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Donnerstag, 13. Juni 2019

Die besondere Aufführung: Mannheim 2.480 oder die subjektive Sicherheit von Clemens Bechtel

Mannheim, Multihalle Herzogenriedpark (c) Mannheim



Mannheim 2.480 oder die subjektive Sicherheit
Clemens Bechtel


Mi, 19.06.2019, 21.00 Uhr, Startpunkt: Bushaltestelle Nationaltheater vor dem Theatercafé 
Voraufführung
Do, 20.06.2019, 21.00 Uhr, Startpunkt: Bushaltestelle Nationaltheater vor dem Theatercafé 
Premiere

Ein szenischer Parcours durch die Multihalle im Herzogenriedpark 


Der allmächtige Überwachungsstaat hat Einzug gehalten. Als Immunisierung gegen das vorherrschende Gefühl der Unsicherheit wurde 2018 ein intelligentes Kamerasystem in der Mannheimer Innenstadt installiert. Anhand »verdächtiger« Verhaltensmuster kann das System ab sofort Verbrechen melden, die noch gar nicht begangen wurden. »Mannheim 2.0« heißt dieses für Deutschland einzigartige Pilotprojekt, das die Bürger*innen schützen und ihr subjektives Sicherheitsgefühl erhöhen soll.
»Mannheim 2.480« nimmt die Zuschauer*innen mit auf die Reise in eine Welt der totalen Kontrolle. Ein Bus bringt das Publikum vom Nationaltheater in die von dem bekannten Architekten Frei Otto errichtete Multihalle im Herzogenriedpark. Mit Kopfhörern ausgestattet werden die Zuschauer*innen in verschiedene Räume und Ebenen des ungewöhnlichen Gebäudes geführt. Hier erleben sie die unterschiedlichen Blickwinkel von Polizei, vermeintlichen Verbrecher*innen, besorgten Bürger*innen und von Menschen, denen die umfassende Beobachtung Unbehagen bereitet. Was und wer macht uns Angst? Was ist wirklich bedrohlich? Was ändert sich, wenn Kameras ständig auf uns gerichtet sind? Und was macht das mit der Stadt?
»Mannheim 2.480« wirft einen Blick in die Zukunft des öffentlichen Raums. Die Multihalle, ein »visionäres, architektonisches Meisterwerk«, wird dabei zum begehbaren Überwachungsraum und zum Spielort unserer Ängste.

Clemens Bechtel, in Heidelberg geboren, ist freier Regisseur und vor allem für seine dokumentarischen Arbeiten bekannt. »Mannheim 2.480 oder die subjektive Sicherheit« entwickelt er eigens für die 20. Internationalen Schillertage.

Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien

Sonntag, 9. Juni 2019

Die besondere Aufführung: Wie der Soldat das Grammofon reparierte vom Mannheimer Stadtensemble

Gestern war ich einen Sprung in Mannheim in einer ungewöhnlichen "Theaterausstellung": eine Interpretation des Romans von Saša Stanišić: Wie der Soldat das Grammofon reparierte. Ein Roman und eine Schreibweise, die mich sehr begeisterten. So etwas Ungewöhnliches hatte ich noch nicht gelesen, eine solch dichte Atmosphäre von Menschlichkeit, die von Bekannten, Verwandten und Freunden getragen wurde, bis der Donnerkeil des Krieges zwischen Bosnien (vorher Kroatien) und Serbien einen Graben riss, Muslime und Christen sich befeinden und die schlimmsten Kriegsverbrechen begehen ließ.  Der Bosnienkrieg dauerte drei Jahre, von 1992 bis 1995 (der Kroatienkrieg begann ein Jahr früher). Er wurde durch einen Angriff der muslimischen Bosnier auf die jugoslawische Kaserne in Sarajewo begonnen, von der NATO dann unterstützt und schließlich nach massiven Luftangriffen der USA auf serbische Stellungen beendet.

Und menschlich, entsetzt und absurd wie das Ganze einfach über die Menschen kommt, sie erfasst und zerstört, schreibt Stanišić auch im Ausdruck von Schmerz absolut genau und gestalterisch dicht über den Verlust von Angehörigen, Nachbarn usw. im Krieg. Jugoslawien, einst eine friedliche Zusammenkunft verschiedener Völker, wo aber schon 10 Jahre vor Kriegsbeginn ein massiver Hass auf die Serben bestand - ich erinnere mich an einen bosnischen Fährmann in Kroatien, der während der Fahrt solch einen Hass gegen Serben äußerte, er tobte im Sitzen und spuckte ins Wasser - dass ich mich bei Kriegsausbruch nicht wunderte.


Für mich ist Saša Stanišić einer der besten Schriftsteller der vergangenen Jahre! In 32 Sprachen übersetzt und sehr anerkannt. Der Autor musste als Sohn einer Bosniakin und eines Serben selbst als Vierzehnjähriger dem Krieg entkommen und fand in Heidelberg ein neues Zuhause. 

Es war eine perfekte Performance des Mannheimer Stadtensembles, bestehend aus 26 interessanten Schauspielern von ca. 10 bis 50 Jahren aus allen möglichen Ländern der Erde unter der Regie von Beata Anna Schmutz, die Szenen aus dem Roman an acht Bühnenplätzen im Mannheimer Studio Werkhaus darbot. Eine ganz hervorragende Inszenierung! Sehr klug und konsequent multimedial. Kanonartig und rituell mehrmals hintereinander wiederholt an einem immer wieder wechselnden Aufführungsort wurden die Szenen gesprochen und gespielt, dann die Szenen ausgetauscht, dazu ein Zeichner, der über Video übertragen Zeichnungen u.a. von Tito anfertigte, und drei sprechende Ausstellungsmenschen, die Bücher verwandter Thematik "anspielten", Migration, Zuwanderung, Flucht. Im letzten Drittel der Aufführung reduzierte sich das Geschehen zusehends auf die beiden Teilbühnen vor der Zuschauertribüne. 

Das ganze Leid der Erinnerung immer wieder hinausgeschrien, die Absurdität angeprangert und hautnah fassbar gemacht mittels eines Durcheinanders und Nebeneinanders der Stimmen wie in einer Bedrohungssituation oder auch wie in einer Ankunftssituation, z.B. der Millionen Zuwanderer seit 2010/12. Das Mannheimer Stadtensemble unter der Regisseurin Beata A. Schmutz scheint  tatsächlich ein Geheimtipp für besondere Performances zu werden. Erlebtes, neu formuliertes, hautnahes Theater!