Foto (ziemlich blau) von ©Dominik Reichenbach / Artwork: ©Claus Piffl
Herzlich Willkommen zum Aufbau-Lehrgang „Wie mache ich mich unbeliebt?“.
Das Konzept ist eigentlich ganz einfach. Stellen Sie unerschütterliche, aber extrem unangenehme Tatsachen in den Raum, und schon fliegt Ihnen die Verachtung der Menschen von allen Seiten zu. Wie wär’s etwa, wenn Sie in der nächsten Sitzung des Pfarrgemeinderats, des Moscheevereins oder der Kultusgemeinde einfach mal fallen lassen, dass Religion eigentlich nichts anderes ist als eine kollektive Zwangsneurose, die alte Männer dazu nutzen ihre Unterdrückungsfantasien auszuleben. Sie werden sehen: Kaum haben Sie das gesagt, werden Sie wissen, wer hier wirklich Ihr Freund ist. Spoiler: Es werden weniger sein als angenommen.
Oder Sie stehen mitten in der Übertragung eines EM-Spiels auf und erklären allen Zuschauern, dass die UEFA eigentlich auch nur eine Geldwaschanlage wie die FIFA … und weiter werden Sie nicht kommen.
Oder Sie versuchen, einem Metallica-Fan zu erklären, dass es auch echte Musik gibt.
Oder, oder, oder… oder das alles ist Ihnen zu billig, weil das alles nur auf Kosten von verblendeten, religiösen Fanatikern (Metallica), skrupellosen Geschäftemachern (Religionsführer) oder musikalisch Ungebildeten (Fussballfans) geht, dann sind Sie bereit für die richtige Herausforderung: Unbeliebt sein in allen Bevölkerungsschichten.
Dann nehmen Sie sich eine Flasche Mineralwasser und teilen ihrem Bekannten&Verwandtenkreis mit, dass Alkohol eine gefährliche Droge ist, bei der es keine unbedenkliche Menge gibt.
Zack! Und schon haben Sie es geschafft.
Jetzt sind Sie der unbeliebteste Mensch im Raum. Wenn nicht sogar in Raum und Zeit. Denn den Leuten das Saufen madig machen, das geht gar nicht. Man wird Sie auslachen, beschimpfen, enterben oder mit Konzertkarten für den nächsten Metallica-Auftritt bewerfen. Und Sie werden Ausreden hören, wie sie sich nicht einmal SUV-Fahrer im Waldbrandgebiet ausdenken können.
Man „brauche“ das, wird das Gegenüber sagen. Man hätte sich „das verdient“, das helfe einem zu „entspannen“, das gehöre zu unserer „Kultur“ und man hätte das ja „sowieso im Griff“.
Und dann kommen Formulierungen wie: „Ich mach sowieso immer einen Monat Pause. Zum letzten Mal 2018. War super.“, „Risiko, Risiko… das klingt immer so gefährlich. Man kann das doch auch positiv formulieren: Ablebensmöglichkeit.“, „Ich hab da eine Faustregel: Solange ich das Glas noch halten kann, bin ich noch nicht besof…. hoppala!“, „Ja, man muss sich beobachten. Ich trinke grundsätzlich vor dem Spiegel…. da werd’ ich auch immer schöner!“, „Goldene Regel: Niemals vor Sonnenuntergang. Genau! Warum glaubst Du denn, wohn ich im Sommer in Feuerland und im Winter in Nordschweden?“, „Ich bin Dir dankbar, dass Du das ansprichst. Ich wollte endlich mal mit jemandem darüber reden. Gehen wir auf ein Bier?“, „Alkohol ist das Thema, bei dem ich immer so durstig werde.“
Ja, und plötzlich sind sich alle einig. Und das ist ja auch schön. Oft genug liest man von der „gespaltenen“ Gesellschaft: Stadt gegen Land, jung gegen alt, blöd gegen noch blöder, Auto gegen Fahrrad, Mann gegen Frau, links gegen rechts, Musik gegen Metallica… mag sein, aber beim Saufen, da ist das ganze Land (egal welches) geeint.
