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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Montag, 8. Februar 2016

Wie war's bei FRANKFURT BABEL in den Frankfurter Kammerspielen?


(c) Birgit Hupfeld

Sie stehen da und fordern ... Letzten Freitag in den Frankfurter Kammerspielen, 15 junge Schauspieler zwischen 15 und 25 Jahren, eine Hälfte Flüchtlinge mit meist illegaler Einwanderung, die andere legal eingewandert, vorintegriert durch Zuwanderung im Rahmen von Gastarbeit oder einfach gemischte Gene durch binationale eingebürgerte oder hier lebende Eltern. Phillipinen und Tschechien zum Beispiel ... Sie sind nach Deutschland gekommen, weil es andere wollten, ihre Eltern, Verwandte, die Umstände ... Aus unterschiedlichen Ländern, wie Afghanistan, Irak, Syrien oder den Maghrebstaaten, mit allen Bedrohungen, Ausblühungen und Missständen, wie wir sie aus den Medien kennen. Auf der Bühne werden sie uns in diesem integrativen Projekt noch einmal im Interviewstil vorgestellt.

"Sie werden nicht ablassen von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun." (1. Mose, Kapitel 11, Vers 6) Das klingt fast wie eine Drohung. Die jungen Dickköpfe haben sich vorgenommen, das, was sie wollen, zu verwirklichen. Geht das denn immer so einfach? Kann man Widerstände überrennen wie grüne Grenzen?


(c) Birgit Hupfeld
Sie sind da und wollen leben ... Sie haben sich vorgenommen in diesem Land etwas zu werden. "Wir werden das tun, was wir wollen [...] Wir haben Pläne [...]" Wenn sie vorher die Einwanderungsgesetze befragt hätten, wäre es noch besser gewesen, denn viele von ihnen müssen wieder gehen. Bis das durchgeführt ist, vergehen noch ein paar Jahreszeiten. Nun gut, alle Berechtigten können sich Ausbildungen und Studiengänge holen bei uns, Know-how und Karriere. Wenn es denn die Gesellschaft zulässt. Aber wer gut ist kommt durch in Deutschland.

Sie sind da und wurden angelockt von irgendetwas, irgendjemand. Es waren die Versprechen der skrupellosen Schlepper und Werber, die Milliarden bisher verdienten, wohin sie auch immer flossen, die Faszination von Power, die Power von Money, die Power von Nuklear ... Sicherheit und Stärke. Dabei ist genau dieses Bild zerbröckelt, falls es einer gemerkt haben sollte. Wenn man einfach in ein so starkes Land oder Staatengebilde reinlaufen kann, ohne dass was passiert, ist es nicht weit her mit der Stärke.

Sie wollen wahrgenommen werden und reden mit vielerlei Zungen, dazu eine chaotische Musik - Charivaritöne der Multinationalität. Jugendliche sprechen aufgeregt, persuasiv und engagiert in verschiedenen Sprachen, und kein Mensch versteht dieses Durcheinander. Jeder voller Inbrunst und Elan in seiner Sprache seine Forderungen und Ansichten, und nichts kommt an! Und warum? Der Titel sagt es schon aus und legt es nahe: Es herrscht babylonische Sprachverwirrung.

"Und sprachen: Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, damit wir uns einen Namen machen" (1.Mose 11,4). So ging die Sage los, und sie endet mit der Zerstreuung der sprachlichen Einheit in eine sprachliche Vielfalt wegen der Unverfrorenheit, Gott nahe zu sein. Zum Glück ist bald Pfingsten, da kann das Problem für Katholiken wieder leichter gelöst werden. Aber Mohammedaner kennen das ja gar nicht, also haben wir weiterhin Probleme damit ...

Frankfurt-Mainhattan und der Turmbau zu Babel - ein direkter Vergleich mit der Hybris, die von Gott mit dem Verlust der einheitlichen Sprache bestraft wurde? Nein, kaum möglich, denn Singapore und New York und Dubai sind viel höher dran... Frankfurt imposant für Deutschland, aber im internationalen Vergleich doch abgeschlagen. Und dennoch, die Opfer der göttlichen Verdammung, wenn ER des denn war, treffen sich an diesen Orten. Sie sind Anziehungspunkte für Internationalität. Irgendwas stimmt nicht an diesem Bezug. Die Jungen wollen etwas ganz anderes. Sie wollen Einheit finden in einer Sprache, sie haben sich ein Land ausgesucht, wo sie denken, dass am meisten geht. Mit ihnen Millionen von Erwachsenen, die mit ganz anderen Erwartungen als die Jungen einwandern. Einfach nur Ruhe und Sicherheit, regelmäßiges Geld.


(c) Birgit Hupfeld
Wunsch der jungen Schauspieler unter der Leitung von Martina Droste am Jungen Schauspiel Frankfurt ist es, Babylon zu überwinden. Und wir kommen ganz weg von Gott, denn Menschen sind Sklaven und Opfer von Entscheidungen, und zwar weniger der göttlichen als von menschlichen. Entscheidungen werden über unsere Köpfe hinweg getroffen, sie dominieren uns. Genauso wie Erziehung. Sie machen die Unterschiede aus. Wir geraten in verschiedene Rollen und Denkweisen, ohne dass wir es immer wollten. Wir geraten mitten in einen Krieg, auch wenn wir es nicht wollen, man verhaftet unsere Nachbarn, die vorbildlich gelebt haben, man lässt Schurken laufen und hat Mitleid mit Verbrechern. Muslime bei uns lehnen nach wie vor Christen ab, und Christen haben die Nase voll von mohammedanischer Überzeugungsarbeit. All das entscheiden andere. Aber wir haben die Kraft, es zu ändern!

"Wenn du es begriffen hast, dann ist es nicht Gott."

Deutlich die Botschaft des Projektes, bei dem manche Schauspieler nur Buchstaben als Namen haben, weil das Jugendamt ihre Anonymität schützen möchte, und andere durch Rückkehr oder Umzug ausschieden, nie zum Auftritt kamen. Ihre Meinungen von Deutschland und den Politikern wird im Interviewstil ebenso festgehalten wie die Beschreibung der Verhältnisse zu Hause im Kriegs- oder unsicheren Gebiet. Ob die Politiker wirklich zu wenig tun? Sich nicht kümmern? Wahrscheinlich alles viel zu spät, das Sicherheitskonzept Europa zeigt Titanicausmaße. Ist eine Geldzahlung an die Türkei verwerflich? Kann denn den Flüchtlingen nicht besser direkt an der Grenze geholfen werden? Schafft die Türkei es, so viele Millionen von Flüchtlingen zu versorgen und Krieg gegen die IS und Kurden zu führen? (Wobei die beiden Letztgenannten politisch extrem verschieden sind und völlig anders betrachtet werden müssen.) Viele Fragen werden wach, und die Gewissheit, dass die jungen Eingewanderten nicht mehr oder weniger wollen als manch andere hier Lebende ... Wir könnten eine Sprache sprechen ... Fragt sich nur, welche?

