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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Donnerstag, 12. Juni 2025

Wie war's bei Aribert Reimanns Oper MELUSINE im Bockenheimer Depot?



Anna Nekhames (Melusine)   Foto: Barbara Aumüller

 


Aribert Reimanns Oper Melusine wird derzeit im Bockenheimer Depot in Frankfurt a.M. aufgeführt und bietet eine faszinierende Gratwanderung zwischen Naturmärchen, Futurismus und Postmoderne. Die Oper, die ursprünglich 1971 bei den Schwetzinger Festspielen uraufgeführt wurde, basiert auf der französischen Sage und dem Drama von Yvan Goll (siehe weiter unten).

Cecilia Hall
(Madame Lapérouse)
Foto: Barbara Aumüller


Die Handlung dreht sich um Melusine, eine junge Frau, die sich gegen die fortschreitende Zerstörung der Natur stellt. Sie lebt mit ihrer Mutter Madame Lapérouse und ihrem Ehemann Max Oleander in einer Villa am Rand eines alten Parks. Während Melusine sich mit den Geistern des Parks verbunden fühlt, steht ihre Mutter den weltlichen Dingen näher. Als der Park verkauft wird und einem Schloss weichen soll, fordert Pythia, Schutzgeist des Parks, Melusine auf, dies zu verhindern. Pythia verleiht ihr mit einem Fischschwanz eine magische Anziehungskraft auf Männer und ringt ihr das Versprechen ab, sich jedoch nie zu verlieben. Doch Melusine trifft auf den Grafen von Lusignan, und das Geschehen nimmt seinen tragischen Verlauf. Sie schmilzt dahin, auch er ein Opfer der Liebe. Pythia macht ihre Drohung war und steckt das mittlerweile gebaute Schloss an, in dem sich Melusine und der Graf aufhalten. Pythia hat noch einmal gesiegt, der weitere Verlauf bleibt offen.

Die Inszenierung im Bockenheimer Depot hebt die zentrale Liebesszene besonders hervor und zeigt Melusines inneren Konflikt zwischen individueller Behauptung, Verlangen und Begehren sowie gesellschaftlichem Druck. Besonders herausragend ist die Leistung der russischen Sopranistin Anna Nekhames, die mit ihrer außergewöhnlichen Technik und emotionalen Tiefe die Titelrolle verkörpert.

Liviu Holender (Graf von Lusignan) und
Anna Nekhames (Melusine)

Regisseurin Aileen Schneider wollte mit dieser Inszenierung einen Denkprozess anstoßen: Worauf ist der Einzelne bereit zu verzichten, um die Natur zu erhalten? Doch letztlich kann kein noch so hohes Ideal der Verführung durch menschliche Liebe etwas entgegensetzen. Die Regisseurin schafft es meisterhaft, klassische Mythologie mit futuristischen Elementen und dunkler abstrakter Dystopie zu verbinden. Sie nutzt die musikalische Sprache von Reimann, die zwischen expressiver Atonalität und fast schon hypnotischen Klangflächen wechselt, diese Vielschichtigkeit szenisch perfekt erlebbar zu machen.

Das Licht, die an ein Raumschiff oder völlig futuristische Stadtgestaltung erinnernde, hypermoderne kreisförmige Bühnenarchitektur und die surrealen und dadaistischen Anspielungen in der Kostümgestaltung erinnern an eine Welt, in der Mensch und Natur schon lange entfremdet sind. Nicht nur die Figur der Melusine mit ihrem hybriden Wesen – halb Mensch, halb Wasserwesen – auch der Landvermesser, die Maurer spiegeln dieses Spannungsverhältnis zwischen Traum, Künstlichkeit, Groteskheit und extremer Moderne perfekt wider. Dada und Expressionismus, Futurismus und Science Fiction halten Äußeres und Inneres zusammen. 

