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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Samstag, 24. August 2013

Heute Abend im Radio: Weltfestspiele 1973 als Beginn der Ära Honecker in der DDR gefeiert (Feature)





24.08.2013    I    18:05 Uhr   I     Dradio Kultur, Feature

Die halbe Welt im halben Deutschland
Weltfestspiele in Ost-Berlin
Von Marianne Weil

Regie: Wolfgang Rindfleisch
Ton: Boris Wilsdorf
Produktion: DLR Berlin 2003
Länge: 54'20


Im Sommer 1973 finden in Ost-Berlin die Weltfestspiele der Jugend und Studenten statt. Ein Riesenrummel. Eine bunte Seifenblase. Nie gab sich die DDR liberaler und weltoffener als in diesen Tagen. Delegationen aus Asien oder Afrika treffen ein, halten Reden, singen, trom­meln. Auf dem Alexanderplatz bilden sich Diskussionsgruppen. Auch der Klassenfeind aus West-Berlin, die Junge Union unter der Führung Landowskys, diskutiert mit.
Eine Ton-Dokumentation mit Berichten von Zeitzeugen über das Gefühl von Aufbruch am Anfang der Ära Honecker.

Marianne Weil, 1947 in Darm­stadt geboren, Autorin für Features und Hörspiel-Montagen. Sezierte, inszenierte und montierte in zahl­reichen Stücken die Rhetorik des Kalten Krieges. Zuletzt für DKultur "Transitraum - Übergang" (2012).

Sonntag, 21. Juli 2013

Heute, kurz nach Mitternacht: DAS SUBHARCHORD bei Dradio Kultur


Mo 22. Juli     I     0.05 Uhr     I     Dradio Kultur, Klangkunst

Das SubharchordVon Angelika Perl
Regie: die Autorin


Mit: Ilka Teichmüller
Ton: Peter Kainz 

Produktion: DKultur 2006 
Länge: 27'40
Ende der 195Oer-Jahre be­ginnt in Ost-Berlin die Entwick­lung des Subharchords. Bereits am Labormuster spielen Kom­ponisten wie Paul Dessau ihre elektronische Musik ein. Von Chruschtschow als "Kakophonie" bezeichnet, stößt diese Musik auch bei den DDR-Oberen auf Ablehnung. Nach zehn Jahren kommt deshalb für das Entwick­lungsteam um Gerhard Steinke das Aus.

Anschließend: "Subteiler". Von Biosphere und The Pitch
Konzert-Mitschnitt vom CTM-Festival, 2. Januar 2013, Funkhaus Nalepastraße, Berlin

Mittwoch, 8. Mai 2013

Gedenktag 8. Mai als wichtiger Wendepunkt im Bewusstsein der Deutschen




Jeder weiß es: Der 8. Mai 1945 beendete die 12-jährige Militärdiktatur und Zerstörungsära der Nationalsozialisten unter Hitler. Jodl unterzeichnete die Kapitulation in Reims, Keitel in Berlin-Karlshorst. Der Zweite Weltkrieg in Europa war offiziell beendet. Das Ausmaß der Zerstörung, der Menschenverfolgung und -vernichtung wurde langsam jedem klar. Die Untersuchungen und Forschungen von Einrichtungen der Alliierten oder der Betroffenen fördern noch heute Tatsachen und Beweise der europaumspannenden Todesmaschinerie zu Tage. 

Dieser Gedenktag ist bitter nötig, denn die Kinder von heute im Westen können die Vorkommnisse bereits nicht mehr richtig einschätzen, weil wie so oft der Hauptschul- und Realschulunterricht in Geschichte vor 1945 endet oder das Thema überspringt. Auch blieb ein Rest der Gesellschaft, für den die Niederlage schmerzlicher war als die Befreiung. Die Zöglinge der DDR haben ein anderes historisches Bewusstsein erlernt: Von 1950 bis 1966 feierte man den 8. Mai als "Tag der Befreiung des deutschen Volkes vom Hitlerfaschismus", er zählte zum antifaschistischen Gründungsmythos der DDR. Deutschland hat sich nach dem Krieg zum Ziel gesetzt, diesen Tag nicht zu vergessen und allen Entwicklungen, die dazu führten, zu gedenken. Wollen wir hoffen, dass Jugendliche in den einfachen und höheren Schulen weiterhin erkennen, was passiert ist und wie man dem vorbeugen kann.

Dienstag, 26. Februar 2013

Buchvorstellung: UND PLÖTZLICH WAREN WIR VERBRECHER

Michael Proksch
Dorothea Ebert 
Und plötzlich waren wir Verbrecher
Geschichte einer Republikflucht

 Im Sommer 1983 unternahmen die Geschwister Michael und Dorothea aus Dresden, beide Musiker, zusammen mit Dorotheas Mann und einem befreundeten Kunststudenten einen Fluchtversuch. Sie wollten während einer Ferienreise zu Fuß über die bulgarische Grenze nach Jugoslawien. Eltern und Freunde wussten nichts davon. Der Versuch scheiterte. Anfang 1984 wurden sie zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt und um die Jahreswende 1984/85 von der Bundesrepublik freigekauft.

    Was brachte junge Menschen mit, wie es schien, guten Aussichten in der DDR dazu, das Risiko einer Republikflucht auf sich zu nehmen? Wie erlebten sie das Scheitern? Wie kamen sie im Gefängnis zurecht, als »Politische« unter Kriminellen? Der DDR-Alltag außerhalb und innerhalb der Gefängnisse und eine gescheiterte Flucht, erzählt aus der Perspektive von Schwester, Bruder und Mutter, die in Dresden zurückblieb.

dtv, 320 S., 14,90 €

Die Geschwister Dorothea und Michael Proksch wohnten in dem damaligen In-Viertel der Musiker und Künstler in der inneren Neustadt von Dresden. Sie hatten die Nase voll von der ideologischen Gehirnwäsche, die das Musikstudium überlagerte. Aufforderungen zur Bespitzelung anderer, selbst und gerade bei einem Parisaufenthalt, den Dorothea wahrnehmen darf. Dort sieht sie, was freies Leben bedeuten kann. Auch ihre WG-Mitbewohner sind begeistert. 1983 beschließt das Geschwisterpaar zu fliehen, gemeinsam mit den beiden Freunden. Sie besiegen ihre Angst und flüchten zunächst über Ungarn, dann über Bulgarien.
Dort werden sie im Gebirge von einem bulgarischen Grenzsoldat mit einer MP im Anschlag gestoppt.

"Wir liegen wehrlos auf dem Boden - bäuchlings. Die Soldaten kommen, halten uns ihre Gewehrläufe in den Nacken und mich ergreift das Gefühl, mein Leben sei jetzt zu Ende: Die Todesangst, die ich empfand, als ich erkannte, dass ein Gewehr auf mich gerichtet war und nur abgedrückt werden musste, bleibt wohl in meinem Gedächtnis unauslöschlich haften. Das kalte Eisen des Gewehrlaufs berührt meinen Nacken und meine Hände werden auf dem Rücken mit Lederbändern gefesselt."

Sie werden inhaftiert in dreckigen, kalten Gefängnissen der bulgarischen Staatssicherheit, nach  Hohenschönhausen in der DDR gebracht, von dort nach Dresden, wo die Gefangenen schließlich zu 2 Jahren und 8 Monaten Haft verurteilt werden. Zuchthaus Brandenburg und Frauenzuchthaus Hoheneck heißen die Stationen, bis sie die Bundesregierung zur Jahreswende 1984/85 freikauft.