Montag, 24. Dezember 2012

Meine Gedichteklassiker: DEM REVOLUTIONÄR JESUS ZUM GEBURTSTAG

Dem Revolutionär Jesus zum Geburtstag

Erich Kästner
Zweitausend Jahre sind es fast,
seit du die Welt verlassen hast,
du Opferlamm des Lebens!
Du gabst den Armen ihren Gott.
Du littest durch der Reichen Spott.
Du tatest es vergebens!

Du sahst Gewalt und Polizei.
Du wolltest alle Menschen frei
und Frieden auf der Erde.
Du wusstest, wie das Elend tut
und wolltest allen Menschen gut,
damit es schöner werde!

Du warst ein Revolutionär
und machtest dir das Leben schwer
mit Schiebern und Gelehrten.
Du hast die Freiheit stets beschützt
und doch den Menschen nichts genützt.
Du kamst an die Verkehrten!

Du kämpftest tapfer gegen sie
und gegen Staat und Industrie
und die gesamte Meute.
Bis man an dir, weil nichts verfing,
Justizmord, kurzerhand, beging.
Es war genau wie heute.

Die Menschen wurden nicht gescheit.
Am wenigsten die Christenheit,
trotz allem Händefalten.
Du hattest sie vergeblich lieb.
Du starbst umsonst.
Und alles blieb
beim alten.

Sonntag, 24. Juni 2012

Buchbesprechung: SUNRISE von Patrick Roth


Patrick Roth
SUNRISE
Das Buch Joseph. Roman
Göttingen 2012, 510 S., geb., Schutzumschlag,
14,90 € (D), Wallstein Verlag

Patrick Roth ist in den letzten Jahren immer wieder als einer der zentralen deutschsprachigen Autoren zum Thema »Literatur und Religion« in Erscheinung getreten.
In seinem neuen Roman SUNRISE erzählt er die Geschichte von Joseph von Nazaret, dem Ziehvater Jesu. Ihm, der in der biblischen Überlieferung stets eine Randfigur geblieben ist, gibt Patrick Roth eine Geschichte. Er erzählt von einer ersten Frau Josephs und dem gemeinsamen Kind, das dem jungen Vater in einem dramatischen Sturm aus den Händen gleitet und ertrinkt. Später befreit Joseph einen ägyptischen Sklaven und verletzt dabei den Aufseher schwer. Diesem Aufseher begegnet er im Laufe seines weiteren Lebens immer wieder, und auch der befreite Sklave ist in seinen Träumen und Visionen präsent. Spricht Gott durch diese Begegnungen zu Joseph und was trägt er ihm auf?
Zentral für die Person Josephs ist seine Menschlichkeit. Er empfängt den Auftrag, wie Abraham seinen einzigen Sohn zu opfern, und hofft, dass auch er nur auf die Probe gestellt werden soll. Doch das Opfer findet nicht statt, und dadurch ermöglicht Joseph eigentlich erst die Leidensgeschichte Jesu, wie sie in der Bibel berichtet wird.
Diese bewegende Geschichte erzählt Patrick Roth in einer Sprache, die an die Bibel angelehnt ist und in ihrer elementaren Erzählkraft einen starken Sog entwickelt.

»Die Literatur darf das Erhabene und das Pathos reiten wie ein Sternenross - wenn sie kann. Und Roth kann es wie niemand sonst.« (Hubert Winkels, Die ZEIT)

Patrick Roth, geb. 1953 in Freiburg/Breisgau, wuchs in Karlsruhe auf. Er studierte in Paris und Freiburg (Anglistik, Romanistik, Germanistik), ab 1975 in Los Angeles (Filmregie und Filmproduktion, Schauspiel, Drehbuch). Seitdem lebt er in Kalifornien.
Er drehte Kurzfilme und veröffentlicht seit 1990 Romane, Novellen, Theaterstücke und Hörspiele (u.a. Riverside, Johnny Shines, Corpus Christi, Starlite Terrace, Die Nacht der Zeitlosen). Er erhielt u.a. den Rauriser Literaturpreis, den Hugo-Ball-Preis, den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung und war Mainzer Stadtschreiber.
Zurzeit laufen die Heidelberger Poetikvorlesungen (noch bis 5.7.), siehe Internet, die einem 3 besondere Abende bereiten werden. In Teil eins ging es im Wesentlichen um Traumbilder als Leitfiguren für das Handeln, das Leben und das Geführtwerden - die Bild-Flamme.

Sonntag, 18. März 2012

Buchneuerscheinung: "Heilige Scheiße" als Generalabrechnung mit den Lügen


Im Interview: Stefan Bonner und Anne Weiss


Mit dem Megabestseller „Generation Doof“ haben Stefan Bonner und Anne Weiss 2008 den Nerv der Zeit getroffen. Die Grundfrage „Wie blöd sind wir eigentlich?“ sorgte monatelang für stürmische Diskussionen in den Medien. In ihrem neuen Buch „Heilige Scheiße – Wären wir ohne Religion wirklich besser dran?“ haben die beiden Erfolgsautoren die Themen Kirche, Glaube, Spiritualität etc. genauer unter die Lupe genommen, um herauszufinden wie sehr Religion heute eigentlich noch zum Lifestyle unserer Gesellschaft passt. In vielen Einzelschritten wird die Widersprüchlichkeit und die Unglaubwürdigkeit der Religion und ihrer Vertreter gezeigt, Beispiele für die plumpe Manipulation und schlichtweg "Verschafung" und "Verherdung" der Christen gefunden. Lebensanweisungen, die die Menschen einen und erziehen sollen. Vor allem eben untertänig, kirchengläubig und nutzbar machen. Fragt sich, ob der Islam nicht genauso einfach demontiert werden kann. Macht nur keiner, weil die Dolche schon in der Luft hängen. Im Interview erzählen Bonner und Weiss, was die Zahnfee mit ihrem Glauben zu tun hat und warum Neurowissenschaftler noch nie Gott im Gehirn ausfindig machen konnten.

