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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Samstag, 30. Dezember 2023

KRIEG: Verdis AIDA und der Ukrainekrieg im Gespräch Michel Friedmans mit Prof. Carlo Masala

Die aktuell in der Frankfurter Oper zu sehende Inszenierung von Lydia Steier bringt uns Krieg, Deportation und Unterdrückung in einer aktualisierten Interpretation des Verdi-Stoffs nahe. Eine direkte Verbindung zwischen Giuseppe Verdis Oper "Aida" und dem Krieg in der Ukraine lässt sich natürlich nicht einfach herzustellen, da die Handlung von "Aida" im altägyptischen Kontext spielt und persönliche Beziehungen, politische Intrigen und Liebe zwischen den Hauptfiguren dominieren. Würde man eine Rollenverteilung sehen wollen, wäre Russland das pharaonische Reich und die Unterdrückten Äthiopier (eigentlich Nubier, Sudanesen) die Ukraine. Sie sehen, es scheitert schon, das prunkvolle Ägypten und seinen damaligen Kultur-/ Wissenstand können nicht einfach so übertragen werden. Das heutige Russland erscheint uns entsetzlich arrogant, geistig flach, verlogen und propagandistisch verzerrt in der Wahrnehmung zu sein, der ganze Apparat in vodkagetränkter Propagandistenschieflage, bei gleichzeitig unverminderter Brutalität und Vernichtungssucht des Herrschers. 

Was Steier rausarbeitete zeigt ein komplett überaltertes Pharaonensystem, dessen Kriegsherren ein lamettageschmückter Haufen von Altersheiminsassen sind. Für den Krieg gegen Äthiopien fehlt es an Kraft, Vorbild und Verstand. Auserkoren wird quasi ein junger kräftiger Feldherr mit Hausmeister- und Straßenkehrermentalität, der den Palast "sauber" hält. Eigentlich auserkoren als Gatte der reichlich sadistisch gegenüber Gefangenen sich gebärenden und intrigant veranlagten Pharaonentochter Amneris, die als Belohnung auf Radamès wartet, wenn er den Feldzug gegen den Feind siegreich abschließt. In Wahrheit liebt er Aida, die versklavte Tochter des äthiopischen Königs Amonasro. Ein massiver Zwiespalt. Der Feldzug findet statt, Radamès führt die Schlacht erfolgreich und bringt Sklaven mit, unter denen sich auch der gegnerische König, Vater der Aida, befindet. Der wiederum bringt seine Tochter dazu, dem Feldherrn militärische Geheimnisse zu entlocken. Dieser Hochverrat wird entdeckt und mit dem Tod durch Einmauern bestraft. Amneris versucht ihn vor dem Urteil zu bewahren, sehnt sie sich doch nach dem starken Mann an ihrer Seite, aber sie bleibt erfolglos. Aida schleicht sich in die Todesgemäuer, bevor sie versiegelt werden, und stirbt mit ihm. Im Warten auf den Tod erfüllt sich ihre Liebe.

Die Überalterung der Ägypter ist natürlich ein deutlicher Assoziationsanker für die Situation des Westens, aber auch Russlands. Demographisch ein gewaltiger Überbau mit Alten, fehlen die jungen Feldherren, die Stärke der Armee, die Ausrüstung, die Widerstandskraft der Staaten. Die politischen Intrigen und die Suche nach einem starken Anführer können als Kommentar zu den Herausforderungen in der Verwaltung und Führung eines bereits zu schwachen Staatengebildes verstanden werden. Hier bewegte sich auch das sehr interessante und von Michel Friedman mit geschickter Eloquenz geführte Gespräch über die Lage in der Ukraine und unsere nationale wie europäische Rolle mit Carlo Masala, Professor an der Bundeswehrhochschule in München. Die meisten von uns kennen ihn als immer wieder von den Medien konsultierter militärischer Fachmann u.a. für die Lage in der Ukraine. Im Bockenheimer Depot zu hören, in einem fesselnden und geistreichen Gespräch über Kriege, Aggressoren, Abwehrhaltungen, Bedeutung von Krieg und Wahrung von Frieden, weltweit, insbesondere China, Taiwan, Israel, Iran. Aber auch über die Lage der nationalen Bundeswehr, der europäischen Staaten, der NATO. Wir in Deutschland haben bekanntlich das Problem, dass das Potenzial an Soldaten ausgeht, die Bundeswehr schrumpft, die Ausstattung zu wünschen übrig lässt, und insgesamt eine Verteidigungsfähigkeit vorliegt, die gegen Übermächte im Mehrere-Tage-Bereich liegt.

Sehr gering im Vergleich zur tapferen ukrainischen Armee, die dem raketenspuckenden Maschinengoliath (mit ausbüchsenden Soldaten) trotz Unterversorgung mit Waffen monatlich Verluste im Zehntausender-Bereich zufügen kann. Aber nur, weil sie konstant mit Waffen, Munition, Fahrzeugen versorgt wird. Und hier bröckelt es, die Halbherzigkeit der deutschen Unterstützung gaukelt Zahlen vor, die nicht realisierbar sind und namenlos in der Zukunft versickern. Die gesamte Haltung der deutschen Regierung dazu ist trotz der Versprechen des Bundeskanzlers eine zwar mittlerweile konturiertere und klarere, aber die Realität lässt die Ukraine im Moment doch alleine, denn ohne Übervater und Superaktionist USA kommen Aufgaben auf Deutschland und Europa zu, die an den gesamten Egoismen der Nationen trotz gezeigter Hilfsbereitschaften ab einem gewissen Punkt scheitern. 

Ein militärisch starkes Deutschland war über die Jahrzehnte nach 1945 ein sehr unvorteilhaftes Prädikat, auch sind viele jungen Menschen nicht bereit, sich für eventuelle Wiederholungen von Angriffskriegen zur Verfügung zu stellen. Verwöhnt durch die amerikanische Behütungshaltung und Kampfbereitschaft herrscht selbstverständlich eine nicht gerade kriegerische Stimmung, höchstens nach innen. Verantwortung wird zweifelsohne auf uns zukommen, und es fehlt noch immer die entscheidende Lösung für die überfallene Ukraine. Jahrelange Abnutzung wird hier erfolgen müssen, wenn man deren berechtige Haltungen unterstützt. 