Das Geschwisterpaar kann aufatmen, es entscheidet sich für München. Dort werden sie erfolgreiche Musiker. Die fast zwei Jahre als Häftlinge werden sie nie vergessen. Wenige Jahre später fiel die Grenze.

 
 

Dorothea Ebert, geboren 1960 in Dresden, absolvierte die Meisterklasse im Fach Violine an der Musikhochschule in Dresden und konzertierte bereits während ihres Studiums im In- und Ausland. Nach der Ausbürgerung setzte sie ihr Studium in Salzburg bei Sandor Vegh fort, nahm am Internationalen Kammermusikfest in Lockenhaus teil und trat danach zusammen mit Gidon Kremer im Wiener Konzerthaus auf. Sie ist seit 1987 als Dozentin am Richard-Strauss-Konservatorium, heute Hochschule für Musik und Theater, in München tätig und gehört seit 1988 als Geigerin dem Bayerischen Staatsorchester an.

Michael Proksch, geboren 1958, studierte Klavier an der Musikhochschule in Dresden, setzte nach der Ausbürgerung seine Klavier- und Kompositionsstudien in Genf, München und Berlin fort und ist heute freiberuflicher Komponist und Pianist. Er gab Konzerte im In- und Ausland, war 2006 »Composer in Residence« der Klassik Stiftung Weimar und 2007 Preisträger im Kompositionswettbewerb des Tonkünstlerverbandes. Er komponierte Musik für Bühnenprojekte, Hörbücher und Filmproduktionen und veröffentlichte Werke zur Klavierdidaktik.

 

Montag, 26. November 2012

Buchbesprechung: DIE UNVOLLENDETEN von Reinhard Jirgl

Reinhard Jirgl 
Die Unvollendeten
dtv

»30 Minuten Zeit – mit höchstens 8 Kilo Gepäck pro Person – am Bahnhof sich einzufinden – diejenigen, die gegen diesen Befehl verstoßen, werden nach den Kriegsgesetzen bestraft.« 

Sommerende 1945. Die tschechischen Behörden nehmen ihre Vertreibungen vor, und die deutsche Minderheit flieht aus dem Sudetenland. Vier Frauen – die einzigen Mitglieder einer großen Familie, die den Krieg überlebt haben – stehen im Mittelpunkt: Johanna, deren Töchter Hanna und Maria sowie die siebzehnjährige Enkelin Anna. Ihre Geschichte der Vertreibung, der Verlust der Heimat, die Entwurzelung und das neue Leben in der Fremde – in einem kleinen ostdeutschen Dorf nahe der Zonengrenze – bis in die Gegenwart des Jahres 2002 in Berlin lässt Jirgl auch den Urenkel erzählen. Er trägt zusammen, was ihm Mutter, Großmutter, Großtante und Urgroßmutter erzählt haben, um endlich auch sich selbst 
zu verstehen.


Reinhard Jirgl, der große Chronist deutscher Vergangenheit und Gegenwart, erzählt die Geschichte von vier Frauen aus der Kleinstadt Komotau, die nach dem Zweiten Weltkrieg übrig geblieben sind: die siebzigjährige Johanna, deren Töchter Hanna und Maria und die siebzehnjährige Enkelin Anna. Eine Familiensaga von Heimatlosen, die der Verlust bis heute 

nicht los lässt.
Jirgl hat 2010 den Georg-Büchner-Preis bekommen. Er habe in einem Romanwerk "von epischer Fülle und sinnlicher Anschaulichkeit ein eindringliches, oft verstörend suggestives Panorama der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert entfaltet", heißt es in der Begründung. Dabei lasse er die historischen Umbrüche aus unterschiedlichsten Perspektiven alltäglichen Erlebens gegenwärtig werden und mache so zuletzt in den großen Romanen "Die Unvollendeten" und "Die Stille" die Stimmen der Vergessenen und Verschütteten wieder hörbar.

(c) ddp: Reinhard Jirgl
Reinhard Jirgl wurde am 16. Januar 1953 in Berlin (Ost) geboren. Nach einer Lehre als Elektromechaniker studierte er ab 1971 Elektronik an der Berliner Humboldt-Universität. Als er 1985 sein erstes, umfangreiches Manuskript »Mutter Vater Roman« beim Berliner Aufbau-Verlag einreichte, wurde ihm eine »nichtmarxistische Geschichtsauffassung« vorgeworfen und die Veröffentlichung des Romans verweigert. Jirgl jedoch setzte das Schreiben fort. Bis zur Wende 1989 lagen sechs fertige Manuskripte vor - ohne dass ein einziges Buch von ihm veröffentlicht worden wäre. Erst 1990 konnte »Mutter Vater Roman« bei Aufbau erscheinen. 
1996 gab Jirgl die Tätigkeit als Techniker an der Berliner Volksbühne auf und arbeitet seitdem als freier Schriftsteller in Berlin. Seit 2009 ist er Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Neben dem Alfred-Döblin-Preis wurde sein Werk mit zahlreichen anderen Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem Anna-Seghers-Preis (1990), der Johannes-Bobrowski-Medaille (1998), dem Josef-Breitbach-Preis (1999), dem Kranichsteiner Literaturpreis (2003), dem Rheingau Literaturpreis (2003), dem Dedalus-Preis für Neue Literatur (2004), der Eugen Viehof Ehrengabe der Deutschen Schillergesellschaft von 1859 (2004), dem Bremer Literaturpreis (2006), dem Lion-Feuchtwanger-Preis (2009), dem Grimmelshausen-Literaturpreis (2009) und zuletzt mit dem Georg-Büchner-Preis (2010). 2007 war er Stadtschreiber von Bergen-Enkheim.

Montag, 9. Juli 2012

Für Sie besucht: 40 JAHRE CITY – AUF TOUR MIT DEM NEUEN ALBUM


City - Rockgeschichte aus dem Osten Deutschlands - groß geworden mit dem Sozialismus, dem antifaschistischen Wall und dem Mauerfall waren am 7.7.2012 in Kaiserslautern. Sie stellten hier - wie Toni Krahl es formulierte - am Mittelpunkt der Achse des Bösen (ein George W. Bush-Begriff, den wir alle kennen) ihr neues Album "Für immer jung" vor. Kaiserslautern und Ramstein sind tatsächlich der wichtigste strategische Punkt in Europa für die weltweite US-Kriegsführung.
CITY, das waren am Samstag Manfred Hennig (Keyboards), Georgi Gogow (Geige, Bass), Klaus Selmke (drums), Toni Krahl (Gesang, Gitarre), Fritz Puppel (Gitarre). Sie gelten noch immer als DDR-Rockband, die unter anderem mit ihrem Song "Am Fenster" (1978, weltweit mehr als 10 Millionen Mal verkauft) berühmt wurden, aber tapfer bis auf die Zugabe nur Aktuelles spielten. Das erste Album ging schon 500.000-mal über den Ladentisch. Und das erste DDR-Album kam 1980, es hieß "Dreamland", war ebenfalls stark gefragt. City ist die erfolgreichste DDR-Rockband.
Toni Krahl

