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Donnerstag, 24. November 2016

Wie war's bei MAYER HAWTHORNE in Mannheim? (Enjoy Jazz 2016)

(c) Stefan Vieregg

Mayer Hawthorne ... Wer das ist? Noch nie gehört? Dann wird's Zeit, allerdings nur, wenn sie so richtig US-amerikanische Musik und fast -urtypische Shows mögen. Aber der 37-jährige Musiker und Falsettsänger macht daraus natürlich eine Persiflage. Er mimt den Whisky trinkenden US-Macho, Marke Nordstaatler, den Nerd, Showmaster Mister America und viele mehr. Kein Kitsch, und schon gar keine Langeweile! 

Bei Enjoy Jazz Rhein-Neckar eingebucht, Jazz ist es nicht gerade, Elemente aus dem Funk Jazz vielleicht, aber egal, alles irgendwie neu und gut, deswegen nah an den Jazzscouts in unbekannten Gefilden, da ist er zugelassen, aber doch schon Bekanntes dabei und verführerisch zum Tanzen. Auch Liebhaber anderer Musikstile finden den gebürtigen Kaukasier gut, so die Rapper, zum Beispiel Snoopy Dog, obwohl Mayer, das ist in den USA resp. Michigan ein VORNAME, ganz andere Musik macht. Eine Mischung aus frischer aufgepeppter und veränderter Vintage Philadelphia Nostalgie der 1970er, White + Black Soul, Curtis Mayfield, ein Brise Earth Wind & Fire, Commodores und irgendwie ein bisschen den Show-Zappa.  
(c) Stefan Vieregg

Allerdings ist er auch eigen, was die Zeiten betrifft. Wer lässt schon unentschuldigt seine Fans eine Stunde in der Halle stehen, wo es nicht einen Sitzplatz gab? Die Alte Feuerwache Mannheim hatte sich in kompletter Länge auf einen Abtanz- und Fetzabend eingestimmt. Die erste Stunde war schwach, DJ Kurs spielte sich langsam warm, aber Stimmung brachte das nicht. Nicht wenige Leute aus den USA waren da, sie kennen ihren Mayer schon Jahre, viele junge Fans um die 20 bis 30, und beachtlich angetreten die guten alten Oldies aus der Gerade-schon oder Noch-nicht-Renten-Zeit.


Mayer Hawthorne verbindet, seine Nachname ist die Straße in der er in Ann Arbor, Michigan, aufwuchs, dort allerdings als Andrew Mayer Cohen. Und er gibt viel, unermüdlich turnt er über die Bühne, an der Seite seiner reizvollen Background- und Partnerstimme, seiner Musiker. Mal gibt er als Obertrommler den Ton mit Paukenschlägen bei den Drums an, mal reißt er die Gitarre mit dem Bassgitarristen um die Wette. Immer was los bei Mayer H., er bringt Stimmung mit einfachen Tricks rein, und schon machen alle mit. Auch seine Videos sind so individuell, übertrieben amerikanisch. Mit viel Humor nimmt er die dortige Gesellschaft auf den Arm.



Liebe, und was davon übrig bleibt


Donnerstag, 10. November 2016

Morgen Abend in Heidelberg: Archie Shepp's Tribute to John Coltrane (Enjoy Jazz 2016)

Stadthalle Heidelberg

(c) Martin Sarrazac
Archie Shepp's Tribute to John Coltrane
Land: USA


Beginn: 20:00
Einlass: 19:00



VVK: 54 / 48 / 42 / 36 / 28 / 22 € zzgl. Geb
AK: 60 / 53 / 47 / 41 / 32 / 27 €

Tickets kaufen


Besetzung:
Amir ElSaffar: tp
Archie Shepp : sax
Jason Moran: p
Nasheet Waits: dr
Reggie Workman: kb