Carlo Masala zeigte sich als kampfbereiter Beobachter des Weltgeschehens und rationaler Analyst der Situation, der Perspektiven aufzeichnen kann, die sich nicht in blindem Aktionismus verlieren. Er plädiert dafür, Krieg als geeignetes Druckmittel der Politik beizubehalten, aber auch für einen präsenten Pazifismus, der die Diskussion beleben kann. Seine bereits erschienen Bücher bieten sich als gehaltvolle Informationen zum Thema an.

Friedman in der Oper: KRIEG
29.12.2023, mit Prof. Carlo Masala, Bundeswehrhochschule München 



Freitag, 12. April 2019

Schauspiel Frankfurt: Chinchilla Arschloch, waswas gestartet - Im Mai noch Plätze frei


Für alle, die mehr Bewegungsfreiheit und Bequemlichkeit brauchen, um der Vorstellung entspannt folgen zu können, stehen extra reservierte Sitzplätze (Komfort-Plätze) im freien Verkauf zur Verfügung. Alle Tics sind willkommen. Haben Sie weitere Fragen zur Zugänglichkeit der Vorstellungen, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung unter: chinchilla@mousonturm.de

Der Vorverkauf für alle Vorstellungen läuft. Tickets auch unter: www.mousonturm.de
Bockenheimer Depot
Uraufführung 11. April 2019
1 Stunde 40 Minuten
Do 11.04.2019 20.00 – 21.40
Evtl. Restkarten an der Abendkasse

Weitere Termine
Fr 12.04.2019 20.00 – 21.40
Evtl. Restkarten an der Abendkasse
Sa 13.04.2019 20.00 – 21.40
So 05.05.2019 18.00 – 19.40
Evtl. Restkarten an der Abendkasse
Mo 06.05.2019 20.00 – 21.40
Evtl. Restkarten an der Abendkasse
Di 07.05.2019 20.00 – 21.40
Fr 10.05.2019 20.00 – 21.40
Sa 11.05.2019 20.00 – 21.40
So 12.05.2019 18.00 – 19.40
Konzept, Text und Regie
Helgard Haug

Freitag, 27. April 2018

Heute in Frankfurt a.M.: Uraufführung »Out of Order« von Forced Entertainment (UK)

»Out of Order« 
Tim Etchells & Forced Entertainment (UK)

Uraufführung am 27. April, 20.00 Uhr, 
Dauer ca. 80 Min., Bockenheimer Depot



Auf einer nackten, hell erleuchteten Bühne gibt eine Truppe trauriger Clowns alles, um miteinander klarzukommen und die Zeit totzuschlagen. Ein altes Musikstück läuft in Dauerschleife – die Musik passt nicht, aber niemand scheint sich darum zu scheren. Sie proben alte Gags, verstricken sich in neue, vergessen, dass irgendetwas passiert ist, erinnern sich dann wieder und vergessen erneut. Sie streiten sich und jagen einander, anfallsartig, chaotisch, ungelenk, kommen dann wieder zur Ruhe und warten ab, bis die ganze Hektik von vorne losgeht.

Sorgsam unausgewogen, zwischen Humor und Humorlosigkeit oszillierend, ist »Out Of Order« von Forced Entertainment die Ruine eines Stückes in den Ruinen einer Welt. Gewalt und Posen, Streiche und lustige Kapriolen mit Gruppenakrobatik gehen über in Zank, Erschöpfung, Hunger, Melancholie und Schweigen. Die Uhr tickt. Die Musik schwillt immer wieder an. Und alles führt zu nichts.



Das legendäre britische Theaterkollektiv Forced Entertainment bringt sein neues Stück »Out Of Order« im Bockenheimer Depot zur Uraufführung. Künstlerhaus Mousonturm und Schauspiel Frankfurt beginnen damit eine gemeinsam initiierte Kooperationsreihe an dieser für Frankfurt so zentralen Schnittstelle zwischen den Disziplinen und Sparten. »Das Theater muss neu erfunden werden, um über den zweifelhaften Zustand unserer Gegenwart zu erzählen« (Tim Etchells). 

Die Gründungsmitglieder des Ensembles aus Sheffield (Richard Lowdon, Cathy Naden, Terry O’Connor, Claire Marshall und Robin Arthur) teilen die Bühne mit Jerry Killick, einem langjährigen Kollaborateur und Gast-Künstlerin Nicki Hobday, die, nach gemeinsamen Aufführungen mit der Gruppe, zum ersten Mal am Entstehungsprozess eines Stückes beteiligt ist.

2016 erhielt Forced Entertainment als erste Kompanie den International Ibsen Award, einen der weltweit renommiertesten und höchst dotierten Theaterpreise.



Von und mit Forced Entertainment. Künstlerischer Leiter: Tim Etchells. Kreiert und performt von: Robin Arthur, Nicki Hobday, Jerry Killick, Richard Lowdon, Cathy Naden und Terry O’Connor. Mit Input von: Claire Marshall. Lichtdesign: Nigel Edwards. Bühne: Richard Lowdon. Produktionsleitung: Jim Harrison.

»Out Of Order« ist eine Produktion von Forced Entertainment, in Koproduktion mit Künstlerhaus Mousonturm, Schauspiel Frank­furt, PACT Zollverein Essen, HAU Hebbel Am Ufer Berlin und Gessnerallee Zürich. | Gefördert im Rahmen von »Claiming Common Spaces«, ein Projekt des Bündnisses Internationaler Produktionshäuser, von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. | Präsentiert im Rahmen der intergenerationalen Vermittlungsinitiative des Mousonturms ALL IN – FÜR PUBLIKUM JE­DEN ALTERS, gefördert durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst. 




Die nächsten Vorstellungen: 28. April, 2./3./4./5./15./16./17./18. Mai 2018

Freitag, 23. Dezember 2016

Wie war's bei STEVE REICH, BERYL KOROT - THE CAVE in Frankfurt a.M.?

THE CAVE:  Synergy Vocals (hell gekleidet),
Ensemble Modern und Musikalischer Leiter Brad Lubman

Ibrahim-Moschee bei/über der Höhle Machpela
Der 1936 geborene Musiker STEVE REICH gilt als einer der renommiertesten Komponisten der USA. Mehrfach mit hohen und wichtigen Preisen ausgestattet zählt auch seine ungewöhnliche Oper THE CAVE (Die Höhle), in Zusammenarbeit mit der Videokünstlerin BERYL KOROT (*1945), zu den Meisterwerken der Moderne. Das multimediale Oratorium in drei Teilen, entstanden zwischen 1990-1993, begründete eine neue Form des Musiktheaters mit seriellem und multimedialem Charakter in Text, Musik und Bild. Auf verschiedenen Leinwänden werden Schlüsselwörter, Zitatfetzen, Interviewsequenzen gemischt und im Rhythmus der Musik abgespielt. Synchron mit dem gesungenen Text unterliegen alle drei der Segmentierung, Wiederholung, Betonung, Hervorhebung und dienen als Gestaltungsgerüst der Botschaft über die Mythen ganz verschiedener Völker und Religionen. Je länger man alles verfolgt, desto unglaubwürdiger wird die historische Überlieferung, die Deutungen und Anschauungen gehen auseinander und behalten doch den gemeinsamen (!) Ursprung von Stämmen, Völkern und Nationen im Auge. Es klingt mehr und mehr wie fabuliert, zurechtgelegt, für eigene Zwecke verwendet. Historischer Stoff sagt man, mündlich überliefert, verändert und irgendwie wahr.


