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Mittwoch, 22. Januar 2014

Serie: (3) Die wunderbaren Begebenheiten des Grafen Alethes von Lindenstein. Von Friedrich Baron de la Motte Fouqué





Drittes Kapitel


Die Sonne stand bereits ziemlich hoch, als die Reisenden sich einem schönen Landhause näherten, das von mannigfachen Gebüschen, Teichen, Rasenplätzen, grünen Hügeln, hohen Alleen und andern Zierden eines Lustgartens auf das anmuthigste umgeben war. Sie ritten eine blühende Hecke entlängst, welche sich zuletzt gegen einen Flügel des Gebäudes heranzog, so, daß man dicht unter einigen Fenstern, mit vielen duftenden Blumen ausgeziert, vorbeikam. In deren Nähe begann Berthold mit angenehmer Stimme folgendes Lied zu singen:
Morgenschein liegt hell und klar
Auf den thaubeträuften Wegen;
Manch ein singend Lerchenpaar
Fliegt dem Wandersmann entgegen.
Wandersmann fliegt mit hinaus,
Spricht, Ade! zum engen Haus.
Solch Ade, das wird ihm leicht,
Doch ein andres schwer zu sagen,
Wenn des Liebchens Wang' erbleicht
Vor dem nahen Trennungszagen,
Und man spricht bei jedem Kuß'
Fortziehn ist ein bittres Muß.
Wandersmann, ich rath' Dir guts,
Sprich so banges Wort mit nichten,
Zieh' ohn' Abschied kecken Muth's,
Liebchen wird Dich milde richten.
Und, kann's ohn' Lebwohl nicht seyn
Sing es ihr zum Fenster 'nein.
Singen macht das Bittre süß,
Singen macht die Furcht zum Hoffen,
Macht aus Höll' ein Paradies,
Und die Brust den Scherzen offen,
Ein Lebwohl, im Lied geschen,
Ist schon halbes Wiedersehn.
Ueber dem Singenden öffnete sich ein helles Fenster, daraus ein blondes sehr liebliches Mädchenangesicht hervor sah. Berthold neigte sich freundlich, eine reichgestickte Leibbinde flog herab, die er mit vieler Gewandtheit auffing, und inbrünstig an seine Lippen drückte. Darauf verhüllte sich das Mägdlein mit einem weißen Tuche die Augen, und schloß das Fenster, Berthold aber konnte einige Thränen nicht verbergen, die mild über seine Wangen herabflossen. Was war das? sagte Alethes, indem er sich lächelnd zu seinem jungen Freunde wandte.
Wir haben dies mit einander verabredet, Similde und ich, entgegnete Berthold. Similde ist meine Braut, die Tochter des Herr'n, dem dieses Schloß gehört. Unsre Eltern lachten oft über unsre frühe Liebe, und meinten, ein junger Edelmann müsse erst die Welt sehn, und sich vielerlei versuchen, bevor er mit einer Braut vor den Altar treten dürfe. Sonst haben sie wohl gegen unsre Verbindung nichts. Wir Zwei jedoch sahen aus dergleichen Reden unsre einstmalige Trennung voraus, und nun wollte ich den Augenblick derselben lieber früher herbeiführen, um des frühern Wiederkommens willen. In einem Gespräch hierüber hörten wir einmal das Lied singen, welches ich jetzt eben beendigt habe, und Similde hatte ihre Freude daran, weshalb ich es sogleich auswendig lernte. Da sagte sie zu mir: keinen Abschied, Berthold, wenn Du einmal hinaus ziehst, als dieses Lied. So scheidet man in süßem Frieden, und was hätten wir einander mehr zu sagen? Sicher sind wir ja Eins des Andern wie der Magnet des Eisens. – Und in diesem Augenblick, mein theurer Graf, ist es nach Simildens Worten geschehn.
Sie wußte nichts von Eurer Abreise? Gar nichts davon, daß Ihr gern mit mir wolltet? fragte Alethes.
