich bestimmt wieder selbst übertroffen! Hoffentlich war nicht wieder Rotkäppchen das Thema des Abends. So langsam nervte das! Ach was! Sie würde köstlich speisen, ein wenig flirten und viel tanzen. Es würde ein schöner Abend werden.

Alles wird gut!




© Siglinde Goertz

Sonntag, 9. September 2012

(8) Und wenn sie nicht ... Dr. Allwissend – Dipl. Psychologe - Sprechstunde nach Vereinbarung, ein modernes Fortsetzungsmärchen von Siglinde Goertz


Stolz betrachtete er das nagelneue Schild, das seit gestern an der Hauswand hing. Ein Geschenk seiner Frau zur Praxiseröffnung in den neuen Räumen! Kaum zu glauben, was er in der kurzen Zeit für eine Karriere gemacht hatte. Manchmal beschlich ihn allerdings ein ungutes Gefühl. Was würde passieren, wenn herauskam, dass er weder Psychologe noch ein Doktor war? Im Menschenreich war vor gar nicht langer Zeit so ein falscher Doktor entlarvt worden und seine Karriere war dann erst mal im A....! Ach was - er schüttelte den Kopf. Wer von den vertrottelten Märchenlandbewohnern sollte das schon merken?

Außerdem schadete er ihnen ja nicht. Alles was er tat, war einfach zuzuhören, wenn sie ihm die Ohren mit ihren Problemen volljammerten. Und von denen gab es reichlich hier, so viel stand mal fest! Damit ließ sich mehr verdienen, als in seinem eigentlichen Beruf als Bauer. Er konnte sich noch gut erinnern, wie neidisch er gewesen war, als er damals diesem anderen Doktor das Holz lieferte. So hätte er auch gern gelebt, als wohlhabender Mann, in einem großen Haus und von allen geachtet. Der Doktor hatte ihm dann verraten, was er tun musste, um auch so erfolgreich zu werden:


1. Ein Abc-Buch kaufen und zwar eins, mit einem Gockelhahn auf dem Umschlag. Fand er zwar total bescheuert, diesen Tipp – das mit dem Buch konnte er ja noch nachvollziehen, aber warum, um Himmels Willen, musste da ein Hahn drauf sein?


2. Wagen mitsamt den Ochsen verscherbeln und für die Knete neue Klamotten kaufen. Das sah er auch ein. Kleider machen schließlich Leute. Und mit seinem ollen Overall konnte er niemanden beeindrucken.

3. Er sollte sich ein Schild malen lassen mit den Worten: „Ich bin der Doktor Allwissend“ und es über die Haustür hängen. Auch okay. Er hatte es allerdings selbst gemalt, wozu unnütz Geld ausgeben.


Wenn er ehrlich sein sollte, dann fand er diesen Doktor ziemlich gaga, aber er befolgte dessen Rat trotzdem – und wie man sah: Es funktionierte! Von der alten Hütte mit der selbstgebastelten Pappe – zur neuen, modernen Praxis mit Goldtafel!


Mal sehen, wer denn heute alles einen Termin bei ihm hatte. Ach, der Jupp! Wie schön! Da war der italienische Marmor für das neue Bad ja schon so gut wie bezahlt. Seit Jahren litt der Ärmste schon unter dieser Angstneurose – und er würde sich hüten, ihm da raus zu helfen! Wäre er ja schön bekloppt, wenn er seine beste Einnahmequelle versiegen ließe. Dabei war der Jupp früher so ein furchtloser junger Mann gewesen. Gar nichts konnte ihn erschrecken, weder riesige Katzen noch Totenköpfe, geschweige denn irgendwelche Geister. Bis ihm seine Gattin Eulalia dann das Fürchten beibrachte. Der Doc kicherte. Er sagte ja immer, die Ehe könne selbst dem Mutigsten den Angstschweiß auf die Stirne treiben. Nun ja, er persönlich hatte da mehr Glück. Seine Grete war noch ein Frauchen vom guten alten Schlag. So ein richtiges Hausmütterchen.


Wer kam denn noch alles? Hmm ... der nächste Termin war ihm nicht so ganz angenehm. Diese beiden Teenager waren ihm irgendwie unheimlich. Sahen aus, als könnten sie kein Wässerchen trüben, aber hatten es faustdick hinter den Ohren. Na, wenigstens hatte er sie inzwischen so weit, dass sie sich einzeln von ihm behandeln ließen. Als erstes würde er sich mit dem Mädel befassen. Gretel hieß sie, wie seine Gattin. Glücklicherweise war das aber alles, was sie gemeinsam hatten. Er war sich ja nicht so ganz sicher, ob die Kleine nicht in die „Geschlossene“ gehörte. Immerhin hatte sie eine alte Frau umgebracht, noch dazu auf besonders grausame Art. Hänsel, ihr Bruder, spielte dabei wohl nur eine untergeordnete Rolle. Er hatte zwar mitgeholfen, den Schmuck der Alten zu stehlen, aber am Mord selbst war er nachweislich nicht beteiligt. Man konnte beweisen, dass er zu Tatzeit in einen Käfig gesperrt war.