Religöse Verehrer der Geschichte/der Gräber der Patriarchen
 im Innern der Ibrahim-Moschee
Es sprechen Frauen und Männer, Fachleute und Unbeleckte (ein Indianer dabei unterbricht das Ritual, glänzt dabei mit dem achselzuckenden "I have no idea about that..."), Theologen und Ungläubige. Ein Iman singt die Suren über die Höherstellung des Islam aufgrund der Erstgeburt des Sohnes Ismael, der den Moslems als Stammvater ihrer Religion dient, denn sein Sohn war der Prophet Mohammed. Dabei haben sie rein mythologisch die schlechteren Karten. Die Mutter Ismaels war nur eine Magd, die Abraham und seiner bildschönen Sarah als Leihmutter diente, und sie muss mit ihrem Sohn von Kanaan/Palästina nach Syrien gehen, in die Wüste, den Hof des Erzeugers ihres Sohnes und der selbst mit "90" Jahren noch schwanger gewordenen Sarah verlassen. Der Zweitgeborene ist bekanntlich Isaak, und er wurde von Sarah über alles gestellt, sie wollte ihn beschützen. Isaak wiederum ist der Stammvater der Juden, die Thora behandelt dies ausführlich, und auch das Christentum zehrt vom Mythos aus Mesopotamien, Kanaan, Ägypten und Syrien. Isaak zeugte Jakob, der zwölf Söhne bekam, die Begründer der Stämme Israels. Und viele Generationen später in ägyptischer Versklavung tritt Moses auf, der den Bund mit Gott erneuert und u.a. die 10 Gebote des Christentums aufstellt. Im Zeitalter nach Moses wurden die Gläubigen endlich auch über das richtige Alter aufgeklärt: "Unser Leben währet siebenzig Jahre, und wenn es hoch kommt, sind es achtzig ..." (Psalm 91). Die abenteuerlichen Angaben davor gehen wahrscheinlich auf den Versuch zurück, "Lücken" in der Geschichte zu decken. So konnte Adam "930" und sein Sohn Seth "912" Jahre alt werden.

1. Mose 16
1 Und Sarai, Abrams Frau, gebar ihm nicht. Und sie hatte eine ägyptische Magd, und ihr Name war Hagar. 2 Und Sarai sprach zu Abram: Sieh doch, der HERR hat mich verschlossen, dass ich nicht gebäre; geh doch ein zu meiner Magd, vielleicht werde ich aus ihr erbaut werden. Und Abram hörte auf die Stimme Sarais. 3 Und Sarai, Abrams Frau, nahm Hagar, die Ägypterin, ihre Magd, nach Verlauf von 10 Jahren, die Abram im Land Kanaan gewohnt hatte, und gab sie Abram, ihrem Mann, ihm zur Frau. 4 Und er ging zu Hagar ein, und sie wurde schwanger; und als sie sah, dass sie schwanger war, da wurde ihre Herrin gering in ihren Augen. 5 Und Sarai sprach zu Abram: Das Unrecht, das mir widerfährt, fällt auf dich! Ich habe meine Magd in deinen Schoß gegeben; und da sie sieht, dass sie schwanger geworden ist, bin ich gering in ihren Augen. Der HERR richte zwischen mir und dir! 6 Und Abram sprach zu Sarai: Siehe, deine Magd ist in deiner Hand; tu ihr was gut ist in deinen Augen. Und Sarai behandelte sie hart, und sie floh von ihr weg.
7 Und der Engel des HERRN fand sie an einer Wasserquelle in der Wüste, an der Quelle auf dem Weg nach Sur. 8 Und er sprach: Hagar, Magd Sarais, woher kommst du, und wohin gehst du? Und sie sprach: Ich fliehe weg von meiner Herrin Sarai. 9 Und der Engel des HERRN sprach zu ihr: Kehre zu deiner Herrin zurück und demütige dich unter ihre Hände. 10 Und der Engel des HERRN sprach zu ihr: Ich will sehr mehren deinen Samen, dass er nicht gezählt werden soll vor Menge. 11 Und der Engel des HERRN sprach zu ihr: Siehe, du bist schwanger und wirst einen Sohn gebären; und du sollst ihm den Namen Ismael geben, denn der HERR hat auf dein Elend gehört. 12 Und er, er wird ein Wildesel von Mensch sein; seine Hand gegen alle und die Hand aller gegen ihn, und angesichts aller seiner Brüder wird er wohnen. 13 Da nannte sie den HERR, der zu ihr redete: Du bist ein Gott, der sich schauen lässt! Denn sie sprach: Habe ich nicht auch hier geschaut, nachdem er sich hat schauen lassen? 14 Darum nannte man den Brunnen: Beer-Lachai-Roi; siehe, er ist zwischen Kades und Bered.
15 Und Hagar gebar dem Abram einen Sohn; und Abram gab seinem Sohn, den Hagar geboren hatte, den Namen Ismael. 16 Und Abram war 86 Jahre alt, als Hagar dem Abram Ismael gebar.

Die Mythologie von Millionen von Menschen hat also einen gemeinsamen Ankerpunkt in der Vergangenheit: Es ist der mesoptamische Wanderer und gottesfürchtige Abraham (starb mit "175" Jahren), der die Geschichte dreier verschiedener Religionen bevölkert und ermöglicht. Perfekt gesponnen ist er der Dreh- und Angelpunkt der drei Weltreligionen Judentum, Islam und Christentum und dennoch kommt es zu katastrophalen Auseinandersetzungen und Übergriffen von den Stammeskriegen über die Kreuzzüge bis zum Holocaust. Als ob das Rivalisieren und Bekämpfen als Motor der Geschichte am Laufen gehalten werden soll.