Und der Chor mit dem besten Witz der Welt schallt einem entgegen:
„Ich hab kein Problem mit Alkohol… nur ohne! Hahaha ha ha ha ha h…“
Und das ist auch sehr, sehr lustig, weil erstens Alkohol überhaupt wahnsinnig unterhaltsam ist. Und zweitens ist das überhaupt kein Witz.
Dafür ist Alkohol Spaß. Das einzige Zellgift, das zum Brüllen komisch ist. Ein Suchtgift zum Totlachen. Später gibt es Depressionen, Demenz und Delirium, aber vorher: eine Riesen-Gaudi! Und wenn man dann da sitzt, nachdem man im Vollrausch einen über den Haufen gefahren, eine auf die Fresse bekommen oder einfach ein halbes Stockwerk mit einem unfreiwilligen Kopfsprung absolviert hat, weiß man trotzdem noch: Es war wahnsinnig lustig!
Und das ist der Grund für Alllohol - wie ihn der Experte nennt: Spaß.
Ganz ähnlich verhält es sich mit dem aktuellen Faschismus. Der lässt sich aus Marketinggründen „Rechtspopulismus“ nennen, ist aber der Alkopop unter den politischen Geisteshaltungen. Bunt, zuckersüß, knallige Werbung und hat schon mal 30. Oder mehr.
Beim Alkopop sind es Promille, beim Populismus sind es Prozente.
Und wie für den Alkohol, gibt es auch für den Rechtspopulismus immer einen Grund: Die neuen Nachbarn haben eine dunklere Hautfarbe? Rechtspopulismus! Jemand steht auf Deinem Parkplatz? Rechtspopulismus! Im Fernsehen verwendet jemand eine Endung, die Dir nicht gefällt? Rechtspopulismus! Dein Kind isst nur Gemüse? Rechtspopulismus! Jemand hat eine andere Meinung als Du? Rechtspopulismus!
Dieser zuckersüße Brain-Shot hilft gegen alles. Und nichts.
Aber wie beim Alkohol macht er wenige Reiche auf Kosten der Armen noch reicher, gehört seit den Römern zu unserer Kultur (Julius Cäsar - ein sehr erfolgreicher Rechtspopulist) und macht unglaublich gute Laune. Also nicht den anderen, aber den Anhängern.
Also wenn Religion das Opium fürs Volk ist, dann ist Rechtspopulismus die Happy Hour.
Und wenn die dann vorbei ist, wird weiter bestellt. Und gesoffen. Und dann kriegt man irgendwann eins auf die Fresse, fährt jemanden am Heimweg über den Haufen oder fällt selbst die Treppen hinunter.
Und am nächsten Morgen ist der rechtspopulistische Rausch vorbei, das Kopfweh groß und zu allen Problemen, die man vorher schon hatte, kommen die dazu, die man sich in der vergangenen, wahnsinnig-lustigen Nacht eingehandelt hat.
Und dann sind alle wieder stocknüchtern, schauen erschüttert in das Trümmerfeld ihres Lebens und sagen sich: Nie wieder!
Bis zum nächsten - ersten - Glas.
Aber - ach - ich mach mich schon wieder unbeliebt.
Groebner Live:
Donnerstag 4.Juli, Wien, Währinger Park, 20h - Mittwoch 17. Juli, Graz, Die Brücke, Kabarett Cuvée - Samstag 20.Juli, Nidda-Wallernhausen, Alter Dorfladen
Der „Neue Glossenhauer“ ist ein Projekt der freiwilligen Selbstausbeutung, wer es dennoch materiell unterstützen will, hier wäre die Bankverbindung für Österreich:
Severin Groebner, Bawag, IBAN: AT39 6000 0000 7212 6709
Hier die jene für Deutschland:
Severin Groebner, Stadtsparkasse München, IBAN: DE51 7015 0000 0031 1293 64