Am 23. September 2016 wäre John Coltrane 90 Jahre alt geworden. Grund genug, seine Musik zum Finale des Festivals mit einem »Tribute« zu ehren. Wem stünde dies mehr zu als demjenigen, dem Coltrane als Mentor 1964 einen Vertrag bei „impulse!“ besorgte und sich dafür mit dem Album-Klassiker „Four For Trane“ und damit einer Verbeugung vor „Giant Steps“ bedankte? Archie Shepp, der nicht nur musikalisch, sondern auch gesellschaftspolitisch in die Fußstapfen Coltranes tritt, wird hierfür mit einer eigens zusammengestellten Band auf die Bühne gehen. Beiden Musikern ist gemein, dass sie nicht allein durch ihre Musik, sondern auch durch die Musiker, die sie an ihre Seite holen, Kulturen ineinanderfließen lassen. Schon damals war der Bassist Reggie Workman an der Seite von Shepp zu hören, ebenso wie in den frühen 60ern auch an der Seite Coltranes. Zu den Giganten Shepp und Workman gesellen sich an diesem Abend mit Jason Moran, Nasheet Waits und Amir ElSaffar drei Hoffnungsträger des zeitgenössischen Jazz. Die Karten für ein entsprechend kreatives »Tribute« sind also bestens gemischt, zumal Archie Shepp früh erkannt hat: „Nur Coltrane konnte wie Coltrane klingen!“

Heute Abend in Heidelberg: Julia Holter

(c) Tonje Thilesen
Karlstorbahnhof Heidelberg

Julia Holter
Do 10.11.2016
Land: USA

VVK: 24 € zzgl. Geb
AK: 29 €

Beginn: 21:00
Einlass: 20:00

Tickets kaufen


Besetzung:
Julia Holter: voc, keys
Devin Hoff: kb
Deanna Maccabe: v, voc
Corey Fogel: dr


Kein ernstzunehmender Musik-Poll kam Ende 2015 noch an Julia Holter und ihrem geradezu magischen Album „Have You In My Wilderness“ vorbei! Mit erstaunlich wenigen, aber stets folgerichtigen Schritten hat sich die Kalifornierin seit ihrem Debütalbum „Tragedy“ (2011) von Low Key-High Concept-Kunst in Richtung songorientiertem, catchy Dream Pop bewegt. Vom geheimen Geheimtipp einer Off-Szene hin zum international gefeierten Liebling aller undogmatischen und neugierigen Musikconnaisseure. Nach dem Abschluss in Elektronischer Musik am California Institute of the Arts gingen bei der hoch gebildeten und sehr belesenen Musikerin die Reduktion des Konzeptuellen einher mit der Erhöhung der Production Values und der wachsenden Erdung ihrer eigenwilligen Orchestrierungen durch Einzug handgemachter Musik. Bereits auf „Loud City Song“ (2013) waren Cello, Kontrabass, Saxophon, Posaune, Keyboards und Percussions zu hören, während die Tracks musikalisch zwischen Laurie Anderson, Siouxie Sioux und Jon Hassell changierten. Auf dem vierten Album „Have You In My Wilderness“ – mit Schlagzeug und Streichern! – stehen die Songs jetzt nicht länger für ein geborgtes literarisches Narrativ, sondern nur noch für sich selbst. Das erstaunliche Spektrum reicht vom fast perfekten Off Beat-Hit „Feel You“ bis zum jazzig-polyphonen „Vasquez“. Der Witz dabei: Je häufiger man dieses Album hört, desto geheimnisvoller wird es. Die Frage bleibt: Wie fühlt sich mysteriöse Zugänglichkeit live im Konzertsaal an?

Montag, 7. November 2016

Wie war's bei THE COMET IS COMING in Ludwigshafen a.Rh.? (Enjoy Jazz 2016)

(c) Stefan Vieregg


The Comet Is Coming, wenn das mal kein Versprechen auf High-Speed-Urgewalt aus dem All ist. Letzen Mittwoch, 02.11. im Dôme des Ludwigshafener Kulturzentrums dasHaus trat das britische Trio im Rahmen des Festivals Enjoy Jazz 2016 an Rhein-Neckar zum tosenden Chaosflug durch die hektische Lärmzone an.

Der Saxophonist King Shabaka Hutchings hat schon Tradition bei Enjoy Jazz. Letztes Jahr gastierte er mit Sons of Kemet, dieses Jahr mit Melt Yourself Down, beide hatte ich nicht gehört, aber jetzt war es mal soweit. Wie Enjoy Jazz mitteilte, soll es wie eine Performance in der Tradition von Sun Ra sein, und das spürt man in jedem Moment. Allerdings hat das Trio einiges modifiziert. Es sind nicht die egozentrisch-priesterlichen Züge des Performance-Künstlers und Hohen Priesters einer anderen Welt seit den 70er-Jahren - auch wenn Keyboarder Danalogue The Conqueror den Anti-Priester aus dem Dunkeln, den mittelalterlichen oder einfach nur den Fantasywelten entlehnten Kapuzenfighter mimt - sondern die Idee auf britisch in die brodelnde Experimentalszene des Chaos Jazz projiziert, gemixt mit Trash, Punk, Funk, Free und mehr Noiseangebot, inklusive hektisch-groovigem Streetdance auf kleinstem Bühnenraum nach Art von John Pololo aus der Côte d'Ivoire.

