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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Donnerstag, 4. Oktober 2012

WENN DIE FREIHEIT MIT FÜSSEN GETRETEN WIRD - Mannings auf der Anklagebank von Marco Meissner

Dieser Beitrag kann mit nicht beseitigbaren Störungen behaftet sein.

Bradley Mannings in Uniform
© 2012 ap  Cliff Owen
["Seinen 24. Geburtstag verbrachte er vor dem Untersuchungsrichter: Der mutmaßliche WikiLeaks-Flüsterer Bradley Manning geht einem Leben in Haft entgegen - während vor den Toren die Heldenverehrung beginnt." SPIEGELManning soll geheime Datensätze der US-Regierung gestohlen und an die Enthüllungsplattform Wikileaks weitergeleitet haben, darunter hunderttausende Berichte zu den Kriegen im Irak und in Afghanistan sowie Depeschen des US-Außenministeriums. Ihm droht bei Verurteilung lebenslange Haft.
Der Prozess gegen ihn soll zwischen dem 4. Februar und 15. März 2013 beginnen.]
Staub wirbelt in die Luft. Die Maschinengewehrsalve schlägt donnernd in den Wüstenboden. Immer wieder sprechen die Soldaten, die das Maschinengewehr bedienen von bewaffneten Männern. Doch die Waffen dieser Männer sind Fotokameras. Aufmerksame und erbarmungslose Zeugen der Wirklichkeit. In Panik stürzen sie in den Dreck. Chancenlos erfasst sie das Schicksal in Form unzähliger Projektile.
Doch nicht die Soldaten sind die Täter.

Vor Gericht steht in diesen Tagen der Mann, der das dazugehörige Video der Öffentlichkeit zukommen ließ. In einer Zelle wartet er auf sein Urteil.
Die Todesstrafe sei ausgeschlossen. Man wolle keinen Märtyrer aus ihm machen. Doch aller Wahrscheinlichkeit wird Bradley Manning ein Leben lang hinter US-amerikanischen Gittern verbringen. Ohne die Chance auf eine vorzeitige Haftendlassung.
Er war es der die geheimen Dokumente Wikileaks zuspielte und dafür soll er jetzt büßen. Als abschreckendes Beispiel in die Geschichte der amerikanischen Gerichtsbarkeit eingehen.

In den Nürnberger Prozessen wurden damals Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt, die nach den unmenschlichen Maßnahmen ihrer Zeit gehandelt hatten und sich somit aller nur denklicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht hatten.
Nie wieder wollte man einfach nur weg sehen. Nie wieder sollte so etwas geschehen.

Doch nun steht jemand vor Gericht, der nicht weggesehen hat. Der uns allen gezeigt hat, was nach Meinung der US-Behörden nicht für unser Auge bestimmt war. Doch die Welt schaut weg. Lässt ihn allein. Zu mächtig ist der Gegner, der mit einer beispiellosen Prangerjustiz all seine Gegner mundtot macht. Landesverrat und Kollaboration mit dem Feind werfen die US-Behörden ihm vor. Und scheinbar merkt niemand, dass der Feind die Weltöffentlichkeit selbst zu sein scheint. Denn es sind eben wir, denen Mannings die Informationen zukommen lies.
Bradley Manning   (c) wikipedia

Man kann zu Julian Assange, Wikileaks, der Einhaltung von Schweigepflichten stehen wie man möchte. Doch wenn das Leben eines Menschen verpfuscht wird, der nicht mit ansehen konnte wie ungestraft Kriegsverbrechen an sämtlichen Fronten begangen wurden, dann ist das eine menschliche Tragödie. Damit treten die USA ein Gut mit Füßen, welches sie höher halten als jedes andere: Die Freiheit. Denn nur wo auch die Gedanken frei sind. Dort wo sich jeder seine Meinung machen kann. Wo niemandem die wichtigsten Details vorenthalten werden. Dort ist der Mensch in der Lage frei zu sein und zu handeln.
 
(c) Marco Meissner, Gladbeck, Dezember 2011

Mittwoch, 12. September 2012

Dichterhain: GERECHT? von Norbert van Tiggelen

 

Gerecht?















Gott hat uns einst die Welt geliehen,
nicht dafür, dass wir Menschen fliehen,
nicht dafür, dass der eine klaget,
der andere sich in Schampus badet.

