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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Montag, 19. Mai 2014

Soll Google entflechtet werden, um die Monopolstellung zu zerschlagen? Der Bundeswirtschaftsminister strebt dies an

Bundeskartellamt

Wirtschaftsminister Gabriel steuert einen neuen Ordnungsrahmen für den digitalen Markt an. Staatlich geprüft werden soll, "ob ein Unternehmen wie Google seine marktbeherrschende Stellung missbraucht, um durch die Beherrschung einer 'essential facility', einer wesentlichen Infrastruktur, Wettbewerber systematisch zu verdrängen."

Denkbar sind Entflechtungseingriffe des Bundeskartellamtes vergleichbar den Aktionen bei bei Strom- und Gasanbietern. "Wir fassen deshalb zuerst eine kartellrechtsähnliche Regulierung von Internetplattformen ins Auge. Marktwirtschaft ist für uns etwas anderes als ein 'Halsabschneider-Wettbewerb', bei dem die schier unbegrenzte Marktmacht des einen allen anderen die Bedingungen zur Marktteilnahme vorschreiben kann."

Die EU-Kommission hat bereits ein Verfahren gegen Google wegen möglicher Kartellverstöße eingeleitet. Mit einer Entscheidung der Kommission wird im Sommer gerechnet.

Deutsche und andere europäische Medienkonzerne und Internetkonkurrenten werfen Google seit längerem vor, eine Monopolstellung zu missbrauchen. Am Donnerstag kündigten die deutschen Verlage Axel Springer, Madsack und Funke, der französische Großverlag Lagardère sowie eine Reihe kleinerer Google-Wettbewerber der Firma von Larry Page eine Wettbewerbsbeschwerde an. Google habe in der Europäischen Union einen Marktanteil von über 90 Prozent und manipuliere seine Suchergebnisse, heißt es in dem "Manifest" des "Open Internet Projects".

Dienstag, 1. Oktober 2013

Dichterhain: DER STICH von Karin Michaeli


Der Stich

In die Augen und von da den Weg ins Herz
geht der Stich aus dem Universum geradewegs,
breitet sich aus über den Bauch bis in die Seele.

Wühlt Wolken auf und Schmetterlinge, aus denen
zum Ende hin nichts anderes werden als Motten.

Der letzte Tanz ist ein Tango-Macht-Schnitt,
geht geradewegs ins Gehirn, seziert es – legt bloß
die Gedanken, die Sehnsucht – die Dummheit

des Bauches, der nicht denkt, sondern frisst.
Wenn das Kotzen anfängt, ist Genesung in Sicht.
Katharsis im Tango-Macht-Schritt ? – Jetzt nicht !

Weiter tanzen auf anderem Parkett in Sälen
mit grellem Neon-Licht im Glanz der Wut !
Schreien mit geschlossenem weit offenen Mund  
bis zur Morgensonne, die hell, unschuldig, bunt
die Narben der Verletzungen immer wieder heilt.

Die Sonne ist die Schwester der Liebenden  
wärmt sie auf, macht sie schön und warm  
schickt in der Nacht die Sterne, den kalten Mond
zu den weinenden müde getanzten Seelenkindern.

Der letzte Stich, mein Freund, ist Universumsjob  
es richten am Ende die heiligen Kräfte der Natur,
die wohlgefällig die Fäden gesponnen haben...

(c) Karin Michaeli

Sonntag, 8. September 2013

Dichterhain: Heldengedicht an einen Edlen (George Doubleu B.) von Hermann Mensing



Heldengedicht an einen Edlen

Furchtloser Blick, mit dem du Sorgen heilst
packend dein Wort, das vor der Lüge eilt
erschreckend klar und hilfreich deine Sicht der Dinge
du fängst selbst unbekannte Feinde mit der Schlinge.
Und deine Mannschaft, hoch ist ihr IQ
noch höher fast als der IQ von DU
so hoch, dass man nur Gutes von Euch hört
wenn auch nicht jeder Kluge auf Euch schwört.
Wie du stahlhart im Blick das Ziel hast
und wie der kleinste Einwand schnell verbli-blasst
und wie geschickt du uns die Wahrheit sagst
und wie geschmeidig du die wagemut'gen Taten wagst.

