Foto: Dominik Reichenbach/ Artwork: Claus Piffl
Immer schon!
Glossenhauer kommt so spät, weil ich nachgedacht habe. Die Frage war: Wie kann man zwei Jahre Krieg satirisch lustig aufarbeiten? Ich bin drauf gekommen: Kann man nicht. Krieg ist nicht lustig.
Was aber nicht heißt, dass nicht rundherum, wahnsinnig komische Sachen passieren… oder gesagt werden. Komisch im Sinne von abstrus.
Die österreichische Energieministerin etwa sagt, sie würde sehr gerne weniger Gas aus Russland kaufen. Wie das genau gehen soll, kann sie allerdings nicht sagen, weil sie die Verträge nicht kennt. Die OMV (Werbespruch: „Österreicher mit Verantwortung“) hat da nämlich etwas unterschrieben, zeigt aber nicht her was. Das ist österreichische Transparenz: Österreich meidet Veröffentlichung - OMV.
Vielleicht auch ein Grund, warum Wien nicht Sitz der Europäischen Behörde zur Bekämpfung der Geldwäsche wurde. Auch beim jüngsten Ranking in Sachen Korruptionsbekämpfung ist Österreich weiter abgerutscht. Da fragt man sich doch: Muss das so sein?
Gibt es denn wirklich niemanden in der österreichischen Regierung, der willens ist, die Leute, die dieses Ranking erstellen, ordentlich zu schmieren? Kann man die nicht wenigstens mal zum Abendessen einladen? Oder auf eine Yacht? Oder auf eine Jagd?
Weiß man doch: Gemeinsames Töten schweißt zusammen.
Hoppala, da sind wir schon wieder beim Krieg.
Der produziert nicht nur Berge von Leichen und Leid, sondern auch Sinnlosigkeit. Zum Beispiel wird von Vertretern einer „Verhandlungslösung“ ständig der Satz wiederholt:
„Solange verhandelt wird, wird nicht gekämpft.“
Der ist so schön dieser Satz.
Leider stammt er aus dem Märchenbuch für Geschichtsbewusstseinslose. Im Dreißigjährigen Krieg wurde spätestens ab 1645 in Osnabrück und Münster verhandelt. Und Kriegsende war dann 1648. Drei Jahre Verhandlungen und Krieg also. Gleichzeitig.
Dann war Frieden in Europa. Also nicht in ganz Europa, weil im selben Jahr das Osmanische Reich begonnen hatte, Candia (heute Iraklio) auf Kreta zu belagern. Und das sollte es noch weitere 21 Jahre machen. Man sieht: Krieg kann sich sehr in die Länge ziehen.
Währenddessen kann man ja Dinge ausdiskutieren. Wie wäre es mit der Frage:
Gehört Russland zu Europa?
Nur weil sich die russische Armee in der Ukraine aufführt wie die SS in Südosteuropa oder die französischen Paramilitärs in Algerien oder die Truppen der belgischen Force Publique im Kongo… ist das schon europäisch? Oder einfach kolonialistisch? Oder faschistisch? Oder chauvinistisch? Oder sind das einfach noch von den Mongolen übernommene Verhaltensweisen?
Ganz ehrlich: Ich versteh das nicht.
Muss ich aber auch nicht, dazu gibt es ja auch die „Russlandversteher“.
Ein wunderschöner wie auch irreführender Begriff. Denn in diesen verständigen Kreisen wird gar nicht Russland verstanden, sondern nur sein Regime. Und das wird eigentlich auch nicht verstanden, sondern entschuldigt. Gerechtfertigt, relativiert, verniedlicht.
Aber „Kreml-Verniedlicher“ klingt nicht so gut.
Und dabei haben die ja einiges zu tun.
Es ist ja auch nicht ganz leicht zu erklären, warum man einfach einen Nachbarstaat beansprucht. Und zwar als Ganzes. Weshalb man sich das Recht heraus nimmt, in ihn einzumarschieren, ihn täglich zu bombardieren, Kinder aus den besetzten Gebieten zu verschleppen und dann umzuerziehen. Wer sowas versteht, rechtfertigt und erklärt, der hat sicher auch Verständnis für Menschen, die ihre Partner oder Kinder erschießen, erdrosseln oder erstechen, weil diese die wahnwitzige Idee hatten, sich von ihnen trennen zu wollen.
