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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Freitag, 5. Dezember 2025

Brandaktuell: Europa soll „ausgelöscht“ werden? – Die neue Endzeit-Rhetorik zweier Männer, die uns fassungslos machen


Wenn Wladimir Putin und Donald Trump neuerdings von der „Auslöschung“ der europäischen Zivilisation sprechen, dann klingt das nicht nach Politik, sondern nach einer Mischung aus geopolitischem Theater, autoritärer Machtdemonstration und persönlichem Größenwahn. Zwei Männer, die auf der Weltbühne stehen wie überhitzte Statisten eines Endzeitfilms – und Europa soll gefälligst zittern.

Doch die eigentliche Ungeheuerlichkeit steckt nicht einmal im Inhalt der Drohung, sondern in der Gedankenwelt, die sie hervorbringt.

Denn wer mit „Auslöschung“ spielt, setzt voraus,
  • dass Menschenleben nichts als kalkulierbare Masse sind,
  • dass Kultur, Geschichte, Städte, Völker verhandelbar sind als Kulisse,
  • dass Gewalt ein legitimes Mittel ist, sobald sie dem eigenen Machtzweck dient.

Und es setzt voraus, was die beiden Protagonisten täglich demonstrieren,

  • dass Zynismus für Stärke gehalten wird,
  • dass Drohungen für Politik gehalten werden.

Beides ist falsch. Beides ist gefährlich.
Beides ist die moralische Bankrotterklärung einer politischen Klasse, die sich selbst disqualifiziert. 

Die Drohung ist nicht das Problem. Der Skandal ist, dass sie überhaupt ausgesprochen wird.

Wer das Wort „Auslöschung“ in den Mund nimmt, hat bereits eine Grenze überschritten, bei der jede Form politischer Vernunft abgelegt wurde wie eine alte Jacke. Das ist nicht Realpolitik, das ist moralische Verwahrlosung am Mikrofon.


Drohen ist einfach — denken wäre schwerer

Putin setzt seit Jahren auf Eskalation, erst militärisch, dann rhetorisch.
Trump wiederum liebt den großen Knall, vorzugsweise verbal, weil er damit die Illusion von Stärke erzeugt.

Beide eint dieselbe Methode: Sie werfen mit maximaler Bedrohlichkeit um sich, um Europa nervös zu machen. Angst soll regieren, nicht Argument.

Dass zwei Narzissten im Schaukelstuhl der Geschichte mit heißen Eisen spielen, heißt nicht, dass Europa wankt. Die Pointe an dieser ganzen martialischen Inszenierung: Europa soll weniger bedroht wirken als vielmehr verunsichert, gelähmt, eingeschüchtert. Dafür braucht es allerdings mehr als zwei Männer, die „Armageddon“ sagen und sich dabei stark fühlen. Die Drohung wirkt wie ein Bluff mit Atombombenfilm im Hintergrund. Sie ist nicht glaubwürdig, sie ist nicht strategisch sauber, sie ist nicht realpolitisch konsequent. Sie ist vor allem eins: ein Symptom der Enthemmung.

Politik verkommt bei solchen Figuren zur Kraftmeierei. Die Welt wird zur Bühne für Kränkungen. Zivilisationen werden zu Spielmarken. Und Europa – das alte Europa, das schon Dutzende Diktatoren überlebt hat – soll plötzlich vor zwei Stimmen aus der Asservatenkammer des 18- bis 20. Jahrhunderts kapitulieren?

Nein. Europa hat größere Gegner überstanden als testosterongetriebene Drohkulissen. Der Kontinent ist nicht unsterblich, aber er ist auch nicht aus Zucker. Die wahren Gefahren liegen selten in den markigen Sprüchen, sondern in den Reaktionen darauf: Panik, politischer Rückzug, Selbstentmachtung. Europa stirbt nicht durch Drohungen. Europa stirbt nur, wenn es ihnen glaubt.