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Mittwoch, 1. Mai 2024

BIB: Geringe Zufriedenheit besonders häufig bei Alleinerziehenden

 

Geringe Zufriedenheit besonders häufig bei Alleinerziehenden

Wie steht es um den Wohlstand der Bevölkerung? Wie zufrieden ist die Bevölkerung? Wie zufrieden Menschen mit ihrem Leben tatsächlich sind, hängt nicht nur vom Gesundheitszustand oder vom Einkommen ab, sondern auch von anderen demografischen Merkmalen. In seiner ersten Ausgabe untersucht der „BiB.Monitor Wohlbefinden“, inwieweit die Lebenszufriedenheit mit der familiären Situation, der Bildung, der Zuwanderungsgeschichte, Umzugs- und Pendelerfahrungen oder der Entfernung zur älteren Generation zusammenhängt. Dabei wird nicht nur die durchschnittliche Zufriedenheit betrachtet, sondern auch auf die Ränder der „Zufriedenheitsverteilung“ geschaut.

Alleinerziehende sind häufiger unzufrieden

Menschen, die einen Partner beziehungsweise eine Partnerin oder Kinder haben, sind tendenziell zufriedener mit ihrer Lebenssituation. Es ist allerdings besonders auffällig, dass sich unter Alleinerziehenden ein hoher Anteil wenig Zufriedener findet. Während nur rund ein Drittel der Befragten, die mit einem Partner oder einer Partnerin und Kindern zusammenleben, wenig zufrieden ist, ist dieser Anteil in Ein-Eltern-Haushalten fast doppelt so hoch (57 %).

„Einsamkeit und bei Singles mit Kindern auch die besonderen Herausforderungen, sich ohne Partner oder Partnerin im Haushalt um Kinder zu kümmern, gehen mit einer geringeren Lebenszufriedenheit einher. Der Anteil von Singles mit Kindern hat in den letzten Jahrzehnten immer weiter zugenommen. Hier herrscht ein ganz großer Unterstützungsbedarf vor, um ihr Wohlbefinden zu steigern, da dieses auch die Kinder beeinflussen kann“, sagt C. Katharina Spieß, Direktorin des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB).

Balkendiagramm Lebenszufriedenheit nach HaushaltszusammensetzungQuelle: BiB

Zugewanderte besonders zufrieden – im Gegensatz zu ihren hier geborenen Kindern

Personen mit eigener Zuwanderungserfahrung, die sogenannte „erste Generation“, geben mit einem Durchschnittswert von 6,8 auf einer Skala von 0 bis 10 eine recht hohe Lebenszufriedenheit an. Die Kinder der Zugewanderten, die sogenannte „zweite Generation“, sind dagegen etwas weniger zufrieden (6,5), obwohl sie im Hinblick auf Bildungsabschlüsse und Einkommen tendenziell erfolgreicher sind als ihre Eltern.

„Vermutlich vergleichen Zugewanderte der ersten Generation ihr Leben eher mit der Situation im Herkunftsland, während die zweite Generation ihr Leben häufiger im Vergleich zu Personen ohne Migrationshintergrund bewertet. Sie ist dadurch stärker für bestehende Unterschiede zu diesen sensibilisiert“, erläutert C. Katharina Spieß.

Räumliche Entfernung zwischen den Generationen beeinflusst Lebenszufriedenheit

Das subjektive Wohlbefinden ist direkt und indirekt von der Elterngeneration geprägt. So wirkt sich der Bildungsabschluss der Eltern nicht nur auf die bildungsbezogenen Chancen ihrer Kinder aus, sondern auch auf das Wohlbefinden. Erwachsene Kinder von Eltern ohne Hochschulabschluss geben häufiger an, weniger zufrieden zu sein.

Auch die Distanz zum Elternhaus spielt eine Rolle für das Wohlbefinden der erwachsenen Kinder. Die größte Zufriedenheit berichten diejenigen, die bis zu einer Stunde Fahrzeit mit dem Auto entfernt von den Eltern wohnen.