So wiederholt sich im Kleinen das Große und umgekehrt.
Im Kleinen heißt es „Ehrenmord“ oder „Familiendrama“ (je nach dem, welche Hautfarbe und Religion die Täter haben), im Großen heißt es dann „Stellvertreterkrieg“ oder „Spezialoperation“.
Wer da nach Verhandlungen ruft, der muss sich die Frage gefallen lassen, ob er auch einem Opfer einer Beziehungstat, das trotz Stichwunden und einem gebrochenen Arm gerade noch mit dem Leben davon gekommen ist, raten würde, das Gespräch mit dem Täter zu suchen.
Und es auffordern zu überlegen, was es dem Gewalttäter denn anbieten könnte?
Es ist also kein Wunder, dass dieselben Parteien Russland verstehen, die auch das so genannte „traditionelle“ Familienmodell vertreten. Traditionell heißt so, wenn man „Du gehörst mir!“ als Tradition ansieht. Mit derselben Logik könnte man allerdings Sklaverei und Menschenhandel auch als „Brauchtum“ definieren.
„Des hamma immer scho so gmacht“ ist eben nicht immer ein gutes Argument. Also eigentlich nie.
Aber auf die innenpolitische Situation Russlands lässt es sich gut anwenden.
Seit den Zaren werden schließlich dort Leute, die eine andere Meinung haben, vom herrschenden Regime in ein Straflager nach Sibirien gesteckt und dort zu Tode gebracht. Das haben die immer schon so gemacht.
Wahlen manipuliert? Bis auf die frühen 90er Jahre… Immer schon so g’macht.
Nachbarländer angegriffen? Seit Ivan dem IV., genannt „der Schrullige“… nein… „der Schreckhafte“… auch falsch… „der Schreckliche“ (das war’s!)… immer schon so g’macht.
Aber halt! Da muss man auch mal vor der eigenen Türe kehren.
In Deutschland beispielsweise ist ja auch nicht alles rosig.
In Rottweil (da wo die kuscheligen Hunde herkommen) musste zum Beispiel ein AfD-Landesparteitag geschlossen werden, weil zu viele Mitglieder angereist waren. Da sagt man sich doch: Baden-Württemberg… aha!
Denn wer eine Antenne für menschliche Abgründe hat (und die ist bei mir als Wiener in der Standardausführung mit dabei), der spürt in großen Teilen Baden-Württembergs wie Gewaltfantasien und Windschutzscheibenenteisungsmittel dort ein fröhliches Zweckbündnis eingehen. Ja, das beschauliche Baden-Württemberg! Da, wo man keine Ahnung von Rotwein hat, sonst würde man diese „Trollinger“ genannte Plörre auch nicht saufen, wo Spießigkeit und SUVs wie Schwammerln aus dem Boden wachsen und wo sich sehr viele Mitglieder der Waffen-SS und ehemalige hohe NSDAP-Funktionäre nach 1945 ins Privatleben zurückgezogen haben.
Und sich sichtlich auch fortgepflanzt haben.
Baden-Württemberg… die haben das auch „immer schon so gemacht“. Nur nicht auf Hochdeutsch.
Aber es gibt ja Hoffnung. Absurderweise aus Wien. Denn dort wurde gerade Sebastian Kurz in erster Instanz von einem Gericht wegen Falschaussage verurteilt.
Und was hat der unter anderem gemacht?
Einen Gas-Liefer-Vertrag mit Russland mitverhandelt, in den heute niemand rein schauen darf. 2018 war das. Da war schon seit vier Jahren Krieg im Donbass. Es geht also doch: Kämpfen und verhandeln, gleichzeitig.
Aber mei, das hamma immer schon so gmacht.
Groebner LIVE mit „ÜberHaltung“:
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