Nein zur Energiegewinnung in nahezu unberührten Berggebieten: Das Ergebnis einer aktuellen Umfrage aus der Schweiz ist deutlich. Bereits intensiv genutzte Gegenden rund um Skigebiete oder bestehende Kraftwerke wären besser für den Ausbau erneuerbarer Energie geeignet.
Anstelle von alpinen Freiräumen eignen sich Skigebiete und Stauseen am besten für den Ausbau von Solaranlagen, wie hier an der Muttsee-Staumauer (CH). © Daniel Werder |
Windräder, Fotovoltaikanlagen oder Hochspannungsleitungen am Berg: Im Dezember 2022 veröffentlichte die Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage zu Energielandschaften. Trotz aller Schlagzeilen zur Versorgungslücke und steigenden Energiepreisen sprechen sich Befragte aus der gesamten Schweiz deutlich gegen die Erschliessung abgelegener Bergregionen aus. Generell befürwortet wird die Energieerzeugung in Siedlungsgebieten und – hier ist die Zustimmung zuletzt besonders stark gestiegen – in bereits intensiv genutzten Bergregionen. Diese Gebiete bieten ausreichend Potential für eine erfolgreiche Energiewende, beispielsweise mit Fotovoltaikanlagen bei Skigebieten und Wasserkraftwerken, wo bereits die notwendige Infrastruktur existiert. Darauf verweist auch die CIPRA in ihren Positionspapieren zur Wasserkraft und zu Energielandschaften.
CIPRA kritisiert umweltrechtliche Deregulierung
Dennoch fasste die Schweizer Politik Ende September 2022 einen so genannten Dringlichkeitsbeschluss, der den Bau grosser Solaranlagen in den letzten alpinen Freiräumen ermöglicht. Bis zwei Terrawattstunden Stromproduktion zugebaut sind, bleiben alle Raumordnungsverfahren ausgesetzt. Kaspar Schuler, Geschäftsführer von CIPRA International, kritisiert den Beschluss: «Diese umweltrechtliche Deregulierung soll brachial im Gewässer-, Natur- und Heimatschutz weitergehen. Es sollen grossräumige Eingriffe möglich werden, welche die Bundesverfassung und die Alpenkonvention verletzen. Das darf nicht hingenommen werden.» In abgelegenen Bergregionen wären für neue Energieprojekte oft dutzende Kilometer an Hochspannungsleitungen und Erschliessungsstrassen notwendig. Dort geplante Projekte sind für private Investoren nur aufgrund der beschlossenen staatlichen Förderung lukrativ. Isabella Helmschrott, Geschäftsführerin von CIPRA Schweiz, appelliert: «Nach Jahren der politischen Blockade darf die Energiewende nicht auf Kosten der Biodiversität stattfinden! Unsere planetaren Ressourcen sind begrenzt – solche Grenzen müssen auch bei den Beschlüssen respektiert werden, die momentan im Parlament verhandelt werden.»
Die EU beschloss im Dezember 2022 eine Notverordnung, die Prüfungen zum Landschafts- und Artenschutz bei Energieprojekten weitgehend umgeht. In Österreich arbeitete die Regierung an einer Beschleunigung der Umweltprüfungen bei Energieprojekten. Im Jänner 2023 mahnte der dortige Umweltdachverband, dass ein Kraftwerksausbau nicht mit Naturzerstörung einhergehen dürfe.
(Andreas Radin, CIPRA International)