Aileen Schneider hat wirklich ein Händchen dafür, klassische Stoffe in ein neues, aufregendes Licht zu rücken. Ihre Inszenierungen fordern das Publikum intellektuell heraus und reißen es zugleich emotional mit. Gerade bei Melusine hat sie es geschafft, die Balance zwischen Mythos und moderner Gesellschaftskritik auf eine visuell beeindruckende Weise zu gestalten. Neben Melusine im Bockenheimer Depot hat sie unter anderem Philip Glass’ In der Strafkolonie nach Franz Kafka am Staatstheater Augsburg sowie The Sound of Voice, ebenfalls von Philip Glass, an der Hamburger Staatsoper inszeniert. Ihre Arbeiten zeichnen sich durch eine starke visuelle Ästhetik und tiefgehende gesellschaftliche Reflexionen aus.

Besonders spannend ist ihre Herangehensweise an klassische Stoffe: So transferiert sie diese oft in futuristische oder dystopische Szenarien, um aktuelle Themen wie Umweltzerstörung, soziale Ungleichheit oder technologische Entwicklungen zu beleuchten. Ihre Inszenierungen sind nicht nur visuell beeindruckend, sondern regen auch zum Nachdenken an. Sie ist außerdem Hessenmeisterin 2022 und Rheinland-Pfalz Vizemeisterin 2024 im Poetry Slam, Dramatikerin und Moderatorin.


Anna Nekhames (Melusine; Bildmitte) und Ensemble
Foto: Barbara Aumüller


Wer Yvan Goll nicht einordnen kann: Er war eine faszinierende literarische Figur, die sich zwischen mehreren Strömungen bewegte, sowohl als Vertreter des deutschen Expressionismus als auch eine prägende Stimme des französischen Surrealismus. Seine Werke spiegeln die avantgardistischen Bewegungen des frühen 20. Jahrhunderts wider, insbesondere den Dadaismus und die Neue Sachlichkeit.

Goll war ein Kosmopolit, der sich in verschiedenen literarischen Kreisen bewegte – von den Dadaisten in Zürich bis zu den Surrealisten in Paris. Sein Werk umfasst Lyrik, Dramen und Prosa. Seine Gedichte, darunter Johann Ohneland, zeigen eine tiefgehende Reflexion über Identität und Entfremdung. Er war zudem ein wichtiger Exilliterat, der während des Zweiten Weltkriegs nach New York floh und dort weiter publizierte.

Golls literarische Bedeutung liegt in seiner Fähigkeit, verschiedene Stile und kulturelle Einflüsse zu vereinen. Er war in den 1920er Jahren eng mit avantgardistischen Theaterbewegungen verbunden und beeinflusste das experimentelle Theater dieser Zeit maßgeblich. Seine Werke zeigten eine Vorliebe für das Absurde, Satirische und Symbolhafte, was ihn in die Nähe von Autoren wie Brecht, Artaud und Piscator brachte.

Gerade sein Drama Methusalem oder Der ewige Bürger war ein Paradebeispiel für die innovative Bühnenästhetik der Zeit. Es nahm viele Elemente des späteren absurden Theaters vorweg und war eine scharfe Kritik an der fortschreitenden Technokratisierung und Bürokratisierung der Gesellschaft.

Claire Goll war eine faszinierende und kontroverse Figur in der Literaturgeschichte. Sie war nicht nur die Ehefrau von Yvan Goll, sondern auch eine eigenständige Schriftstellerin, Journalistin und Übersetzerin. Ihre Werke bewegten sich zwischen Expressionismus und Surrealismus, und sie war eng mit der Pariser Avantgarde verbunden.

Besonders bekannt wurde sie durch ihre Gedichtsammlungen, die sie oft im Wechselgesang mit Yvan Goll schrieb, sowie durch ihre Romane wie Der Neger Jupiter raubt Europa. Nach Yvan Golls Tod widmete sie sich intensiv seinem literarischen Erbe, allerdings nicht ohne Kontroversen – sie manipulierte nachweislich Texte und war in einen berüchtigten Streit mit Paul Celan verwickelt, die sogenannte „Goll-Affäre“.