Die Geschichte ist vielen noch bekannt aus schulischer und religiöser Erziehung, nicht alles ist in der Oper verarbeitet. Abraham soll vor knapp 4000 Jahren im heutigen Irak im babylonischen Ur gelebt haben, einer reichen Stadt in einem fruchtbaren Tal. Feindliche Truppen vertreiben Abrahams Familie weiter in den Norden nach Harran. Dort erscheint Gott Abraham und befiehlt ihm, seine Heimat zu verlassen. So beginnt die Wanderung Abrahams in das Gelobte Land Kanaan, das Gott ihm verheißen hat. Es soll das Land der Israeliten werden.

Gott teilt Abraham mit, dass dessen Nachkommen so zahlreich sein sollen wie die Staubkörner auf der Erde und die Sterne am Firmament, und schließt einen Bund mit Abraham. Dieser soll seinem neuen Gott treu sein, ebenso seine Nachkommen.

Als Zeichen des Bundes zwischen Abraham und Gott, als Beleg für den Glauben an den einen Gott, soll Abraham seine Nachkommen übrigens auch beschneiden lassen, was bei Juden und Moslems eine wichtige Rolle spielt. Im Gegenzug wird Gott dafür sorgen, dass Abrahams Sippe wachsen kann und ein Volk werden wird.

Doch Abraham und seine Frau Sarah werden älter und älter und sind immer noch kinderlos. Die inzwischen "70"-jährige Frau Abrahams (sie starb mit "127" Jahren) glaubt an keine Nachkommen mehr. Drei fremde Männer, Gott unter ihnen, sagen ihnen voraus, dass sie bald schon einen Sohn zeugen werden. Damit ihr Mann ein Kind in dieser Ehe zeugen kann, schickt sie ihre Sklavin Hagar zu ihm, die Leihmutter spielen muss.

Der Stammvater der Muslime wird gezeugt und kommt ins Spiel - vertrieben wird er zum wütenden Schwertkämpfer aus der Wüste, seine ursprünglich ägyptische Mutter gramvoll über ihren Verlust der Heimat. Von ihm stammen die moslemischen Stämme Syriens und Arabiens u.v.a. ab. "20" Jahre später bringt Sarah erst Isaak zur Welt, und Abrahams Glauben wird wieder Jahre später auf die Probe gestellt, er soll Gott seinen einzigen Sohn zum Opfer darbringen und töten. Abraham beweist seinen Gottesglauben und besteht. Von Abraham stammen die Erzväter des Judentums ab. Sein Sohn Isaak zeugt Jakob. Der muss mit Gott kämpfen, gibt nicht auf und erhält den Namen Israel, was soviel heißt wie "der, der mit Gott gerungen hat".

Ausdruck der gemeinsamen Wurzel ist die Höhle Machpela in Hephron/Gazastreifen, die ja im Titel der Reichschen Oper schon eine sehr große Bedeutung trägt. Auch im Miteinander der Religionen. Am bekanntesten ist das am 25. Februar 1994 verübte Massaker beim Freitagsgebet in der Ibrahim-Moschee von Hephron, bei dem mind. "30" (auch hier schwanken die Zahlenangaben) Palästinenser von dem jüdischen Siedler Baruch Goldstein im Zuge des Dauerkrieges gegen die Palästinenser in einer Amoktat erschossen wurden. Anführer der islamistischen Organisationen Hamas und Jihad Islami riefen damals zu "neuen Dimensionen der Rache" auf. Über/Neben der Höhle gebaut eine Kirche und später die Ibrahim-Moschee auf den zerstörten Resten.

Machpela ist quasi der Urschoß der religiösen Menschheitsgeschichte fast der Hälfte aller Nationen, der Beweis für das Wirken Gottes, ein Kultstätte der Verehrung, das Grabmal Adam und Evas, 
Eingang in die Höhle Machpela direkt
Abraham und Sarahs usw. Drei verschiedene Glaubensrichtungen besuchen diesen Ort, am stärksten Moslems und Juden und fein getrennt gehen die einen links, die anderen rechts hinein und verehren die gemeinsame Geschichte, um sich am selben Tag vielleicht noch zu beschießen. Die einen verehren die gerade Linie zu den Israeliten heute, die anderen die unterbrochene zu Mohammed, die kämpferische Stärke seines Vaters und mentale Größe seines Großvaters. Die Urvagina als Quelle des Mythos, der Fruchtbarkeit der Menschheit als eine Wiederholung der göttlichen Genesis, eine Genesis der menschlichen Völkerentstehung, lange, lange nach der Menschwerdung. Darin begraben die Patriarchen der Menschheit.

Eine wunderbare Beschäftigung von Steve Reich und Beryl Korot mit dem Stoff, spannend und humorvoll. Je mehr Amerikaner zu Wort kommen, desto heiterer wird es. Und eine wunderbare Darbietung des Ensemble Modern und der Synergy Vocals. 

Montag, 12. Dezember 2016

Wie war's bei DER GOLDENE DRACHE in Frankfurt?

Vier asiatische Musiker und der Junge     (c) Barbara Aumüller
Ungewöhnlich, schräg und vielgesichtig ist die zeitgenössische Oper von Peter Eötvös nach einem Bühnenstück von Roland Schimmelpfennig. In Frankfurt a.M. im Bockenheimer Depot jetzt vor Weihnachten im Programm brachte eine Herausforderung auf die Bühne. Vom Komponist begeistert vertont, weil ihn die Klarheit des Textes ansprang, er sofort wusste, dass er die Musik dazu schon im Kopf hätte. 

Fünf Menschen/Schauspieler treffen sich zufällig und beschließen ein Stück zu spielen, ein Theater im Theater, ein Schaukasten - da schaut hin, was alles passieren kann. In 21 Szenen (im Original 48) spielen die fünf mit ordentlicher Bandbreite, Ausdruckskraft und schnellen Umziehzeiten 18 Rollen, darunter fünf Asiaten, eine "Ameise" (hier herrisch und konsequent erniedrigend Hedwig Fassbender) und eine "Grille" (immer bunt und virtuos Ingyu Hwang).

Vom Ensemble Modern, das diese Wochen seine ganze Vielfalt in der Frankfurter Oper präsentiert, sehr überzeugend und meisterhaft gespielt, hielt einen diese atonale, dissonante, teils aufdringliche Musik und entsprechender Operngesang im Bann. Der Komponist nennt das Stück Musiktheater, er hält es selbst nicht für eine Oper, obwohl es uns als Publikum ganz so vorkommt. Eötvös mischt die Genres und Gattungen und will sich bewusst nicht festlegen. Kabarett, Comedy, Vaudeville, Fabel, Oper, Schauspiel ... reichlich Würze.