Pendeln wirkt sich negativ auf Lebenszufriedenheit aus

Liegt der Arbeitsplatz weiter vom Wohnort entfernt, müssen Pendeln und Umzug gegeneinander abgewogen werden. Lange tägliche Arbeitswege können einen Stressfaktor darstellen, der die Lebenszufriedenheit verringert. Laut BiB.Monitor Wohlbefinden berichten Personen mit langen täglichen Arbeitswegen eine geringere Lebenszufriedenheit. Berufliche Umzüge hingegen stehen mit einem Anstieg der Lebenszufriedenheit in Zusammenhang (26 % sehr Zufriedene vs. 17 % bei Personen ohne Umzug).

„Seit der Coronazeit, aus der die Daten der Erhebung stammen, ist Homeoffice weiter verbreitet und bietet eine Alternative zum täglichen Pendeln. Wenn lange Pendelstrecken entfallen, kann sich das letztlich positiv auf die Lebenszufriedenheit auswirken“, sagt Nico Stawarz, Forscher am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB).

Der BiB.Monitor Wohlbefinden erscheint einmal im Jahr und startet 2023 mit seiner ersten Ausgabe, in der verschiedene demografische Gruppen analysiert werden. Die Forschenden des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) nutzen zur Analyse des Wohlbefindens primär Daten des familiendemografischen Panels FReDA. Darüber hinaus werden für einige Analysen die Daten des Surveys on Health and Retirement in Europe, kurz SHARE, verwendet. Mehr Infos unter www.bib.bund.de/wohlbefinden

Dienstag, 30. April 2024

BIB: Lebenserwartung: Deutschland in Westeuropa unter den Schlusslichtern, Männer werden hier weniger alt

 

Im westeuropäischen Vergleich erreicht Deutschland bei der durchschnittlichen Lebenserwartung nur hintere Ränge. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie, die Forschende aus dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) und dem Max-Planck-Institut für demografische Forschung veröffentlicht haben.

Unter 16 westeuropäischen Ländern belegt die Bundesrepublik bei den Männern Rang 15, bei den Frauen Rang 14. Spitzenreiter bei den Frauen sind Spanien und Frankreich, bei den Männern die Schweiz und Schweden. Wesentliche Ursache für den Rückstand ist eine erhöhte Zahl von Todesfällen aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie, die Forschende aus dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) und dem Max-Planck-Institut für demografische Forschung im „European Journal of Epidemiology“ veröffentlicht haben.

Balkendiagramm zur Lebenserwartung bei Geburt in westeuropäischen Ländern, 2019Quelle: BiB

Zu viele Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Für die Studie wurden die Sterbefälle nach Todesursachen in Deutschland mit sechs ausgewählten Ländern verglichen. Im Vergleich zu Vorreiterländern bei der Verlängerung der Lebenserwartung wie Japan, Spanien, der Schweiz und Frankreich schneidet Deutschland gerade bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen schlecht ab. Beim Vergleich nach Alter treten bei Männern bereits ab einem Alter von 50 Jahren Lebenserwartungsrückstände gegenüber den Vorreiterländern auf. So verliert Deutschland gegenüber der Schweiz allein fast ein Jahr an Lebenserwartung aufgrund erhöhter Todeszahlen im Alter zwischen 50 und 65 Jahren. Bei Frauen erklärt sich der Rückstand dagegen überwiegend aus erhöhter Sterblichkeit in Altern über 65 Jahren.

„Dass Deutschland bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich zurückliegt, ist Anlass zur Sorge, da diese heutzutage als weitgehend vermeidbar gelten“, erklärt Mortalitätsforscher Pavel Grigoriev vom BiB die Ergebnisse.