Man kann nur froh sein, dass es dich und deinesgleichen gibt
die ohne Hoden hätten diesen Fall bestimmt versiebt
sie hätten nie gesehn, was dir in Florida längst klar war
dass da viel Geld und noch mehr Geld für alle da war.
Ich schließe nun und bete still für deine Ejakulationen
und hoffe, dass auch and're Gen'rationen
sich noch vor Stolz und Ehrfurcht an die Stirne schlagen
wenn sie sich in die Halle deines Ruhmes wagen.

(c) Hermann Mensing

Donnerstag, 22. März 2012

Buchbesprechung: Zerrissene Erinnerung


Irina Scherbakowa
Zerrissene Erinnerung
Der Umgang mit Stalinismus und Zweitem Weltkrieg
im heutigen Russland
Jena Center Geschichte des zo. Jahrhunderts.
Vorträge und Kolloquien, Bd. 7
September 2010, 152 S., franz. brosch.,
15,- € (D); Wallstein Verlag


Geschichtsbewusstsein und Geschichtsaufarbeitung in Russland sind bis heute ein schwie­riges Thema. Irina Scherbakowa beschreibt, wie Stalin die Geschichte instrumentalisierte, um Russlands Macht zu demonstrieren. Alles, was dem »Soldatensieger« widersprach, wur­de verleugnet und in Schweigen gehüllt: Es war verboten, seine Memoiren zu schreiben - zumindest wenn sie nicht dem glorreichen Bild entsprachen. Kriegsversehrte mussten in Heimen fern der Öffentlichkeit leben, Feinde und Verräter wurden ins Gulag gesteckt. Kriegsopfer- und Kriegsgefangenzahlen unterlagen strenger Geheimhaltung. Und wo es keine Opfer gab, waren auch keine Gedenkorte nötig. Die einzige Chnce, ihr Wissen und ihre Kenntnisse weiterzugeben, war der mündliche Weg. So auch bei vielen Verbannten, Unterdrückten, Verbotenen in der Nachstalinzeit, Liedermacher, Dichter, Autoren, Musiker, Maler ... Eine hochgradige Ungerechtigkeit.
Wie gingen und gehen Russen mit ihrer Geschichte um ? Dieses Thema beschäftigt Irina Scherbakowa im vorliegenden Essay, der auf Seminartage und öffentliche Vorträge an der Universität Jena im Semester 2008/2009 zurückgeht. Abgeschlossen wird der Band von einem Gespräch, in dem die Autorin über ihre Beweggründe und Motivation spricht.


Die Autorin
Irina Scherbakowa, geb. 1949, ist Historikerin und Publizistin. Sie arbeitet für die Menschen-rechtsorganisation »Memorial« in Moskau. Von 1992 bis 2007 lehrte sie am Zentrum für Oral History der Sozial- und Geisteswissenschaftlichen Universität Moskau. Sie war Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin und am Institut für die Wissenschaften vom Menschen in Wien. Veröffentlichungen u.a.: Unruhige Zeiten. Lebensgeschichten aus Russland und Deutschland (2006); Russlands Gedächtnis. Jugendliche entdecken vergessene Lebensge­schichten (2003); Nur ein Wunder konnte uns retten. Leben und Überleben unter Stalins Terror (2000).

Sonntag, 18. März 2012

Buchneuerscheinung: "Heilige Scheiße" als Generalabrechnung mit den Lügen


Im Interview: Stefan Bonner und Anne Weiss


Mit dem Megabestseller „Generation Doof“ haben Stefan Bonner und Anne Weiss 2008 den Nerv der Zeit getroffen. Die Grundfrage „Wie blöd sind wir eigentlich?“ sorgte monatelang für stürmische Diskussionen in den Medien. In ihrem neuen Buch „Heilige Scheiße – Wären wir ohne Religion wirklich besser dran?“ haben die beiden Erfolgsautoren die Themen Kirche, Glaube, Spiritualität etc. genauer unter die Lupe genommen, um herauszufinden wie sehr Religion heute eigentlich noch zum Lifestyle unserer Gesellschaft passt. In vielen Einzelschritten wird die Widersprüchlichkeit und die Unglaubwürdigkeit der Religion und ihrer Vertreter gezeigt, Beispiele für die plumpe Manipulation und schlichtweg "Verschafung" und "Verherdung" der Christen gefunden. Lebensanweisungen, die die Menschen einen und erziehen sollen. Vor allem eben untertänig, kirchengläubig und nutzbar machen. Fragt sich, ob der Islam nicht genauso einfach demontiert werden kann. Macht nur keiner, weil die Dolche schon in der Luft hängen. Im Interview erzählen Bonner und Weiss, was die Zahnfee mit ihrem Glauben zu tun hat und warum Neurowissenschaftler noch nie Gott im Gehirn ausfindig machen konnten.