(Passender Pressetext der Mannheimer "religionsfreien Zone" zur Problematik)

In Ihrem Buch schreiben Sie über das Thema Religion. Glauben Sie an Gott?
Wir sind beide christlich erzogen worden. Irgendwann konnten wir aber nicht mehr an Jungfrauengeburt und Bibelwunder glauben – beides erschien uns in etwa so realistisch wie die Mär von der Zahnfee. Bislang hat noch niemand, der behauptet hat, es gäbe einen Gott, auch einen stichhaltigen Beweis geliefert. Und wenn man sich die verschiedenen Götter im Verlauf der Menschheitsgeschichte ansieht, dann scheint da eine Menge Fantasie im Spiel zu sein. Die braucht man auch, um sich zu erklären, warum ein allmächtiger und gütiger Gott Kindesmissbrauch in der eigenen Kirche oder Katastrophen wie in Japan zulässt.

Wie haben Sie für das Buch recherchiert?
In „Heilige Scheiße“ stellen wir uns die Frage, was aus dem Christentum eigentlich geworden ist. Wer weiß heute noch, woran man da genau glauben soll? Wir haben das Glaubensgebäude unter die Lupe genommen und in ganz Deutschland mit Gläubigen und Ungläubigen gesprochen, mit Kirchenleuten, Religionslehrern, Theologen und Wissenschaftlern. Im Mittelpunkt steht dabei unsere eigene Generation: Lassen sich Leute, die im Hier und Jetzt via iPhone und Facebook mit Gott und der Welt kommunizieren, Lady Gaga gut finden und Vampirgeschichten lesen noch von einem zweitausend Jahre alten Männerclub für ein biblisches Paradies begeistern, auf das man bis nach dem Ableben warten muss?

Welchen Stellenwert hat die Religion in unserer heutigen Gesellschaft?
Viele brauchen die Kirchen nicht mehr für ihre persönliche Erleuchtung – die Moralvorstellungen der Kleriker passen ohnehin nicht mehr zum modernen Lifestyle der meisten Leute. Den Glaubensinstitutionen laufen daher die Schäfchen davon, immer mehr Menschen wenden sich anderen Religionen oder der Esoterik zu. Kritiker meinen ohnehin, dass die Welt ohne Religion friedlicher wäre. Unser Buch stellt die Frage, ob wir tatsächlich darauf verzichten können.

Warum sollte man „Heilige Scheiße“ unbedingt lesen?
Weil Sie dann bei dem Thema mitreden können, das spätestens zum Papstbesuch in Deutschland die Gemüter erhitzt. Denn eine Frage lässt keinen kalt: Ist da überhaupt einer? Und wenn ja, wie viele? Unser Buch wird Sie zum Zweifeln bringen, oder es führt dazu, dass sie wieder wirklich an etwas glauben, weil Sie bewusst alle Zweifel über Bord werfen. Im besten Fall bringt es Sie auch zum Lachen – das beste Gegenmittel gegen Engstirnigkeit.

Ist es respektlos, über Religion zu lachen?
Im Alltag unterhalten wir uns selten offen über Religion. Oder wissen Sie genau, was Ihre Freunde, Nachbarn, Kollegen glauben? Glaube ist Privatsache. Ganz zu schweigen davon, dass die meisten Menschen Witze über den Glauben meiden wie der Teufel das Weihwasser. Sie haben Angst, sie könnten die religiösen Gefühle ihres Gegenübers verletzen. Dennoch ist Lachen ein unvergleichlich gutes Mittel, um bei vielen schwierigen Themen das Eis zu brechen, Menschen zu verbinden und Dinge auch mal von der anderen Seite zu betrachten.

Gibt es die Rückkehr der Religionen – oder sind wir auf dem Weg in eine gottlose Welt?
Während des Weltjugendtages 2005 sah es tatsächlich so aus, als würde sich eine ganze Generation auf den Glauben besinnen. Auch heute ist die Bekenntnis zum Glauben in den Bestsellerlisten, in vielen Talkshows und politischen Diskussionen wieder en vogue. Gefühlt leben wir in einem christlichen Staat – aber wenn man genauer hinsieht, zeigt sich ein anderes Bild: Tatsächlich leeren sich die Kirchenbänke, und die neueste Shell-Jugendstudie ergab, dass Religion bei der jungen Generation in Wahrheit nur eine mäßige Rolle spielt: Lediglich 30 Prozent glauben überhaupt an einen persönlichen Gott.

Ist das Bedürfnis nach Spiritualität im Menschen angelegt?
Zahlreiche Neurowissenschaftler haben bislang vergeblich versucht, Gott im Gehirn ausfindig zu machen. Es gibt aller Wahrscheinlichkeit nach keine natürliche Veranlagung zum Glauben. Wichtiger für die Möglichkeit, religiöse Gefühle zu empfinden sind offenbar die Erziehung und das soziale Umfeld. Es gibt eben keine christlichen Kinder, sondern nur Kinder christlicher Eltern.
Aber was ist mit Menschen, deren Eltern Atheisten waren und die später zu irgendeiner Form des Glaubens finden? Es scheint bei etlichen Menschen ein spirituelles Grundbedürfnis zu geben – ganz allgemein gesprochen die Neugier darauf, woher wir kommen und wohin wir gehen. Wie bei jedem anderen Bedürfnis sind wir aber auch hier Kinder unserer Zeit: Der wachsende Esoterikmarkt und eine Vielzahl an neuen Glaubensgemeinschaften bieten für jeden Geschmack, jeden Geldbeutel und für jedes Bedürfnis die richtige Dosis Spiritualität. Wie viel Abzocke dabei stattfindet und wie sinnvoll ist, das bleibt dahingestellt. Klar ist aber: Die Kirche ist heute nicht mehr der Hauptanbieter für die Sinnfrage – andere mischen längst kräftig mit.

Glauben Sie, wir wären ohne Religion besser dran?
Stellen Sie sich folgende Frage: Was ist das Schlimmste und das Schönste, das Religion bisher angerichtet hat? Natürlich kann man ziemlich üble Dinge damit erleben – in vielen Gemeinschaften schafft sie ein Machtgefälle, das den Gläubigen abhängig und unmündig macht. Keine gute Sache. In der Geschichte war Religion daher oft das perfekte Mittel, um Macht zu erlangen, Menschen zu unterdrücken, Geld einzutreiben und Kriege anzuzetteln. Das macht Religion nicht an sich zu einer schlechten Sache - genauso haben Menschen viel Gutes im Namen ihrer Religion getan. Was man damit anfängt, ist also Sache des Einzelnen. Und so ist es auch eine sehr persönliche Angelegenheit, ob Sie mit Glauben besser fahren oder nicht. Seien Sie sich daher selbst der Nächste und fragen Sie sich: Was gibt mir Religion, und brauche ich sie, um meinem Leben einen Sinn zu geben? Vor allem sollte ich das Manifest meines Glaubens kennen: Kann ich das alles ohne zu zögern unterschreiben? Wer das für sich mit ja beantwortet, sollte weiterhin die Kirche aufsuchen. Dies spricht für das, was viele heute denken: Religion ist Privatsache und sollte auch nur von denjenigen finanziert werden, die in der Kirche bleiben – nicht vom Staat, wie dies immer noch stark der Fall ist.