Fritz Puppel

Manfred Henning

Klaus Selmke

Special 1
Special 2














Frontmann Toni Krahl ist ganz in seinem Berlin gefangen gewesen, er war sich wirklich nicht ganz sicher, in welchem Bundesland sie sich nun befänden, die mangelnden Geographiekenntnisse lösten dann zum Glück Zurufe aus dem Zuschauerraum … City hatte vor der Wende Gastspielgenehmigung für die BRD, obwohl sie nicht sonderlich angepasst waren. "Wir als Band betrachten uns immer als Spiegel der Gesellschaft oder der Umgebung, in der wir auftreten", äußerten sie einmal mit Toni Krahl, Sänger der Band seit 1975, und: "Wir haben immer versucht, die Themen aufzugreifen, die bewegen. Kleine Wahrheiten mussten wir in den Texten verstecken, wo zwischen den Zeilen lesbar wurde, was wir meinten." 1978 traten sie sogar in der legendären WDR-Sendung "Rockpalast" auf, mit ihren Plattenerfolgen der größte Erfolg bislang einer DDR-Band.
Frontmann Toni Krahl selbst kam wegen freier Meinungsäußerung vor seiner City-Zeit mit der DDR-Obrigkeit in Konflikt. Im Spätsommer 1968 hatte er couragiert einfach mal ein paar “kleine stümperhaft gestaltete Flugblätter” verteilt, auf denen er gegen den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten in die CSSR protestieren wollte. Das brachte ihm drei Jahre Gefängnis ein. So singt er auch auf der aktuellen CD: „Prager Frühling. Wut im Bauch. Sechzehn Wochen hinter Gittern. Das war ich.“
Das Besingen von Freiheit, Freimachen von Obrigkeitszwängen und Einsetzen für mehr Gerechtigkeit prägte den Weg der Band bis heute, entlang ihrer Erfolgssträhne mit 25 Mio Tonträgern und über 3.500 Konzerten.

In Kaiserslautern startete das Konzert, von den Veranstaltern Kunstgriff seit Monaten sehnsüchtig erwartet, um 20:30 Uhr mit einem verzögernden Auftritt, dann aber gewaltig. Der Rock war nach 3 Akkorden zu Hause in der Fruchthalle, und so blieb es auch bis zum Ende gegen 22:15 Uhr. Fantastische Energie und dominante Stimme von Toni Krahl - man darf nicht vergessen, dass die Cities alle von knapp 60 bis 70+ Jahre alt sind - ja, auch Fritz Puppel lässt es mit seinen (über) 70 Jahren noch voll abgehen. Keyboard mit Manfred Henning immer präsent und den richtigen Klangteppich legend, genau wie der originelle Drummer Klaus Selmke auf dem Großen Sitzkissen barfuß die Pedale bedient und souverän den Rhythmus vorgibt und weiterspinnt. Der Mann an der Geige - Georgi Gogow - hatte die besondere Ehre, mit seinen Synthesizer-Violinenklängen einen krassen, bizarren und fast schrillen, aber auch harmonischen und beglückenden Eindruck zu schaffen. Sein Zupfen setzte die Zäsuren auf dem Notenblatt, das tschechowsche Zerspringen der Saiten in dessen Theaterstück "Der Kirschgarten", das extrem Aufweckende und gleichzeitig auch Lyrische. Deswegen auch sein Soloauftritt in der Zugabenrunde.
Neben viel Publikumsbeteiligung und -kontakt gab es auch eine Bonbonverteilrunde für alle. Ganz besonders beeindruckend war die Show zum Song "Frei", der das Gefangensein mit Toni Krahl in einer riesigen Plastikfolie symbolisierte. Der Abend war gelungen, rundherum dicht und ehrlich im Angebot und ein prima Eindruck von City's Power heute.
Während gegenüber das große Altstadtfest mit neun Bühnen tobte, schafften es in die Fruchthalle immerhin noch 200 Zuschauer. Kein Vergleich zu überfüllten Hallen früher oder in City-Fans-Hochburgen, aber den nachkommenden Generationen oder den Amerikanern in K'town ist City eh kein Begriff mehr. Die sind für manche höchstens Dinosaurier, die andere Musik machen, andere Leute ansprechen und eben trotz ihrer ewigen Jugend zu einem Museumsexponat werden. Vor drei Jahren erlebte ich die Hamburger Rockband "The Rattles" in der Fruchthalle, absolut vergleichbar vom Alter und der Qualität her, die hatten trotz 3 Stunden hartem Rock und Einsatz sogar weniger Besucher.

r immer jung, Ariola/Song, Erstveröffentlichung: 24.02.2012

Die Einzeltitel:
1. Für immer jung
2. Danke Engel
3. Zu spät
4. Es ist immer noch Sommer
5. Sind so kleine Hände
6. Lieben und lieben lassen
7. Frei
8. Das Schöne am Leben
9. Quicklebendig (In The Death Car)
10. Anker
11. Die 20 Gebote




Fotos: SonyMusic

Donnerstag, 26. Januar 2012

Noch bis 26.02.2012: Auf die Plätze. Sport und Gesellschaft in Dresden

Auf die Plätze
Sport und Gesellschaft
Hg. von Susanne Wernsing, Katarina Matiasek und Klaus Vogel
für das Deutsche Hygiene-Museum
Göttingen 2011, 208 S., ca. 100 Farbabb., brosch.
24,90 € (D), Wallstein Verlag

Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung im Deutschen Hygiene-Museum, Dresden, bis 26.2. 2012

Was ist Sport? Warum begeistern sich die Massen derart für Sportveranstaltungen, dass Stadien heutzutage die größten Versammlungsorte sind ? Warum malträtieren Leistungssportler ihren Körper bis über die Grenzen des Gesunden hinaus? Die Beiträge in dem Begleitband zur Dresdner Ausstellung »Auf die Plätze« widmen sich dem Verhältnis von Sport und Gesellschaft im Lauf der Zeit.
So beschäftigt sich ein Essay mit der Geschichte des Bodystylings, die schon Ende des 19. Jahrhunderts mit der Errichtung sogenannter Kraftstudios ihren Anfang fand, und deren Ideal das Erreichen eines antiken Körpers war. Auch das Verhältnis von Sport und Geschlecht oder Sport als Bestandteil der Popkultur werden gewinnbringend dargestellt.
Neben den theoretisch orientierten Aufsätzen finden sich Interviews unter anderem mit der Schriftstellerin Sibylle Berg und dem Gründer des »Kieser Trainings« Werner Kieser.
Abgerundet wird der unterhaltsame Band durch eine Reihe von farbigen Abbildungen, die sportliche Ereignisse Bildern aus anderen Bereichen der Gesellschaft gegenüberstellen und dabei auf überraschende Analogien aufmerksam macht.

Die Herausgeber
Katarina Matiasek, geb. 1965, arbeitet als Künstlerin und freie Kuratorin. Ausstellungen, Filme und interdisziplinäre Forschungsprojekte zu den Themen Körper, Wahrnehmung und Medialisierung. Publikation u.a.: Vermessene Menschenbilder (2005).
Klaus Vogel, geb. 1956, ist Direktor des Deutschen Hygiene-Museums Dresden sowie seit 2008 Honorarprofessor für Ausstellungswesen an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden. Veröffentlichung u.a.: Das Deutsche Hygiene-Museum Dresden: 1911-1990 (2003).
Susanne Wernsing, geb. 1969, ist Historikerin und arbeitet als freie Kuratorin kulturwissenschaftlicher Ausstellungen in Wien und Dresden. Themenschwerpunkte: Körper, Technisierung, Bewegungskulturen und Performativität.