Wahrscheinlich wären sie trotzdem beide in den Knast gekommen, wenn sie nicht Rumpelstilzchen als Anwalt gehabt hätten. Der hatte es so hingedreht, als hätte die alte Hexe den beiden Fürchterliches antun wollen (man munkelte was von Kannibalismus), so dass das Gericht auf Notwehr erkannte. Freispruch – mit der Auflage, eine Therapie zu machen. Nun, ihm konnte es recht sein, das brachte Geld in die Kasse. Der nächste Urlaub im Schlaraffenland war schon mal gesichert. Drei Wochen – all inclusive! Herrlich! Da verdrängte er gern das komische Gefühl in der Magengrube, wenn diese Gretel ihn so tückisch ansah!


Gut, dass er sich im Märchenland niedergelassen hatte! Verrückte gab es hier reichlich! Das musste wohl daran liegen, dass die Meisten hier mit bösen Stiefmüttern aufgewachsen waren. Schade nur, dass Drosselbart sich inzwischen „geoutet“ hatte. Als er noch krampfhaft versuchte, seine Homosexualität zu verleugnen, hatte er gut an ihm verdient. Eine nagelneue Kutsche der S-Klasse und ein Wochenendhaus hinter den sieben Bergen waren dabei herausgesprungen! Ach, was soll’s. Er tat einfach so, als hätte er Drosselbart dazu gebracht, endlich mit der Wahrheit rauszurücken. Das war gut für sein Image und, was noch wichtiger war, die Mundpropaganda sorgte für ordentlichen Zulauf in seiner Praxis.


Schien auch heute wieder ein langer Tag zu werden. Allein für Hänsel und Gretel hatte er fast
den ganzen Vormittag eingeplant. Danach noch Hans im Glück, der sich gegen seine Spielsucht behandeln lassen wollte. Von wegen Spielsucht! Der wollte nur nicht zugeben, dass er sein ganzes Vermögen gegen irgendwelchen Plunder eingetauscht hatte. So lange, bis nix mehr übrig war. Aber „spielsüchtig“ klingt ja entschieden besser als „doof“! Na, wenn er meint! Solange er die Therapiestunden bezahlte! Allwissend fragte sich zwar, wovon – aber im Grunde war ihm das vollkommen schnurz! Hauptsache, die Knete kam.

Ein bisschen Kopfzerbrechen bereitete ihm allerdings der gestrige Anruf von Eulalia. Sie wollte unbedingt sofort einen Termin haben. Dabei ging es um Rotkäppchen. Das Mädel hatte seit Tagen kein Wort mehr gesagt und kein Mensch wusste warum. Jetzt wollte Eulalia, dass er sich der Kleinen annahm. Keine sehr gute Idee! Wenn da etwas schief ginge, nicht auszudenken! Ihr Bruder, König Erdal, hielt nämlich nicht viel von seinen medizinischen und psychologischen Fähigkeiten. Er war zwar zur Zeit nicht im Lande, aber wenn die Gerüchte stimmten und er zurückkehrte, das konnte mächtig Ärger geben!


Andererseits – wenn er wirklich herauskriegen würde, was das Kind bei der Großmutter gesehen hatte, dann wäre er ein gemachter Mann!


Er hatte Eulalia erst mal auf nächste Woche vertröstet. Bis dahin würde er es sich überlegen! Wahrscheinlich würde er es aber riskieren. Getreu seinem Motto: "Et kütt, wie et kütt! Und et hätt noch immer juht jejange!"


© Siglinde Goertz, 2011

Montag, 30. Mai 2011

Kunstevent: Otto Ubbelohde - der Maler. 5. Juni bis 31. Juli, Stader Schleusenhaus

Otto Ubbelohde

Von 5. Juni bis 31. Juli öffnet das Schleusenhaus seine Tore für den Maler und Zeichner Otto Ubbelohde


(1897-1922). Mit seinen zahlreichen Illustrationen der Grimm'schen Märchen machte der in Magdeburg geborene Künstler sich einen Namen und wurde einem großen Publikum bekannt. Doch seine eigentliche Passion war die Malerei. Vor allem und am liebsten widmete er sich dem Motiv der Hessischen Landschaft.„Otto Ubbelohde - der Maler": Mit dieser Ausstellung will der Kunstverein Stade den Besuchern des Schleusenhauses einen besonderen Einblick in das umfangreiche Werk des Malers, aber auch genialen Zeichners und Grafikers geben.