Was ist das Skurrilste, das Ihnen im Zusammenhang mit diesem Buch passiert ist?
Nachdem Stefan seine Kirchenmitgliedschaft gekündigt hatte, erhielt er einen Brief des örtlichen Pfarrers mit der Einladung zum persönlichen Gespräch. Als er einwilligte, erreichte ihn die freudige Nachricht: „Herzlichen Glückwunsch, Herr Bonner: In zwanzig Jahren Dienstzeit sind Sie der Erste, der tatsächlich zu einem Gespräch bereit ist.“ Lediglich ein anderer Abtrünniger habe sich zuvor per E-Mail auf das Schreiben gemeldet. Der Pfarrer hatte sich nach den genauen Gründen für seine Entscheidung erkundigt. Die Antwort: Der Mann habe die Nase voll von den kruden Ansichten des Papstes. Der Pfarrer informierte ihn daraufhin, dass er gerade aus der evangelischen Kirche ausgetreten sei.

Ist es doof, wenn man an etwas glaubt?
Nein – den persönlichen Glauben kann man niemandem absprechen. Für viele Menschen ist die Gewissheit, dass es einen allmächtigen Schöpfer mit einem großen Plan gibt, ja eine wichtige Stütze im Leben. Allerdings gibt es etliche, die ihren Glauben heute nicht überdenken – sie behaupten, Christ zu sein, handeln im Alltag aber ganz anders. Schlimmer noch: Sie wissen oft gar nicht, woran sie da eigentlich glauben. Statistisch gehören zwar noch Zweidrittel der Deutschen einer der christlichen Kirchen an, aber die wenigsten von ihnen wissen noch, was wir an Christi Himmelfahrt oder Pfingsten feiern; in die Kirche geht kaum einer – und obwohl sich alle auf die zehn Gebote berufen, können die meisten maximal drei davon fehlerfrei aufsagen. Doof ist es also nicht, überhaupt zu glauben, sehr wohl aber, sich zu etwas zu bekennen, von dem man keinen blassen Schimmer hat.

Wann haben Sie zuletzt gebetet?
Stefan betet meistens, wenn wir zu einer Lesung fahren und sich Anne ans Steuer des Mietwagens setzt. Anne hat dann keine Zeit zu beten. Im Ernst: Gebetet haben wir zuletzt als Kinder, als wir uns noch sicher waren, dass man damit auch was ausrichten kann und uns wirklich einer zuhört. Später ist uns aufgefallen, dass es gar nicht sein kann, dass Gott Gebete erhört und gleichzeitig noch so viel Übel auf der Welt passieren lässt. Und überhaupt: in Afrika sterben Babys, Rohöl läuft in den Golf von Mexiko, Tsunamis zerstören Atomanlagen. Warum sollte ein Gott sich da um unsere popeligen Privatprobleme kümmern? Wenn es sicher wäre, dass man nur genug beten müsste, um seine Ziele zu erreichen, dann würde der Bundestag im Kölner Dom sitzen…

Wann waren Sie zuletzt in der Kirche?
Während der Recherchen haben wir einige Messen besucht, zuletzt das Domkapitelsamt in Köln. Zuvor waren wir schon ziemlich lange nicht mehr im Gottesdienst gewesen und hofften auf ein Gefühl von Einkehr, Gemeinschaft und Besinnlichkeit. Die Ernüchterung folgte auf dem Fuße. Durch die pompöse Aufführung, die Weihrauchwolken und die prächtigen Predigergewänder fühlten wir uns sofort ins Mittelalter zurückversetzt. Die Predigt kam uns vor wie ein Strom unverständlicher Floskeln und ließ sich moralisch nicht mit unserer modernen Weltvorstellung in Einklang bringen. Das geht uns nicht alleine so – viele vor allem jüngere Gläubige, mit denen wir gesprochen haben, können mit dem, was sie dort vorfinden, nichts mehr anfangen und suchen sich andere Betgelegenheiten, zum Beispiel in unabhängigen kleineren christlichen Gemeinschaften.

Montag, 12. Dezember 2011

125 Jahre Hugo Ball in Pirmasens - Abschlussveranstaltung

+ So., 18. Dezember 2011, 19 Uhr, Evangelisch-methodistische Kirche Pirmasens, Alleestraße 23, IN DER AVANTGARDE LAUERT DIE RELIGION, Vortrag mit Rezitation und Gesang von Joachim Bähr und Katharina Ihlefeld, Tel.: 06331-73260, pirmasens@emk.de, www.emk.de/pirmasens Eintritt: 5 / 3 Euro



Keineswegs das letzte Wort von und zu Hugo Ball soll am 18. Dezember um 19 h in der Zionskirche in Pirmasens gesprochen werden. Auch wenn Joachim L. Bähr sogar das Grab des toten Dichters im Tessin besucht hat, um sich auf die letzte Veranstaltung im Hugo-Ball-Jahr vorzubereiten, soll dabei der religiöse, suchende Hugo Ball noch einmal zum Leben erweckt werden. Auf seiner Spurensuche nach diesem religiösen Hugo Ball hat Joachim L. Bähr, "selbst Pirmasenser und dennoch Opernregisseur, Theaterinspizient, Literat, Methodist und Ballbevollmächigter", wie er sich selbst beschreibt, in Bergdörfern und Bibliotheken übernachtet. 
`Hugo Balls Weg zu Gott´, wie eine seiner Biographien lautet, zeigt, dass Balls Leben ein Stationen-Theater ist, welches einer wahrhaft expressionistischen Dramaturgie entspringt. 
Hugo Ball soll ja bereits in seiner frühesten sprachwildesten Phase mit Gott oder seinem Engel gerungen haben. Diese Behauptung, so Joachim L. Bähr "will Hoffnung und Verzweiflung in Deckungsgleichheit bringen. Sein späteres Leben voll Katholizismus und Mystizismus war durch Magenkrebs gekrönt". Dass sich daraus eine "dadaistische Weltauffassung" Gottes ableiten ließe, geht dann Olav Schmidt, Pastor an der Zionskirche dann doch zu weit. Aber er ließ sich nicht davon abhalten, diesem herausfordernden, unbequemen und sicherlich manchmal auch irritierenden Abend in der Zionskirche Raum zu geben. "Methodismus versteht sich als Gemeinschaft aus Suchenden und Glaubenden", erinnert er. "Auch der suchende, vielleicht irrende und doch wegweisende Hugo Ball hätte sich bei uns wohlgefühlt", meint er. Es ist jedoch nicht überliefert, dass Hugo Ball jemals die Zionskirche betreten hätte. So wird an diesem Abend die Spurensuche nach der Sinnsuche Balls in vielen Originalzitaten, aus Lyrik, Prosa und Theaterstücken, aus Essays, Aufzeichnungen und sonstigen Äußerungen durch verschiedenste Lebens- und Sprachphasen nachvollzogen. Der rezitierende Joachim L. Bähr wird dabei von der in Bielefeld geborenen Sängerin, Muse und Diseuse Katharina Ihlefeld begleitet. 