(Passender Pressetext der Mannheimer "religionsfreien Zone" zur Problematik)

In Ihrem Buch schreiben Sie über das Thema Religion. Glauben Sie an Gott?
Wir sind beide christlich erzogen worden. Irgendwann konnten wir aber nicht mehr an Jungfrauengeburt und Bibelwunder glauben – beides erschien uns in etwa so realistisch wie die Mär von der Zahnfee. Bislang hat noch niemand, der behauptet hat, es gäbe einen Gott, auch einen stichhaltigen Beweis geliefert. Und wenn man sich die verschiedenen Götter im Verlauf der Menschheitsgeschichte ansieht, dann scheint da eine Menge Fantasie im Spiel zu sein. Die braucht man auch, um sich zu erklären, warum ein allmächtiger und gütiger Gott Kindesmissbrauch in der eigenen Kirche oder Katastrophen wie in Japan zulässt.

Wie haben Sie für das Buch recherchiert?
In „Heilige Scheiße“ stellen wir uns die Frage, was aus dem Christentum eigentlich geworden ist. Wer weiß heute noch, woran man da genau glauben soll? Wir haben das Glaubensgebäude unter die Lupe genommen und in ganz Deutschland mit Gläubigen und Ungläubigen gesprochen, mit Kirchenleuten, Religionslehrern, Theologen und Wissenschaftlern. Im Mittelpunkt steht dabei unsere eigene Generation: Lassen sich Leute, die im Hier und Jetzt via iPhone und Facebook mit Gott und der Welt kommunizieren, Lady Gaga gut finden und Vampirgeschichten lesen noch von einem zweitausend Jahre alten Männerclub für ein biblisches Paradies begeistern, auf das man bis nach dem Ableben warten muss?

Welchen Stellenwert hat die Religion in unserer heutigen Gesellschaft?
Viele brauchen die Kirchen nicht mehr für ihre persönliche Erleuchtung – die Moralvorstellungen der Kleriker passen ohnehin nicht mehr zum modernen Lifestyle der meisten Leute. Den Glaubensinstitutionen laufen daher die Schäfchen davon, immer mehr Menschen wenden sich anderen Religionen oder der Esoterik zu. Kritiker meinen ohnehin, dass die Welt ohne Religion friedlicher wäre. Unser Buch stellt die Frage, ob wir tatsächlich darauf verzichten können.

Warum sollte man „Heilige Scheiße“ unbedingt lesen?
Weil Sie dann bei dem Thema mitreden können, das spätestens zum Papstbesuch in Deutschland die Gemüter erhitzt. Denn eine Frage lässt keinen kalt: Ist da überhaupt einer? Und wenn ja, wie viele? Unser Buch wird Sie zum Zweifeln bringen, oder es führt dazu, dass sie wieder wirklich an etwas glauben, weil Sie bewusst alle Zweifel über Bord werfen. Im besten Fall bringt es Sie auch zum Lachen – das beste Gegenmittel gegen Engstirnigkeit.

Ist es respektlos, über Religion zu lachen?
Im Alltag unterhalten wir uns selten offen über Religion. Oder wissen Sie genau, was Ihre Freunde, Nachbarn, Kollegen glauben? Glaube ist Privatsache. Ganz zu schweigen davon, dass die meisten Menschen Witze über den Glauben meiden wie der Teufel das Weihwasser. Sie haben Angst, sie könnten die religiösen Gefühle ihres Gegenübers verletzen. Dennoch ist Lachen ein unvergleichlich gutes Mittel, um bei vielen schwierigen Themen das Eis zu brechen, Menschen zu verbinden und Dinge auch mal von der anderen Seite zu betrachten.

Gibt es die Rückkehr der Religionen – oder sind wir auf dem Weg in eine gottlose Welt?
Während des Weltjugendtages 2005 sah es tatsächlich so aus, als würde sich eine ganze Generation auf den Glauben besinnen. Auch heute ist die Bekenntnis zum Glauben in den Bestsellerlisten, in vielen Talkshows und politischen Diskussionen wieder en vogue. Gefühlt leben wir in einem christlichen Staat – aber wenn man genauer hinsieht, zeigt sich ein anderes Bild: Tatsächlich leeren sich die Kirchenbänke, und die neueste Shell-Jugendstudie ergab, dass Religion bei der jungen Generation in Wahrheit nur eine mäßige Rolle spielt: Lediglich 30 Prozent glauben überhaupt an einen persönlichen Gott.