Wo Kinder werden drauf getrimmt,
dass Arme keine Menschen sind,
wo Wahrheit nur ein Wort noch ist,
solange Du alleine bist.

Wo die Robbe wird erschlagen,
damit wir Menschen Pelze tragen,
der Herr mit seinem Schatten prahlt,
das Weibe aussieht wie gemalt.

Wo Liebe meist ein Wort bedeutet,
was man mit Geld sich leicht erbeutet,
entscheidet über gut und schlecht,
ist das denn alles noch gerecht?

© Norbert van Tiggelen

Mittwoch, 21. April 2010

Buchbesprechung: Gleichheit ist Glück, Berlin 2009




Richard Wilkinson und Kate Pickett
Gleichheit ist Glück
Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind
Tolkemitt Verlag bei Zweitausendeins
Berlin, Dezember 2009, 294 Seiten
(nur bei Zweitausendeins.de erhältlich)


Die beiden Epidemiologen haben einen großen und umfassenden Versuch unternommen, die Gesellschaften der Erde exemplarisch miteinander zu vergleichen. Was ist die Ursache für negative Erscheinungen im Leben und in der wirtschaftlichen Situation der westlichen Länder, die nicht mehr in den Griff zu bekommen sind? Warum explodieren in den USA, GB und anderen Ländern die Gefängnisse wegen Überfüllung und andernorts nicht? Wieso sinkt die Lese- und Rechenfähigkeit im Westen (inkl. Deutschland), während sie andernorts besser ist und steigt? Warum haben wir trotz Wachstum abnehmende Beschäftigungszahlen, zunehmende Verarmung, sinkende Lebenserwartung und Lebensqualität?

Die Autoren griffen dabei unter anderem auf medizinisches, (sozial-)psychologisches, (sozial-)geografisches und demoskopisch-statistisches Material der Wissenschaften und Nationen zurück. Nicht immer konnten sie die Fragestellung eindeutig belegen, jedoch auch in beweisärmeren Phasen der Buchentstehung ergaben sich eindeutig andere Erklärungsmuster als die üblichen. Insofern ist ihre Arbeit eine Meisterleistung und ein wichtiger Appell an die Leser, mitzuhelfen bei einer neuen Welt- bzw. Staatenordnung, die die Fehlentwicklung in wesentlichen Zügen aufhalten kann.
Sie entlarven mit etlichen Schaubildern und Quellenbeweisen die Ungleichheit in der Gesellschaft als wesentlichen Motor aller Fehlenwicklungen. Wo bislang nur vereinzelte Studien mal in den Fokus der Betrachtungen gelangten, ist es hier ein ganzes Bündel von wissenschaftlichen Arbeiten. Die Ungleichheit ist in allen untersuchten Ländern, das sind im Kern etwa 20 Länder, phasenweise auch ein paar mehr, als eindeutige Ursache aller kostenintensiven, krankmachenden und verarmenden Faktoren zu sehen, die unsere Gesellschaften lahmlegen.

Betrachtet wurden Australien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Israel, Italien, Japan, Kanada, Neuseeland, Niederlande, Norwegen , Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz , Spanien, USA (in den USA wiederholt differenziert nach den Bundesstaaten), ferner osteuropäische, arabische, asiatische Staaten.