Donnerstag, 1. Dezember 2011

Habemus Papam? Papst Eduard I., jetzt auf dem Markt: von Erwin Hilbert



Erwin Hilbert
Papst Eduard I
Der Nachfolger im Vatikan. Eine Satire.
Oldenburg 2011, 176 Seiten, 37 farbige Illustrationen, 

Paperback, € 19,70, Deutscher Buchverlag


Der Papst zurück in Deutschland?  Der neue Spontifex im Vatikan gibt sich frisch, fromm, fraulich, frech! … aber lesen Sie selbst: Habemus Papam! Mehr Informationen am 17.12.2011, hier auf Seite 1. Rezension bei amazon.de

Freitag, 14. Oktober 2011

Buchbesprechung: Schoßgebete

Charlotte Roche
Schoßgebete
München 2011, 283 S., Paperback mit Innenklappen
16,99 €, Piper 


Charlotte Roche hat wieder zugeschlagen. Hat sie das? Ein Sammelsurium von Selbsterfahrung mit degoutanten Beilagen, früher anal, jetzt oral fixiert? Nein, die "Schoßgebete" sind etwas anderes als die "Feuchtgebiete".
In medias res werden zwar die sexuellen Gewohnheiten von Elizabeth Kiehl (anfangs 30) und ihrem wesentlich älteren Mann Georg analysiert und beschrieben, dahinter aber steckt etwas anderes. Es ist das Bild einer zwangshedonistischen Gesellschaft, materialistisch, atheistisch, viele Trinker und eben lustbetont orientiert, verkörpert durch eine traumatisierte Protagonistin, die nichts als Angst empfindet, mit einem Bein immer im Tod. Wie das Bewusstsein der vielen TV-Zuschauer, die nichts erleben als Leichen zuhauf. Die schwere Traumatisierung ist auch Charlotte Roches Trauma. Ein Autounfall vor 8 Jahren löschte das Leben von Elizabeths drei Brüdern aus, die Mutter schwer verletzt und im Rollstuhl weiterlebend durch eine Kollision mit einem Benzinlaster. Elizabeth musste bei ihrer Mutter im Krankenzimmer wochenlang ausharren, und zeugte in einigen freien Stunden mit ihrem ersten Mann Stefan ihre Tochter, was ihnen zuvor nicht und danach nicht mehr gelungen war. Die Kleine stand später unweigerlich mit dem Drama in engem Zusammenhang. Sie wurde immer in Verbindung mit den drei toten Brüdern gesehen. Das Unglück passierte auf dem Weg zur geplanten, niemals vollzogenen Hochzeit in England, wodurch die Beziehung des Paares schwer belastet und nicht überlebensfähig war. Alles was mit der ausgefallenen Hochzeit zu tun hat, sammelte Elizabeth in einem Koffer. Auch zwei silberne Eichelnüsse (auf dem Umschlag zu sehen), die wie das andere im Koffer Unglücksträger bzw- verursacher sind.
Die einzige Spiritualität erlangen die Hauptpersonen des Romans durch Sex. Zu ihm beten sie, er ist ihr Gott. Als Kompensation dient Elizabeth die Sexualität, eine regelrechte Droge, die das Dasein erträglich macht, die sie mit ihrem Mann nur dann intensiv und besonders erleben kann, wenn beide sich eine dritte Person dazunehmen, und zwar wegen Georgs Einstellung ausschließlich eine Frau, obwohl sich Elizabeth sehnlichst einen zweiten Mann wünscht. Aber der Mann geht vor, so ihre Erziehung. Die Partnerin finden sie in einem Puff, wo sich Georg die Kandidatinnen genau aussucht und schon eine sehr hohe Routine im Erkennen des Eignungsgrades erlangt hat. Sie feiern und zelebrieren regelmäßig voller Lust und Wonne ein mehrere Hundert Euro schweres Threesome. Eigentlich sollte der Titel "Stoßgebete" heißen, um die Doppeldeutigkeit hervorzuheben.
Und sind glücklich und zufrieden... wenn da nicht der ständig bohrende Minderwertigkeitskomplex arbeiten würde. Was mache ich da, ist es gut? Die Männerfeindlichkeit der Mutter, die Oralsex völlig ablehnte und verteufelte, der penible, zwanghafte Vater, der immer alles bestens und exakt erwartete. So quält sich Elizabeth trotz Genuss mit Ungewissheit, Gewissensbissen, zwanghaften Gedanken und besucht auch regelmäßig am nächsten Tag nach der oft abends nach immergleichem Fahrplan stattfindenden Zelebrierung - Fußweg ins Puff, Abendessen, eine Gläschen Sekt zuvor, Kennenlernen der ausgesuchten Kandidatin und Start mit der Lesbierinnennummer - ihre Psychotherapeutin zur "Beichte", die gar keine ist, nur ein detailliertes Beschreiben ihrer Wahrnehmung, und zur Stärkung ihrer Entwicklung.
Wie in einem Entwicklungsroman entfernt sich die Protagonistin auch vom tief in uns sitzenden Eifersuchtsdenken, der Neidempfindung und den Muss-Zwängen hin zu der Wunscherfüllung, ihre Partnerschaft erhalten, aber auf Fremdgehen bewusst nicht verzichten zu wollen. Im Eheleben ist Sex bei Nacht für Elizabeth unvorstellbar, weil sie die Atemzüge des Partners nicht genau der Erregung oder dem Schlaf zuordnen kann. Bei ihrer Therapeutin erfährt sie, dass all ihre Ängste nur Projektionen ihrer Probleme sind, das alles in Ordnung wäre, wenn alle Beteiligten es wollten, das sie im Grunde nichts zu befürchten hätte. Das ganze Leid in Beziehungen, ihr Zerbrechen, ihre Intoleranz, eine Folge der Eifersucht und des Neids. Bürgerliches Besitzdenken und Engstirnigkeit vergiften alles Zusammenleben, obwohl sich im Grunde jeder nach einem außerehelichen Erlebnis sehnt. So machen es beide zusammen mit einer dritten Person und halten ihre Beziehung dadurch am Leben. Was fehlt ist der letzte Befreiungsschritt, sich andere Männer zu genehmigen. Mit dem Christentum ist sie schon lange fertig, sie verachtet die Schizophrenie der Leute und ihrer Moral: Die Verbrennung ihrer Brüder muss im Krematorium in Belgien, dem Unfallort, stattfinden und es gibt Urnen, obwohl die Leichen zu nichts verbrannten. (Was ist dann drin?) Sie hält Christen für zu schwach zu erkennen, dass es keinen Sinn gibt. Sie machen sich was vor mit dem Jenseits:


"Das Leben ist sinnlos, die Erde ist sinnlos, wir sind Zufall, und es gibt niemals ein Leben nach dem Tod."