Das wohl, antwortete Berthold, denn wie hätte ich gegen meine Braut von meinem Helden schweigen sollen, und sie war Gestern Abends mit in der Gesellschaft. Aber wie konnte sie diesen schnellen Aufbruch ahnen? Nun ist es desto schmerzloser abgegangen, Jetzo heißt es:
Morgenschein liegt hell und klar
Auf den thaubeträuften Wegen;
manch ein singend Lerchenpaar –
Aber so hört doch, unterbrach ihn Alethes. Was werden denn Eure Eltern sagen?
Freuen werden sie sich, entgegnete Berthold, denn sie verehren Euch und lieben Euch, wie ich, und meines Vaters liebste Wünsche lenkten sich von jeher auf eine solche Fahrt seines Sohnes.
Damit sang er sein Liedchen weiter, und ritt sehr vergnügt neben Alethes her.
Dieser hatte seine Freude an der jungen, morgenlichen Liebe, und fragte Bertholden über die ganze Geschichte derselben aus, wobei Yolandens Bild immer lebendiger und liebreizender in seinem Gemüthe herauf stieg.
Es konnte auch nicht anders seyn, indem Berthold's liebeglühende Worte über den beginnenden Brand in Alethes Gemüthe hinhauchten, und dort zur Flamme gestalteten, was sich bis jetzt nur im halb unbewußten Glimmen geregt hatte. – Wer des Glückes genossen hätte, dachte Alethes bei sich, Yolanden zu begegnen, als sie noch war, wie Berthold's Similde: innig, liebvoll, jungfräulich scheu, von sinnigen Ahnungen umspielt! Und das ganze Blumengewebe dieser reichen innern Welt hätte sich alsdann, überraschend mit jedem neuen Tage, erschlossen vor der heiligen, ewigleuchtenden Liebessonne, zu süßer Harmonie sich entfaltend, in frommer Demuth seinen Schöpfer preisend, die Liebe! – Aber alsbald durchbrach er geflissentlich diese Gestaltungen seiner Wünsche und seiner Minne, zu sich selbst sprechend: es ist nun einmal nicht so, und konnte nicht anders seyn, wie es ist. Laß denn die Marionettenspielerin ihre Puppen an Fäden ziehn nach Vermögen und Belieben; Du aber gedenke ihrer fürder nicht mehr.
Sie gelangten indessen zu dem Orte, wo Alethes Bediente mit dem Gepäck auf ihren Herren warteten, und von wo man gleich weiter aufbrach. Des Grafen unvermutheter Entschluß aber, seine Reise alsbald weiter fortzusetzen, machte unterschiedliche Veränderungen nöthig, und führte so nach einigen Tagen schnellen Fortziehens doch zuletzt in einem Städtchen eine Verzögerung von etlichen Stunden herbei. Berthold benutzte diese Zeit, um sich desto früher nachschicken zu lassen, was sein schleuniger Aufbruch erheischte, so, daß Alethes gänzlich sich selbst überlassen blieb. Ein unbehagliches Gefühl ergriff ihn. Außerdem, daß er sich unterweges nur wohl befand, wenn der rasche Wechsel des Orts seine Lebenskräfte zu fröhlichen Schwingungen anregte, oder wenn an den Ruhepunkten der Reise heitre Gefährten sich ihm mittheilten und Mittheilungen von ihm empfingen, ängstete ihn noch in dieser Windstille das Andenken Yolandens, welches er als etwas Ueberflüssiges, ja ihm sogar Schädliches anerkannte, und doch auf keine Weise fortzuschaffen wußte. In einen so unaufgelösten innern Streit verloren, ging er einen umbüschten Weg vor den Thoren des Städtchens entlängst, und fand sich bald immer dichter in einen Hain von Kastanienbäumen, welcher den nahen Hügel herabstieg, verschlungen. Plötzlich stand er vor einer schon alternden, aber doch noch wohl erhaltnen Kapelle; obgleich ein Protestant und eifriger Verfechter seiner Glaubensgenossen, hegte er dennoch ein gewisses Wohlgefallen an den alten Bildern, die man in catholischen Gotteshäusern anzutreffen pflegt, und war deshalb sehr erfreut, das Thürlein des kleinen Gebäues unverschlossen zu finden. Hineintretend sah er sich ganz allein, doch verbreitete der Schein einer ewigen Lampe, vor dem Hochaltare brennend, einiges Leben durch das finstre Gewölb. Er ging dem Lichte nach, und kam sich selbst wie bezaubert vor, indem er das Bild betrachtete, auf welches die stillen Strahlen sich vorzüglich hinrichteten.