Ihre Memoiren Ich verzeihe keinem sind eine literarische Chronique scandaleuse, die viele Persönlichkeiten ihrer Zeit kritisch beleuchtet. Trotz ihrer umstrittenen Aktionen bleibt sie eine bedeutende Stimme der deutsch-französischen Literatur.

Die Goll-Affäre war eine literarische Kontroverse, die sich um Paul Celan und Claire Goll drehte. Nach Yvan Golls Tod im Jahr 1950 war Celan zunächst in die Herausgabe von dessen Werken involviert. Doch Claire Goll begann später, Celan öffentlich des Plagiats zu beschuldigen, indem sie behauptete, er habe Gedichte ihres verstorbenen Mannes übernommen und als seine eigenen ausgegeben. Diese Vorwürfe führten zu einer langjährigen Auseinandersetzung, die Celan zutiefst erschütterte. Die Affäre hatte weitreichende Folgen für sein Ansehen und seine psychische Gesundheit. Trotz zahlreicher Unterstützer, darunter Ingeborg Bachmann und Peter Szondi, blieb der Schatten der Anschuldigungen über Celans Werk bestehen. Claire Goll führte eine regelrechte Kampagne gegen ihn, die sich bis in die 1960er Jahre erstreckte und in verschiedenen Publikationen und Briefen weitergeführt wurde.

Die Affäre wird oft als Beispiel für die Schwierigkeiten von Exilliteraten und die Macht von Diffamierungskampagnen im Literaturbetrieb gesehen. Celan selbst betrachtete die Vorwürfe als einen persönlichen Vernichtungsfeldzug, der antisemitische Untertöne hatte.




Sonntag, 28. April 2013

Blick ins Atelier: FRAU 01 von Reiner Langer



Frau 01, 30 x 40 cm , auf Papier, Collage, 
handkoloriert und überzeichnet, im Original und als 
C-Print-Auflage (5 Expl. nummeriert und signiert) erhältlich.

Reiner Langer, geb. am 5. Oktober 1955 in Duisburg, 
lebt auch wieder dort. Er ist Autodidakt und legte seinen 
künstlerischen Schwerpunkt auf  Dada und
Phantastischen Realismus. Mehr über den Künstler

Sonntag, 27. Januar 2013

Blick ins Atelier: BRÜCKE, IRRE TRÄUME 21 von Reiner Langer



BRÜCKE, IRRE TRÄUME 21, 30 x 40 cm , auf Papier, Collage, 
handkoloriert und überzeichnet, im Original und als 
C-Print-Auflage (5 Expl. nummeriert und signiert) erhältlich.

Reiner Langer, geb. am 5. Oktober 1955 in Duisburg, 
lebt auch wieder dort. Er ist Autodidakt und legte seinen 
künstlerischen Schwerpunkt auf  Dada und 

Phantastischen Realismus. Mehr über den Künstler

Samstag, 8. Dezember 2012

Heute Abend in Darmstadt: DEUTSCH IST DADA HOCH 3 von Faltsch Wagoni

FALTSCH WAGONI: "DEUTSCH IST DADA 
hoch 3"
Der Dauerbrenner für Sprachliebhaber in Neuauflage


am Sa, 08.12.12     Beginn: 20:30     Einlass: 19:00

halbNeun Theater + Sandstr.
32 + 64283 Darmstadt + Tel.: 06151 23330 (Abendkasse)

Preise (EUR):     VVK     AK         
                             18.60   19.00    


Ermässigt für Berechtigte
Entsprechende Berechtigungsausweise mitbringen!

FALTSCH WAGONI sind Der&Die PROSPERI. Wenn diese zwei sich streiten, freut sich das Publikum. Zwischen dem Dichter und der Sängerin geht es hoch her – hoch 3. Er haut ihr die Wortspiele um die Ohren und tanzt sein Ganzkörperkabarett. Sie kontert mit lakonischem Humor und Schlagfertigkeit auf allem, was ihr zum Trommeln in die Quere kommt.