Dazu das Gegenteil zur anspruchsvollen und fordernden Musik zu sehen, einen Haufen Abfall, Messi-Atmosphäre, in der Küche eines asiatischen Imbissrestaurants mit Gastraum. Was einem ohne Vermittlung bzw. Vorinformation nicht klar ist bis zum fortgeschrittenen Zustand des Stückes in der elften Szene, dass es tatsächlich um die Existenz asiatischer Einwanderer in unseren Gefilden geht, die in vielen Städten sich mit Gastronomie über Wasser halten und das mitunter nur noch gerade so. 

Um hier auf der Metierebene zu bleiben, kann man sich ein ähnliches Geschehen nur schwer im Kebabwirtschaftssektor vorstellen, auch viele asiatische Imbisse werden allerdings gerne und gut besucht. Aber wie es das Leben so will, manchmal passiert es eben überall, das Geld wird knapp, Limits sind erreicht, die Armut macht sich entsetzlich breit. Krankenversicherungen hat nicht jeder, Obdachlose und andere, die sich dem Arbeitsleben oder der Gemeldetheit bewusst entziehen, können ein Lied davon singen. Freiwillige Versicherungen kosten Geld, brauchen eine (Schein-)Adresse und eine Identität. Wer hat schon als Obdachloser oder Illegaler runde 2000 Euro im Jahr, um seine Krankenversicherung zu zahlen? Die wenigsten. Also weitere Schwierigkeiten. 

Um zum Stück zurückzukehren - es bleibt unklar, ob zum Betreiben eines Imbisses nicht Gesundheitsamtauflagen und Gesundheitschecks der Betreiber gehören. Kaum zu glauben, dass jemand ohne Krankenversicherung Essen verkaufen darf. Aber darum geht es nicht, das ganze Geschehen ist so verrückt, absurd, grotesk, surreal, dass es auf den Wahrheitsgehalt nicht ankommt. In dieser Geschichte geht es um den tobenden Zahn eines Jungen aus China (schön gespielt von Karen Vuong) als Pars pro toto, der an der Wurzel so vereitert zu sein scheint, so schmerzt, dass er gezogen werden muss. Dieser Umstand ist der Schlüssel zum Verständnis, dass die (illegalen) Migranten so viel Unterdrückung erfahren, dass sie krank werden, und so arm sind, dass sie einen Zahnarzt nicht bezahlen können (oder wollen wegen der unbekannten Anwesenheit). Der Junge sitzt fast die Hälfte des Stücks jammernd und ohne viel Bedeutung bei den Personen des Stücks, die sich mit ihren Eigenheiten entfalten und vorgestellt werden, bevor es klar wird, dass geholfen werden muss, und es nicht normal geht! Hier fällt der Groschen. 
Der Junge und die Stewardess
(c) Barbara Aumüller

Die Personen, die die Extraktion dann selbst vornehmen, weil der Zahnarzt nicht bezahlt werden kann, darunter zangenschwingend Hans-Jürgen Lazar und brachial gewaltig wie kurvenstark als Stewardess Holger Falk, tun dies in einer Orgie der Betäubung mit Schnaps, verrückterweise weniger für den Schmerzleidenden. Der Zahn wird mit einer Rohrzange gezogen, fliegt durch die Luft in den Wok und landet später in der Suppe von zwei Stewardessen, von denen eine ihn findet und später dem Jungen wieder symbolisch einsetzen möchte als Wiedergutmachung. Hier ist aber schon alles zu spät. Die Wunde ist so tief und unstillbar, dass der Junge daran stirbt. Als Zeichen für die tödliche Entwurzelung der asiatischen Familie, es sind fünf Mitglieder, lässt der Autor die Familie in der Wunde (!) des Jungen sitzen. Die Beerdigung geschieht illegal, kostenfrei, man wickelt den Jungen in den Wandteppich aus dem Restaurant mit einem goldenen Drachen darauf und wirft ihn in den Fluss, den Zahn hinterher. Reichlich asozial und unmenschlich die Entsorgung des Jungen.

Auch die "Ameise" und "Grille" sind Zeichen für die Beziehung von Wohlhabend und Arm, die Ameise fleißig, geizig und sich ergötzend an der schwachen Grille, die sich für Essen prostituiert, zum Tanzbär macht usw. Sie krabbelt und wälzt sich auf Geheiß im Dreck. Der Niedergang des Stolzes, der Individualität, der Familie, der Heimat, der Wurzeln verläuft synchron mit der Niederholung des goldenen Drachens von der Wand. Dennoch bleibt er ein Stück Schutz und Heimat auf der letzten Reise des Jungen. 

Ein sehr eigenwilliges "Musiktheater" mit Operncharakter, das durch seine Musik, schillernde Buntheit, schräge Lautheit und Verrücktheit sich einprägt. Die Kritik an der Migrantenpolitik, Gesellschaft und deren Verhalten gegenüber Ausländern eigentlich nur am Rand, und dennoch wirksam.

Freitag, 2. Dezember 2016

Frankfurter Oper: DER GOLDENE DRACHE (von Peter Eötvös)

Das Sängerensemble und vorne das Ensemble Modern mit Dirigent Hartmut Keil
(c) Barbara Aumüller


Samstag, 3. Dezember 2016, um 19.30 Uhr im Bockenheimer Depot

Erste Wiederaufnahme

DER GOLDENE DRACHE
Musiktheater (2013/14) von Peter Eötvös

Musikalische Leitung: Hartmut Keil / Nikolai Petersen; Inszenierung: Elisabeth Stöppler
Mitwirkende: Karen Vuong (Die junge Frau u.a.), Hedwig Fassbender (Die Frau über sechzig u.a.), Ingyu Hwang (Der junge Mann u.a.), Hans-Jürgen Lazar (Der Mann über sechzig u.a.),
Holger Falk (Der Mann u.a.), Ensemble Modern
Weitere Vorstellungen: 5., 7., 9., 10. Dezember 2016
Falls nicht anders angegeben, beginnen diese Vorstellungen um 19.30 Uhr
Kompositionsauftrag von Oper Frankfurt und Ensemble Modern
Koproduktion mit dem Ensemble Modern
Preise: € 20 bis 65 (12,5% Vorverkaufsgebühr nur im externen Vorverkauf)

Karen Vuong (Die junge Frau  u.a.) und
Holger Falk (Der Mann  u.a.)

