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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Dienstag, 17. September 2013

Dichterhain: Der liebe Gott und der Wein. Von Karin Michaeli

Kirchenweinfest in Machtum,
Luxembourg, 2011 (c) Karin Michaeli


Endlich ein Samstag mit Sonnenschein und der Möglichkeit, nach dem Markteinkauf Platz zu nehmen im Straßencafé mit Tageszeitung und Cappucino.

Gemächlich ziehe ich mit meinem Einkaufswägelchen durch das Zooviertel hin zum Markt an der Brücke vor ALDI. Leuchtend gelbe Zitronen, rote Karotten, Paprika in allen Farben, dunkelrote Beete und dazwischen das saftige Grün der Salate machen mir Appetit auf feine Küche. Die geräucherte Makrele esse ich auf der Mauer vor ALDI sofort mit einem feinen Roggenbrötchen dazu und es fehlt jetzt nur noch ein Rotwein und schon wäre ich in Machtum, dem Moselörtchen in Luxemburg, wo einmal jährlich das „Weinschmeckfest" stattfindet.

Entschuldigung – so hieß es früher, als es zum ersten Mal stattfand Anfang der neunziger Jahre. Das waren noch Zeiten. Eher zufällig fuhr ich mit meinem Sohn und meinem Lebensgefährten ins kleine Dorf Machtum zur Weinsegnung in der Kirche. Wir hatten in der Zeitung gelesen vom „Weinschmeckfest“ (Wäiischmaachfest auf lux. Dialekt). Nun wollten wir der Weinsegnungs-Zeremonie in der Kirche beiwohnen. 

An die 1000 Flaschen Wein waren in der Kirche kunstvoll aufgestapelt und der Pfarrer schenkte jedem der Besucher höchstpersönlich ein Gläschen Wein ein. Die Gläser hatten wir zuvor gekauft für 2,- DM und konnten anschließend vom Wein so viel trinken wie wir wollten.
„Die können den Wein noch so viel segnen“, sinnierte mein Sohn Michael „er ist und bleibt sauer !“

Heute, fast 20 Jahre später, heißt dieses einmal jährlich stattfindende Event „Weinhappening“. Das Gläschen kostet 5,- Euro und immer noch ist es möglich, mit diesem Gläschen an den Weinständen so viel Wein zu trinken wie man möchte – ohne auch nur ein zeites Mal das Portemonnaie zu öffnen.

In der Kirchen sind immer noch die Weinflaschen aufgestapelt – vom roten Pino noir bis hin zum klassischen Elbling sind alle Luxemburger Weinsorten aus allen Regionen des Landes hier vertreten. 

Während ich die Makrele genüßlich verzehre, kommen mir Gedanken über Gott. Ob Gott wohl manchmal betrunken ist, wenn in der Kirche so viele Flaschen Wein lagern ? Es würde nicht auffallen, wenn hier ein paar Flaschen fehlen. Ob Gott den Wein aus der geschlossenen Flasche in sich aufnimmt oder ob ein Engel mitkommt mit einem Korkenzieher? Ob der Engel auch ein Schlückchen bekommt ? 

Und was ist, wenn Gott während der vier Tage des Weinhappenings tatsächlich in dieser kleinen Kirche in Machtum einer bei ihm nicht vermuteten Trunksucht unterliegt und vier Tage außer Gefecht gesetzt ist ? Das Gute und Böse nicht mehr regeln kann ? Gerät dann das Wetter aus den Fugen, geraten dann die Menschen in Streit ? 

Die Vorstellung, das die Weltgeschicke für einen Moment aus den Fugen geraten, weil in dieser kleinen Kirche am Rande der Luxemburger Grenze an vier Tagen im Kirchenschiff und am Altar Tausende von den erlesensten Weinsorten aufgestapelt werden, lässt mich für einen Moment erschüttert in den wolkigen Himmel schauen. Merkt man auch am Wetter, ob Gott betrunken ist ? Gibt es dann statt einem Sommer plötzlich einen Herbst ?

Schnell verlasse ich den Ort, der in mir solche Gedanken hervor bringt, um Richtung Brehmplatz zum „Moskito“ zu schlendern. Hier lasse ich mich erleichtert nieder an einem freien Tisch und genieße die samstägliche Zeitungslektüre. Aber die Gedanken schweifen immer wieder zurück zu Gott und der Unwissenheit darüber, ob er einen guten Wein schätzt oder eher asketisch ist. Er hat doch den Menschen den Wein geschenkt – oder war es ein Irrtum, eine Laune der Natur, die aus Traubensaft Wein werden ließ? Lehnt Gott dieses Spektakel in seinem Tempel möglicherweise ab und kann sich nicht verständlich machen ? Fragen über Fragen, die ich in dieser kleinen Ausführung nicht endgültig für mich beantworten kann.

(c) Karin Michaeli