Leicht und lässig werden Gedichte und Musik aus dem Ärmel geschüttelt. Die Sprache klingt und swingt, obwohl es die deutsche ist. Vor dem verblüfften Publikum vollführen FALTSCH WAGONI ein grammatikalisches Drama, ein absurdes Wort- und Musikgefecht, ein ungezügeltes Sprach-Lust-Spiel. Mit Sätzen wie „Ich würde, wenn ich wüsste, wie es wäre, wenn ich’s täte“, gewinnen die beiden RhythmusPoeten sogar dem Konjunktiv eine nicht geahnte Erotik ab.

Mit ihrem Erfolgsprogramm DEUTSCH IST DADA sind FALTSCH WAGONI für die Goethe Institute um die Welt getourt und haben von New York bis Nowosibirsk, von Afrika bis Skandinavien die Herzen erobert... Zum 10-jährigen Jubiläum dieses Programms haben die beiden sich noch einmal selbst übertroffen und das neue DEUTSCH IST DADA
HOCH 3 herausgebracht. Eine hinreißende und hochintelligente Sprach-
Revue in Dada-Manier. Hingehen!!

Sonntag, 28. Oktober 2012

Blick ins Atelier: WEIT WEG ... HEIMAT von Reiner Langer
































Weit weg ... Heimat30 x 40 cm , auf Papier, Collage, 
handkoloriert und überzeichnet, im Original und als 
C-Print-Auflage (5 Expl. nummeriert und signiert) erhältlich.

Reiner Langer, geb. am 5. Oktober 1955 in Duisburg, 
lebt auch wieder dort. Er ist Autodidakt und legte seinen 
künstlerischen Schwerpunkt auf  Dada und 
Phantastischen Realismus. Mehr über den Künstler

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Neu in den KÜNSTLERPORTRÄTS: Reiner Langer

Reiner Langer aus Duisburg fühlt sich dem Dada und Phantastischen Realismus verpflichtet. In der Reihe BLICK INS ATELIER kommen in den nächsten Monaten mehrere Einzelwerke zur Präsentation.

Zum Künstlerporträt


Donnerstag, 19. Januar 2012

Dichterhain: Die Badewanne von Walter Brusius

Die Badewanne 



Collage von Walter Brusius
Tristan, der Edle Ritter, stand am Fenster seiner Burg und schaute in den Regen hinaus. Da trat er zur Badewanne und mit dem kleinen Finger der linken Hand schrieb er. Er schrieb in die obere Haut des Badewannenwassers einen Brief an seine Frau.

Er liebte sie noch immer. Vor 7 Jahren hatte sie ihn verlassen und war mit einem der Hufknechte nach Sydney geflohn.
So war das.

  Draußen rauschte der Regen. Tristan zog den Stöpsel aus der Wanne, das Wasser floss.

Ich weiß nicht, ob dieser Brief je angekommen ist.



Der Autor
Walter Brusius arbeitet und lebt seit 1982 in Bad Kreuznach als freischaffender Maler und unterhält dort ein Atelier. 
Er hat in Köln studiert. Vor etwa zehn Jahren begann er parallel zur Malerei Geschichten zu schreiben. 
Im Eigenverlag sind bisher einige kleine Bücher erschienen und seit zwei Jahren seine AtelierhefteEr verkauft sie im Atelier an einen kleinen interessierten Kreis und in einer dortigen Buchhandlung. Sie sind auch abonnierbar. Neben seinen Ausstellungen veranstaltet er regelmäßig Lesungen. Ziel ist, die Atelierhefte nicht selbst zu illustrieren, sondern andere Künstler in Form einer Koproduktion dazu einzuladen.

Montag, 9. Januar 2012

Dichterhain: Der Weg nach Amerika von Walter Brusius

Collage von Walter Brusius
Der Weg nach Amerika


Ein Huhn flog in einem Baum. Darin saß oben gerade der junge Kolumbus, der die Strecke nach Amerika berechnete. Einmal nach Amerika, das ist ein Gedanke, und so war er versucht, auf dem Papier eine Linie zu ziehen, geradeaus. Aber kein Lineal hatte er dabei, und der Ast, auf dem er saß, der schwankte, so wurde die Linie verwackelt. Doch die Linie war die genau richtige, wie sie später auf dem Meer richtig war, auch da vom Wind und Meer verwackelt.