Freilich war es ein Madonnenbild, ernst, feierlich, demuthsvoll, wie es des Ortes ganze Gestaltung zu erfordern schien, aber dennoch war es auch wieder ganz unverkennbar Yolandens Bild. Sie stand, grade vor sich ausblickend, in einer öden Gegend; zu ihren Füßen aber sproßten zwei wunderschöne Lilien von zwei zerbrochnen Schwerdtern aus, sich, wie es schien, sehnsüchtig nach den lichten Augen emporrankend, in denen der seelige Friede seinen sichtbaren Wohnsitz genommen hatte. – Alethes meinte Anfangs, ein thörichtes Verlangen nach Yolanden verblende ihm das Gesicht, und erschaffe ihm aus dem Farbengewirr das gefährliche Spielwerk, welches sein Gemüth seit jenem Abende anlocke und beängstige. Aber immer näher und näher hinschauend, ward es ihm auch immer klarer, wie in der That das Abbild der schönen Gräfin vor ihm stehe, deren er zwar als einer ganz Fremden gedenken mußte, wenn er sie sich beim Tanz und bei der Burg, daraus Eugenius Braut verschwunden war, zurücke rief. Als eine Wohlbekannte jedoch, und als die innigste, heiligste Liebe seines Gemüthes, und in der genauesten Verbindung mit diesem Gemählde trat sie vor ihn hin, so oft er der Erscheinung am Weiher gedachte. In solchem Gewirr seiner Gedanken und Erinnerungen mochte er wohl schon lange vor dem Bilde gestanden haben, als er den Laut einer Zither vor der Kapelle vernahm, und bald darauf eine männliche Stimme, die, von einer andern begleitet, folgendermaaßen sang:
»Ihr Knechte, zur Wehr! Ihr Knechte zu Roß! –
»Wohin? Wo geht's hin, mein lieber Ritter? –
»Seht Ihr auf'm Berge hoch das Schloß?
»Mond spielt um seine Fenstergitter.
»Da wohnt mein Bruder drin, der Feind.
»Den fassen wir, eh' noch die Sonne scheint.«
So rief der Ritter, da saßen sie auf,
War'n Alle der blutigen Mordlust voll;
Hinan den Berg im dichten Hauf,
Nach Beut' und Kampfesehre toll.
Und s'wär' ihnen recht nach Wunsch gelungen,
Hätt's nicht auch vom Schloß hernieder geklungen:
»Ihr Knechte, zur Wehr! Ihr Knechte zu Roß! –
»Wohin? Wo geht's hin, mein lieber Ritter? –
»Seht Ihr am See da unten das Schloß?
»Wind schlägt an seine Fenstergitter.
»Da wohnt mein Bruder drin, der Feind.
»Den fassen wir, eh' noch die Sonne scheint.«
Sie ha'n sich getroffen auf halbem Weg,
Wo der Berg absinkt, wo das Ufer steigt.
S' gilt kein gut Wort, und kein Gespräch;
Aus den Scheiden blitzen die Schwerdter leicht,
Und Dörfer und Städte zittern bang.
Nicht gutes End' giebt solcher Anfang.
Und Friedenslaut vom Wald heran,
Und in Mitten der Schaaren Friedenslicht.
Eine Jungfrau fuhr auf naher Bahn,
Vernahm vom nahen Mordgericht.
Die will's nicht leiden, sie kommt gezogen,
Zu scheiden des gottlosen Haders Wogen.
Sie schaut zum Himmel, schaut dann umher;
Da lassen vom Schwerdtergriff die Hände.
Sie spricht der Wort' ein süßes Heer,
Da ist der blutige Krieg zu Ende.