Ist das Bedürfnis nach Spiritualität im Menschen angelegt?
Zahlreiche Neurowissenschaftler haben bislang vergeblich versucht, Gott im Gehirn ausfindig zu machen. Es gibt aller Wahrscheinlichkeit nach keine natürliche Veranlagung zum Glauben. Wichtiger für die Möglichkeit, religiöse Gefühle zu empfinden sind offenbar die Erziehung und das soziale Umfeld. Es gibt eben keine christlichen Kinder, sondern nur Kinder christlicher Eltern.
Aber was ist mit Menschen, deren Eltern Atheisten waren und die später zu irgendeiner Form des Glaubens finden? Es scheint bei etlichen Menschen ein spirituelles Grundbedürfnis zu geben – ganz allgemein gesprochen die Neugier darauf, woher wir kommen und wohin wir gehen. Wie bei jedem anderen Bedürfnis sind wir aber auch hier Kinder unserer Zeit: Der wachsende Esoterikmarkt und eine Vielzahl an neuen Glaubensgemeinschaften bieten für jeden Geschmack, jeden Geldbeutel und für jedes Bedürfnis die richtige Dosis Spiritualität. Wie viel Abzocke dabei stattfindet und wie sinnvoll ist, das bleibt dahingestellt. Klar ist aber: Die Kirche ist heute nicht mehr der Hauptanbieter für die Sinnfrage – andere mischen längst kräftig mit.

Glauben Sie, wir wären ohne Religion besser dran?
Stellen Sie sich folgende Frage: Was ist das Schlimmste und das Schönste, das Religion bisher angerichtet hat? Natürlich kann man ziemlich üble Dinge damit erleben – in vielen Gemeinschaften schafft sie ein Machtgefälle, das den Gläubigen abhängig und unmündig macht. Keine gute Sache. In der Geschichte war Religion daher oft das perfekte Mittel, um Macht zu erlangen, Menschen zu unterdrücken, Geld einzutreiben und Kriege anzuzetteln. Das macht Religion nicht an sich zu einer schlechten Sache - genauso haben Menschen viel Gutes im Namen ihrer Religion getan. Was man damit anfängt, ist also Sache des Einzelnen. Und so ist es auch eine sehr persönliche Angelegenheit, ob Sie mit Glauben besser fahren oder nicht. Seien Sie sich daher selbst der Nächste und fragen Sie sich: Was gibt mir Religion, und brauche ich sie, um meinem Leben einen Sinn zu geben? Vor allem sollte ich das Manifest meines Glaubens kennen: Kann ich das alles ohne zu zögern unterschreiben? Wer das für sich mit ja beantwortet, sollte weiterhin die Kirche aufsuchen. Dies spricht für das, was viele heute denken: Religion ist Privatsache und sollte auch nur von denjenigen finanziert werden, die in der Kirche bleiben – nicht vom Staat, wie dies immer noch stark der Fall ist.

Was ist das Skurrilste, das Ihnen im Zusammenhang mit diesem Buch passiert ist?
Nachdem Stefan seine Kirchenmitgliedschaft gekündigt hatte, erhielt er einen Brief des örtlichen Pfarrers mit der Einladung zum persönlichen Gespräch. Als er einwilligte, erreichte ihn die freudige Nachricht: „Herzlichen Glückwunsch, Herr Bonner: In zwanzig Jahren Dienstzeit sind Sie der Erste, der tatsächlich zu einem Gespräch bereit ist.“ Lediglich ein anderer Abtrünniger habe sich zuvor per E-Mail auf das Schreiben gemeldet. Der Pfarrer hatte sich nach den genauen Gründen für seine Entscheidung erkundigt. Die Antwort: Der Mann habe die Nase voll von den kruden Ansichten des Papstes. Der Pfarrer informierte ihn daraufhin, dass er gerade aus der evangelischen Kirche ausgetreten sei.