Dienstag, 6. September 2011

Utes Buchbesprechungen: Letzte Helden, Reportagen über die Helden der Arbeit in der ehemaligen DDR

Landolf Scherzer
Berlin 2010, 208 S., Originalausgabe, Taschenbuch, 9,95 €,
Aufbau Taschenbuchverlag

Es sind drei unterschiedliche Reportagen, die der Schriftsteller Landolf Scherzer in diesem Buch zusammengetragen hat: Seine Arbeit bei der Thüringer Tafel, eine Reise nach Tschernobyl und die Suche nach ehemaligen Arbeitern, die als „Helden der Arbeit“ in der DDR ausgezeichnet wurden. Stoff für die dritte Reportage zu sammeln, stellte sich als nicht einfach heraus, denn die Betriebe, in denen die Menschen gearbeitet hatten, existieren seit der Wende nicht mehr.
Auf die Idee, nach den Spuren der „Helden der Arbeit“ zu suchen, brachte den Schriftsteller ein Leserbrief. Ein Mann schickte ihm eine Seite aus dem Neuen Deutschland von 1987, auf der ein Verpflichtungsbrief von fünfzig dieser Helden für noch höhere Leistungen an Erich Honecker abgedruckt war. Scherzer recherchierte, was mit ihnen nach 1989 passiert ist, wie ihr Leben weiter verlief.
Einige der „Helden“ waren nicht mehr auffindbar. Und die, die er aufspürte, wollten nicht mit ihm reden.
Manche hatten Angst, dass sie als „systemnah“ eingestuft würden und möglicherweise ihre jetzige Arbeit verlieren könnten. Andere waren der Meinung, Reporter verzerren das Gesagte und schwiegen deshalb. Ein Baumaschinist aus Tangerhütte bringt es kurz und selbstbewusst auf den Punkt: „An meiner Arbeit ist der Sozialismus nicht kaputt gegangen!"
Ein paar der Befragten riefen den Autor nach dem Gespräch noch an und baten, nichts zu veröffentlichen. Der Autor beschreibt das so:
Manche begründeten die Notwendigkeit, etwas wegzulassen, mit ihrer Meinung, alles Persönliche sei in den Geschichten überflüssig. Nach 20 Jahren gäbe es schließlich eine offiziell feststehende politische Lesart über die DDR und das Leben ihrer Bürger. Ein „Held der Arbeit“, der in der DDR Bauingenieur war, formulierte es fachspezifisch: „Sofort nach der Wende hatten die Politarchitekten aus dem Westen das Haus DDR, wie sie es sehen wollten, schon fix und fertig auf dem Reißbrett. Aber sie zeichneten es derart hässlich, dass keiner auf die Idee gekommen wäre, es auch nur teilweise nachzubauen. Und wenn heute die Vergangenheit der DDR in der Birthler-Behörde oder in einer Stiftung offiziell aufgearbeitet wird, dann auch, weil in diesem vorgezeichneten Haus auf dem Fenster „SED-Unrechtsstaat“ oder der Tür „Missachtung der Menschenrechte“ die inzwischen verblassten Farben immer neu aufgetragen werden.“
Scherzer kommentiert seine bitteren Erfahrungen mit diesem Thema abschließend im Nachwort mit folgendem Satz: „Selbst Nichtsagen kann vielsagend sein."

Eine andere Reportage erzählt darüber, wie er für 3 Wochen im thüringischen Eisenach bei der Tafel arbeitete, wo Bedürftige sich verpflegen lassen können. Dort lernte er viele Menschen kennen. Einerseits natürlich die Bedürftigen selber und andererseits die Helfer, die manchmal selbst Bedürftige sind. Gemeinsam mit den Helfern sammelte er in Supermärkten Lebensmittel, sortierte Brauchbares aus, um zweimal in der Woche Brot, Milch, Gurken, Apfelsinen und Kartoffeln an die „Abholer“ verteilen zu können. Dabei sprach er mit den Menschen. Entstanden sind Geschichten von Abholerfamilien und die „Armut“. Hier klingt manches an, was er als Co-Autor des Buches „In einem reichen Land“ gemeinsam mit Daniela Dahn und Günter Grass veröffentlicht hat, wieder an.
Die Tafeln sind an der Abschaffung der Armut interessiert, aber ohne Armut müssten sie sich selbst abschaffen.“, bringt es ein Helfer auf den Punkt.

„Das Wort Tschernobyl heißt auf Deutsch „schwarzer bitterer Wermut“, so beginnt Scherzer seine dritte Reportage des Buches, die vom Versuch handelt, in die gesperrte Zone um Tschernobyl zu gelangen. Auf die Idee bringt ihn eine Veröffentlichung einer Ukrainerin „Eine Mohnblumenliebe“, das man ihm während einer Lesung in Berlin überreicht. Scherzer begleitet im Jahr 2007 eine Hilfsgütersendung in die Region des ehemaligen Atomkraftwerkes. Dort spricht er mit Betroffenen und dabei wird ihm klar, welche Bedeutung rote Klatschmohnblüten für Ukrainer haben. Er erfährt, wie die Behörden arbeiten und den Opfern geholfen oder nicht geholfen wird. Auch berichtet er, wo die Hilfesendungen landen und wie die Helfer arbeiten. Ein Satz, von einer Ukrainerin ausgesprochen, bringt klar zum Ausdruck, was Scherzer sagen möchte: „Wer still hilft, hilft anderen. Wer laut hilft, hilft auch sich".
Als der Autor dann schließlich nach mehreren vergeblichen Versuchen die Möglichkeit bekommt, in die Sperrzone zu gelangen, schlägt er aus. „Erlebnistourismus“ auf Kosten anderer Menschen lehnt er ab.

Landolf Scherzer wurde 1941 in Dresden geboren. Zur Zeit lebt er in Thüringen und ist als freier Schriftsteller tätig. Er verfasste literarische Reportagen über längere Zeiträume wie „Der Erste“ oder „Der Zweite“, aber auch Bücher wie „Immer geradeaus - zu Fuß durch Europas Osten" oder „Der Grenzgänger".



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Sonntag, 1. Mai 2011

Buchbesprechung: Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud

Christa Wolf
Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud
Suhrkamp Verlag 2010


Du bist dabei gewesen. Du hast es überlebt. Du kannst davon berichten.“
Wo lebten wir? In welchem gesellschaftlichen System prägten sich unsere Erfahrungen? Was macht unser Leben aus? Müssen wir uns für ein Leben entschuldigen? Diesen philosophischen Grundfragen geht die Autorin Christa Wolf, die drei deutsche Staats- und Gesellschaftsformen erlebte, in ihrem Buch "Stadt der Engel" nach.
Rezensenten schrieben, das Buch wäre schwer zu verstehen, larmoyant und voller Selbstmitleid. Wer sich nie die Frage nach dem Lebenssinn gestellt hat, nach Stärken und Schwächen seines eigenen und des Lebens aller, wird dem Buch vorwerfen, es sei kein Roman.
Die bundesdeutsche Öffentlichkeit verlangte und fordert von Christa Wolf mehr und mehr das Eine: das Bedauern, in dem kleinen Land geblieben zu sein, Enthüllungen über ihre Tätigkeit für die DDR-Staatssicherheit, Fehler in ihrer Arbeit im Schriftstellerverband. Sie verlangt eine Verzerrung der eigenen Erinnerungen. Erneut wird die deutsche Spaltung und Einheit zum Thema.