(c) Barbara Aumüller
Nachdem bekannt wurde, dass einer der meistgespielten deutschen Gegenwartsdramatiker – Roland Schimmelpfennig (*1967) – die literarische Vorlage zur neuesten Oper eines der erfolgreichsten Komponisten unserer Zeit – Peter Eötvös (*1944) – liefern sollte, wurde die Uraufführung des Werks am 29. Juni 2014 im Bockenheimer Depot mit Spannung erwartet. 2010 war Schimmelpfennigs Goldener Drache zum Berliner Theatertreffen eingeladen und anlässlich der Kritikerumfrage des Fachmagazins Theater heute zum „Stück des Jahres“ gewählt worden. Eötvösʼ vorangegangene Oper Paradise reloaded (Lilith) hatte 2013 an der Neuen Oper Wien ihre Uraufführung gefeiert. Nun fanden beide Künstler in einem von der Oper Frankfurt in Koproduktion mit dem Ensemble Modern in Auftrag gegebenen Werk zusammen.
Der Erfolg bei Publikum und Presse ließ nichts zu wünschen übrig, und so sei an dieser Stelle aus den nach der Uraufführung erschienenen Kritiken zitiert: „Einhelliger Beifall im Bockenheimer Depot für eine fabelhafte Ensembleleistung, für Musik, die alles auf den Punkt bringt. (…) Unbedingt sehenswert!“ – „Grandioses Musiktheater, musikalisch und von Regisseurin Elisabeth Stöppler auch szenisch perfekt umgesetzt.“ – „Aber alles das wäre nichts, wenn nicht Peter Eötvös mit leichter souveräner Hand vertont hätte. Es geht ihm nicht um neue Klänge oder um Experimentaltheater. Am Anfang klingt es so lustig und prägnant wie in einer Kinderoper.
Es gehört ja zu Eötvös' Stilprinzipien, den Text möglichst prägnant in prechgeschwindigkeit durchlaufen zu lassen, so dass sich die Schimmelpfennigschen Sprachskurrilitäten auch mitteilen. Das präzis spielende Ensemble Modern liefert nicht nur eine illustrative Klangtapete, sondern gibt dem Ganzen einen rhythmischen, vorwärtsdrängenden Puls und vor allem Farbigkeit und rhetorische Vielseitigkeit. Schräge Glissandi, Gongs, Choräle, Recitar cantando à la Monteverdi, alles das zaubert Eötvös hervor.“
Die Handlung erzählt – mit einer gehörigen Portion schwarzen Humors und vor dem Hintergrund der Flüchtlingsthematik aktueller denn je – von den Schattenseiten der globalisierten Welt, von Ausbeutung, Gier und Brutalität: Einem jungen Chinesen wird im China-Vietnam-Thai-Schnellrestaurant „Der goldene Drache“ ein schmerzender Schneidezahn mit der Rohrzange gezogen, da er ohne Aufenthaltsgenehmigung nicht zum Arzt gehen kann. Der Zahn landet in einem Suppentopf und somit im Mund einer Stewardess, die zu den Stammkunden des Imbisses zählt. Sie wirft den Zahn in den Fluss, in den zuvor der bei der brutalen „Operation“ verblutete Junge geworfen wurde. Eingewickelt in einen großen Drachenteppich soll er den Weg zurück in seine Heimat finden. Ergänzt wird diese Geschichte durch die Fabel von der fleißigen Ameise und der lustigen, aber faulen Grille. Hier steht sie als Gleichnis für ein von Ausbeutung und Missbrauch geprägtes Schicksal.
Zu den Neubesetzungen anlässlich der ersten Wiederaufnahme dieser Uraufführungsproduktion aus der Spielzeit 2013/14 – mit der die Oper Frankfurt 2015 mit großem Erfolg bei den Bregenzer Festspielen gastierte – zählt vor allem Ensemblemitglied Karen Vuong (Die junge Frau u.a.). Die amerikanische Sopranistin machte in Frankfurt zuletzt 2015/16 mit ihrer Darstellung der Micaëla in Bizets Carmen auf sich aufmerksam; eine Partie, die sie u.a. neben der Donna Elvira in Mozarts Don Giovanni auch in der aktuellen Saison verkörpert. Der koreanische Tenor Ingyu Hwang (Der junge Mann u.a.) ist seit 2015/16 Mitglied des Opernstudios der Oper Frankfurt und hat vor allem in zahlreichen Foyerproduktionen der Reihe Oper für Kinder mitgewirkt. Alle weiteren Partien sind erneut mit den Sängerinnen und Sängern der Uraufführungsserie besetzt. Die musikalische Leitung des Ensemble Modern liegt bei Hartmut Keil, dem mit Werk und Produktion bereits vertrauten ehemaligen Kapellmeister der Oper Frankfurt. Im Wechsel mit ihm übernimmt die beiden letzten Vorstellungen erstmals Kapellmeister Nikolai Petersen.

Karten für die genannten Veranstaltungen sind bei unseren bekannten Vorverkaufsstellen, online unter www.oper-frankfurt.de oder im Telefonischen Vorverkauf 069 – 212 49 49 4 erhältlich.  

Sonntag, 10. Juli 2016

Wie war's bei Schönbergs "Pierrot lunaire" und Langemanns "Anna Toll" im Bockenheimer Depot?

(c) Monika Rittershaus
 "Dreimal sieben Gedichte aus Albert Girauds Pierrot lunaire, op. 21" eröffneten die Premiere des Frankfurter Doppelevents zusammen mit Michael Langemanns "Anna Toll". Schönbergs konsequent atonales Werk mit symbolistisch überfrachteten Gedichten zur Dichtkunst und über einen Dichter, der sich zumindest für einen hält, des Belgiers Albert Giraud (1884) ist auch heute noch eine Herausforderung. 1912 hatte der Komponist so gewaltiger Werke wie "Moses und Aron" die Uraufführung seines durch und durch atonalen Werkes in Berlin. Vier Monate später in Prag reichte die musikalische Provokation voll aus für einen Theaterskandal. Die Kritiker litten in der Mehrheit unter den ungewöhnlichen Klängen und Gedichten, die auch heute merkwürdig blutarm, konstruiert und symbolistisch/expressionistisch todestrunken und dem Tode ausgeliefert wirken. Igor Strawinski, schon fasziniert, fühlte sich an den Kult um den Engländer Aubrey Beardsley erinnert, der sehr jung eigenwillige Karikaturen/Zeichnungen erstellte, in denen der Schwarzweiß-Kontrast dominierte. Auch die Giraudschen Gedichte greifen wiederholt Bilder von Nacht und Mond auf, der weiß angestrahlte Flecken auf Pierrots Kleidern oder auf Flächen, Gegenständen, Gesichtern etc. hinterlässt. "Eine bleiche Wäscherin wäscht zur Nachtzeit bleiche Tücher ..." heißt es in "Eine blasse Wäscherin". In fast allen Gedichten, ob "Mondestrunken", Colombine", "Der Dandy","Der kranke Mond", "Nacht", "Gebet an Pierrot", "Galgenlied", "Enthauptung" oder "Die Kreuze" werden diese an sich dezent gespenstisch dargebotenen, aber auch romantisch wirkenden Szenerien poetisch gefüllt, sodass eine Ästhetik entsteht, die heute von Modebewegungen wie z.B. "Gothic" neu zelebriert zu werden scheint. Wie transsylvanische Erotik wirkende Verse und christliche Bilder, apotheotisch die Madonna zur Mutter aller Verse erstehen zu lassen führen zum freiwilligen Opfertod des Dichters. 