Ist es doof, wenn man an etwas glaubt?
Nein – den persönlichen Glauben kann man niemandem absprechen. Für viele Menschen ist die Gewissheit, dass es einen allmächtigen Schöpfer mit einem großen Plan gibt, ja eine wichtige Stütze im Leben. Allerdings gibt es etliche, die ihren Glauben heute nicht überdenken – sie behaupten, Christ zu sein, handeln im Alltag aber ganz anders. Schlimmer noch: Sie wissen oft gar nicht, woran sie da eigentlich glauben. Statistisch gehören zwar noch Zweidrittel der Deutschen einer der christlichen Kirchen an, aber die wenigsten von ihnen wissen noch, was wir an Christi Himmelfahrt oder Pfingsten feiern; in die Kirche geht kaum einer – und obwohl sich alle auf die zehn Gebote berufen, können die meisten maximal drei davon fehlerfrei aufsagen. Doof ist es also nicht, überhaupt zu glauben, sehr wohl aber, sich zu etwas zu bekennen, von dem man keinen blassen Schimmer hat.

Wann haben Sie zuletzt gebetet?
Stefan betet meistens, wenn wir zu einer Lesung fahren und sich Anne ans Steuer des Mietwagens setzt. Anne hat dann keine Zeit zu beten. Im Ernst: Gebetet haben wir zuletzt als Kinder, als wir uns noch sicher waren, dass man damit auch was ausrichten kann und uns wirklich einer zuhört. Später ist uns aufgefallen, dass es gar nicht sein kann, dass Gott Gebete erhört und gleichzeitig noch so viel Übel auf der Welt passieren lässt. Und überhaupt: in Afrika sterben Babys, Rohöl läuft in den Golf von Mexiko, Tsunamis zerstören Atomanlagen. Warum sollte ein Gott sich da um unsere popeligen Privatprobleme kümmern? Wenn es sicher wäre, dass man nur genug beten müsste, um seine Ziele zu erreichen, dann würde der Bundestag im Kölner Dom sitzen…

Wann waren Sie zuletzt in der Kirche?
Während der Recherchen haben wir einige Messen besucht, zuletzt das Domkapitelsamt in Köln. Zuvor waren wir schon ziemlich lange nicht mehr im Gottesdienst gewesen und hofften auf ein Gefühl von Einkehr, Gemeinschaft und Besinnlichkeit. Die Ernüchterung folgte auf dem Fuße. Durch die pompöse Aufführung, die Weihrauchwolken und die prächtigen Predigergewänder fühlten wir uns sofort ins Mittelalter zurückversetzt. Die Predigt kam uns vor wie ein Strom unverständlicher Floskeln und ließ sich moralisch nicht mit unserer modernen Weltvorstellung in Einklang bringen. Das geht uns nicht alleine so – viele vor allem jüngere Gläubige, mit denen wir gesprochen haben, können mit dem, was sie dort vorfinden, nichts mehr anfangen und suchen sich andere Betgelegenheiten, zum Beispiel in unabhängigen kleineren christlichen Gemeinschaften.

Donnerstag, 8. Juli 2010

Buchbesprechung: Die Tricks der Politiker

Thomas Hofer
Die Tricks der Politiker
Wien 2010, 253 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag,
22,95 €, Verlag Carl Ueberreuther