Das Buch handelt in der Stadt der Engel, in Los Angeles, in der die Autorin einige Wochen verbrachte. Hier trifft sie auf die Spuren von Feuchtwanger, Brecht, Eisler, Mann, jener deutschen Exilschriftsteller, das damals auf der Flucht vor den Nazis in der Stadt lebten. Schon sie wollten einen Staat, in dem „die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist".
Christa Wolf entwirft eine zweites Ich, das ihr ähnlich ist. Sie betrachtet sich von außen mit eigenen Augen und beschreibt einen ständigen Gesprächspartner, einen Sohn von Emigranten, der ihre Verzweiflung über den Hohn des Lebens in der DDR ebenso ernst wie spöttisch aufnimmt und reflektiert. Gleichzeitig geht sie in ihrem Forschungsprojekt im Getty Center mit den Briefen einer verstorbenen Kommunistin auf Spurensuche nach der Hoffnung aus der Zeit des Widerstandes gegen die Nazis, dem scheinbaren Beginn einer gerechteren Welt. Diese Hoffnung zerrinnt mit der fortschreitenden Entwicklung der DDR. Der Prozess wird erneut beleuchtet, den Christa Wolf eine Revolution und andere Schriftsteller nur eine „Wende“ nennen : Die Erhebung der DDR-Bürger, um Meinungs- und Reisefreiheit zu erzielen, um danach resigniert festzustellen, dass ihre Meinung wenig wert ist und das einzige, „was bleibt“, die Verbitterung und die Vergleichsmöglichkeit zweier Gesellschaftssysteme ist.
Mit Wehmut erinnert sich die Christa Wolf an die Tage der Volkserhebung, an denen sie selbst, auf dem Berliner Alexanderplatz sprechend, beteiligt war und „die Staatsmacht es als schlimmste Drohung empfand, als die Massen auf den Straßen die Losung riefen: Wir bleiben hier!" Sie hat auch nicht jene Offiziere der DDR-Armee vergessen, die ihr erzählten, wie sie in dieser Zeit die Munition der Truppe einsammelten, denn: „Einen Volksarmee schießt doch nicht auf das Volk". Und, an einer anderen Stelle des Textes erzählt sie im Gegensatz dazu wieder von der „Gerechtigkeit“, der besseren Sache, die es verteidigen wollte, dieses kleine Land. Am 17. Juni 1953 wird sie, die junge Genossin, in der Leipziger Innenstadt vom Pöbel aufgefordert, ihr Parteiabzeichen abzulegen. „Nur über meine Leiche“, antwortet sie überzeugt. Unbelehrbar wird die Presse tönen. Viele werden die Überzeugung nicht verstehen, dass es Gemeinschaftliches, Gerechteres, Besseres geben muss und es sich lohnt, dafür zu kämpfen.
Wie verletzlich das Individuum ist, wie schnell aus Begeisterung und Einsatz Verletzlichkeit und Hoffnungslosigkeit entstehen? Um sich nicht immer mehr verletzen zu lassen, benötigt man den „Overcoat" des Dr. Freud, der aber immer wieder sein Inneres nach außen kehrt. Am Ende des Buches hilft nur noch ein schwarzer weiblicher Engel, die Selbstzweifel hinweg zu tragen...

Im Übrigen ist die Zeit der Klagen und Anklagen vorbei, und auch über Trauer und Selbstanklage und Scham muss man hinauskommen, um nicht immer nur von einem falschen Bewusstsein ins andere zu fallen. „Im Winde klirren die Fahnen“ – Welcher Farbe auch immer. Na und? Dann klirren sie eben, aber warum haben wir es so spät gemerkt. Wir müssen leben nach einem unsicheren inneren Kompass und ohne passende Moral, nur dürfen wir uns nicht länger selbst betrügen. Ich sehe nicht, wie das ausgehen soll, wir graben in einem dunklen Stollen, aber graben müssen wir halt.“


Warum einer ist, wie er ist? Diese Suche nach dem Sinn des Lebens, die Christa Wolf anspricht, ist, angesichts einer bunten, spektakulären Medienwelt längst beantwortet: Zuschauen und im Heute leben, das Gestern vergessen und auf das Morgen pfeifen. In Los Angeles erreicht die Erzählerin das Gestern in Form von Zeitungsartikeln, von Faxen, in denen die Frau, die gestern noch als Dissidentin und berühmte Schriftstellerin galt, heute zur Parteidichterin und Denunziantin wurde. Warum sie denn nicht gegangen wäre, wird gefragt. Sieger bieten immer die Unerbittlichkeit der zwei Seiten. Die Siegerseite hat man zu wählen, die Verliererseite zu verdammen. Christa Wolf verweigert sich der Wahl, nach einem Ausweg suchend, einem Weg dazwischen, jenem „dritten Weg“ zwischen gestern, heute und morgen.
Im Heute breitet sich der „Virus der Menschenverachtung“ wieder schneller aus, meint Christa Wolf.

„Wohin sind wir unterwegs? Das weiß ich nicht."
Es geht um die Aufrichtigkeit der eigenen Erinnerung. Es geht um die Kunst des Erinnerns. Eine fast unlösbare Aufgabe.

Christa Wolf wurde 1929 in Landsberg geboren. Sie arbeitete und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin, Lektorin, Redakteurin und Schriftstellerin und lebt mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Gerhard Wolf, in Berlin. Wichtige Werke sind: „Der geteilte Himmel“ (1963), „Nachdenken über Christa T.“ (1969), „Kindheitsmuster“ (1976), „Kassandra“ (1983), „Der Störfall“ (1987), „Sommerstück“ (1989), „Was bleibt“ (1990), „Medea“ (1996), „Leibhaftig“ (2002, „Ein Tag im Jahr“ (2003) u.v.a.m..

Donnerstag, 16. Dezember 2010

Ausstellung: Karl Schmidt-Rottluff, Landschaften und Stillleben, noch bis 23.01.2011 in Saarbrücken

Karl Schmidt-Rottluff: Selbstporträt 1906

Karl Schmidt-Rottluff (*1884 in Rottluff bei Chemnitz - +1976 in Berlin) und seine Werke sind ganz stark mit dem deutschen Expressionismus und der Künstlergruppe "Die Brücke" verbunden. 1905 in Dresden von Bleyl, Kirchner, Heckel und Schmidt-Rottluff gegründet und später durch Pechstein, Mueller und für zwei Jahre durch Nolde ergänzt, blieb die zweite wichtige avantgardistische Künstlervereinigung im wilhelminischen Zeitalter - neben dem "Blauen Reiter" in München - eine Herausforderung für die anderen Vertreter der Moderne und für die folgenden Jahrzehnte. Die Berliner Secession zum Beispiel konnte und wollte mit diesem Avantgardismus nicht Schritt halten, 1910 schloss sich jedoch Schmidt-Rottluff der von Pechstein gegründeten Alternativbewegung Berliner Neuen Secession an, die die expressionistischen Brücke-Künstler aufnahm und ausstellte. Die Brücke-Künstler prägten die Kunstgeschichte und die gesamte Moderne durch ihre revolutionäre Haltung gegenüber allen bürgerlichen Motiven, der Farbenlehre und Darstellungen von Natur und Mensch. Jenseits von Repräsentier- und Salonkunst stachen die Expressionisten ins Auge, fanden aber nur schwer in die bürgerlichen Herrenhäuser.
Schmidt-Rottluffs Werk und die Meisterstücke der anderen Expressionisten unterlagen als "Entartete Kunst" schon ab 1933 und vor dem braunen Bildersturm einem Ausstellungs- und die Künstler selbst, sofern sie blieben, zumeist einem Arbeitsverbot. 1939 wurden einige seiner Werke verbrannt. Schmidt-Rottluff musste 12 Jahre die Unterdrückung und Verleugnung seines Werks ertragen. Nach dem zweiten Weltkrieg und der Entstehung der DDR zählte dort das expressionistische Werk und mit ihm Schmidt-Rottluff zu den bedenklichen Künstlern. Man unterstellte ihnen, Wegbereiter der nationalsozialistischen Auflösung aller Werte gewesen zu sein. So erlebte Schmidt-Rottluff bis zu seinem Tod eine doppelte Anfeindung durch die Politik und Machthaber, die ihm in der damaligen DDR wohl auch ein Arbeitsverbot eingebracht hätte.
Ernst Ludwig Kirchner:
Die Brücke - Eine Künstlergemeinschaft
Foto: wikipedia
Im Saarlandmuseum Saarbrücken sind in der Modernen Galerie aktuell beeindruckende Landschaften und Stillleben zu sehen, wie zum Beispiel die äußerst farbintensiven Bilder mit hoher Leuchtkraft und fesselnden Effekten wie "Rund um die Lampe" (1935), "Landschaft im Mondlicht" (1938), "Selbstbildnis" (1969) und "Abend im Zimmer" (1935). Ein Besuch, der sich für Freunde der Farbwirkung und des Expressionismus wie auch für Schmidt-Rottluff-Fans garantiert lohnt. Wer anschließend noch mehr moderne Kunst erleben will, kann sich die Dauerausstellung aller wichtigen Künstler der Moderne wie auch Max Slevogt als dezentem Vorreiter über zwei Stockwerke nebenan anschauen. In der Studiogalerie noch bis 6. Februar 2011 der Druckgrafiker Pierre-Auguste Renoir.






