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Bild von fahed kiwan auf Pixabay |
Die Drusen: Ethnie, Religion und Identität
Ursprung und religiöser Kern
Die Drusen entstammen dem ismailitischen Schiitentum und formierten sich als eigenständige religiöse Gemeinschaft im 11. Jahrhundert. Ihre Glaubensvorstellungen umfassen unter anderem Reinkarnation sowie die Anerkennung von Propheten wie Jesus, Mohammed, Sokrates und Buddha. Missionierung lehnen sie strikt ab; der Eintritt ins Drusentum ist unmöglich – nur eine ausgewählte Gruppe von „Eingeweihten“ (ʿUqqāl) kennt die vollständige Lehre, während viele Gemeindemitglieder („Dschuhhāl“) uninformiert bleiben.
Verbreitung und politische Lage
Drusen leben vor allem in Syrien, Libanon, Israel und Jordanien. In Syrien machen sie etwa 3 % der Bevölkerung aus, vor allem in der Provinz Suweida konzentriert. In Israel genießen sie Staatsbürgerschaft, leisten Wehrdienst – oft in Eliteeinheiten – und gelten als fest in die Gesellschaft integriert. Ihre enge Kooperation mit dem Staat resultiert aus historischer Verfolgung, einem neutralen Umgang mit arabischem Nationalismus zur Mandatszeit und ihrer Anerkennung als eigenständige Religionsgemeinschaft mit eigenen Gerichten und Feiertagen.
Gesellschaftliche Struktur
Die Gemeinschaft hält an Endogamie (Heiratsordnung, die Eheschließungen innerhalb der eigenen sozialen Gruppe bevorzugt oder vorschreibt) fest und legt strikte Bindung innerhalb der eigenen Gruppe nahe. Frauen gelten theoretisch als gleichberechtigt und können religiöse Führungsrollen übernehmen, jedoch bleibt der Zugang zu den spirituellen Eingeweihten überwiegend Männern vorbehalten.
Aktuelle Entwicklungen und Dynamiken in Syrien (2025)
In Syrien ist die Lage für die Drusen im Jahr 2025 äußerst prekär. Besonders die Region um Suweida, im Süden des Landes, wurde zum Brennpunkt eines gewaltsamen Konflikts zwischen lokalen Druze-Milizen, sunnitischen Beduinen und der Übergangsregierung unter Präsident Ahmed al-Sharaa.
Chronologie der Ereignisse (--> Wikipedia)
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Februar–März 2025: Jaramana-Konflikt
In einem Damaskus-Vorort kam es zu Auseinandersetzungen zwischen drusischen Milizen und syrischen Sicherheitskräften. Zwei Offiziere wurden getötet, neun Zivilisten verletzt. Im Anschluss wurde eine Sicherheitsverantwortungsteilung in Suweida vereinbart. -
April–Mai 2025: Massaker in Regionen nahe Damaskus
In Jaramana und anderen Orten kam es zu gezielten Attacken drusischer Gemeinden. Israels Militäreinsatz im April umfasste Luftschläge gegen Extremisten und Sicherheitskräfte. Drusische Anführer – sowohl in Syrien als auch in Israel – forderten Schutz und bekundeten enge Solidarität. -
Mittleres Juli 2025: Eskalation in Suweida
Auseinandersetzungen zwischen Drusen und Beduinen eskalierten. Der Übergang von Gewalt zu offenen Kriegshandlungen führte zu mehr als 1.000 Toten, darunter viele Zivilisten, Frauen und Kinder. Tausende flohen oder wurden vertrieben. Israels Luftangriffe auf syrische Militärziele – u. a. in Damaskus – zielten darauf ab, die drusische Gemeinschaft zu schützen und eine Demilitarisierung südlich von Damaskus durchzusetzen.
(--> The Times, The Washington Post, AP News) -
Folgen: Vertreibungen und Proteste
Über 160.000 Menschen wurden vertrieben, manche leben in Schulen oder Notunterkünften in der Provinz Daraa. Viele Beduinen erzählten von Übergriffen, Plünderung und Zerstörung ihrer Wohnräume. In der Folge formierten Drusische Proteste – teils mit israelischen Flaggen – und forderten Selbstbestimmung. Politische Reaktionen und Prozesse
Die syrische Regierung ordnete Untersuchungen gegen mutmaßlich an Übergriffen beteiligte Verteidigungs- und Innenministeriumsmitarbeiter an; einige wurden festgenommen und gestanden offenbar vor laufender Kamera Straftaten.-
Internationale Verhandlungen
Auf Vermittlung der USA fand in Paris ein Dialog zwischen Syrien und Israel statt – eine offizielle Übereinkunft blieb aus, weitere Gespräche wurden jedoch vereinbart.
(--> Reuters, Al Jazeera)
Warum beteiligt sich Israel?
Israel betrachtet sich als Schutzmacht der Drusen, besonders in konfliktreichen Regionen wie dem Golan. Im Juli 2025 eskalierte die Unterstützung in Form massiver Luftschläge gegen syrische Streitkräfte. Premierminister Netanyahu betonte wiederholt: Israel werde militärisch eingreifen, um die Demilitarisierung der südlichen Grenzregion zu erzwingen und die drusische Minderheit zu schützen.
Innerhalb Israels forderten drusische Führer – etwa Sheikh Mowafaq Tarif – verstärkte Hilfe, getrieben von der engen historischen Solidarität und Loyalität beider Gemeinschaften.
Überblick der aktuellen Ereignisse und Dynamiken
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Gewalt und humanitäre Krise: Die Juli-Eskalation in Suweida führte zu massiven Todesfällen, Zerstörungen und Vertreibungen.
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Intervention Israels: Luftangriffe zielten auf syrische Streitkräfte und Regierungseinrichtungen zur Unterstützung der Drusen und zur Abschreckung von Militäreinsätzen in der Region. (--> iswresearch.org, ACLED)
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Politische Verwicklungen: Syrien leitete Untersuchungen gegen Sicherheitskräfte ein, während sich Verhandlungen mit Israel fortsetzten – bislang ohne dauerhaften Erfolg.
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Drusische Selbstbestimmung: Drusen-Demonstrationen zeigen eine neue politische Dimension: Selbstbestimmung und Abkehr von staatlicher Antwort auf Gewalt.
Drusen zwischen Tradition und Krisenrealität
Die Drusen sind eine religiös und kulturell besondere Gemeinschaft mit starker Identität und historischer Verwurzelung im Nahen Osten. Während sie in Israel weitgehend integriert sind, sehen sich ihre syrischen Pendants aktuell existenziellen Bedrohungen ausgesetzt: durch mehrschichtige Gewalt zwischen lokalen Stämmen, staatlicher Brutalität und internationaler Instrumentalisierung.
Israel agierte als militärischer Schutzschirm, doch die langfristige Lösung bleibt aus. Forderungen nach Selbstbestimmung und Aufarbeitung fordern eine nachhaltige politische Antwort – nicht nur für die Drusen, sondern für eine inklusivere und friedlichere syrische Zukunft.