Der Autor Dr. Thomas Hofer M.A., ist einer der bekanntesten Politikberater Österreichs. Er analysiert politische Geschehen in Printmedien und im Fernsehen und hat schon mehrere Bücher veröffentlicht, z.B. "Obama. Der schwarze Visionär - Zeitenwende für die Weltpolitik?" In einer groß angelegten Betrachtung vergleicht er die österreichischen Politspielchen mit denen der großen US-amerikanischen Politiker, Kennedy, Reagan, die Clintons, Bush, Obama. Was SPÖ und ÖVP, FPÖ und die Demokraten wie Republikaner der USA mit allen anderen Politikern (z.B. aus D) verbindet ist ihre strategische, berechnende, stimmenbringende Vorgehensweise mit rhetorischen, taktischen, emotionalen, vernünftig klingenden Schachzügen bis hin zur vollkommenen Opferung der Wahrheitsinhalte. Nicht mehr die Sachverhalte zählen, sondern allein die Vermarktung der Person, das Stimmeneinfahren, das Auftreten zum richtigen Zeitpunkt, das Sicheinschmeicheln in die Wählergunst. Mal sanft argumentierend, mal den diktatorischen Redner in den Schatten stellend, mal turnend am Kletterseil oder mal Bob fahrend, bei der WM dabei sein und Gratulationen entgegen nehmend, als ob es die eigene Partei wäre, die den Sieg erringt... unser Kandidat kann alles, ist immer und überall dabei, will die Macht und das Einkommen, die fette Pension im Alter.
Politiker setzen Kalkül ein, die Macht der Emotionen, sie erzählen Geschichten, deren Wahrheitsgehalt oft nicht überprüfbar ist - Reagan schaffte es, die Sozialhilfeempfänger durch eine Lügengeschichte derart zu verunglimpfen, dass die Wähler landauf und landab in den USA die Hilfeempfänger als Bösewichte und Betrüger betrachteten, obwohl seine Erfindung der multikriminellen Bezieherin nicht überprüfbar war. Sie existierte nicht einmal! Außerdem war die Stütze nirgends so hoch. Archetypen und Mythen des Alltags wie "Gut gegen Böse", "Allein gegen die Mafia", "Der Retter/Beschützer/David ist da", "Der Mythos der Gestrandeten, die sich wieder aufrichten", "Der Weg vom Slum ins Paradies" und "Die goldene Zukunft" werden wieder und wieder bemüht, die Realität neu erfunden und eingefärbt. Der politische Gegner wird desavouiert, entkleidet und lächerlich gemacht, in einen Hinterhalt gelockt und ausgeknockt oder als Krimineller an die Wand gepinnt.
Der Autor zeigt uns übersichtlich und vollständig die fünf wichtigsten Prinzipien für Politstrategien, die zehn Narrative der Macht, die fünf Gebote für Politstorys, die Top 10 des Negative Campaigning (emotionalisieren, Gegner schwächen, Wähler täuschen und Angriffe durch unbekannte Dritte ausführen lassen) und last not least die Reaktionen der Angegriffenen. Und hier finden wir ebenfalls das tägliche und ennervierende Schauspiel im TV, in den Zeitungen und Zeitschriften, das Millionen von Menschen unterhält, ernährt und das Abendprogramm füllt, dabei Hundertausende von Mitarbeitern  s e h r  gut bezahlt und im Endeffekt nur entsetzlich auf den Keks geht: Manche sind der Meinung, das sei Demokratie. Das Medienspektakel als gelebte Demokratie. In Wahrheit keine Demokratie mehr auszumachen, so einfach kann Veräppelung sein.
Politiker ignorieren Attacken entweder oder sitzen die Holperstrecke aus oder sie leugnen und stellen richtig, sie entschuldigen sich, zeigen Reue, spielen die Opfer und reden nur über den Angriff statt über die Inhalte, sie schlagen mit gleichen, ähnlichen oder stärkeren Mitteln zurück oder immunisieren sich und die Wähler durch Vorwegnahme der Negativargumente. Die Strategen im Hintergrund operieren mit einer klar gegliederten Kommunikationsstrategie, die immer neu revidiert und verändert wird, aber im Grundzug eben Masche bleibt. So haben wir Sieger und Besiegte, aber oft keine Veränderungen, die wichtiger wären.
Ein wichtiges Buch, das uns die Augen öffnet für die Propagandamaschine Politik und warum die wesentlichen Probleme nicht gelöst werden können.



Horst-Eberhard Richter
Die hohe Kunst der Korruption. Erkenntnisse eines Politikberaters.
Hamburg 1989, 255 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, Hoffmann und Campe

Wer ein Stück weiter gehen möchte und gar von Korruption sprechen, der ist mit dem Klassiker des Psychoanalytikers Horst-Eberhard Richter "Die hohe Kunst der Korruption". Erkenntnisse eines Politikberaters" sehr gut bedient. Was unsere Politiker oft auszeichnet ist - um es mit Friedrich Nietzsche zu sagen - "Der Gewissensbiss ist, wie der Biss des Hundes gegen den Stein, eine Dummheit." In seiner Realsatire macht Richters imaginärer Politikberater sich zum engagierten Fürsprecher der Korruption. Nach Schilderung seines Werdeganges legt er systematisch dar, warum er Korruption für ein unentbehrliches Herrschaftsmittel der Führungsschicht hält. Ohne Korruption sei die Führung der Massen nicht mehr denkbar. Der Berater widmet sich auch der Fortbildung von Führungskräften, um die ars corrumpendi zu vervollkommnen...


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