Krankheiten medizinisch und durch gesunde Lebensweise besser vorbeugen

Die Befunde lassen darauf schließen, dass es Defizite bei der Vorbeugung auch gerade von Herz-Kreislauf-Erkrankungen gibt. Zu späte Diagnosen erschweren zudem eine erfolgreiche Behandlung „Unsere Analysen verdeutlichen den Nachholbedarf, den Deutschland in diesem Bereich hat“, meint Sebastian Klüsener, Forschungsdirektor am BiB. „Durch eine bessere Vorbeugung von Krankheiten können nicht nur Gesundheitskosten gespart, sondern auch das Wohlbefinden der Bevölkerung gesteigert werden.“ Auch die Bundesregierung hat den Handlungsbedarf erkannt, wie die zahlreichen Maßnahmen zur Verbesserung von Prävention im Koalitionsvertrag verdeutlichen.

„Bei dem Thema ist aber nicht nur der Staat, sondern sind wir alle gefragt“, sagt Sebastian Klüsener. „Etwa indem wir uns gesünder ernähren und mehr bewegen.“

Geringere Lebenserwartung trotz hoher Gesundheitsausgaben

Die Studienergebnisse mögen angesichts von Deutschlands kostenintensivem Gesundheitssystem mit hohen technischen Standards überraschend wirken.

„Große wirtschaftliche Stärke und ein für den Großteil der Bevölkerung gut zugängliches und leistungsfähiges Gesundheitssystem stehen in Kontrast zu einer westeuropäischen Schlusslichtposition bei der Lebenserwartung“, urteilt Pavel Grigoriev.

Der Widerspruch zwischen den hohen Investitionen in die Gesundheitsversorgung und den Ergebnissen bei der Lebenserwartung ist auch als Warnsignal für die Nachhaltigkeit des Gesundheitssystems zu bewerten – schließlich werden die gesundheitlichen Herausforderungen aufgrund der Alterung der Babyboomer in den nächsten Jahren noch mehr ansteigen.

Sonntag, 21. April 2024

BIB: Lebenserwartung in Deutschlands Regionen - Viele vermeidbare Todesfälle - Schuld sind Verhalten und System

Lebenserwartung in Deutschlands Regionen: Viele vermeidbare Todesfälle

Viele Regionen Deutschlands weisen eine deutlich niedrigere Lebenserwartung als deutschsprachige Regionen in Österreich, der Schweiz und Italien auf.

Zu diesem Rückstand tragen in einem erheblichen Maße Todesfälle bei, die durch ein besseres Gesundheitsverhalten der Bevölkerung und ein effektiveres Gesundheitssystem vermieden werden könnten. Dies zeigt eine neue Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne, welche erstmals Berechnungen zur vermeidbaren Sterblichkeit für mehr als 100 Regionen im deutschsprachigen Raum vorlegt.

Das Konzept der „vermeidbaren Sterblichkeit“ stuft alle diejenigen Todesfälle als „vermeidbar“ ein, die auf Basis des aktuellen Stands des medizinischen Wissens durch Vorbeugung, Früherkennung beziehungsweise eine optimale Behandlung verhinderbar wären. Neben dem Gesundheitssystem spielt bei der effektiven Vorbeugung und Früherkennung auch die Bevölkerung selbst eine wichtige Rolle.

Starke regionale Unterschiede in Deutschland

Die Studie offenbart bei vermeidbaren Sterbefällen ein beträchtliches Nord-Süd- und Ost-West-Gefälle. Demnach verringern diese die Lebenserwartung besonders stark in Ostdeutschland, vor allem in Vorpommern und Sachsen-Anhalt – und dies trotz großer Fortschritte, die bei der Reduzierung der vermeidbaren Sterblichkeit seit der Wiedervereinigung erreicht wurden. Aber auch einige von wirtschaftlichem Strukturwandel geprägte Regionen in Westdeutschland wie Ostfriesland, das Ruhrgebiet und das Saarland weisen eine ähnlich hohe vermeidbare Sterblichkeit auf. Die geringste Zahl an vermeidbaren Todesfällen verzeichnen dagegen die Schweiz und Südtirol, gefolgt vom Westen Österreichs und dem Süden Deutschlands. In Österreich gibt es ähnlich wie in Deutschland ein Ost-West-Gefälle zuungunsten des Ostens, mit der höchsten vermeidbaren Mortalität in der Landeshauptstadt Wien. Dagegen sind die regionalen Unterschiede in der Schweiz vergleichsweise gering.