„Willst du mit?“, fragte Kolumbus das Huhn.

„Mit einem, der noch nicht mal einen geraden Strich ziehen kann, fahr ich doch nicht nach Amerika“, sagte das Huhn empört.


Der Autor
Walter Brusius arbeitet und lebt seit 1982 in Bad Kreuznach als freischaffender Maler und unterhält dort ein Atelier. 
Er hat in Köln studiert. Vor etwa zehn Jahren begann er parallel zur Malerei Geschichten zu schreiben. 
Im Eigenverlag sind bisher einige kleine Bücher erschienen und seit zwei Jahren seine Atelierhefte. Er verkauft sie im Atelier an einen kleinen interessierten Kreis und in einer dortigen Buchhandlung. Sie sind auch abonnierbar. Neben seinen Ausstellungen veranstaltet er regelmäßig Lesungen. Ziel ist, die Atelierhefte nicht selbst zu illustrieren, sondern andere Künstler in Form einer Koproduktion dazu einzuladen.

Freitag, 23. Dezember 2011

Kurzprosa: Der seltsame Mönch von Walter Brusius


Der seltsame Mönch
Collage von Walter Brusius




Der König ritt auf dem Pferd, das Pferd hatte einen ungewöhnlichen, spitz zulaufenden Kopf. Am Himmel waren ein paar Wolken, und eben ritt er auf ein Haus zu. Er klopfte an die Tür, es war um die Mittagszeit, und drinnen im Haus schlief man.

Der König nahm aus einer kleinen Dose eine Prise, auch dem Pferd gab er  Schnupftabak aus Brasilien.

Neben dem Haus war ein Bach mit einer Brücke.

Am Bach saß ein Mönch, der sich die Füße wusch.

Der König nahm nun ein Zimmer, und auch er zog sich dort aus, die Stiefel, die Hosen, den Rock, den Hut. Nackt war er nun im Zimmer.

Rund um das Haus lagen Berge, von denen es nichts Besonderes zu erzählen gibt.

Später in der Gaststube saß an einem Tisch eine einzelne Frau. Auch sie schien auf einer Reise zu sein. Der König setzte sich abseits. Bald brachte man ihm Brot und der Frau Käse. Als dann der Mönch erschien, auch er setzte sich abseits, den Kopf gleich über dem Teller, brachte man ihm Soße. Jeder aß für sich, also das, was zusammen eine Mahlzeit ergeben hätte. Als die Frau gegessen hatte, stand der König auf, er nahm ihren Arm und führte sie zur Tür. Dann, als er sah, dass sie zu Fuß unterwegs war, gab er ihr sogar das Pferd. Nicht etwa leihweise, oh nein, er schenkte es ihr. Er sah ihr nach, wie sie weiter auf der Straße ritt, wo irgendwo eine Stadt lag.

Der König stand noch eine Weile an der Brücke, er sah hier dem Wasser nach, als er wieder die Gaststube betrat, war der Wirt dabei, sie zu schmücken, wie zu einem Ball. Der Mönch saß noch am Tisch, las in einem Buch, Scherzhaft sei gesagt, es waren etwa 500 verschiedene Speisekarten, die man zu einem Buch gebunden hatte. Nun dürfte ein rechtes Licht auf den Mönch fallen. Der Wirt aber stand auf einer Leiter, spannte Schnüre und daran hingen Figuren aus gelbem Papier. Er schob einige Tische und Stühle zur Seite, damit man Platz hatte, erst mal zum Aufhängen und später zum Tanz.

Am Abend jedoch kam niemand, da saß noch immer der Mönch, der im Buch blätterte, der Wirt stand hinter der Theke, wischte einen Krug nach dem andern mit einem Tuch, aber keine Musik erschien, keine Gäste. Aber weder Wirt noch Mönch machten offenbar einen enttäuschten Eindruck. Ebenso still, wie es nun war, ging der König nach oben, in dieser schweigsamen Herberge, unter das Dach, wo er beinah ganz nah bei den Sternen wohnte. Wie gewohnt, denn er wollte die Gewohnheiten unbedingt beibehalten, legte er sich ins Bett. Hierüber schlief er ein.