So tendiert auch Elizabeth immer wieder zu Todes- oder auch Freitodphantasien und der Frage, wie das Nachleben geregelt sein soll. Sie hat schon mehrfach ihr Testament geändert, ist Stammkunde beim Notar, und wünscht sich, dass Georg und ihr erster Ehemann zusammenziehen, um ihre Tochter Liza gemeinsam zu erziehen und zu behüten. Die Absurdität dieses Wunsches liegt offen, weswegen Georg sie auch bittet das Testament zu zerreißen, sie aber hält fest. Ihr beste Freundin soll alles erben, obwohl sie sie nicht sonderlich mag, sie beneidet, ihr nicht viel gönnt.
Roches Spiegel unserer von Ängsten und Sinnlosigkeit geprägten Welterfahrung, kompensiert mit Sex, das Leben von Patchworkfamilien, das Zusammentreffen vieler unterschiedlicher (Sex-)Sozialisationen, das Analysieren und Auflösen von Zwängen, Werten und Moral in der Familie bzw. zwischen (Ehe-)Partnern beschreibt unsere Gesellschaft in einer evidenten Schizophrenie. Und zwar aus zwanghaften Versuchen einerseits ein Wertesystem aufzubauen und zu halten, das im Grunde nur krank und unglücklich macht, und der krassen real erfahrbaren, aber vertuschten Sinnlosigkeit mit all ihren libertinären Konsequenzen für Leben, Lieben und Handeln andererseits. Aktuelles, postmodernes, westliches, verlogenes Leben - wir wollen ganz anders leben, als wir dürfen und sollen. Die Befreiung ein langwieriger Prozess.

Donnerstag, 8. September 2011

Buchbesprechung: 2-mal Hugo Ball zum 125. Geburtstag

Hugo Ball
Zinnoberzack, Zeter und Mordio
Alle DADA-Texte
Hg. von Eckhard Faul
Göttingen 2011, 144 S., franz. brosch.
14,90 € (D), Wallstein Verlag


Der Name Hugo Ball ist untrennbar mit der DADA-Bewegung verbunden. Der gebürtige Pirmasenser würde dieses Jahr 125 Jahre alt (22. Februar), weswegen 2011 natürlich auch ein Hugo-Ball-Jahr begangen wird.
Die Stadt Pirmasens feiert schon Monate lang ihren großen Sohn und zeigt die Vielfalt seines Schaffens. Der Wallstein Verlag hat im Ball-Jahr ein Bändchen herausgebracht, das alle dadaistischen Texte Hugo Balls zusammenträgt. Darüber hinaus sind sämtliche Werke und Briefe in diesem Verlag erschienen.
Neben seinen bekannteren Texten wie den Lautgedichten aus der Zeit des Cabaret Voltaire in Zürich und den dadaistischen Manifesten finden sich in dem vorliegenden Bändchen auch eher unbekannte Arbeiten wie der zu Lebzeiten unveröffentlichte Roman »Tenderenda der Phantast« sowie Auszüge aus seinem Tagebuch »Die Flucht aus der Zeit«, die sich auf die Zeit des Dadaismus beziehen. Auch ein bruitistisches Krippenspiel, das bereits die Hinwendung Balls zu religiösen Thematiken andeutet, zählt zu seinen dadaistischen Werken.
Die Texte überraschen durch ihre Vielfalt, denn sie umfassen alle Gattungen, sind theoretischer und autobiographischer Natur und vereinen doch alle die typischen dadaistischen Charakteristika, die diese literarische Strömung so einzigartig machen. So vielfältig wie die Texte selbst sind auch die Einflüsse, die auf den Gründer des Dadaismus einwirkten. Zu nennen wären hier vor allem der italienische Futurismus, der Maler Wassily Kandinsky, der Dramatiker Frank Wedekind oder auch die Liturgie der katholischen Kirche.
Die hier zusammengestellten Arbeiten Balls zeigen noch einmal deutlich seine große Bedeutung für den Dadaismus, der ohne ihn in dieser Form nicht denkbar gewesen wäre.


Ein Gedicht von Hugo Ball:

Der blaue Abend

Es wettert Lichtkomplex vom Himmel auf die Straßen,
Aus Fensterfronten wandeln hoch die blauen Huren.
Oh holde Stunde sanfter Mädchennasen,
Oh Unisono und Zusammenklang der Turm- und Taschenuhren!
Der Mond steigt in die Rundung metaphysisch höher,
Ein Pferd macht müde sich’s bequem in einem Vogelneste.
Verzückt entschwebt dem Volk ein violetter Seher,
Und schwarzer Violinklang tönt aus dem Asbeste.
Glasbläserei und Kuppel weißer Bögen,
Wölbt hoch euch aus dem Lichtkreis dieser Stadt!
Es ist, als ob aus Finsternis viel Tränen zögen
Und kranken Gottes Haupt erglänzet matt.
Es lehnen sich die Häuser blond zurücke.
Sind Türme weiße Engel, die entschweben.
Vom Himmel stürzt zur Hölle eine Brücke,
Auf der die Toten händeringend kleben.


Der Autor
Hugo Ball, geb. 1886 in Pirmasens, war während des Ersten Weltkrieges Mitbegründer der Dada-Bewegung in Zürich, überzeugter Pazifist und scharfer Zeitkritiker. Der enge Freund Hermann Hesses war dessen erster Biograph. Hugo Ball starb 1927 in Montagnola/Schweiz.