„Obwohl der Süden Deutschlands mit der Metropolregion München und dem südlichen Baden-Württemberg im innerdeutschen Vergleich relativ gut dasteht, ist die vermeidbare Sterblichkeit in der Schweiz und in Südtirol noch einmal merklich niedriger“, fasst der Mortalitätsforscher Dr. Michael Mühlichen vom BiB die Ergebnisse zusammen. Dabei ist der Abstand zur Schweiz und Südtirol in den letzten Jahren sogar noch gewachsen. „Insofern besteht in allen Regionen Deutschlands noch Potenzial, vermeidbare Todesfälle zu reduzieren“, so Mühlichen.

Nachholbedarf bei Prävention und Früherkennung

Deutschland hat aber nicht nur bei vermeidbaren Todesfällen einen Nachholbedarf gegenüber seinen südlichen Nachbarn.

„Auch bei der Sterblichkeit im höheren Alter, vor allem im Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, zeigen sich Defizite,“ erklärt Dr. Pavel Grigoriev, Mitautor der Studie und Leiter der Forschungsgruppe Mortalität am BiB.

Die hohe Zahl an vermeidbaren Todesfällen steht im Kontrast zu den Ausgaben im Bereich der Gesundheitsversorgung, die pro Kopf im weltweiten Vergleich mit zu den höchsten gehören.

Die Autoren sehen unter anderem Verbesserungsbedarf bei Präventionsmaßnahmen und -politiken, um gesundheitsschädigendes Verhalten wie etwa Rauchen, Alkoholmissbrauch wirkungsvoller einzudämmen. Auch bei der Früherkennung und deren adäquater Inanspruchnahme hinkt Deutschland hinterher. Viele Behandlungen setzen spät an, wenn Erkrankungen schon stark fortgeschritten sind.

Hintergrundinformation über die Studie und das Konzept der vermeidbaren Todesfälle

Um den Einfluss des Gesundheitsverhaltens der Bevölkerung und des Gesundheitssystems auf die Sterblichkeit zu messen, kommt in der Forschung häufig das Konzept der „vermeidbaren Sterblichkeit“ zum Einsatz. Dabei wird zwischen zwei Kategorien unterschieden: „medizinisch vermeidbare“ Todesfälle, die bei angemessener und rechtzeitiger medizinischer Behandlung vermeidbar wären, und „präventiv vermeidbare“, denen durch effiziente Prävention vorgebeugt werden könnte. Die Einstufung erfolgt anhand der Todesfälle nach Todesursachen. Da es bei diesem Konzept um „vorzeitige“ Sterbefälle geht, werden nur Todesfälle im Alter von 0 bis unter 75 Jahren als „vermeidbar“ eingestuft. Der Anteil der vermeidbaren Todesfälle an allen Sterbefällen betrug in Deutschland 19 Prozent im Zeitraum von 2017 bis 2019. Dies ist erheblich, wenn beachtet wird, dass ein Großteil der Sterbefälle im Alter ab 75 Jahren erfolgt. Bei Männern ist der Anteil mit 24 Prozent höher als bei Frauen mit 13 Prozent. Um Verzerrungen im regionalen Vergleich durch unterschiedliche Altersstrukturen zu vermeiden, wird die Höhe der vermeidbaren Sterblichkeit auf Basis standardisierter Sterbeziffern berechnet.

Die staatenübergreifende Untersuchung der mehrheitlich deutschsprachigen Regionen Europas hat den Vorteil, dass schwer messbare Faktoren wie kulturelle Unterschiede insbesondere direkt in den Grenzregionen eine geringere Rolle spielen dürften. Insofern deuten systematische Sterblichkeitsunterschiede entlang der Staatsgrenzen auf unterschiedlich effiziente Gesundheitssysteme und Präventionsmaßnahmen hin. Die Ergebnisse vermitteln wichtige Ansatzpunkte für gesundheitspolitische Maßnahmen.

Karte zu vermeidbaren Sterbefällen je 100.000 Einwohner im deutschsprachigen Raum nach RegionQuelle: BiB