Bilder zu Schmidt-Rottluff
Video zu Schmidt-Rottluff

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Dienstag, 12. Oktober 2010

Unabhängige Verlage in Deutschland: Unterschiedliche Arten von Mut beim Engelsdorfer Verlag

Ute Apel
Unterschiedliche Arten von Mut
Gedichte und Kurzprosa
Leipzig 2010, 82 Seiten,
Paperback, 8,50 €, Engelsdorfer Verlag




Die Autorin, die mir freundlicherweise immer wieder eine Buchbesprechung zur Verfügung stellt (siehe ihre Besprechungen hier), hat nun einen Schritt nach vorne gemacht und ihr erstes Bändchen mit Gedichten und Geschichten auf den Markt gebracht. Schon immer eine begeisterte Literaturanhängerin entwickelte sich in ihrer Jugendzeit dennoch alles anders und ging nicht in Richtung Verlage, Kultur, Buch. Von der Marktsituation her betrachtet war es vielleicht eher zu ihrem Vorteil, denn heute verdient sie als Erwachsenencoach für Berufsqualifikationen kontinuierlicher. 
Besonders aufgefallen sind mir die herrliche Beschreibung eines Gewitters im Gedicht "Fenster", das als befreiend erlebt wird. Nicht durch das Verdrängen der Schwüle, der erlösende Regen, der an die Scheibe prasselt, lange ersehnt von den Vögeln, die sich endlich satttrinken können, sondern auch als eine Befreiung für Menschen. Junge Männer, fliehen paradoxerweise aus einer Enge, vielleicht auch vor dem Regen, der Weg scheint frei, allerdings führt er ins Nass hinein oder durch es hindurch.


Fenster

Nach blutroten Sonnenflammcn
komm du, befreiendes Gewitter
mit trommelndem Hagel.
Peitsche den Regen gegen das Glas,
damit die winzigen Vögel ihre durstigen Schnäbel
schließen
und schließlich anheben zu singen.
In dunklen, nassen Scheiben spiegelt sich so klar
der vergangene Tag.
Wicken umwehen die Brennnesseln am Damm.
Aus der Enge geflohen,
jagen junge Männer mit Mopeds durch die Nacht.


Verstehen

Zuhören kann der Taube.
Er will verstehen.

Sprechen kann der Stumme.
Er ringt ums Wort.

Laufen kann der Lahme.
Er stolpert Schritt für Schritt.



In "Verstehen" zeigt die Autorin, dass jeder die Fähigkeit, die ihm durch ein Gebrechen scheinbar fehlt, dennoch innehat, jeder kann das, was ihm fehlt, auf eine andere Art und Weise.
Die Geschichten vom grünen Männlein und der kleinen Unglückshexe sind schöne kleine Metaphern für die Sehnsucht raus aus dem Zwang, der dominanten Einheitlichkeit der grünen Welt - und wieder ein Paradoxon - hinein in eine blaue Welt, allerdings als Bürgermeister. Ob dies jedoch eine Veränderung nach sich ziehen wird, bleibt offen.
Die kleine Hexe ist immer dabei, hat Schuld an Pech, Pleiten und Pannen. Weil sie so unbezwingbar auf der linken Schulter sitzt, leidet die Trägerin, sie wird krank und schief, muss sich verbiegen, um diesem Biest zu entkommen, und doch wird sie es nicht los.
Zu ihren literarischen Projekten zählen außerdem Gedanken zum alljährlichen Hiddenseeaufenthalt, die wir eventuell auch in Buchform erwarten können.


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Dienstag, 9. Februar 2010

Lyrik: Eva Strittmatter feiert ihren 80. Geburtstag

Am 8. Feb. 2010 wurde Eva Strittmatter, Deutschlands meistgelesene Lyrikerin der Gegenwart, wie sie immer getauft wird,  80 Jahre alt. Aus diesem Anlass möchte ich mit den besten Wünschen für die Autorin einerseits auf eine Biographie von Irmtraud Gutschke, besprochen von Ute Apel, Leipzig, meiner Strittmatter-Spezialistin, hinweisen, andererseits auf einen Beitrag bei mdr figaro.

Biographie von Gutschke, I.:
Eva Strittmatter – Leib und Leben

Zum 80. Geburtstag von Eva Strittmatter, mdr figaro
Rigorose Selbstbefragung



Mehr zu Eva Strittmatter bei viereggtext:

Lyrik: Eva Strittmatter – Leib und Leben, eine Biographie von Irmtraud Gutschke



Irmtraud Gutschke
Eva Strittmatter – Leib und Leben
Das Neue Berlin 2008

Eva Strittmatter, 1930 in Neuruppin geboren, lebt seit 1954 als freie Schriftstellerin in Schulzenhof. Bekannt wurde sie durch folgende Lyrikbände: „Ich mach ein Lied aus Stille“ (1973), „Mondschnee liegt auf den Wiesen“ (1975), „Die eine Rose überwältigt alles“ (1977), „Zwiegespräch“ (1980), „Heliotrop“ (1983), „Atem“ (1988), „Der Schöne (Obsession)“ (1997), „Liebe und Haß. Die geheimen Gedichte“ (2000), „Der Winter nach der schlimmen Liebe“ (2005), „Für meine Schulzenhof-Freunde“ (2008), „Seele Seltsames Gewächs“ (2009), „Wildbirnenbaum“ (2009)
Zu den Prosawerken zählen: „Briefe aus Schulzenhof“ (I 1977, II 1990, III 1995), „Poesie und andere Nebendinge“ (1983), „Mai in Piestany“ (1986).