Am Morgen weckte ihn eine Glocke. In der Tür stand der zufriedene Wirt mit dem Schädel des Mönchs, er schüttelte ihn, und der Schädel klang hell wie eine Glocke.

Der Autor
Walter Brusius arbeitet und lebt seit 1982 in Bad Kreuznach 
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Sonntag, 18. Dezember 2011

Dichterhain: Der Lügner von Walter Brusius

Der Lügner
Collage von Walter Brusius

Ich ging durch die Heide. Unter einem Holunderbusch sah ich einen Hasen, der in ein Schulheft das Lied einer Amsel notierte.

Ich fragte den Hasen, was er da mache, und er sagte, dass er das tue im Auftrag eines gewissen Alex Grabowski, Kiew, Puschkinstraße 8.

Jahre später kam ich nach Kiew. Dort gab es weder einen Grabowski noch fand ich eine Puschkinstraße.




Der Autor
Walter Brusius arbeitet und lebt seit 1982 in Bad Kreuznach 
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Die letzte Ausstellung

Dienstag, 13. Dezember 2011

Dichterhain: Der Herr der Kugel von Walter Brusius

Collage von Walter Brusius

Der Herr der Kugel

Die Frau saß in der Pizzeria. Der Tisch war lang und aus Holz. Im Raum nur ein Fenster, hoch oben und mit Stäben vergittert. Drinnen war es dunkel, draußen flutete das Licht. Ein Mann ging vorbei. In der Hitze trug er einen leichten cremefarbenen Mantel. Der Mann war ich. Das Messer der Frau knirschte auf dem Teller, sprang am Porzellan ab. In der Manteltasche formte ich die Finger zum Kopf eines Hundes.

Tauben flogen.

Blau auch im Flug. 




Der Autor
Walter Brusius arbeitet und lebt seit 1982 in Bad Kreuznach 
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Montag, 12. Dezember 2011

125 Jahre Hugo Ball in Pirmasens - Abschlussveranstaltung

+ So., 18. Dezember 2011, 19 Uhr, Evangelisch-methodistische Kirche Pirmasens, Alleestraße 23, IN DER AVANTGARDE LAUERT DIE RELIGION, Vortrag mit Rezitation und Gesang von Joachim Bähr und Katharina Ihlefeld, Tel.: 06331-73260, pirmasens@emk.de, www.emk.de/pirmasens Eintritt: 5 / 3 Euro



Keineswegs das letzte Wort von und zu Hugo Ball soll am 18. Dezember um 19 h in der Zionskirche in Pirmasens gesprochen werden. Auch wenn Joachim L. Bähr sogar das Grab des toten Dichters im Tessin besucht hat, um sich auf die letzte Veranstaltung im Hugo-Ball-Jahr vorzubereiten, soll dabei der religiöse, suchende Hugo Ball noch einmal zum Leben erweckt werden. Auf seiner Spurensuche nach diesem religiösen Hugo Ball hat Joachim L. Bähr, "selbst Pirmasenser und dennoch Opernregisseur, Theaterinspizient, Literat, Methodist und Ballbevollmächigter", wie er sich selbst beschreibt, in Bergdörfern und Bibliotheken übernachtet. 
`Hugo Balls Weg zu Gott´, wie eine seiner Biographien lautet, zeigt, dass Balls Leben ein Stationen-Theater ist, welches einer wahrhaft expressionistischen Dramaturgie entspringt. 
Hugo Ball soll ja bereits in seiner frühesten sprachwildesten Phase mit Gott oder seinem Engel gerungen haben. Diese Behauptung, so Joachim L. Bähr "will Hoffnung und Verzweiflung in Deckungsgleichheit bringen. Sein späteres Leben voll Katholizismus und Mystizismus war durch Magenkrebs gekrönt". Dass sich daraus eine "dadaistische Weltauffassung" Gottes ableiten ließe, geht dann Olav Schmidt, Pastor an der Zionskirche dann doch zu weit. Aber er ließ sich nicht davon abhalten, diesem herausfordernden, unbequemen und sicherlich manchmal auch irritierenden Abend in der Zionskirche Raum zu geben. "Methodismus versteht sich als Gemeinschaft aus Suchenden und Glaubenden", erinnert er. "Auch der suchende, vielleicht irrende und doch wegweisende Hugo Ball hätte sich bei uns wohlgefühlt", meint er. Es ist jedoch nicht überliefert, dass Hugo Ball jemals die Zionskirche betreten hätte. So wird an diesem Abend die Spurensuche nach der Sinnsuche Balls in vielen Originalzitaten, aus Lyrik, Prosa und Theaterstücken, aus Essays, Aufzeichnungen und sonstigen Äußerungen durch verschiedenste Lebens- und Sprachphasen nachvollzogen. Der rezitierende Joachim L. Bähr wird dabei von der in Bielefeld geborenen Sängerin, Muse und Diseuse Katharina Ihlefeld begleitet. 