(c) Stefan Vieregg

Mit unermüdlichem Druck und Energie entfesseln das monomanisch insistierende, Bässe und bohrende Eindringlichkeit betonende Keyboard und quirlig-aufgeregte, permanent staccato atemlos anklagend und eindringlich mitteilende Saxophon einen recht aggressiven beharrlichen Soundteppich, der immer wieder von kurzen harmonischen Anklängen seiner Gewalt beraubt wird. Die Drums von Betamax Killer mit zurückhaltenden Beats dennoch Taktgeber. Der Reinigung von Seele und Körper durch eine schon lange nicht mehr musisch-ästhetische Katharsis als weitere tragende Idee des Konzepts wird volle Rechnung getragen. Hier denkt man unwillkürlich an manche typisch postmoderne Extremstücke im Jazzbereich wie At Midnight von Carla Bley und Michael Mantler, die freilich kompositorisch in anderen Regionen angesiedelt sind und die mehrfache Sprengkraft entwickeln. Das Draufhalten, Ab- und Auflösen von Widerständen, Explodierenlassen, Zertrümmern und Zerstückeln als ein langatmiger Heavy Attack galaktischer Kräfte hin zur ersehnten Erschöpfung und Ruhe. 

Donnerstag, 3. November 2016

Wie war's bei FAKEAR in der Alten Feuerwache Mannheim? (Enjoy Jazz 2016)

(c) Stefan Vieregg
Wenn man Fakir hört denkt man unweigerlich an die netten Nageluntergünde, die einem die vielgepriesene Nervenstimulation und Kreislaufzirkulation verschaffen sollen. Die Anwender kontemplativ auf absolute Körper- und Selbstbeherrschung ausgerichtet. FAKEAR ist doch etwas anderes, die Wortschöpfung erinnert noch am meisten an Fake und hear, denn alle Sounds werden gefaked, verändert und imitiert. Die elektronische Musik des Franzosen Théo Le Vigoureux, besagter Fakear, ist dennoch konzentriert und stimulierend für Nerven und Muskeln zugleich, weil jeder mitmachen und seinen Body bewegen will. Am 29. November 1991 in Caen (Normandie) geboren, ist der junge Komponist, Songwriter und Musiker ein konsequenter Anwender der elektronischen Musik für gute Stimmung. Es gibt ja viele "Elektroniker", die recht unhörbare Musikexperimente anbieten, Théo LV macht ein unterhaltsames Tanzvergnügen mit teils anspruchsvoller, teils simpler Ohrwurm-Musik draus.

Mit geschickter Beherrschung der Tasten und Sinn für dynamische Rhythmen entlockt er seiner MPC = Music Production Center, ehemals MIDI Production Center, so heißen die Kompositions- und Mischmaschinen vom Originalhersteller Akai, überzeugende Titel mit reichlich Effekten, umrahmt von passenden Lichtspielen. Extreme Bässe und tosendes Aufschäumen von Klangwelten werden mit leicht zu merkenden Melodien und Texten (Bababadubaba) gemischt - und schon dopst der/die Zuhörer/in als unermüdlicher Gummiball vor der Bühne. Letzten Samstag in der Mannheimer Feuerwache ein schönes Vergnügen für vielleicht 100 Leute, die einfach gerne in elektronischen Gewässern mit Esprit baden. Ein Ausflug ins jazztypische Experimentieren, ohne noch große Bezüge zum Jazz zu haben.

FAKEAR hat tatsächlich einen akademischen Musikhintergrund: Beide Eltern sind Professoren der Musik, die ihn ermunterten mehrere Instrumente zu lernen, darunter Saxophon, Gitarre, Violine, Klavier. Im Gymnasium gründete er eine Ska-Punk-Band mit fünf Freunden einschließlich Gabriel, der heute solo als SUPERPOZE unterwegs ist. Théo LV verließ die Gruppe 2013, um danach solo sieben EP und 2016 das erste Album "Animal" zu produzieren.

