Patrick Roth Foto: Stefan Vieregg |
Unter diesem Motto stand der äußerst gelungene Abend von und mit Patrick Roth, dem Filmemacher und Autor. Ein weiteres Highlight in der stattlichen Sammlung von sehr ansprechenden, seltenen und hochaktuellen Angeboten der Hugo-Ball-Gesellschaft, deren Geschäftsführung mit Ricarda Faul eine sehr aktive und emsige Kulturgestalterin gefunden hat. An dieser Stelle auch ein herzliches Dankeschön an Ricarda Faul, die in 2011 enorm viel frischen Wind in die eher träge Seele der pfälzischen Kulturkolonie und ihrer nationalen wie internationalen Anhänger gebracht hat. Ein Kunststück, hier ein großes Publikum zu mobilisieren und dann hoch interessierte Menschen zu versammeln. Ein runder Geburtstag in Pirmasens, den man lange feiern wird.
1953 in Freiburg i. Br. geboren wuchs Roth in Karlsruhe auf und kam mit 22 Jahren und durch den DAAD nach Los Angeles, wo er 31 Jahre fest lebte. Jetzt erst beschloss er, 2012 wieder ganz nach Deutschland zurückzukehren. Zu jenen Orten in Los Angeles, an denen er in diesen Jahren damals wohnte und schrieb, Erfahrungen und Begegnungen sammelte, kehrte er anlässlich seines Films IN MY LIFE zurück und drehte im Auftrag des ZDF einen 40-minütigen autobiografischen Film, ein "elektronisches Tagebuch": herausgearbeitete Kristallisationspunkte der Erinnerung an das frühere Leben und Arbeiten, die den Prozess der persönlichen und künstlerischen Entwicklung rückblickend sichtbar werden lassen. Ein Film, der seine Person selbst zum dramaturgischen und inhaltlichen Gegenstand hatte, eine große Aufgabe und eine Herausforderung.
Im selben Jahr, als der Film fast fertig war, 2006, erhielt Patrick Roth die Auszeichnung "Mainzer Stadtschreiber". Er beschreibt am Ende des Films ein Gefühl der tiefgründigen Unsicherheit und Ungewissheit anlässlich einer bevorstehenden Lesung aus seinen Werken und hinsichtlich der Dinge, die waren und kommen werden. Das so wichtige Zusammentreffen von Zuhörern und ihm im Mainzer Dom, die Gewissheit, dass in 30 Jahren spätestens nur noch wenige aus diesem Kreis leben würden und dass aus der Vergangenheit in eine ungewisse Zukunft hinein ein magischer Fluss des Vergänglichen fließt, wie von einem weißen Licht in der Ferne angezogen. Am Ende dieser intensiven Ich-Suche und -Findung im Film die Ahnung, dass alles seinen Sinn und Bedeutung hat, so zufällig es auch erscheint.
Patrick Roth Foto: Stefan Vieregg |
Hoch kunstvoll verbindet der Autor seinen autobiographischen Ausflug mit dem ägyptischen Totenbuch, das den Pharao auf seinem Nachen zeigt, wie er genau 12 Stunden lang in das Reich der Toten, die Unterwelt und das Königreich von Osiris vorstößt, um es dann wieder zu verlassen. 12 Stunden - 12 Orte ... Der Strom des Unbewussten, Stream of Consciousness, das Monologisieren von James Joyce und die Bilderwelt der Traumsymbole C.G. Jungs stehen ebenfalls Spalier zu dieser Hochzeit mit dem Erlebten, Erfahrenen, Verdrängten und Wiederaufgetauchten. Auf diesem Strom gelangt der Autor im schwarzen Ford Mustang, dem modernen Pferd des Cowboys, zurück zu seinen Stationen und Idolen, Einflüssen und Emotionen. Scheinbar Totes, aber bei Aufrufen wieder Lebendiges ... Keine Autobiografie ohne Traumarbeit, ohne Kommunikation mit dem Unbewussten will uns der Autor sagen. Patrick Roth hat bis heute 40.000 Seiten Traumprotokolle gesammelt. Er benutzt Träume als Quelle seiner Inspiration und weiß, wie wichtig diese Bilder für ihn, sein Verstehen und die Kunst des Schreibens sind.
Seine Vorliebe für Hölderlin verschafft uns den Genuss eines der großen Gedichte inmitten des städtischen Treibens von LA zu erleben, der Begnadete, umnachtet gestorben, wird ebenso integriert wie amerikanische Mythen, der Western, das Lagerfeuer... Patrick Roth am Lagerfeuer seiner Helden, ein Fastamerikaner, den Traum der anderen mittragend, ein Lonely Cowboy, auch mal ein echtes Pferd reitend, und Hero in einem Road Movie. Auch der Extremtrinker Charles Bukowski, der in Andernach als Sohn eines GIs Geborene, verewigt in einem frühen Kurzfilm von Roth. Die Flut der Bilder wurde im Entstehungsprozess des Films immer größer, sodass eine Traumsequenz, die kein Entkommen mehr vor den Fluten, dem Bedrohlichen signalisierte, auch die Grenzen eines solchen Projekts zeigte.
Michaela Kopp-Marx Foto: Stefan Vieregg |
Patrick Roth Foto: Stefan Vieregg |
Weitere Lesungen:
Mittwoch, 30. November 2011, 19.00 Uhr
Mannheim, Ökumenisches Bildungszentrum Sanctclara, B 5,19
LICHTERNACHT
Samstag, 3. Dezember 2011, 17 Uhr
Berlin, Evangelisches Kirchenforum (Parochialkirche)
Klosterstr. 66
Veranstalter: C.G. Jung-Gesellschaft Berlin
NO FICTION/DER FREMDE REITER
(Lesung von Patrick Roth)
DIE MACHT DES UNBEWUSSTEN. Eine Annäherung an den FREMDEN REITER
(Vortrag von PD Dr. Michaela Kopp-Marx)
http://www.jungberlin.de/events/?event_id=30
Freitag, 9. Dezember 2011, 20 Uhr
Universität Bielefeld
REAL TIME AN DEN FEUERN
Donnerstag, 15. Dezember 2011, 20.30 Uhr
Frankfurt, Romanfabrik, Hanauer Landstr. 186
LICHTERNACHT und Unveröffentlichtes