Dienstag, 22. November 2011

Dichterhain: Die Kokosnuss von Alois Hatter

Der Tag ging, der Abend kam.
Die Auster,
die eigentlich eine Miesmuschel war,
spielte Trompete.
Daraufhin wurde sie gezangst.
Und das mit Recht,
sagte der Katzenaugenmund.
Und das mit Recht,
sagte der Kammerjäger.

Und das undank mir brecht,
sagte der Hutmacher.

Keiner verstand ihn.

Und das mit Recht,
flüsterte die Kokosnuss.


Alois Hatter

Mittwoch, 16. November 2011

Für Sie besucht: Faltsch Wagoni (Kabarett) in Pirmasens

Deutsch ist dada hoch 3 lautete der Titel dieses wirklich entspannend dadaistisch-umstürzlerischen und satirisch-ironischen Programms und Erlebnisabends am 15.11. im Rahmen des Hugo-Ball-Jahres 2011. Location: Festhalle Pirmasens. Die Künstler: Faltsch Wagoni.

Wir haben es dabei mit einem sehr unterhaltsamen, gelungenen und anregenden "wortbeat-sprach-humor-musik-poesie-kabarett" zu tun. Die nächste Darbietung wird am 22.11. auf dem Theaterschiff in Hamburg sein.
Die und Der Prosperi sind ein sprachambitioniertes Paar mit bizarren Entertainerqualitäten. D e r  Prosperi überzeugt nicht nur durch seinen kühnen Ausfallschritt und tänzerische Bühnenbeherrschung entlang des Nonsens oder Tiefsinns, seine Dialoge und sein Spiel mit der Säge faszinieren die Zuschauer! Ein Kandidat, der über Goethe erhaben, nicht "mehr Licht" (andere hatten das schon mit "mer lischt hier so schlecht" interpretiert) kurz vor dem letzten Atemzug sagen würde, sondern "Mehr Dunkles in der höllischen Spelunke" sich wünscht. Seine Dates mit der Prosperi werden leider immer falsch verstanden, was nur zu einer Fortsetzung des immerwährenden Missverständnisses führt. So wie aus einem Radebrech-Streit zwischen Thomas und der Italienerin Sylvana auf dem Bahnsteig eine Doppelbelegung des Schlafabteils in einem falschen Waggon auf der Reise nach Nirgendwo und eine dauerhafte Beziehung wurde ...
Auch D i e  Prosperi lässt sich die Wörter auf der Zunge zergehen und genießt sie wie erlesene Küche. Die beiden lassen keinen Buchstaben über dem anderen, sie demontieren, mischen und gestalten fortwährend neu. So reich kann Sprache sein. Allein der Ausflug in den Konjunktiv ist ein Abenteuer, das am Ende immer schrägere Formen des Konjunktivs generiert, bis der letzte die Absurdität dieser grammatikalischen Form erkennt. Ein echter Handlungs-, Beziehungs- und Ichverhinderer! Sylvana Prosperi hat den Rhythmus gepachtet und gibt uns davon ebenso viel wie stimmliche Vielfalt im Gesang und in der Geräuschproduktion. Sie spannt auch mal ihre Stimme durch den Urwald und versetzt uns für einige Momente nach Amazonien. Sie wäre glatt in der Lage, zwischen Asisis gedruckten Amazonienbahnen im Gasometer von Leipzig ihren Kopf herauszustrecken und den Zuschauern eine erstaunte Habachthaltug abzugewinnen.