Für alle Interessenten: Er komponiert mit der Software REASON vom Entwickler Propellerhead Software für Windows und OS X, kompatibel mit der MIDI-Software. Die Einreihung in die multiplen Strömungen der EBM (Electronic Body Music), die schon in den 1970ern mit Can und Klaus Schulze, Kraftwerk und DAF, Jean Michel Jarre und anderen begann und recht bunt diversifizierte, fällt schwer. Elemente aus Synth-Pop, Indie, Rock, Electro, Wave, Beat, Techno, Trance paaren sich zu einer bemerkenswerten Mischung.

Mittwoch, 2. November 2016

Heute Abend in Ludwigshafen: The Comet Is Coming (Enjoy Jazz 2016)

(c) Fabrice Bourgelle

Mittwoch, 02.11.2016
The Comet Is Coming
Kulturzentrum dasHaus
Land: Großbritannien

Beginn: 20:00
Einlass: 19:00

VVK: 18 € zzgl. Geb
AK: 22 €

Tickets kaufen

Besetzung:
Danalogue The Conqueror: keys
Betamax Killer: dr
King Shabaka: sax


Bring deinen Körper auf die Party! »King« Shabaka Hutchings, der Saxophonist mit den karibischen Wurzeln, ist einer der viel beschäftigten Aktivposten der experimentierfreudigen britischen Szene. Im vergangenen Jahr begeisterte er als Leader mit seiner irrwitzig groovenden Band Sons of Kemet. In diesem Jahr präsentiert sich Hutchings, der auch noch bei den Five Blokes und bei Melt Yourself Down spielt und manchmal bei Polar Bear aushilft, als expliziter Teamplayer in dem von der Kritik gefeierten Space-Groove-Trio The Comet Is Coming, dessen Debütalbum „Channel the Spirits“ im Frühjahr für Furore sorgte. Hutchings ist ein erklärter Skeptiker des Jazz-Ghettos, will eher die Körper der Zuhörer erreichen als die Köpfe und setzt auf Ekstase und Trance statt auf elitäre Kunstmusik. Politisch sensibel verfolgen The Comet Is Coming ein von Sun Ra inspiriertes Space-Diaspora-Konzept und setzen mit ihrem von Nostradamus entlehnten Bandnamen auf eine hoffentlich reinigende Apokalypse. Bis es so weit ist, wird allererst zum Tanz aufgespielt! Anders funky!    

Sonntag, 30. Oktober 2016

Wie war's bei Nils Petter Molvær in Mannheim? (Enjoy Jazz 2016)

(c) Stefan Vieregg

Nils Petter Molvær ist ein sehr kreativer und ausdrucksstarker Jazzmusiker aus Norwegen, der immer wieder in der Musikszene prämiert wurde für seine seit fast 30 Jahren große musikalische Farbenvielfalt, die er vor den Zuhörern ausbreitet. Am 18. September 1960 auf der Insel Sula, Møre og Romsdal, geboren und aufgewachsen besuchte er nach seinem neunzehnten Lebensjahr das Jazz-Programm im Trondheim Musikkonservatorium (1980-82). Er trat in die Bands Jazzpunkensemblet mit Jon Eberson und Masqualero, neben Arild Andersen, Jon Christensen und Tore Brunborg. Mit Masqualero (benannt nach einer Wayne Shorter Komposition ursprünglich von Miles Davis aufgenommen) und anderen Künstlern bespielte er mehrere Alben für ECM Records. Sein Debüt-Solo-Album war 1997 'Khmer' (ECM). Später findet man ihn bei Universal, Sony. Zu seinem Debut lieferte er eine Jazz-, Rock-Fusion mit elektronischen Klanglandschaften und Hip-Hop Beats ab. Molværs gedämpfte Trompete hat ihre Wurzeln bei Miles Davis, entwickelt aber völlig eigene Sounds. Der außergewöhnliche Musiker hat auch Film- und Theatermusik komponiert, u.a. für eine Inszenierung von Ibsens “Gespenster” und Filme wie “Frozen Heart”, “Stratosphere Girl”, “The Invention of Love”, “Shameless”. Auch eine Fernsehserie (“Harry and Charles”) lebt mit seinem Sound.

