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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Freitag, 23. Dezember 2011

Kurzprosa: Der seltsame Mönch von Walter Brusius


Der seltsame Mönch
Collage von Walter Brusius




Der König ritt auf dem Pferd, das Pferd hatte einen ungewöhnlichen, spitz zulaufenden Kopf. Am Himmel waren ein paar Wolken, und eben ritt er auf ein Haus zu. Er klopfte an die Tür, es war um die Mittagszeit, und drinnen im Haus schlief man.

Der König nahm aus einer kleinen Dose eine Prise, auch dem Pferd gab er  Schnupftabak aus Brasilien.

Neben dem Haus war ein Bach mit einer Brücke.

Am Bach saß ein Mönch, der sich die Füße wusch.

Der König nahm nun ein Zimmer, und auch er zog sich dort aus, die Stiefel, die Hosen, den Rock, den Hut. Nackt war er nun im Zimmer.

Rund um das Haus lagen Berge, von denen es nichts Besonderes zu erzählen gibt.

Später in der Gaststube saß an einem Tisch eine einzelne Frau. Auch sie schien auf einer Reise zu sein. Der König setzte sich abseits. Bald brachte man ihm Brot und der Frau Käse. Als dann der Mönch erschien, auch er setzte sich abseits, den Kopf gleich über dem Teller, brachte man ihm Soße. Jeder aß für sich, also das, was zusammen eine Mahlzeit ergeben hätte. Als die Frau gegessen hatte, stand der König auf, er nahm ihren Arm und führte sie zur Tür. Dann, als er sah, dass sie zu Fuß unterwegs war, gab er ihr sogar das Pferd. Nicht etwa leihweise, oh nein, er schenkte es ihr. Er sah ihr nach, wie sie weiter auf der Straße ritt, wo irgendwo eine Stadt lag.

Der König stand noch eine Weile an der Brücke, er sah hier dem Wasser nach, als er wieder die Gaststube betrat, war der Wirt dabei, sie zu schmücken, wie zu einem Ball. Der Mönch saß noch am Tisch, las in einem Buch, Scherzhaft sei gesagt, es waren etwa 500 verschiedene Speisekarten, die man zu einem Buch gebunden hatte. Nun dürfte ein rechtes Licht auf den Mönch fallen. Der Wirt aber stand auf einer Leiter, spannte Schnüre und daran hingen Figuren aus gelbem Papier. Er schob einige Tische und Stühle zur Seite, damit man Platz hatte, erst mal zum Aufhängen und später zum Tanz.

Am Abend jedoch kam niemand, da saß noch immer der Mönch, der im Buch blätterte, der Wirt stand hinter der Theke, wischte einen Krug nach dem andern mit einem Tuch, aber keine Musik erschien, keine Gäste. Aber weder Wirt noch Mönch machten offenbar einen enttäuschten Eindruck. Ebenso still, wie es nun war, ging der König nach oben, in dieser schweigsamen Herberge, unter das Dach, wo er beinah ganz nah bei den Sternen wohnte. Wie gewohnt, denn er wollte die Gewohnheiten unbedingt beibehalten, legte er sich ins Bett. Hierüber schlief er ein.

Am Morgen weckte ihn eine Glocke. In der Tür stand der zufriedene Wirt mit dem Schädel des Mönchs, er schüttelte ihn, und der Schädel klang hell wie eine Glocke.

Der Autor
Walter Brusius arbeitet und lebt seit 1982 in Bad Kreuznach 
als freischaffender Maler und unterhält dort ein Atelier. 
Er hat in Köln studiert. Vor etwa zehn Jahren begann er 
parallel zur Malerei Geschichten zu schreiben. 
Im Eigenverlag sind bisher einige kleine Bücher 
erschienen und seit zwei Jahren seine Atelierhefte
Er verkauft sie im Atelier an einen kleinen interessierten Kreis 
und in einer dortigen Buchhandlung. Sie sind auch abonnierbar. 
Neben seinen Ausstellungen veranstaltet er regelmäßig Lesungen. 
Ziel ist, die Atelierhefte nicht selbst zu illustrieren, 
sondern andere Künstler in Form einer Koproduktion dazu einzuladen.

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