So ließe sich verkürzt ausgesagt auf soziale und materielle Ungleichheit (Einkommen) einerseits nicht nur die Chancenungleichheit von Frauen, Hautfarben und Menschen aus der unteren Schicht zurückführen, sondern auch die Anzahl der Gefängnisinsassen. Überall wo hohe Ungleichheit herrscht, sind Frauen in hohen Positionen unterrepräsentiert, lagen Phasen verstärkten Rassismus, ethnischer oder Religionsunterdrückung vor dem jetzigen Zustand (extrem in den Südstaaten der USA) und sprengen die Gefängnisse wegen hoher Kriminalität auseinander. Die höchste Ungleichheit herrscht in den USA, ca. 560 Insassen auf 100.000 Einwohner. In Japan dagegen nur 40!
Ebenfalls essentiell mit Ungleichheit verbunden sind geringe oder sinkende Lebenserwartung und Gesundheit, hohe psychische Erkrankungsraten (USA vorne, Europa 25 % der Einwohner), über die Maßen soziale Spannungen und Probleme, Aggressionen, Delikte aller Art (inkl. Mord und Selbstmord), Drogenkonsum, Alkoholismus, Fettleibigkeit, Teenagerschwangerschaften, wenig Chancengleichheit, vorbestimmte, reduzierte und geringere Einkommensmöglichkeiten, geringe Lebensfreude und -zufriedenheit, hohes Statusdenken, oft an Produkte wie Kleidung, KFZ etc. gekoppelt, hohe Konsumorientierung als Ersatz, starker Materialismus, strenger Egoismus und ausgeprägter Narzissmus als Grundorientierung und Problemfaktor in sozialen und zwischenmenschlichen Kontakten, geringes Vertrauen in die Mitmenschen und in die soziale Gruppe (Verachtung), Arbeitslosigkeit und verarmte Sozialhilfeempfänger. Die Gesundheitssysteme sind überfordert, teilweise nicht leistungsfähig und teuer (siehe auch meinen Beitrag im Blog). Es herrscht das Prinzip nach oben buckeln und nach unten treten. Schwächere, Einzelne werden angegriffen, sie dienen als Ventil der Aggressionen. In der Arbeitswelt kaum und abnehmende Mitbestimmung und Mitsprache, irrwitzige Klüfte zwischen Nichtbesitzern, Nichtvermögenden und Besitzern, Vermögenden (siehe hierzu auch meinen Beitrag: Soziale Ungerechtigkeit). Die Aufzählungen könnten fortgesetzt werden, es ist überraschend und einleuchtend, verschafft ein Aha-Erlebnis zu längst geahnten Problemkonstellationen, warum alles schief hängt. Ein Beweis für die Theorie ist auch in der Entwicklung von Staaten zu sehen, die aus der (wenn auch verordneten) Gleichheit kommen und nun in den Sog westlicher Fehlentwicklungen geraten, wie ganz deutlich die alte UdSSR, DDR.

Gibt es Lösungen? Ja, und zwar deutlich zu sehen in vier Ländern: Schweden, Finnland, Norwegen und Japan. Diese Länder stehen am anderen Ende der Betrachtung, sie zeichnen sich durch hohe Gleichheit, höhere Gerechtigkeit und jeweils den entgegengesetzten Werten bei den Problemfaktoren aus! Erreicht werden kann dieser Zustand entweder durch hohe Steuern und Transferleistungen bei hohen Einkommen (Skandinavien), ausgebautem Sozialsektor und funktionierender Arbeitsmarktgestaltung, ferner durch hohe Mitbestimmung und Mitspache am Arbeitsplatz, am besten in einer Mitgestaltung und Mitträgerschaft der Unternehmen durch die Arbeitnehmer (Anteilsinhaber) etc. oder durch insgesamt geringere, aber besser verteilte Einkommen vor dann geringeren Steuern (Japan). Egal ob Variante eins oder zwei, es muss ein anderer Geist dahinter stehen, der Werte, soziales Miteinander, Teilen und demokratisches Mitbestimmen und Ausgestalten wünscht. Aus für die Hierarchien, diktatorischen und übergestülpten Systeme, Verherrlichung von Ausbeutern und Förderung einer superreichen Schicht. Gemeinschafts- und Kooperationsmodelle mit demokratischen Gremien und Räten sind die Lösung. Keine Manager, die in den USA das Fünfhundertfache der Arbeitnehmer verdienen, auch bei uns in Europa am Tag so viel bekommen wie andere im ganzen Jahr. Am ehesten erfolgreich ist das Modell im problematischen Westen verwirklicht zu sehen bei staatlichen Arbeitgebern. Ob dies nun als Utopie erscheint oder nicht, es ist das Modell, das über 70 % aller Befragten für gut heißen. Und das will was sagen. Ob jedoch die demokratische Einführung von mehr Gleichheit an anderer Stelle wieder Ungleichheit schafft kann das Buch nicht beantworten.

Ein lesenswertes Buch, wie der Guardian sagte: „Vielleicht das wichtigste Buch des Jahres“.

Wer über das Buch hinaus Informationen sucht, kann den angebotenen Link der Autoren nutzen: Equalitytrust