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Sonntag, 2. Oktober 2011

Buchbesprechung: Zeitenwende - Die postfossile Epoche

Prof. Dr. Dirk Althaus
Zeitenwende:
Die postfossile Epoche
Weiterleben auf dem Blauen Planeten
Murnau 2007, Broschur, 14,95 Euro
313 S., Mankau Verlag


Müssen wir bessere Menschen werden, um als Menschheit auf dem Blauen Planeten überleben zu können? Mit welchem stammesgeschichtlichen Erbe gehen wir in die unausweichlich anbrechende postfossile Epoche? Welche Zukünfte stehen uns für ein Weiterleben offen? Ein Interview mit dem Autor.




Was kennzeichnet das seit rund 250 Jahren andauernde fossile Zeitalter, was hat es der Menschheit „gebracht“?


Prof. Althaus: Das „unermessliche“ Maß an Energiebereitstellung zog einen steilen Aufschwung an Informationsgewinn mit sich (Konrad Lorenz: Doppelhelix „Energiegewinn – Informationsgewinn“, aus: „Die Rückseite des Spiegels, 1977). Ein Erfindungs- und Entwicklungsboom kennzeichnet diese Zeit, leider auch eine Sorglosigkeit des Überschwangs im Umgang mit Energie und Materie. Wir sind damit technologisch sehr gut auf die postfossile Zeit vorbereitet, müssen aber wieder das „Haushalten“ lernen.


In wenigen Jahrzehnten werden die fossilen Energiequellen – vor allem Öl, Gas und Kohle – erschöpft sein. Welche Änderungen bringt die postfossile Zeit mit sich, wie geht es weiter?


Prof. Althaus: Zunächst: Die CO2-Hysterie endet automatisch in der postfossilen Zeit. Längst hätte man die edlen Kohlenwasserstoffe Kohle, Öl und Gas in ihrer hohen thermodynamischen Ordnung belassen müssen, um sie in der Industrie als Rohstoffe zu verwenden, statt mit der Verbrennung maximale Entropie, das ist der materielle Niedergang zur Unordnung, zu betreiben.
In der postfossilen Zeit ist Energie nur oberirdisch zu gewinnen: Sonnenstrom (Photovoltaik), Sonnenwärme (Photothermie) und Biomasse (Photosynthese). Es wird künftig in der Bauleitplanung als „Schürfrecht“ für Energieversorgung eine Energieflächenzahl (EFZ) geben, die Verschattung zur solaren Energiegewinnung sichert. Bei effizienter Gestaltung unseres Lebensraums ist die solare Strahlungsenergie auch in den gemäßigten Breiten für ein angemessenes Leben ausreichend. Langfristig wird eine Migration der Industrie und nachfolgend der Hochkultur in solare Zonen erfolgen. Kultur folgt den Ressourcen, wahrscheinlich nach Afrika, wo am meisten Land unter der Sonne ist.


Blicken wir in eine düstere Zukunft oder sehen Sie in dieser Entwicklung auch Chancen ...?


Prof. Althaus: Wenn wir in eine düstere Zukunft blicken, wird sie auch eintreten. Mich erinnern die Kassandrarufe aus allen Sparten der Gesellschaft an die Voraussagen über die erste Eisenbahnfahrt 1835 von Nürnberg nach Fürth: „Die rückwärts sitzenden Passagiere werden ersticken, weil der Fahrtwind ihre Lungen leer saugt, den Passagieren in Fahrtrichtung aber werden die Lungen platzen“ – und das bei 20 km/h.
Die neue postfossile Zeit wird sicher große Veränderung mit sich bringen, die zu den anderen großen Veränderungen – zum Beispiel der Globalisierung oder dem Aufkommen neuer ökonomischer Großmächte – hinzukommt. Düster könnte nur der Kampf um die fossilen Reste werden.
Nein, das Leben kann viel schöner werden als bisher. Wir essen, trinken, atmen nicht mehr unseren eigenen Müll (pfui Deibel), bleiben gesund, werden fröhlich, arbeiten weniger, haben Zeit, Muße, Gelassenheit und leben in großen Gemeinschaften mit vielfältigen Aufgaben und Vorteilen.


Müssen wir bessere Menschen werden, um angesichts von Klimawandel, Rohstoffausbeutung und Bevölkerungswachstum auf unserem Planeten Erde zu überleben?


Prof. Althaus: Nein, das können wir gar nicht! Bessere Menschen zu predigen ist nicht hilfreich. Eines aber müssen wir wieder lernen: die penetrante Anspruchshaltung der anonymen Gesellschaft gegenüber ablegen. In der Natur hat kein Lebewesen Ansprüche an seine Gruppe, nur Pflichten. Ich nenne das zukunftsweisende Verhalten der Menschen in der Gesellschaft „DIOGENESIS“ – Schöpfung des Weniger (Diogenes + Genesis) – und schreibe gerade über diese Lebenskunst mit Zukunft.
Dem Klimawandel entgehen wir nicht. Das ist normale Erdgeschichte, auch unser Anteil daran ist Ökologie und der wird in der postfossilen Zeit mangels Masse schwinden. Statt zu jammern wäre ingeniöse Phantasie und ein wenig mentale Mobilität angebracht, den Lebensbereich bei Veränderungen zu wechseln, wie es in der Natur selbstverständlich ist. Nicht umsonst haben alle Holländer, deren Land als erstes unter Wasser steht, vorsichtshalber schon einmal Wohnwagen.
Der Rohstoffausbeutung wird – nach dem Vorbild der Nahrungskette – materielle Kreislaufwirtschaft folgen, wenn Bergen und Deponieren teurer als Recycling werden. Auch das hilft der sauberen Lebenswelt.
Die als immer ansteigend postulierte Populationsdynamik flacht bei uns bereits ab. Das ist natürlich, wenn die Dichte die Leistungsfähigkeit des Lebensraums übersteigt, auch die soziale Leistungsfähigkeit. Das exponentielle Bevölkerungswachstum ist schon mehrmals nicht eingetreten. Je mehr uns Automaten und Roboter dienen, umso weniger Menschen sind in der arbeitsteiligen Welt erforderlich, und die erforderlichen müssen von hoher Bildung sein.
Wir können fröhlich auf dem Blauen Planeten weiterleben.


Warum beschäftigen Sie sich mit diesen Fragen? Wie kamen Sie dazu, gar ein eigenes Modell für das Menschsein in der postfossilen Epoche des Blauen Planeten zu entwickeln?


Prof. Althaus: Es begann 1973, als wir am Institut für Industrialisierung des Bauens (Helmut Weber) in Hannover serienmäßig Sonnenkollektoren auf Fertighäusern anboten und Stadtbausysteme entwickelten, die wir als Baukastensystem mit hoher Flexibilität aller Bauteile in ihrer Ordnung wiederverwendbar gestaltet haben. Forschung für das Umweltbundesamt wurde in dem Standardwerk „Ökologisches Bauen“ (1982) veröffentlicht.
Wohl ahnend, wie es in der menschlichen Gesellschaft laufen könnte, beschäftigt mich seither die Frage, warum es nicht so läuft, und es gibt ganz natürliche Hinweise, dass es nicht so laufen kann. Diese Hinweise und den unwiederbringlichen Gang der Zeit wohl beachtend mache ich als Architekt Entwürfe für neue Welten, die versuchen, eine Harmonie zwischen uns und dem Rest der Welt in Zukunft herzustellen. Je länger ich mich mit dieser Thematik beschäftigt habe, umso einfacher wurde das Modell. Fertig ist es noch lange nicht.


(© Mankau Verlag, Mai 2007)