 Die Bilderschau umfasst eine Auswahl seiner Bilder ebenso wie Märchenillustrationen, Zeichnungen und Radierungen. Ubbelohde war beeinflusst durch den Naturalismus, an den er durch sein Studium an der Münchner Akademie der Künste herangeführt wurde. Später lernte der Künstler in Frankreich die Freilicht-Malerei kennen und schätzen und ließ sich durch den Impressionismus zum Malen in der freien Natur inspirieren.
Zahlreiche Studienaufenthalte in der Künstlerkolonie Worpswede beeinflussten Otto Ubbelohde in seiner künstlerischen Entwicklung, die ihn auch hin zu Abstraktion führte. Doch wirklich verbunden fühlte er sich nur mit der Landschaft rund um seinen Geburtsort Marburg, wohin es ihn immer wieder zurückzog.
Dort entstanden auch einige seiner bekanntesten Bilder, die das unmittelbare Erleben der Natur widerspiegeln.
Der Kunstverein Stade entwickelte die Idee für die Ausstellung im Schleusenhaus gemeinsam mit Gertrut Speyer, geborene Ubbelohde. Die 87-Jährige ist die Großnichte des Künstlers; Otto Ubbelohde war Patenonkel ihres Vaters. Für die Schau werden auch von ihrer Familie Bilder zur Verfügung gestellt. Ein Großteil der Werke kommt aus dem Otto Ubbelohde Museum im hessischen Großfelden.


Die Ausstellung wird am Sonntag, 5. Juni, um 10 Uhr im Schleusenhaus eröffnet und endet am Sonntag, 31. Juli, um 11 Uhr mit einer Finissage.


Am Freitag, 17. Juni, hält der Leiter der Museumslandschaft Hessen, Professor Bernd Küster, einen Vortrag mit dem Titel „Otto Ubbelohde - Ein Künstler zwischen Freiheit und Depression". Die Veranstaltung findet im Königsmarcksaal des Stader Rathauses statt und beginnt um 19.30 Uhr.


Location: Das Schleusenhaus ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Jeden 3. Sonntag im Monat finden um 17 Uhr Führungen statt. Schülerführungen für Schulklassen können unter der Telefonnummer 04141 / 2883 gebucht werden.

Montag, 7. Februar 2011

Neues von Hannelore Hertje selbst kommentiert






Der Glaskasten


"Oft fühlt man sich gefangen in einem Glaskasten, gerade als Frau. Man sieht die andere Welt draußen, findet aber nicht hinaus und reagiert mit Ärger und sogar Zorn. Aber der Kasten hat einen offenen Rand, den muss die eingesperrte Person nur finden…"






Grimms Märchen

"Rapunzel ist spielerisch entstanden. Ich experimentierte mit Farbmustern, dann fiel mir was dazu ein und ich versuchte, es deutlich herauszuarbeiten, auch wenn der Rapunzelkopf dunkelblau ist und der Prinz wie ein Spider-man den Turm erobert. Etwas Spaß muss sein. Das Bild ist auch schon verkauft."




Dreiecksgeschichte
"Dreiecksgeschichten: Nach meiner Version ist es eine 'flüchtige Beziehungsgeschichte', bei der die Kunst, hier die Musik, die ja auch ein 'flüchtiges Erlebnis' ist, die zentrale Rolle übernimmt. Das ephemere Element habe ich durch einen Schmetterling symbolisiert. Wie die Geschichte abläuft zwischen den drei Dreiecken, soll sich der Betrachter selbst erfinden. Die sind auch verkauft an einen Herrn, der sich gut damit identifizieren konnte, weil er selbst Orgel spielt."



Blues
"Das Saxophon war schon immer mein Lieblingsinstrument, besonders beim Jazz und Blues. Aber ich hab einen Verdacht, warum dieses Bild überhaupt zustande gekommen ist. Es ist jetzt schon ein paar Mal passiert. Erst habe ich das Fußballbild mit Lionel Messi (war mein Favorit) im Vordergrund gemalt und ein paar Monate später wurde er zum Sportler des Jahres gewählt. Dann „ergab“ sich Rapunzel und jetzt gibt es einen neuen Animationsfilm Rapunzel, wie ich durch Ausschnitte im Fernsehen gesehen habe. Gestern starb ein amerikanischer Sänger, Gerry Rafferty, dessen Lied „Baker Street“ in den 70er Jahren durch seinen Saxophon-Part ein Dauererfolg wurde (ich höre es heute immer noch wahnsinnig gern). Vielleicht setze ich bei der Bearbeitung meiner Themen soviel Energie frei, dass dann solche Ereignisse eintreten oder ich habe seherische Fähigkeiten ...?"


Ein neues Experiment von Hannelore Hertje mit den Meisterstieren ihres Mannes (José Berlanga). Die Bronzetönung hinter sich lassen und Farbe einsetzen (Der Zahnarzt von José gab den Anstoß ...). Alle Farbkombinationen sind möglich ...