Bei Enjoy Jazz 2016 trat er mit seinem neuen Album "Buoyancy" auf (September 2016 bei Sony), das eine geheimnisvolle Mission und Geschichte erzählt. Obwohl deren Form, Ausgestaltung und Inhalt ein zutiefst individuelles und offenes Projekt bleibt, bei dem je nach Zuhörer ganz andere Plots entstehen, lässt sich dennoch deutlich erkennen, dass das ozeanische Leben ihn fasziniert. Titel wie "Moute Cave", "Jackson Reef", "Lamna Reef" und "Kingfish Castle" sprechen für sich. Im nachfolgenden Interview kam denn auch durch die Jazzautorin Adriana Carcu (All about Jazz) im Gespräch mit Molvær und Drummer Erland Dahlen das Thema "Tauchen" zur Sprache. 

(c) Stefan Vieregg
In der Tat beginnt alles im Dunkeln, in einer Urzeit vielleicht, in der Tiefe, in einer Höhle mit eindringlichen Rufen und Signalen. Alle Töne haben Gegenspieler, die Auflösung von Eindeutigkeit. Die Trompete gleitet und schrammt sich immer wieder am Ursound klagend in die Höhe, gewinnt Dominanz und Souveränität, dann klar und stark in der Aktion und im Leid. Melancholie ist ein unerbittlicher Begleiter. Sie sucht den Dialog mit elektr. Piano/Keyboard (Morten Qvenild), Guitar (Geir Sundstøl), Bass Guitar (Jo Berger Myhre mit dem Streichbogen punktuell tatsächlich in verfremdete Oud-Klänge übergehend) und den knallharten Beats wie Peitschenhieben der Drums (Erland Dahle). Molvær hat schon immer ein Faible für orientalische Einflüsse. Früher schon wurden Muezzinrufe verarbeitet oder Musikzitate implantiert, auch bei diesem Album Titel wie "Ras Mohammed" und "Ahmed", die aber nur sehr, sehr dezent orientalisch klingen, wohl aber Assoziationen zum Pulverfass Orient zulassen. Die Geschichte einer Genesis, eines Entschlusses, einer Aktion, einer Liebe und das Verlieren von Liebgewonnem, Scheitern, Loslassen und Weiterziehen? Ein Synonym für die Weltkrieg-Zustände in einem Orient, der nur im Märchen und in der Erinnerung ein Traum bleibt? Der Höhepunkt im Ausagieren, Kontakt mit der Oberfläche, der Welt oberhalb des Meeresspiegels, mit grellem Licht und Donner, nachfolgender starker leidender Trauer, wie nach Verlust, Aufgeben. Das Weiterschreiten mit gewonnener Stabilität, Harmonie, Melancholie. Eine Reise durch ein Universum mit prosaischer Dichte und einem starken Erzähler.

Mittwoch, 26. Oktober 2016

Heute in Mannheim: Nils Petter Molvær (Enjoy Jazz 2016)



(c) Johannes Lovund
Nils Petter Molvær
Mi 26.10.2016
Land: Norwegen

Alte Feuerwache
Beginn: 20:00
Einlass: 19:00

VVK: 25€ zzgl. Geb
AK: 30€

Besetzung:
Nils Petter Molvaer: tp
Geir Sundstøl: g
Jo Berger Myhre: b
Erland Dahlen: dr
Morten Qvenild: p, electronics


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Mit schönster Regelmäßigkeit ist der norwegische Trompeter und Klangforscher immer mal wieder bei Enjoy Jazz zu Gast, um zu präsentieren, was seine Kunst in Bewegung hält, wie sie (und er) sich entwickeln. So spielte er mal als Solist, mal im Duo mit dem Minimal Techno- und Dub-Produzenten Moritz von Oswald, mal als Teamplayer mit der Formation Food und immer wieder mit eigenen Bands, in denen gleichermaßen Platz mal für gewitternde Sound-Extremisten wie Stian Westerhus, mal für die mit Pedal Steel Guitar und Banjo unterfütterte Melancholie eines Geir Sundstøl ist. Nichts scheint Molvær mehr zu scheuen als Stagnation und Berechenbarkeit. Aber offensichtlich hält der Unstete das musikalische Potential seiner aktuellen Band mit Geir Sundstøl, dem Bassisten Jo Berger Myhre, der mit seinem Dark-Jazz-Trio Splashgirl auch schon auf dem Festival gespielt hat, und dem seinerseits sehr umtriebigen Schlagzeuger Erland Dahlen für noch nicht auserzählt. Weshalb man in dieser Besetzung ein weiteres Album mit dem Titel „Buoyancy“ eingespielt hat, welches im September diesen Jahres erscheint. Sehr viel spontaner als bei „Switch“ geht es darum, den kreativen Spirit der Band in melodiösen Klangmalereien einzufangen. Live wird das neue Material in Quintett-Stärke realisiert. Mit dabei ein alter Bekannter: Morten Qvenild (In the Country, Susanna & the Magical Orchestra).