(c) Monika Rittershaus
"Steig, o Mutter aller Schmerzen auf den Altar meiner Verse" fiebert der Dichter, sich als Sohn und Dichtkunsterbe der Göttin verstehend. Der Dichter möchte sich opfern, seine Gedichte "als blutige Hostie" erkennen und "Heilige Kreuze sind die Verse, dran die Dichter stumm verbluten". In die Nähe des Rausches gerückt mit einer Sisha und "türkischem Tabak" fantasiert das lyrische Ich von einer erbarmungslosen Suche nach noch mehr Ausdruckskraft bis hin zur Durchbohrung der Schädeldecke, um im Innern mehr zu entdecken. Die Bizarr- und Groteskheit der Innenwelt zeigt sich auch in absurden Verzerrungen der Außenwelt, das Mobiliar vergrößert, Stühle schießen zum Himmel empor. Im Frankfurter Bockenheimer Depot 
(c) Monika Rittershaus
in Szene gesetzt wird die Dichterwelt erlebbar in einem bizarren Rahmen, wo sich die stimmgewaltige Sängerin Laura Aikin in silbernem Zirkusdirektor-Galalook souverän im Gesang und dominant wie eine Dompteuse gebärt und dem jungen Dichter und Ödipus Welt beibringt. Dabei fing alles so harmlos an. In einer Bar bei „Moon River“ und „Blue Moon“ ...





Im zweiten Stück vom 1983 in Moskau geborenen Komponist Michael Langemann, Schüler Manfred Trojahns sowie George Benjamins, unternimmt der Komponist einen unterhaltsamen Ausflug in das Liebesleben moderner westlicher Gesellschaften. Und selbst islamische, mit Sprenggürtel und Koran bewaffnete, schaffen etwas Ähnliches, schenkt man dem neu erschienen Roman von Ramita Navai, "Stadt der Lügen", Glauben. Im heiligen Teheran, der Hochburg des Extremen, gibt es eine Undergroundszene, die man auch in Wien oder Berlin finden könnte. Arthur Schnitzlers "Anatol", aber auch deutlich der "Reigen" stehen Langemann Pate, daneben der Flaneur Peter Altenberg.

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Was Sigmund Freud in der Psychoanalyse entdeckte, bringt auch Arthur Schnitzler etwa zur gleichen Zeit zur Sprache: tabuisiertes Begehren, Lust am Leben, der Liebe, dem Sex als Sprache des Es, im Widerstreit mit Ich und Über-Ich. Freud sah sich geradezu als Seelenverwandter und gestand dies Schnitzler auch in einem Brief. Er wunderte sich, warum er nicht früher den Kontakt zu dem Schriftsteller suchte.
Alles, was in der bürgerlichen wilhelminischen Gesellschaft verschwiegen, vertuscht oder weggesperrt wurde, interessierte die beiden. Ebenso die Todesstrebungen, das Denken und Spielen mit dem Ende, in Beziehungen, im Leben. Und die Doppelmoral, zerbricht sich doch Anatol allen Ernstes den Kopf, ob seine (Haupt-)Geliebte ihn wirklich liebt, pflegt er selbst ganz ungeniert etliche Liebschaften.


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Die maskuline Egozentriertheit wird bei Langemann zur femininen. Aus Anatol wird Anna Toll, die ihr Begehren auslebt, narzistisch zur Queen gekrönt im Mittelpunkt aller sie begehrender Männer und Frauen stehen möchte. Mit Maxi führt sie eine homoerotische Freundschaft, aber ihr (Haupt-)Geliebter soll ihr unter Hypnose seine wahren Gefühle und seine Abhängigkeit verraten und bekräftigen. Alle Beteiligten sind dependente Anhänger der lustvollen und libertinären Sprache des Begehrens, wie im "Reigen" drehen sich die Beziehungen im Kreis, die Partner switchen weiter im Beziehungskarussell und jeder von ihnen ist ein riesiger Narzist, geblendet von seinem Spiegelbild. Anna Toll zerbricht sich am Hochzeitstag den Kopf, ob ein früherer Geliebter tatsächlich nun Gift nehmen würde, wäre sie nun "fest" vergeben. Es wird alles zur Farce, die Bemühungen um Besitz des Partners und Dauerhaftigkeit vergeblich. Wie wahr dieses Abbild unserer Psyche, die andere Dynamiken sucht als die feste Normen- und Werteordnung, auch wenn sie Letztere als verbindlichen Kulturcodex des gesellschaftlichen Miteinanders zumeist akzeptiert, in anderen Fällen ja sogar dringend braucht. Insofern erscheinen alle fortgeschritten einerseits in der Entbindung von der Konventionalität und andererseits im permanenten Bemühen das Liebesspiel dauerhaft am Laufen zu halten. In dieser Unverbindlichkeit entstehen freilich nicht minder tragische Einzelschicksale, die nicht mehr an der Enge, sonder an der Weite und Beliebigkeit leiden.