Die beiden Brüder weinen zusammen,
Zorngluth brennt aus in Liebesflammen.
Die Gegend dankt, die Gegend preist,
Die Jungfrau wollt' nicht mehr verweilen.
Just kam ein kluger Mahler gereist,
Der läßt ihr Antlitz nicht enteilen,
Mahlt's als ein Muttergottesbild,
Das macht uns fromm und froh und mild.
Alethes trat aus der Kapelle, begierig den Zusammenhang zwischen dem Liede und dem Bilde noch deutlicher zu erfahren. Da saß vor der Thür unter den Bäumen Berthold mit einem Landmann aus dem nahen Dorfe, und ließ sich von ihm die Mähre von der friedestiftenden Jungfrau, nebst der anmuthigen, dazu gehörigen Gesangsweise lehren.
Die Beiden gaben nicht auf Alethes Acht, und der Landmann sagte: es mögen etwa zwei Jahr vergangen seyn, seit dem Verlauf dieser Geschichte. Ich stack im Walde, wohin ich mich in der Angst geflüchtet hatte mit meinem Pflug und meinen Stieren, die ich zu Felde hatte führen wollen, als eben der Teufelslärmen zwischen den beiden Herren losbrach. Und da kommt das Jungfräulein vorüber, und eilt aus ihrem Wagen, sobald sie hört, daß die zwei Feinde zwei Brüder sind, und läuft zwischen die anrückenden Fechter, so himmlische Worte sprechend, daß der lange Groll zum ewigen Frieden wird.
Zeigt mir doch das Bild von ihr, sagte Berthold, und traf im Umwenden nach der Kapelle auf Alethes, der zu ihm sprach: ja, geht nur hinein; Ihr werdet Wunderdinge antreffen, die Ihr nicht erwartet.
Indem Berthold nach dem Bilde ging, forschte Alethes bei dem Landmann nach unterschiedlichen Einzelheiten jener Begebenheit. Doch mußte wohl sein Aeußeres noch ganz unverkennbar die Spuren seines bewegten Innern abdrücken, denn der Landmann sagte: es hat Euch angegriffen, und das ist auch kein Wunder. Die Geschichte ist recht beweglich, und ich sehe Heut nicht den ersten Fremden, dem es sein ganzes Gemüth erfaßt hat. Vor Allen weiß ich Einen, der kam sehr traurig her, ein hübscher junger Herr: als der davon hörte, nannte er die fremde Jungfrau seinen Engel, und meinte, wie sie den beiden feindlichen Brüdern geholfen habe, müsse sie auch ihm in seinem Elende helfen. Er hat sie vielleicht angetroffen, denn er reiste auf demselben Wege weiter, den sie gezogen war.
Hieß er nicht Eugenius? fragte Alethes.
Ganz recht, erwiederte der Landmann. Wißt Ihr vielleicht, wie es ihm gelungen ist? Sein Wehmuth ging uns Allen sehr zu Herzen. Traf er sie wohl an? Und half sie ihm? Das stand nicht recht bei ihr, antwortete Alethes zerstreut, sich ganz in Nachsinnen über den Grund verlierend, weshalb Yolande wohl gegen Eugenius ihre Versöhnung der Brüder so hartnäckig abgeläugnet, ja sich gestellt habe, als könne sie sich durchaus nicht auf eine solche Begebenheit besinnen.
Indessen war Berthold wieder aus der Kapelle gekommen. Obgleich er Yolandens Bild augenblicks erkannt hatte, befremdete ihn doch diese ganze Erscheinung kaum. Gewöhnt, nur den stäten Wechsel als das einzig Wahre und zu Erwartende in Yolandens Gemüthe anzuerkennen, fand er sich durch keine neue Gestaltung, in welcher die schöne Gräfin vor ihm erschien, überrascht. Eben daher empfand auch Alethes wenig Lust, diese Geschichte mit ihm zu besprechen, und Beide gingen schweigend nach dem Städtchen hinab, von wo sie ihre Reise unverzüglich weiter fortsetzten.