Im Anschluss an das Konzert wird sich der Künstler zusammen mit Jazz-Autorin Adriana Carcu (All about Jazz) und Drummer Erland Dahlen in einer exklusiven halbstündigen Gesprächsrunde über das neue Album Molværs, sowie die aktuellste Veröffentlichung von Adriana Carcu austauschen. Ein intimer Einblick in die Arbeit sowohl der Musiker als auch der Autorin, die gemeinsam mit Ihnen das zuvor gehörte Konzert noch einmal reflektieren.

Dienstag, 16. August 2016

Vorfreude bei ECM-Fans auf den September


Es geht am 2. September mit zwei besonderen Quartettaufnahmen los, die jeweils auf Initiative Manfred Eichers in Lugano entstanden: Atmosphères mit Tigran Hamasyan / Arve Henriksen / Eivind Aarset /Jan Bang und Ida Lupino mit Giovanni Guidi / Gianluca Petrella / Louis Sclavis / Gerald Cleaver.

Atmosphères ist ein stilistisch weit ausgreifende Doppelalbum; innerhalb von drei Tagen aufgenommen und abgemischt, stellt es eine neue Gruppe vor, bestehend aus Tigran Hamasyan, Arve Henriksen, Eivind Aarset und Jan Bang. Die Die drei Norweger spielten bereits in diversen Konstellationen auf ECM-Aufnahmen zusammen: Jan Bang etwa auf Eivind Aarsets Dream Logic, sowie Bang und Aarset auf Arve Henriksens Cartography.
Hier jedoch steht der armenische Pianist Hamasyan im Klangzentrum – er bringt neue Einflüsse ins Spiel: archaische, in den Kompositionen von Komitas verklärte, Folkmelodien. Alle vier Musiker sind hier auf einem kreativen Höhepunkt zu erleben, ob bei freier Reflexion über armenische Themen und beim spontanen Erschaffen atmosphärischer Klangwelten.

Pianist Giovanni Guidi und Posaunist Gianluca Petrella, Schlüsselfiguren in jenem Phänomen, das viele als “goldenes Zeitalter” des italienischen Jazz sehen, entwickelten ihr enormes gegenseitiges Verständnis als Improvisatoren in Enrico Ravas Band. Im Duo Soupstar gaben sie, regelmäßig von Gästen unterstützt, viele gemeinsame Konzerte. Für Ida Lupino brachte Manfred Eicher die Italiener mit dem Schlagzeuger Gerald Cleaver und dem Klarinettisten Louis Sclavis zusammen. Es entstand ein Reigen von Stücken, der sowohl lyrische freie Improvisation als auch von Giovanni und Gianluca komponierte Titel umfasst.

Am 9. September folgt bei ECM New Series eine Neuveröffentlichung mit der Musik Arvo Pärts: Für das Album The Deer’s Cry wurden mit dem Dirigenten Jaan-Eik Tulve in Estlands Hauptstadt Tallinn 13 Vokalwerke des Komponisten aufgenommen, darunter auch Ersteinspielungen (Drei Hirtenkinder aus Fátima und Habitare Fratres). Das estnische Vokalensemble Vox Clamantis ist durch seine regelmäßige Zusammenarbeit mit Pärt engstens vertraut mit dessen Musik. Selten eingespielte Werke machen gut die Hälfte der Spielzeit dieser Aufnahme aus, darunter drei Stücke mit instrumentaler Begleitung: Von Angesicht zu Angesicht, Sei gelobt, du Baum und Veni Creator.

Für Ende September sind Neuveröffentlichungen von Andrew Cyrille sowie von dem Trio Jakob Bro/Thomas Morgan/Joey Baron vorgesehen, Anfang Oktober folgt das zweite Album der Gitarristin Zsófia Boros für ECM, das sie am 3. Oktober beim Enjoy Jazz in Heidelberg vorstellt. Mehr zu diesen Aufnahmen demnächst.