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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Dienstag, 6. November 2012

9) Und wenn sie nicht ... "Die Rückkehr des Königs. Halb zog sie ihn – halb sank er hin" ein modernes Fortsetzungsmärchen von Siglinde Goertz


„Erdal!!!“ schrie Goldmariechen entsetzt. Erschrocken hielt der König inne. Beinahe hätte er die Brieftaube ebenso zerknüllt, wie den Brief, den sie ihm gerade überbracht hatte. Ausgerechnet Aschenputtels Lieblingstaube – na, das wär was gewesen!

Da hatte Eulalia aber mächtig auf die Tränendrüse gedrückt in diesem Schrieb. Er müsse unbedingt zurückkommen und wieder für Ordnung sorgen. Pah! Das war ihm früher nicht gelungen und jetzt würde es genau so wenig klappen. Nicht in dieser Open-Air-Irrenanstalt!
Außerdem hatte er natürlich sofort gecheckt, dass es seiner Schwester in erster Linie um ihre Tochter, sein Patenkind, ging.

Was war da nur wieder los gewesen? Wie oft hatte er Eulalia schon gesagt, sie solle das Kind nicht mehr zur Oma schicken? Wenn man ihm für jedes Mal einen Taler gezahlt hätte, dann wäre er heute reicher als Dagobert Duck. Er sagte es ja nicht gern, immerhin war es seine Mutter, aber die Alte war vollkommen durchgeknallt. Früher schon – seit jedoch ihr zweiter Mann sie verlassen hatte, wurde es immer schlimmer mit ihr. Dabei war Erdal so sicher gewesen: Wenn es einer schaffte, seine Mutter zu bändigen, dann dieser Mann. Der Joschka war zwar nur ein einfacher Fischer, aber ein ganz patenter Kerl. Man konnte es ihm nicht verdenken, dass er zum Schluss sein Heil in der Flucht – sprich: Omas Rauswurf – gesucht hatte.

Erdal schnaubte grimmig. Seine Gattin ließ die Zeitschrift, in der sie gerade blätterte, sinken und sah ihn an.
„Was ist los, Liebling?“
„Was soll schon los sein? Nix!“, entgegnete er bockig.
„Erdal! Wir müssen reden!“
Erdal verdrehte die Augen. Wenn dieser Satz kam, dann wusste er, was das bedeutete. Von wegen: Wir müssen reden! Zu deutsch hieß das: Sie redete und er musste zuhören. Er liebte seine Gattin ja wirklich von Herzen, trotz seiner demolierten Bandscheibe, aber wenn sie zu einem ihrer Monologe ansetzte... oh oh! Das konnte dauern! Sein halbherziger Versuch, das Gespräch auf den nächsten Tag zu verschieben, wurde gnadenlos abgeschmettert.
„Nix da! Jetzt reden wir – nicht morgen!“
Bei diesen energischen Worten war jede Widerrede zwecklos. So viel hatte er gelernt in 20 glücklichen Ehejahren!

„Dann leg mal los, min Deern!“, brummte er ergeben.
„Ich hab es satt hier! Ich will nach Hause – sofort!“, echauffierte sich seine Gattin. „Mag ja sein, dass im Märchenland nicht alles Gold ist, was glänzt. Aber schau dich doch mal um, wo wir hier gelandet sind. Das ist nicht die Gegend, in der ich meine Kinder aufwachsen lassen möchte, das sag ich dir. Also, bei uns mag es ja schon manchmal sonderbar zugehen, aber was ich hier schon erlebt habe, in den paar Wochen... nicht zu fassen!! Ein Kaiser – das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: EIN KAISER – der so vollgekokst ist, dass er splitterfasernackt die Parade abnimmt! Und sich von seinen zugekifften Dienern die nicht vorhandene Schleppe tragen lässt! Aber was das Schlimmste ist: Man hätte mich beinahe verhaftet, weil ich mich weigerte einen Hofknicks vor ihm zu machen!“
Immer noch empört schnappte Goldmariechen nach Luft und sah ihren Mann wütend an.

Erdal grinste von einem Ohr zum anderen. Es war aber auch zu komisch gewesen, wie sein geliebtes Mariechen getobt und gezetert hatte.
„Der einzige nackte Mann, vor dem ich in die Knie gehe, das ist mein eigener!“, hatte sie laut gerufen, um gleich darauf dunkelrot anzulaufen, als ihr klar wurde, was sie da gesagt hatte. Ausgerechnet sein Mariechen, die immer meinte, über Sex müsse man nicht reden, den müsse man praktizieren! Was man im übrigen auch oft und ausgiebig tat... aber das gehört jetzt nicht hierher.

„Grins nicht so blöd!“, fauchte sie ihn an, musste aber dann doch lachen. Das war aber auch eine Szene gewesen! „Ach, Schatz, ich merk doch, dass es dir hier auch nicht gefällt, selbst wenn du es nicht zugeben willst. Und die Kinder möchten auch zurück. Die Lehre bei Rapunzel hat ihnen solchen Spaß gemacht. Ich finde es wichtig, dass sie ihre Ausbildung beenden! Oder ist es dir etwa lieber, dass sie sich mit der Tussi von gegenüber rumtreiben? Also, Erdal, ich sag dir: Das ist kein Umgang für unsere Mädels!!!“

Verständnislos sah er seine Frau an. „Was hast du denn gegen die Kleine? Nur weil sie Streichhölzer verkaufen muss, um sich ein bisschen Geld zu verdienen? Na, du bist doch sonst nicht so hochnäsig!“
„Pah! Streichhölzer!“, empörte sich seine Gattin „So naiv kannst auch nur du sein! Streichhölzer verkaufen – in Lackmini und Strapsen! Ja sischer datt! Mag ja sein, dass die was verkauft, aber mit Sicherheit keine Streichhölzer!“

Erdal fiel die Kinnlade runter. Au weia! Eine Nu.... Er wagte gar nicht, das Wort zu Ende zu denken – nicht im Zusammenhang mit seinen Prinzessinnen! Ach, Mariechen hatte ja Recht. Das Volk hier war auch irre! Und das Heimweh machte ihm schon arg zu schaffen. Außerdem vergab er sich ja nix, wenn er zurückkehrte! Die Leitung des Königreiches hatte er nur kommissarisch an Drosselbart übergeben. Und wenn der nix auf die Kette kriegte, musste er das eben wieder selbst in die Hand nehmen! Vor allem wollte er nicht, dass seine Schwester mit Rotkäppchen zu Dr. Allwissend ging. Diesem Scharlatan würde er auch noch das Handwerk legen! Er würde schon herausbekommen, was seiner Nichte widerfahren war!

Entschlossen stand er auf. „Mäuseken, lass uns packen! Wir fahren heim!!!!“ Stürmisch umarmte ihn seine Gattin. „Vorsicht, Vorsicht“, lachte er, „denk an meine Bandscheibe!“

„Oh, da weiß ich was, das hilft bestimmt!“, flüsterte sie ihm ins Ohr. „Komm, wir gehen in meine Kemenate und spielen ‚Des Kaisers neue Kleider’! Inklusive Hofknicks!“


© Siglinde Goertz