Irmtraud Gutschke wurde 1950 in Chemnitz geboren und ist bei der Zeitung „Neues Deutschland“ für Literatur verantwortlich. Seit 1971 veröffentlicht sie Texte über Autoren und ihre Werke. 1976 promovierte sie über „Mensch und Natur im Schaffen Aitmatows“ Daraus entstand 1986 der Essayband „Menschheitsfragen, Märchen, Mythen. 2007 erschien in dieser Buchreihe bereits ihr Gesprächsband „Hermann Kant. Die Sache und die Sachen.“


(Leipzig/UA) Eva Strittmatters Lyrik wurde millionenfach aufgelegt. Einen Grund für das Leserinteresse formulierte sie in einem ihrer Gedichte: „Ich schreibe von der einfachen Sache: Geburt und Tod und der Zwischenzeit“. Es wurde ihr oft vorgeworfen, ihre Lyrik sei volksliedhaft, doch in ihrer Poesie finden die Menschen Halt, erleben das, was ihnen widerfahren kann.
Wiederholt hat Irmtraud Gutschke in Schulzenhof gewohnt und die Lyrikerin mit großer Sensibilität interviewt. Sie fand eine scheinbar erschöpfte Frau im Bett und Rollstuhl, die jedoch eine wunderbare Kraft ausströmte.
Es entstand ein Buch, in dem Eva Strittmatter von ihren persönlichen Erschütterungen und ihren Erfahrungen erzählt. Immer kommt auch wieder das Gespräch auf ihre Ehe mit Erwin Strittmatter. Im Dialog wird eine packende Lebensgeschichte erzählt, in der die Leser ihre Autorin wiederfinden können. Zweimal traf Irmtraud Gutschke auch Sohn Ilja an, dessen Äußerungen ebenfalls Platz im Buch finden.
Die beiden Frauen kannten sich von den Puschkin-Tagen in der Sowjetunion, an denen Schriftsteller aus vielen Ländern teilnahmen.
Das Buch lebt einerseits durch die Kraft der Fragen und Anmerkungen von Irmtraud Gutschke und andererseits durch die genaue, offene Schilderung von Eva Strittmatter.
Irmtraud Gutschke berichtete während einer Lesung in Leipzig von der bildhaften Sprache ihrer Gesprächspartnerin und von Nebensächlichkeiten wie dem Kleid, das Christa Wolf trug, als sie bei Strittmatters nach dem 11. Plenum zu Besuch war oder den Löchern in den Strümpfen der rebellischen Tanten der kleinen Eva, die für das Verständnis der Lebensgeschichte der Autorin jedoch von großer Bedeutung sind.
Eva Strittmatter berichtet über die Jahre auf dem ländlichen Schulzenhof, Erwin Strittmatters Jasnaja Poljana, das er sich bewusst schuf. Sie erzählt über ihre Kindheit und Jugend, über ihre vier Söhne, über Hermann Kant, Christa Wolf, Alfred Wellm, Peter Schreier und andere Freunde und Vertraute. Sie berichtet über Geburt und Tod, über Alltägliches und Außergewöhnliches, vom Tod ihres Ehemannes und ihres Sohnes Matthes innerhalb kürzester Zeit. Auch über ihr Alter wie z.B. in einem Gedicht aus dem „Winter nach der schlimmen Liebe“

ALLE VERANTWORTUNG LOSZUWERDEN
Und ohne allzu viele Beschwerden
Die Tage des Alters hinzubringen.
Umgeben von gealterten Dingen,
die jung unser jüngeres Leben umgaben,
Nicht die Vergangenheit umzugraben
Und nichts zu hoffen, das wäre weise.
Einfach nur leben, verborgen und leise,
Mit der Gewissheit, es wird nichts geschehen,
Ich werde auf Erden nichts Neues mehr sehen.
Glaube und Hoffnung sind hingeschwunden,
Und ist die Liebe noch überwunden,
werde ich ganz in mir genesen...
Sie aber ist das Größte gewesen.


Auch über die Arbeit an ihren Gedichten reflektiert sie, zitiert, erwähnt die Entstehungsgeschichte des einen oder anderen Werkes. In der Zusammenarbeit mit ihrem Mann entstand Großes auf beiden Seiten. Die studierte Germanistin redigierte seine Texte und profitierte auch von ihm. „Natürlich. Vor allem seine präzise Art, Natur zu sehen und zu beschreiben, hat mir viel vermittelt. Poesie ist doch das Gegenteil von dem, was man gewöhnlich dafür hält. Es geht nicht um poetische gehobene Sprache, Genauigkeit ist das Entscheidende. Die Genauigkeit der Anschauung. Ich habe durch die Zusammenarbeit mit ihm verstanden, dass es für alles einen sinnfälligen Ausdruck gibt. Der darf niemals angestrengt wirken.“
Als die beiden Frauen am Gesprächsbuch arbeiteten, erschien gerade Werner Lierschs Artikel „Erwin Strittmatters unbekannter Krieg“, der in den Medien für große Aufruhr sorgte und Eva Strittmatter tief erschütterte und entsetzte. Die Biografie des großen Schriftstellers ist eine Jahrhundertbiografie, die manchmal einfacher schien als sie war. Auch dieses Thema fand seinen Platz im Buch. Eva Strittmatter wollte es erst im Anhang wissen, doch die Gesprächspartnerinnen einigten sich doch, es in den Text aufzunehmen.
Manchen Leser erschüttert vielleicht die nüchterne Sicht auf das Jahr 1989 und Gorbatschow. Betrachtet man jedoch das Leben der Autorin insgesamt, erscheint auch das nachvollziehbar. Es ist und bleibt Eva Strittmatters Geschichte. Es erzählt eine Frau im Zwiespalt liebevoller Aufopferungsbereitschaft und dem eigenen Entfaltungswillen. Sie hat die Differenz genutzt, die daraus entstand, wie sie sich ihr Leben einst vorstellte und was schließlich Realität wurde. Sie hat daraus Kunst geschaffen, doch das soll nicht das Fazit sein.
Am Ende äußert die heute 80-Jährige die Hoffnung, dass es ihr noch gelänge "...zwei oder drei oder vier kleine Poesien zu machen."

Ute Apel


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Dienstag, 27. Oktober 2009

Lyrik: Eva Strittmatter - "Seele seltsames Gewächs". Ein Gastbeitrag von Ute Apel, Leipzig


„Gedichteschreiben ist keine Fähigkeit, die man erwirbt und die einem zur Verfügung steht, wenn man will... Ach, nein, wenn es so wäre, ginge es mir gut.“
Das sind die Einleitungsworte zu einem neuen Gedichtband Eva Strittmatters. In ihm vereinen sich bislang unveröffentlichte Gedichte mit einer Auswahl aus bereits bekannten Werken der Dichterin. Der Buchtitel ist der ersten Zeile des Gedichtes „Gegenblüte“ entnommen, in dem die Entfaltungsmöglichkeiten der Seele beschrieben ist.
Zu sieben Gedichten malte Linde Kauert mehrfarbige Bilder, die den Band ganzseitig schmücken.

(Foto: viereggtext)

 Der künstlerischer Weg der Malerin und Verlegerin Linde Kauert führte in den letzen Jahren immer mehr zur Gestaltung von Bildern zu Literatur.
Die Gedichte im Buch wurden mit "Anmerkungen" Eva Strittmatters über die Entstehung von Lyrik bereichert, dem Band „Poesie und andere Nebendinge“ entnommen, der 1983 im Aufbau-Verlag erschien wie diese:
Ich reflektiere Leben, reflektiere Erfahrung, aber das muß ich für mich allein tun. Der Preis für meine Poesie, den ich selber zahle, ist Abgeschiedenheit und Einsamkeit. Ich bin ein phasenweise, sehr einsam lebender Mensch. Wenn ich diese Einsamkeit nicht herstelle, schreibe ich keine Gedichte mehr. Dann aber, wenn es mir gelingt, Gedichte zu schreiben, lebe ich wie in einer Hülle aus Worten. Wie sie in mir entstehen, das geht manchmal über längere Zeit, über Tage sogar, umgeben sie mich ständig.“

Vom Schreiben


Natürlich könnte ich
Auch komplizierter schreiben
Und könnte Dichtung als
Geheimmagie betrieben.
Ich könnte Chiffren erfinden,
die nur fünf Leute verstehn,
Und die anderen wären die Blinden,
Wir sechs allein könnten sehn.
Ich will aber einfach bleiben
Und nah am alltäglichen Wort
Und will so deutlich schreiben,
dass die Leute an meinem Ort
Meine Gedichte lesen
Und meine Gedanken verstehn
Und sagen: so ist es gewesen,
Und das haben auch wir schon gesehn.

