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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Donnerstag, 21. März 2013

Dichterhain: ELENOR RIGBY von Walter Brusius (mit Zeichnungen von Bernhard Kilchmann)







Elenor Rigby.


Ganz am Ende der Stadt ein Turm. Und hier fand man Gunwein. Einen Bleistift in der Hand, zeichnete er eine Skizze der Landschaft. Immer wieder weht der Wind das Haar ins Gesicht.
In der Stadt troff derweil eine Flüssigkeit aus den Wänden, ein Schweiß. Unklar ist, ob ihn die Häuser selber absonderten. Oder ist es der Schweiß der Bewohner, die wirklich ein schweißtreibendes Leben führen? Allerlei Säfte schwitzen sie aus.
Und irgendein Gott taucht von Zeit zu Zeit den Federhalter in den Schweiß und schreibt damit Briefe an einen andren Gott.
Der Wind blies einen Wirbel nach dem andern ins Haar. Hätte man dem Wind einen Kamm in die vielen, vielen Hände drücken sollen?
Über das graubraune Gras unten gingen Schafe, ein Mann mit einem großen Hut auf dem Kopf ging hinter ihnen her.
Als das fand sich schon auf Gunweins Block.
Er selber trug die Jacke, die dem Schäfer unten fehlt.
Auf einem Bleistift ging der Mann durch die Stadt.
Das Leben ist schwer und vor allem langweilig. Kaum einmal passiert etwas, was das Herz wirklich erfreut.
Der Turm stand selber wie ein Bleistift. Manchmal wünscht sich der Zeichner, dass der Turm die Bodenhaftung verliert, dass er schwebt.
Unabhängig von Zeit und Raum. Vom Dasein in dieser schrecklichen, traurigen Stadt.
Gunwein ließ den Bleistift fallen, die Schafe fraßen ihn auf. Nun wuchsen ihnen lange Beine. Die Beine waren auf einmal doppelt so lang.
Der Schäfer fand nun Schutz unter ihrem Bauch.
In Gunweins Herz aber wohnt ein Vogel. Er hat hier sein Nest.
Aber der Vogel ist ein Junggeselle, nie hält er nach einer Vögelin Ausschau.
Brombeerhecken mit den letzten Blättern krochen über die Wiesen. Einmal lang, einmal lang gestreckt.
Jahr für Jahr breiten sich diese Hecken mehr und mehr aus.
In einem Buch lag eine gepresste Schlüsselblume. In den Jahren ihres Daseins hatte sie im Buch das Schwarz der Buchstaben aufgesogen, es getrunken wie ein Vogel am Bach.
Der Wind brachte den Zeichner zurück in die Stadt.
Der Wind machte einen Buckel, auf dem sich Gunwein wiederfand.
Gunwein betrat auf dem Nachhauseweg die Reinigung, wo man ihm das weiße Hemd aushändigt.
Reinigung stand in großen Buchstaben an diesem Haus. Das war das Selbstverständlichste der Welt.
Elenor Ribgy war der Name der Stadt. An dem Punkt lag sie, an dem das Land am weitesten in das Meer ragt; hier treffen sich Wolken, Land und Meer seit Urzeiten.
Man sprach Englisch in dieser Stadt. Aber Gunwein ist Schwede.
Der Pfarrer stand hinter der Theke der Reinigung. „Die Frau ist krank, ich vertrete sie heut, ich spring für sie ein.“
Dieses Hemd, Hochwürden. Jede Nacht lege ich es ins Bett. Ich sitze davor, vor dem Bett und schaue das Hemd an, wie es schläft jede Nacht. Hin und wieder muss das Hemd gereinigt werden.“
Gunwein. Dafür ist die Reinigung doch da. Bringen Sie das Hemd zu uns, wenn es der Reinigung bedarf. Die Frau hier, die Sie sonst bedient, ist meine Schwester.“
Ach, Hochwürden. Ich bedanke mich.“
Der Vorfall ist deswegen erwähnenswert, weil der Pfarrer ganz schwarz gekleidet war, in ein bodenlanges, pechschwarzes Gewand, auf dem Kopf saß, sogar ein viereckiger Hut; der Kopf macht ihn nicht rund.
Gunwein betrat die Gasse mit dem Hemd, das nun in ein durchsichtiges Papier eingeschlagen.
In eine andre Gasse.
Der Fluss trug das Spiegelbild der Kirche. Das Gemäuer, auf dem Wasser schwamm das Bild der schweren Steine. Im Turm der Kirche, die schon im vierzehnten Jahrhundert hier steht, hängt das Kleid einer Frau aus Eisen, das ist die Glocke.
Wenn man die Glocke läutet, so hört man kein Klingen, sondern das Lachen einer Frau. Das ist den Leuten von Elenor Rigby peinlich, so hat man die Glocke schon seit fünfhundert Jahren nicht mehr geläutet.









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Aus: Atelierheft 12 von Walter Brusius, Bad Kreuznach. Ferner sind im Heft enthalten weitere Geschichten und vor allem Zeichnungen von Bernhard Kilchmann (Tusche, Bleistift, Computergrafik).

Alle Hefte sind beim Autor in seinem Atelier oder bei TABERNA LIBRARIA, Mannhei­mer­str. 80, 55545 Bad Kreuz­nach, www.antiquariat-bad-kreuznach.de, für ca. 9 EUR erhältlich. 

Der Autor im Interview (über Heft 12)


Der Zeichner Bernhard Kilchmann


Geboren in Altdorf, Schweiz

Nach einer kaufmännischen Ausbildung in Luzern studierte er die Fächer Bühnen- und Kostümbild an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, Mozarteum, in Salzburg.
Auf eine dreijährige Assistenzzeit an der Kölner Oper folgten eigene Bühnenentwürfe an verschiedenen Theatern.
Sein Raum für Franz Lehárs „Das Land des Lächelns“ wurde am Anhaltischen Theater Dessau mit dem Publikumspreis „Bestes Bühnenbild der Spielzeit 2005“ ausgezeichnet, und am Theater für Niedersachsen, Hildesheim, kreierte er 2010 die Gesamtausstattung zu einer erfolgreichen Inszenierung von Giuseppes Verdis „Aida“.
Seine Illustrationen zu der Erzählung „Die Köche“ sind bereits die zweite Zusammenarbeit mit Walter Brusius, dessen farbigen, assoziationsreichen Erzählstil er durch das Medium Zeichnung umsetzt.


Bernhard Kilchmann: Wolke 2






Bernhard Kilchmann: Reiter








Bernhard Kilchmann: Yeti








Bernhard Kilchmann: Ich