Byzantinisches Christentum
Drei Heiligenleben
Hg. und kommentiert von Bernd Wacker
Hugo Ball: Sämtliche Werke und Briefe
(Hg. von der Hugo-Ball-Gesellschaft, Pirmasens), Bd. 07
Göttingen 2011, 588 S., Leinen, Schutzumschlag
38,- € (D), Wallstein 2011


Untertänig-nationalistisch, stolz und voller Heldendrang zu Beginn des ersten Weltkrieges, aufrührerisch, religiös-pazifistisch und schließlich anarchistisch, Konventionen auflösend mit seinem Dada in der Folge, so kennen wir Hugo Ball in seiner Widersprüchlichkeit.
Als 1923 das Buch »Byzantinisches Christentum« erschien, hatte der 37-jährige Hugo Ball schon viel erlebt: Der Spross einer katholischen Bürgerfamilie in Pirmasens hatte sich im Philosophie-Studium intensiv mit Nietzsche beschäftigt. Doch statt zu promovieren spielte er Theater und lebte eine Weile vom Schreiben. Seine Begeisterung für den Ersten Weltkrieg schlug schnell um in eine radikal pazifistische Haltung. Später begeisterte er sich für den Anarchismus, gründete in Zürich das Cabaret-Voltaire, und war einer der zentralen Figuren des Dadaismus.
So stellte die Veröffentlichung des theologischen Textes, in dem sich Hugo Ball mit Quellen zu den Heiligenlegenden beschäftigt, die Zeitgenossen vor ein Rätsel. Bis heute ist die Hugo-Ball-Forschung von diesem Werk irritiert. Er forderdert nicht klares Denken, sondern lullt den Leser ein, auf dass er alles annehme, was ihm da präsentiert wird. Der katholische Theologe Bernd Wacker hat diesen sperrigen Text ediert, ausführlich kommentiert und mit einem ausführlichen Nachwort versehen. Dem Text beigefügt ist neben Rezensionen und einem bislang ungedruckten Kapitel auch der Entwurf einer Einleitung aus der Feder Hugo Balls.

Der Herausgeber
Bernd Wacker, geb. 1951, ist katholischer Theologe und seit 2009 Leiter der Karl-Rahner-Akademie in Köln.


Verbleibende Veranstaltungen in Pirmasens bis Ende 2011:
+ 22. September 2011, 20 Uhr, Walhalla-Kinocenter DEEF PIRMASENS, Multimediale Lesung mit Visuals und Musik, Eintritt: 7/5 Euro, Karten: kartenvorverkauf@pirmasens.de

+ Herbstferien 2011, JuKuWe, POETRY SLAM WORKSHOP HUGO BALL, IB in Zusammenarbeit mit dem LiteraturBüro Mainz e.V. Info: www.jukuwe-pirmasens.de

+ Do., 27. Oktober 2011, 15 Uhr, Treffpunkt: Stadtbücherei HUGO BALL - JUGENDJAHRE IN PIRMASENS -SPURENSUCHE, Gästeführung mit Anke Vogel und Vera Ulrich (G-IG), Dauer 2,5 h, Teilnahmebeitrag: 6 Euro, Info: A, Vogel, Tel. 06331 62124, AnkeVogel@G-IG.de

+ Do., 27. Oktober 2011, 19.30 Uhr, Carolinensaal, BLAULALA BALLUBASCH ... ODER ALS DER BALL INS ROLLEN KAM, eine DadaREVUE über Hugo Ball und die Folgen von Florian Kaplick, Stadtbücherei Pirmasens, Eintritt frei


+ Fr., 4. – Sa., 5. November 2011, VHS, Hans-Sachs-Str. 2, DADISMUS UND TANZ, Wochenendseminar mit Monika Weiß
+ Do., 10. November 2011, 20 Uhr, Carolinensaal, ULRICH KOCH, Lesung des Hugo-Ball-Förderpreisträgers 2011, Moderation: Michael Braun, Eintritt frei

+ Di., 15. November 2011, 20 Uhr, Festhalle, FALTSCH WAGONI: DEUTSCH IST DADA HOCH 3, Eintritt: 10/5 Euro, Karten: kartenvorverkauf@pirmasens.de, Tel. 06331 842352



+ Mi., 16. November 2011, 19 Uhr, Carolinensaal, Buchsweiler-Tor-Platz, DAS WORT UND DAS BILD SIND EINS, Maler und Dichter gehören zusammen: Hans Arp, Sophie Taeuber-Arp und Hugo Ball
Vortrag von Astrid von Asten, Arp Museum, Bahnhof Rolandseck | VHS Pirmasens
Eintritt: 3 / 2,50 Euro (Abendkasse)

+ Mi., 23, November 2011, 20 Uhr, Walhalla-Kinocenter, PATRICK ROTH, »IN MY LIFE - 12 PLACES I REMEMBER«, Film und Lesung mit dem Hugo-Ball-Preisträger 2002, Moderation: Michaela Kopp-Marx, Eintritt: 7/5 Euro, Karten: kartenvorverkauf@pirmasens.de;Tel. 06331 842352

Überregionale Veranstaltungen:
+++ 14. - 16. Oktober 2011, Erbacher Hof, Mainz, BALL, HESSE, BLOCH - Politik, Literatur, Religion und Psychoanalyse nach dem Ersten Weltkrieg. Eine Tagung der Hugo-Ball-Gesellschaft Pirmasens e.V.
www.hugo-ball-gesellschaft.de
+++ 18. November 2010 - 1. Mai 2011, Arp Museum, Bahnhof Rolandseck HANS ARP: TRAUMANATOMIE
Ausstellung, einschließlich Hugo-Ball-Raum in Zusammenarbeit mit der Hugo-Ball-Sammlung Pirmasens
www.arpmuseum.org


Sonntag, 10. Juli 2011

Lesetipp für den Sommer: 2x Lea Korte - "Die Maurin" und "Sommernacht auf Mallorca"

Lea Korte
Die Maurin
Originalausgabe
München 2010, 672 Seiten, Paperback,
€ [D] 9,95, Knaur Taschenbücher

Eine Liebe zwischen den Machtkämpfen der Reconquista
Spanien im 15. Jahrhundert: Zwischen Mauren und Christen toben erbitterte Kämpfe um die Herrschaft über Andalusien – und mittendrin steht Zahra. Als Hofdame Aischas, der Hauptfrau des tyrannischen Emirs von Granada, gerät sie in ein grausames Spiel dunkler Intrigen und rücksichtsloser Machtkämpfe. Dann verliebt sie sich ausgerechnet in den spanischen Ritter Gonsalvo de Córdoba – eine Liebe, die sie in tödliche Gefahr bringt.
Eine erzählerische Dichte wie bei Flaubert, dennoch leichter, versöhnlicher und weniger martialisch, aber voller Spannung versetzt uns Lea Korte detailgenau und bestens recherchiert in die spanische Geschichte des 15. Jahrhunderts. 


Lea Korte
geboren 1963, wanderte nach Abschluss ihres Studiums nach Spanien aus, wo sie zuerst in Katalonien und später im Baskenland und in Valencia als Übersetzerin und Autorin lebte. Von Anfang an setzte sie sich intensiv mit der Geschichte und Kultur ihrer Wahlheimat auseinander. Zusammen mit ihrem französischen Mann und ihren beiden Kindern lebt sie heute in Südspanien.





