City - Rockgeschichte aus dem Osten
Deutschlands - groß geworden mit dem Sozialismus, dem
antifaschistischen Wall und dem Mauerfall waren am 7.7.2012 in
Kaiserslautern. Sie stellten hier - wie Toni Krahl es formulierte -
am Mittelpunkt der Achse des Bösen (ein George W. Bush-Begriff, den
wir alle kennen) ihr neues Album "Für immer jung" vor.
Kaiserslautern und Ramstein sind tatsächlich der wichtigste
strategische Punkt in Europa für die weltweite US-Kriegsführung.
CITY, das waren am Samstag Manfred
Hennig (Keyboards), Georgi Gogow (Geige, Bass), Klaus Selmke (drums),
Toni Krahl (Gesang, Gitarre), Fritz Puppel (Gitarre). Sie gelten noch
immer als DDR-Rockband, die unter anderem mit ihrem Song "Am
Fenster" (1978, weltweit mehr als 10 Millionen Mal verkauft)
berühmt wurden, aber tapfer bis auf die Zugabe nur Aktuelles
spielten. Das erste Album ging schon 500.000-mal über den
Ladentisch. Und das erste DDR-Album kam 1980, es hieß "Dreamland",
war ebenfalls stark gefragt. City ist die erfolgreichste
DDR-Rockband.
Toni Krahl |
Fritz Puppel |
Manfred Henning |
Klaus Selmke |
Special 1 |
Special 2 |
Frontmann Toni Krahl ist ganz in seinem Berlin gefangen gewesen, er war sich wirklich nicht ganz sicher, in welchem Bundesland sie sich nun befänden, die mangelnden Geographiekenntnisse lösten dann zum Glück Zurufe aus dem Zuschauerraum … City hatte vor der Wende Gastspielgenehmigung für die BRD, obwohl sie nicht sonderlich angepasst waren. "Wir als Band betrachten uns immer als Spiegel der Gesellschaft oder der Umgebung, in der wir auftreten", äußerten sie einmal mit Toni Krahl, Sänger der Band seit 1975, und: "Wir haben immer versucht, die Themen aufzugreifen, die bewegen. Kleine Wahrheiten mussten wir in den Texten verstecken, wo zwischen den Zeilen lesbar wurde, was wir meinten." 1978 traten sie sogar in der legendären WDR-Sendung "Rockpalast" auf, mit ihren Plattenerfolgen der größte Erfolg bislang einer DDR-Band.
Frontmann Toni Krahl selbst kam wegen
freier Meinungsäußerung vor seiner City-Zeit mit der DDR-Obrigkeit
in Konflikt. Im Spätsommer 1968 hatte er couragiert einfach mal ein
paar “kleine stümperhaft gestaltete Flugblätter” verteilt, auf
denen er gegen den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten in die CSSR
protestieren wollte. Das brachte ihm drei Jahre Gefängnis ein. So
singt er auch auf der aktuellen CD: „Prager Frühling. Wut im
Bauch. Sechzehn Wochen hinter Gittern. Das war ich.“
Das Besingen von Freiheit, Freimachen
von Obrigkeitszwängen und Einsetzen für mehr Gerechtigkeit prägte
den Weg der Band bis heute, entlang ihrer Erfolgssträhne mit 25 Mio
Tonträgern und über 3.500 Konzerten.
In Kaiserslautern startete das Konzert,
von den Veranstaltern Kunstgriff seit Monaten sehnsüchtig erwartet, um 20:30 Uhr mit einem verzögernden Auftritt, dann aber gewaltig.
Der Rock war nach 3 Akkorden zu Hause in der Fruchthalle, und so
blieb es auch bis zum Ende gegen 22:15 Uhr. Fantastische Energie und
dominante Stimme von Toni Krahl - man darf nicht vergessen, dass die
Cities alle von knapp 60 bis 70+ Jahre alt sind - ja, auch Fritz
Puppel lässt es mit seinen (über) 70 Jahren noch voll abgehen.
Keyboard mit Manfred Henning immer präsent und den richtigen
Klangteppich legend, genau wie der originelle Drummer Klaus Selmke
auf dem Großen Sitzkissen barfuß die Pedale bedient und souverän
den Rhythmus vorgibt und weiterspinnt. Der Mann an der Geige - Georgi
Gogow - hatte die besondere Ehre, mit seinen
Synthesizer-Violinenklängen einen krassen, bizarren und fast
schrillen, aber auch harmonischen und beglückenden Eindruck zu
schaffen. Sein Zupfen setzte die Zäsuren auf dem Notenblatt, das
tschechowsche Zerspringen der Saiten in dessen Theaterstück "Der
Kirschgarten", das extrem Aufweckende und gleichzeitig auch
Lyrische. Deswegen auch sein Soloauftritt in der Zugabenrunde.
Neben viel Publikumsbeteiligung und
-kontakt gab es auch eine Bonbonverteilrunde für alle. Ganz
besonders beeindruckend war die Show zum Song "Frei", der
das Gefangensein mit Toni Krahl in einer riesigen Plastikfolie
symbolisierte. Der Abend war gelungen, rundherum dicht und ehrlich im
Angebot und ein prima Eindruck von City's Power heute.
Während gegenüber das große
Altstadtfest mit neun Bühnen tobte, schafften es in die Fruchthalle
immerhin noch 200 Zuschauer. Kein Vergleich zu überfüllten Hallen
früher oder in City-Fans-Hochburgen, aber den nachkommenden
Generationen oder den Amerikanern in K'town ist City eh kein Begriff
mehr. Die sind für manche höchstens Dinosaurier, die andere Musik
machen, andere Leute ansprechen und eben trotz ihrer ewigen Jugend zu
einem Museumsexponat werden. Vor drei Jahren erlebte ich die
Hamburger Rockband "The Rattles" in der Fruchthalle,
absolut vergleichbar vom Alter und der Qualität her, die hatten
trotz 3 Stunden hartem Rock und Einsatz sogar weniger Besucher.
Für immer jung, Ariola/Song,
Erstveröffentlichung: 24.02.2012
Die Einzeltitel:
2. Danke Engel
3. Zu spät
4. Es ist immer noch Sommer
5. Sind so kleine Hände
6. Lieben und lieben lassen
7. Frei
8. Das Schöne am Leben
9. Quicklebendig (In The Death Car)
10. Anker
11. Die 20 Gebote
Fotos: SonyMusic