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Das Bühnenbild von Bernhard Niechotz und die Regie von Hans Walter Richter haben diese libidinöse Kreisdynamik in einem passendem Szenario verwirklicht, die Spirale klar erkennbar, die Tatorte dicht nebeneinander. Die Musik Langemanns eine ganz andere, Atonalität eher dezent, dafür bekannte Melodien angedeutet, Verdi, Wagner, Bernstein oder Richard Strauss zur musikalischen Interpretation und Akzentuierung anklingen lassend, die Operette mit einem heiteren swingenden Grundton ausstattend. Maxi (Nora Friedrichs)und Anna Toll (Elizabeth Reiter) zwei überzeugende reizende Gewächse, Baron Diebl (Magnús Baldvinsson), der Jägersmann, zum Fetisch für die konservative Damenwelt ausstaffiert mit absolut kessen Strumpfhaltern und Riesenboxershorts. Arthur (Dominic Betz), der wie ein alter Ego von Schnitzler erscheint, verzweifelt am meisten an dieser Unverbindlichkeit, damit hat er sich - wenn auch klar erkennbar - einer Kategorisierung und Wertung entzogen.





Sonntag, 22. Februar 2015

In Frankfurt a.M. auf der Bühne: DAS NACHTASYL von Maxim Gorki



MAXIM GORKI: NACHTASYL


Bariş Tangobay

Leben! Rausch! Menschsein! Losgelöst aus jeder bürgerlichen oder familiären Verbindung suchen, finden und verteidigen Maxim Gorkis Figuren ihre Pritsche in einer heruntergekom-menen Nachtherberge – und ihren Anspruch als Mensch. Dabei kreisen ihre nächtlichen Diskussionen um die zentralen Themen »Liebe«, »Wie leben?«, die Sinnfrage und den Glauben an sich selbst.
Bockenheimer Depot

Mit
Johanna Franke, Anica Happich, Anabel Möbius, Lili Ullrich; Alexej Lochmann, Bariş Tangobay, Matthias Vogel

Termine - nur im Februar und März!
13./14./15./20./21./23.2. und 4./5./13./14./23./25.3.
TICKETS

Freitag, 22. März 2013

Heute Abend in Frankfurt: Scattered Crowd, Otello, Kimberlit


Scattered Crowd
Eine Installation von William Forsythe
21. - 24. März 2013  
Bockenheimer Depot, Frankfurt am Main

Tickets zu den Öffnungszeiten vor Ort.
Öffnungszeiten 17.00 bis 21.00 Uhr
Der Eintrittspreis beträgt € 2,- / € 1,-

Unzählige weiße Luftballons, in der Schwebe gehalten von einer wogenden Klangwelle; eine emporgestiegene Landschaft von Beziehung, Distanz, Menschen und Leere, von Vereinigung und Entscheidung. Dieser prächtige, atemberaubende Raum, Choreograf William Forsythes »Scattered Crowd«, nimmt durch die Zuschauer Gestalt an. Durch ihr Gefühl für Proportion und Zeit, Stillstand und Bewegung, beleben und verändern sie die Konfigurationen, aus denen diese sich ständig wandelnde, ekstatische Welt besteht.

 
OTELLO
Giuseppe Verdi
1813 - 1901
Dramma lirico in vier Akten
Text von Arrigo Boito nach The tragedy of Othello, the Moor of Venice (1603) von William Shakespeare
Uraufführung am 5. Februar 1887, Teatro alla Scala, Mailand


In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Dauer: ca. 2 3/4 Stunden inkl. einer Pause  



Otello, der in der Seeschlacht siegreiche venezianische Statthalter Zyperns, wird jubelnd auf Zypern begrüßt. Fähnrich Jago aber hasst den Mohren, der ihn zugunsten des jungen Cassio bei der Beförderung übergangen hat. Durch perfektes Intrigieren entehrt er die Integrität seines Rivalen und schürt darüber hinaus Otellos Eifersucht, indem er ihm suggeriert, dass Cassio der Geliebte seiner Gattin Desdemona ist. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf. Die Eifersuchtstragödie kulminiert schließlich in Otellos Mord an Desdemona und seinem eigenen Freitod. 
 
Diese Oper »öffnet« sich nicht (im Wortsinne der üblichen Ouvertüre), sie bricht herein und stürmt drauflos. In den tosenden Wellen seiner eigenen grausamen Geschichte versucht Otello obenauf zu schwimmen. Es gelingt ihm nur für kurze Zeit. Das Stigma, das ihm mit der schwarzen Hautfarbe angeheftet ist, vermag er nur für eine gewisse Zeit zu tilgen. Desdemona, in ihrer bedingungslosen und unnachgiebigen Liebe kein zartes Pflänzchen, sondern eine Streiterin für Vergebung und Güte, ist ihm zur Seite und gleichzeitig gegenübergestellt. Für die Partie konnte Leah Crocetto, ein Jungstar der Musikwelt, gewonnen werden. Ihre Antithese ist Jago, getrieben vom Glauben »an einen grausamen Gott«. Sein Credo gehört zu den kraftvollsten Momenten in Verdis spätem Meisterwerk. Klug, und auf seine bösartige Weise ungeheuer einfühlsam, erkennt Jago, wie Otello wieder zurück auf einen Pfad der Traumatisierung und der Gewalt zu lenken ist. Der Seelensturm verschlingt sowohl Desdemona als auch »den Mohren von Venedig«.


Kimberlit. Ein Bestiarium
Kevin Rittberger
Vorwärts wir verlassen Europa. Es hat uns nichts mehr zu sagen.


Ein geheimnisvoller Falke zieht am Himmel seine Kreise. Seine wachsamen Augen sind auf die Erde gerichtet, auf ein zerfallendes Europa, auf nordafrikanische Diamantenjäger, auf fliegende Tiger, rollende Füchse und Leoparden, die deutschen Exportschlager der Rüstungsindustrie. Und auf eine kleine Reisegruppe, die sich auf den abenteuerlichen Weg in die Wüste macht. Aber wer ist der Jäger, wer der Gejagte? Kevin Rittbergers Bestiarium führt durch einen globalen Zoo der Kampfmaschinen, durch eine Welt, in der durch die Jagd die maßlose Gier und Dekadenz des Menschen offenbart werden.

Kevin Rittberger schreibt zum zweiten Mal ein Auftragswerk für das Schauspiel Frankfurt. Er zählt zu den wichtigsten Nachwuchsautoren. Seine Stücke wurden u. a. in Hamburg, Wien und Düsseldorf aufgeführt, er war zu den Mühlheimer Theatertagen eingeladen, war Stipendiat des Deutschen Literaturfonds und gewann mit dem Stück »Puppen« das Hans-Gratzer-Stipendium.

Samuel Weiss inszenierte u. a. am Schauspiel Stuttgart, dem Deutschen Schauspielhaus Hamburg und am Oldenburgischen Staatstheater.


Uraufführung im Frankfurt LAB im Rahmen der Frankfurter Positionen 2013, eine Initiative der BHF Bank Stiftung.