Lea Korte
Sommernacht auf Mallorca
Originalausgabe 
Berlin 2011, gebunden, 157 Seiten

9,95 €, Rütten & Loening (Aufbau Verlag)




Mallorca sehen – und sich verlieben?


Isabella hat den Männern abgeschworen, sie hat die Nase voll. Axel, ihr letzter Freund, hat sie betrogen, dabei war es eine gute Beziehung und Liebe. Oder doch nicht? Sie will vergessen und flieht nach Mallorca. Nicht das der Ballermänner, sondern das der Naturliebhaber und Freunde der mallorquinischen Lebensweise. Hier will sie nichts als ausspannen und vergessen. Doch kaum hat sie einen Fuß ins Hotel gesetzt, fühlt sie sich verfolgt. Ist Axel ihr hinterher gereist? Ein Mann hält sich immer in ihrer Nähe auf, ohne dass sie sagen könnte, wer es ist. Ein mysteriöser T-Shirt-Träger mit Jeans ... Ein Stalker? Ein Amerikaner namens Eric macht sie dagegen direkt und massiv an und legt ganz viel Wert auf ihre Begleitung, was sie anfangs strikt verweigert. Bei einer einsamen Wanderung taucht ein Fremder auf, er fällt ihr sozusagen den Berg hinunter in die Arme – der Fremde führt sie auf die Spuren von Chopin und George Sand, der Künstlermuse und Diva der Jahrhundertwende um 1900. Isabella ist drauf und dran, sich wieder zu verlieben … Bis sie erkennt, dass der sympathische Fremde offenbar ein Geheimnis hat...


Ein kurzweiliges und spannendes Leseerlebnis für den Pool oder Strand, alles so wirklich und nachvollziehbar. Manche Leserin wünscht sich diese Abenteuer vielleicht auch herbei, weil sie in einer ähnlichen Situation steckt ... 


Sommer, Strand und mehr – eine federleichte Liebesgeschichte, so der Verlag, und sie ist auch herrlich leicht, ohne auf Tiefgang zu verzichten.
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Donnerstag, 9. Dezember 2010

Kindergebete gerappt von Jonas und Erwin Hilbert

Der neunjährige Jonas Müller nahm im Sommer 2010 mit Erwin Hilbert und Florian Olszewski sieben gesungene Kindergebete auf. Modern und einfühlsam ist die Musik, und kindlich professionell begleitet Jonas Erwin Hilbert. Der Musiker, Maler und erfolgreiche Buchautor E. H. hat lange Zeit mit Udo Lindenberg zusammengearbeitet. Er ist überzeugt, dass die CD "LIEBER GOTT!" um die Erde gehen wird und Kinder wie Erwachsene bleibend erfreut.

Mehr von Erwin Hilbert und seiner Kunst finden Sie unter: www.eduardkratzfuss.de oder www. Himmelscafe.de


Siehe auch den Beitrag über Eduard Kratzfuss in winnerscoolblog
Hörprobe

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Samstag, 4. Dezember 2010

Unbekanntere Sitten und Bräuche: Barbaratag

 „Knospen an St. Barbara,
       sind zum Christfest Blüten da."

Kennen Sie die Tradition noch, am Barbaratag Zweige von Apfel- oder Kirschbäumen abzuschneiden und ins Wasser zu stellen? Anke Frfr.v.Fr. machte mich darauf aufmerksam. Blühen sie bis Weihnachten, ist das ein gutes Zeichen für die Zukunft oder das neue Jahr. Leider haben wir nur starren Frost im Moment, die Zukunft kann so wohl schlecht orakelt werden... Oft ist das Wissen um solche Bräuche nur noch auf dem Land lebendig. Der Barbarabrauch ist bei den Katholiken, Protestanten, Orthodoxen, Armeniern, Kopten und Syriern bekannt.
Die Tradition der blühenden Zweige geht vermutlich auf die "heidnische Lebensrute" zurück, einen alten Orakelbrauch, bei dem man von der Anzahl der Blüten auf die Fruchtbarkeit des kommenden Jahres schloss.
In heidnischen Zeiten berührte oder schlug man Frauen und Kinder mit der Rute, um die Lebenskraft und Fruchtbarkeit der Pflanze auf sie zu übertragen.
Die Tradition rührt auch von einer christlichen Legende her, nach der sich im Kleid der heiligen Barbara ein Kirschbaumzweig  verfangen haben soll, als man sie in den Kerker sperrte. Barbara pflegte ihn mit ihrem Trinkwasser. So trug er am Tage ihrer Hinrichtung schließlich Blüten. Barbara von Nikomedien ist eine christliche Märtyrerin, deren Existenz historisch nicht gesichert ist, dennoch gilt sie als eine der bekanntesten Heiligen und gehört zu den 14 Nothelfern.
foto: wikipedia
Die Geschichte um Barbara ist wie fast alles aus unserer geschichtlichen und christlichen Vorzeit eine Orgie der Grausamkeit und Perversion an einer Frau, die sich nicht der römischen Sitte unterwerfen und vom christlichen Glauben abwenden wollte. Sie wurde vom eigenen Vater eingesperrt, entkam, wurde von einem Schäfer verraten, der von Gott in einen Stein verwandet wurde, und vom Vater Dioscuros dem röm. Statthalter übergeben, der sie entsetzlich peinigte. "In der Stadt wurde sie schließlich so grausam misshandelt, dass ihre Haut am Ende in Fetzen vom Körper hing. In der Gefängniszelle erschien ihr Christus und heilte ihre Wunden. Der erbitterte Statthalter ließ sie nun in der Öffentlichkeit mit Keulen schlagen, die Brüste abschneiden und mit Fackeln foltern. Vor ihrem Tod betete Barbara, darauf hin erschien ein Engel und hüllte sie in ein schneeweiß leuchtendes Gewand. Letztendlich enthauptete der grausame Vater seine Tochter selbst. Er wurde kurz darauf vom Blitz getroffen und verbrannte." (wikipedia)
Sie ist unter anderem die Schutzheilige der Steinmetze, Elektriker, Architekten, Bergleute und der Gefangenen. Sie wird gegen Gewitter, Feuergefahr, Fieber, Pest und plötzlichen Tod angerufen. In Bergbauregionen  spielt der Barbaratag eine besondere Rolle, denn die heilige Barbara gilt als Schutzpatronin der Bergleute. Früher erhielten die Knappen im Bergwerk am Barbaratag das schützende „Barbaralicht". In vielen Bergwerken sind Schreine eingerichtet, in denen die heilige Barbara dargestellt ist.
Im Rheinland und anderen Gegenden beginnt die Zeit des Schenkens mit dem Barbaratag, zieht sich über den Nikolaustag bis zum orthodoxen Weihnachtsfest im Januar in Russland.