Besonders berührend ist der Abdruck handschriftlicher Fassungen einiger Gedichte. Dabei wird der mit den Jahren sanfte Wandel in den Schriftzügen Eva Strittmatters deutlich. Ein Buch für die Seele.
Eva Strittmatter wurde 1930 in Neuruppin geboren. Im Osten Deutschlands hatten ihre Bücher Auflagen von rund 2 Millionen Exemplaren. Im Westen dagegen wurde sie, bis auf wenige Ausnahmen, nicht zur Kenntnis genommen, bemühte sich jedoch auch nicht aktiv um die Gunst der westdeutschen Journalisten. Hermann Kant sagte einmal von der Autorin: ,,Wir haben diese Gedichte nötig.''

Freitag, 21. August 2009

Hörbuch-Tipp: Eva Strittmatter - In einer anderen Dämmerung. Gedichte und Selbstauskünfte. Gastbeitrag von Ute Apel, Leipzig


(Über die Autorin:

Eva Strittmatter wurde 1930 in Neuruppin geboren. Sie studierte von 1947 bis 1951 Germanistik in Berlin, war von 1951 bis 1953 Lektorin beim Deutschen Schriftstellerverband, arbeitet seit 1954 als freie Schriftstellerin. 1975 erhielt Eva Strittmatter den Heinrich-Heine-Preis. Sie veröffentlichte Kritiken, Kinderbücher, Gedichte und Prosa: „Ich mach ein Lied aus Stille“ (1973), „Mondschnee liegt auf den Wiesen“ (1975), „Die eine Rose überwältigt alles“ (1977), „Zwiegespräch“ (1980), „Heliotrop“ (1983), „Atem“ (1988), „Unterm wechselnden Licht“ (1980), „Der Schöne (Obsession) (1997), „Briefe aus Schulzenhof“ (I 1977, II 1990, III 1995), „Poesie und andere Nebendinge“ (1983), „Mai in Pieštány“ (1986) und Kinderbücher wie u.a. „Brüderchen Vierbein“ (1958), „Vom Kater, der ein Mensch sein sollte“ (1959), „Ich schwing mich auf die Schaukel“ (1975). Die Schriftstellerin lebt in Dollgow, Ortsteil Schulzenhof, und Berlin.)

Das Hörbuch enthält zwei CDs, eine mit Gedichten von Eva Strittmatter, die die meist gelesene deutsche Lyrikerin selbst spricht, und eine zweite CD mit Selbstauskünften der Autorin und Beiträgen von Peter Schreier, Hubertus Giebe und Hermann Kant, langjährigen Freunden der Familie, über ihr Leben. Untermalt sind die Beiträge durch leise Musik von Chopin.

Mit zwölf Jahren beginnt Eva Strittmatter in ein blau marmoriertes Buch Gedichte zu schreiben. Nach dem Abitur studierte sie Germanistik, Romanistik und Pädagogik in Berlin. Die schnell eingegangene Ehe mit einem Mitstudenten, aus der ein Sohn hervorgeht, scheitert.

Als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lektorin des Schriftstellerverbandes der DDR lernt sie den Romanautor Erwin Strittmatter kennen, dessen erster Roman "Der Ochsenkutscher" eben erschienen war: "Er war gönnerhaft. Er hat mich altklug und väterlich ausgefragt, bis er sich mir schließlich genähert hat..." Die beiden werden ein Paar. Erwin Strittmatter sagte danach: "Es wird entweder die letzte Liebe für mich oder eine große Katastrophe." "Es wurde weder die letzte Liebe, noch eine große Katastrophe, aber das Große kann stehen bleiben", meint seine Gefährtin dazu.

"...Dieses Gefühl, sich eine Haut aus Worten zu machen, dass man sich sozusagen eine zweite Haut schafft, um sich herum etwas schafft, was einen schützt, oder in dem man lebt...", erklärt sie ihr Schreiben. Dem entgegen stand und steht ihr Alltag, ihr Leben an der Seite von vier Söhnen und eines Mannes, für dessen Werk und künstlerisches Schaffensvermögen sie enorme Kraftanstrengungen auf sich nahm und selbst nach seinem Tod als Bewahrerin seines Nachlasses noch immer auf sich nimmt. "Mit Familie und Haushalt wollte er nichts zu tun haben und so ist es auch gekommen."

Eva Strittmatter fühlte sich in die Sprache ihres Mannes ein, so sehr, dass sie bis zur Selbstaufgabe seine Ehefrau, Gefährtin und wichtigste Kritikerin des Werkes wurde. "Jeder hat die Sache des anderen als seine angesehen."

Sie schafft die Balance zwischen Mann, Söhnen und eigenen Gedichten. Für Eva Strittmatter gibt es immer einen "langen" Tageslauf, sie versorgt, bewirtet, vermittelt, streitet, ordnet, beantwortet Briefe... In einer schwierigen Situation der gemeinsamen Ehe, einer Liaison ihres Mannes, beginnt sie Gedichte, erst für sich selbst, dann als Kontinuum, zu schreiben. "Ich wollte ihn verlassen, mich von ihm trennen... "Er hat nie sein Verhalten eingerichtet auf mich. Ich war völlig eingestellt auf sein persönliches und dichterisches Leben, er aber nicht auf mich. Für jede Sache, die er mir angetan hat, habe ich mich entschuldigt, sonst wäre es nicht wieder in Gang gekommen... Einmal bin ich mit sieben Koffern nach Berlin gefahren..."

Die Gedichte der Autorin bestehen aus Sehnsucht, Sensibilität und bildhaften, leisen und menschlichen Tönen. Natur wird zum Raum eigener Gestaltungsmöglichkeiten, zur wichtigen Metapher. Das Schreiben muss sich Eva Strittmatter immer erkämpfen, sich selbst als Dichterin ernst nehmen.

So berichtet sie vom Kennenlernen bis zum Tod Erwin Strittmatters über viele Konflikte und wunderbare Gemeinsamkeiten des Lebens auf Schulzenhof.

Aber auch die erste CD, auf der die Lyrikerin Texte aus ihren Gedichtbänden liest, lebt von einer ruhigen, einfach menschlichen Sprache der Autorin.

"Was soll man auch sagen?", beendet Eva Strittmatter ihren Bericht zum Tod ihres Mannes 1994 angesichts der Sprachlosigkeit, dem Verschweigen der letzten Wahrheit, wenn ein Mensch nach vierzig Jahren des gemeinsamen Lebens gehen muss... Im selben Jahr verlor sie auch ihre Mutter und ihren Sohn Matti.



Eva Strittmatter: In einer anderen Dämmerung: Gedichte und Selbstauskünfte [Audiobook], Eulenspiegel Verlag 2009. Von und mit Eva Strittmatter (Sprecherin)
(Vormals: Aber das Große kann stehen bleiben - Gedichte und Selbstauskünfte, 2002.)
ISBN-10: 3359011163
ISBN-13: 978-3359011163



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