Jean-Luc Godard, ein kompromissloser künstlerischer Geist und Filmemacher par excellence, wurde am 3. Dezember 2010 80 Jahre alt. Zahlreiche Porträts, Artikel, Würdigungen, Verrisse von Godard sind durch die Weltpresse gegangen, die Anerkennung seiner Leistung als großer Innovateur und Theoretiker des europäischen Kinos bleibt jedoch auch nach all den Jahren umstritten.
Den europäischen Film hat er nachhaltig beeinflusst, das ist klar, die amerikanische Filmindustrie nahm er ins Visier. Bis auf einige progressive und experimentelle amerikanische Filmemacher hat er wohl wenig in Übersee erreicht.
Die Nouvelle Vague, wie sie Ende der 50er- und Anfang der 60er-Jahre aus den "Cahiers du cinéma" (1951) mit dem Drei- bzw. Viergestirn Truffaut, Rivette, Godard, Chabrol entstand, war deutlich von ihm geprägt und getragen. Die Namen großer Schauspieler wie Jean-Paul Belmondo, Brigitte Bardot und Jeanne Moreau sind fest mit dieser europäischen Filmepoche verbunden.
Sein Debut als Regisseur gab Godard mit dem 1960 erschienenen Spielfilm "Außer Atem (À bout de souffle)". Mit dem legendären Hauptdarsteller Jean-Paul Belmondo schaffte er den Durchbruch. Das Drehbuch dazu stammte von François Truffaut. Das Besondere an diesem Film ist, dass der Kameramann Raoul Coutard mit einer Handkamera drehte, minimale Beleuchtung und völlig untypische Stilmittel einsetzte. Godard selbst verewigte sich wie Hitchcock in einer Marginalrolle als Passant. Sein zweiter Film "Der kleine Soldat (Le petit soldat)" kritisierte die Brutalität des franz. Kriegs gegen die Unabhängigkeitsbewegung Algeriens. Der Film wurde bis zu seiner Veränderung für 2 Jahre verboten, um die Jugend Frankreichs nicht vom Militärdienst abzuhalten. Godard bewegte sich stetig weg vom realistischen Erzählkino im Stile Truffauts hin zu einem experimentellen Umgang mit Stilmitteln und Inhalten, um seiner Gesellschaftskritik den passenden Ausdruck zu verleihen.
1968 ohrfeigte er gar den Produzenten seines Films "One plus One (auch: Sympathy for the Devil)", worauf seine Filme aus dem Filmverleih genommen wurden. Die folgende Phase nennt man oft die der unsichtbaren Filme. 1972/1973 übernahm Godard Sonimage, die ihn unabhängig machte von größeren Produktionsfirmen. Godard arbeitete nun völlig anders, fast schon dokumentarisch. Godard blieb ein Außenseiter in seinen Produktionen bis zum heutigen Tag, seine Filme gelten als richtungsweisend wider das klassische Hollywood-Kino, seine Filme sind oft collagenhaft. Nach 1967 spricht Godard auch mehr von Bildern und Tönen statt von Filmen. Bilder werden Sprache und hernach Welt, immer in einem experimentellem Rahmen.
Im Mainzer Bender Verlag gibt es eine lesenswerte und ausführliche Darstellung der Nouvelle Vague und all den Namen, die wir damit verbinden. Herausgeber und Autoren sind Grob, Kiefer, Klein und Stiglegger. In sachkundiger Manier erfahren wir die Epoche und ihre Träger, Filmtheoretisches und Skandalöses, fast schon ein Muss zum Einstieg in die Filmtheorie. Übrigens bietet der Verlag auch Bücher zum minimalistischen Kino Jim Jarmuschs, Robert Altmans und Aki Kaurismäkis.
Die wichtigsten Godard-Filme gibt es als Collections 1-3 bei Concorde Video, auch bei Universum Video.
Die letzten 20 Jahre von Godards Schaffen sind in Soundtracks und einer DVD bei ECM Records erschienen:
1) Soundtracks zu Jean-Luc Godards Videos, aufgenommen von 1988-1997:
Histoire(s) du cinema (ECM Records 1999)
Jean-Luc Godard
- toutes les histoires
- une histoire seule
- seul le cinema
- fatale beaute
- la monnaie de l'absolu
- une vague nouvelle
- le controle de l'univers
- les signes parmis nous
Mit Erläuterungen von Jean-Luc Godard, Juliette Binoche, Julie Delpy, Anne-Marie Miéville und den Stimmen von André Malraux, Ezra Pound, Paul Celan und anderen. Godard's Montage verbindet Paul Hindemith mit Arvo Pärt und Ludwig van Beethoven, Giya Kancheli, Béla Bartók, Franz Schubert, Igor Stravinsky, Johann Sebastian Bach, John Coltrane, Leonard Cohen, Otis Redding, Dimitri Schostakowitsch, Anton Webern, Dino Saluzzi, David Darling, Ketil Bjørnstad und vielen weiteren.
2) Soundtracks zum Film "Nouvelle Vague", der seine Premiere 1990 in Cannes hatte. Mit Dino Saluzzi, David Darling, Patti Smith, Jean Schwartz, Werner Pirchner, Paul Hindemith, Heinz Holliger, Paul Giger, Arnold Schoenberg, Gabriella Ferri, Meredith Monk (ECM Records 1990)
Jean-Luc Godard
Nouvelle Vague
In a first period
the old testament
a human being
(a man)
is rescued from ruin
by another human being
(a woman).
In a second period
the new testament
a human being
(a woman)
(the same)
is rescued from ruin
by another human being
(another man).
But the woman discovers that the other man
is the same as the first
that the second is
(still as before)
the same as the first.
So this is a revelation.
And if man proclaimed the mystery,
it is woman who revealed the secret.
3) Kurzfilme: Jean-Luc Godard, Anne-Marie Miéville: Four Short Films (ECM Records 2003)
- De l'origine du XXIe siècle
- The Old Place
- Liberté et patrie
- Je vous salue, Sarajevo
DVD mit 120-seitigem Hardcoverbuch, NTSC, Dolby Digital 5.1, Untertitel in Englisch und Deutsch, 85 min.
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