27.01.2014, 22:00 bis 23:30 Uhr, MDR Figaro
Funfzehn oder Vom Wunderkind der Sinnlosigkeit
Hörspiel
Zum 100. Geburtstag von Arno Schmidt am 18. Januar:
"Funfzehn oder Vom Wunderkind der Sinnlosigkeit"
Funkdialog über Ludwig Tieck
Von Arno Schmidt
»Es gibt ja zwei Klassen von Büchern, die uns umwerfen: die eine, weil sie so vollkommen ist in Sprache, Landschaft, wildem Ereignis, dass wir uns in ihnen auflösen: zu unserer eigenen bisherigen Existenz wird eine neue addiert! Die zweite Klasse: die so geschrieben ist, dass wir unwiderstehlich zur Lieferung unserer eigenen Substanz gezwungen werden, die uns zur Illustration herausfordert; zur Neuordnung und Gruppierung unseres eigenen Bildervorrats.« Mit solch umwerfenden Büchern hat sich der unermüdliche Leser Schmidt zeitlebens befasst. Auf Anregung seines Freundes Alfred Andersch verfasste er seit 1955 für das von Andersch verantwortete Radioprogramm des Süddeutschen Rundfunks Essays zur Literatur. Orientiert an den eigenen Vorlieben, subjektiv, abhängig von den eigenen poetologischen Vorstellungen, entstanden in einem guten Jahrzehnt aufregende Dialoge etwa über Fouqué, Tieck, Herder, Wieland, über Johann Gottfried Schnabel, den Verfasser der von Schmidt geschätzten Insel Felsenburg (1731-43), über vergessene Kollegen des 18. und 19. Jahrhunderts wie Leopold Schefer, Barthold Heinrich Brockes oder Samuel Christian Pape. Er wandte sich auch der angelsächsischen Literatur zu von Cooper über Poe bis hin zu Wilkie Collins und James Joyce - Autoren, die er später auch übersetzt hat.
Mit außergewöhnlichem Witz und hemmungsloser Schärfe verfolgte Schmidt zwei Ziele: einerseits unbekannte und verschollene Schriftsteller ans Licht zu heben und andererseits seiner Ansicht nach überschätzte Größen von Klopstock bis Stifter vom Sockel zu stürzen. Für den Radioessay wählte er, anders als für seine großformatigen biographischen Studien, die Form des Gesprächs. In dessen Zentrum steht ein Hauptredner, der in Charakter und Temperament dem überlegenen Ich-Erzähler in Schmidts Prosa nah verwandt scheint.
Gänzlich desinteressiert an den überkommenen Methoden von Literaturwissenschaft und -geschichtsschreibung, schuf Schmidt ein prachtvolles Panoptikum der Poesie, das man unbedingt besichtigen sollte.
Regie: Imo Wilimzig
Produktion: SDR 1959
Sprecher:
Hans-Helmut Dickow - A. Referent
Wolfgang Bieger - B. Hörer & Zweifler
Robert Seibert - C. Zitate
Uta Rücker - D. Zitate
Rita Plum - E. Zitate
(87 Min.)
Funfzehn oder Vom Wunderkind der Sinnlosigkeit
Hörspiel
Zum 100. Geburtstag von Arno Schmidt am 18. Januar:
"Funfzehn oder Vom Wunderkind der Sinnlosigkeit"
Funkdialog über Ludwig Tieck
Von Arno Schmidt
»Es gibt ja zwei Klassen von Büchern, die uns umwerfen: die eine, weil sie so vollkommen ist in Sprache, Landschaft, wildem Ereignis, dass wir uns in ihnen auflösen: zu unserer eigenen bisherigen Existenz wird eine neue addiert! Die zweite Klasse: die so geschrieben ist, dass wir unwiderstehlich zur Lieferung unserer eigenen Substanz gezwungen werden, die uns zur Illustration herausfordert; zur Neuordnung und Gruppierung unseres eigenen Bildervorrats.« Mit solch umwerfenden Büchern hat sich der unermüdliche Leser Schmidt zeitlebens befasst. Auf Anregung seines Freundes Alfred Andersch verfasste er seit 1955 für das von Andersch verantwortete Radioprogramm des Süddeutschen Rundfunks Essays zur Literatur. Orientiert an den eigenen Vorlieben, subjektiv, abhängig von den eigenen poetologischen Vorstellungen, entstanden in einem guten Jahrzehnt aufregende Dialoge etwa über Fouqué, Tieck, Herder, Wieland, über Johann Gottfried Schnabel, den Verfasser der von Schmidt geschätzten Insel Felsenburg (1731-43), über vergessene Kollegen des 18. und 19. Jahrhunderts wie Leopold Schefer, Barthold Heinrich Brockes oder Samuel Christian Pape. Er wandte sich auch der angelsächsischen Literatur zu von Cooper über Poe bis hin zu Wilkie Collins und James Joyce - Autoren, die er später auch übersetzt hat.
Mit außergewöhnlichem Witz und hemmungsloser Schärfe verfolgte Schmidt zwei Ziele: einerseits unbekannte und verschollene Schriftsteller ans Licht zu heben und andererseits seiner Ansicht nach überschätzte Größen von Klopstock bis Stifter vom Sockel zu stürzen. Für den Radioessay wählte er, anders als für seine großformatigen biographischen Studien, die Form des Gesprächs. In dessen Zentrum steht ein Hauptredner, der in Charakter und Temperament dem überlegenen Ich-Erzähler in Schmidts Prosa nah verwandt scheint.
Gänzlich desinteressiert an den überkommenen Methoden von Literaturwissenschaft und -geschichtsschreibung, schuf Schmidt ein prachtvolles Panoptikum der Poesie, das man unbedingt besichtigen sollte.
Regie: Imo Wilimzig
Produktion: SDR 1959
Sprecher:
Hans-Helmut Dickow - A. Referent
Wolfgang Bieger - B. Hörer & Zweifler
Robert Seibert - C. Zitate
Uta Rücker - D. Zitate
Rita Plum - E. Zitate
(87 Min.)