Thomas und Sylvana Prosperi erscheinen uns wie zwei Gestalten aus Samuel Becketts grandiosen Endzeitdramen mit Hugo Balls Sprachexperimentierlust gepaart. Sie stehen auf der Bühne, trotzen der Sinnlosigkeit und dem Sprachzerfall. Sie wollen keine Worthülsen und Klischees, sie suchen auf dem Meeresgrund des Unbewussten nach der wahren Sprache. Die Prosperis frozzeln und foppen sich, formen, verbiegen, suchen die richtige sprachliche Form, den passenden Artikel, zerstückeln Informationen und bieten sie in völlig neuer Anordnung wieder an. Ganz gelungen reihen sie Wörter in Stakkato-Geschwindigkeit zu spontanen Raps und Sprechgesängen zusammen. Und tanzen ein bisschen dazu. Hinterfragen das Y wie das Ü, plädieren für eine neue Rechtschreibung, die ihnen seit Jahren frisch präsentiert ebenso absurd erscheint wie uns die real existierende Verunsicherung auch der guten Gymnasiasten. Und legen sich als Bauchredner gegenseitig minutenlang Beleidigungen und Fremdes in den Mund.
Wer sich mit in das falsche Waggon setzen möchte, erlebt eine abenteuerliche und sehr kurzweilige Fahrt.

Zwei Texte aus der neuen CD "wort & wild. Artgerechte Unterhaltung", die nur spärlich an diesem Abend zitiert wurde, da das gesamte Oeuvre zur Disposition stand. Eine Besprechung der "wort & wild" (Antje Kunstmann Verlag) folgt.


Crème de la Crème 

der Mensch ist doch die Crème de la Crème
Faltsch Wagoni in Pirmasens 
sein Vorfahr war ein Klumpen Lehm

Moment, ich muss drauf pochen
mein Vorfahr war ein Knochen

von einem Mann, ich tippe: 
es war des Mannes Rippe

genauso wars:  am Anfang war nichts als ein Ursüppchen 
darinnen schwamm - wie sich's gehört ein Mann mit einem Rüppchen 

das nahm er sich zur Frau geschwind 
so war's und wer's nicht glaubt ist blind

Wir sind Primaten

wir sind Primaten
der Gattung Trockennasenaffen
wir sind missraten
und lassen uns die Fresse straffen
wir bilden Paare
egal ob Männchen oder Frauchen
wir haben Haare
an Stellen, wo wir sie nicht brauchen
wir halten Tiere
und uns für etwas Bessres meist
doch jede Vire
besitzt mehr Überlebensgeist

wir sind Primaten
wir gehn auf Jagd mit Einkaufstüten
wir bilden Staaten
das machen aber auch Termiten
wir haben Ahnen
die ahnten nichts von Haushaltsplanung
doch von Bananen
da hatten sie verdammt viel Ahnung

wisst ihr noch, wie wir auf Bäumen
wie Gott in Wolkenkuckucksheimen
in Früchten schwelgten wie Schlaraffen?
Heute müssen wir, die halb so Wilden
toughen Affen dafür schaffen
in reichlich überheizten Räumen

wir sind Primaten
wir machen uns die Beute streitig
wir sind Soldaten
und massakriern uns gegenseitig
wir sind Piraten
im World Wide Web mit Mann und Maus
wir kapern Daten
und schlachten sie barbarisch aus
wir sind die Letzten Primaten zwar 
doch generell die überschätzten Ganzaffen - 
die mit ohne Fell