Irina Scherbakowa
Zerrissene Erinnerung
Der Umgang mit Stalinismus und Zweitem Weltkrieg
im heutigen Russland
Jena Center Geschichte des zo. Jahrhunderts.
Vorträge und Kolloquien, Bd. 7
September 2010, 152 S., franz. brosch.,
15,- € (D); Wallstein Verlag
Geschichtsbewusstsein und Geschichtsaufarbeitung in Russland sind bis heute ein schwieriges Thema. Irina Scherbakowa beschreibt, wie Stalin die Geschichte instrumentalisierte, um Russlands Macht zu demonstrieren. Alles, was dem »Soldatensieger« widersprach, wurde verleugnet und in Schweigen gehüllt: Es war verboten, seine Memoiren zu schreiben - zumindest wenn sie nicht dem glorreichen Bild entsprachen. Kriegsversehrte mussten in Heimen fern der Öffentlichkeit leben, Feinde und Verräter wurden ins Gulag gesteckt. Kriegsopfer- und Kriegsgefangenzahlen unterlagen strenger Geheimhaltung. Und wo es keine Opfer gab, waren auch keine Gedenkorte nötig. Die einzige Chnce, ihr Wissen und ihre Kenntnisse weiterzugeben, war der mündliche Weg. So auch bei vielen Verbannten, Unterdrückten, Verbotenen in der Nachstalinzeit, Liedermacher, Dichter, Autoren, Musiker, Maler ... Eine hochgradige Ungerechtigkeit.
Wie gingen und gehen Russen mit ihrer Geschichte um ? Dieses Thema beschäftigt Irina Scherbakowa im vorliegenden Essay, der auf Seminartage und öffentliche Vorträge an der Universität Jena im Semester 2008/2009 zurückgeht. Abgeschlossen wird der Band von einem Gespräch, in dem die Autorin über ihre Beweggründe und Motivation spricht.
Die Autorin
Irina Scherbakowa, geb. 1949, ist Historikerin und Publizistin. Sie arbeitet für die Menschen-rechtsorganisation »Memorial« in Moskau. Von 1992 bis 2007 lehrte sie am Zentrum für Oral History der Sozial- und Geisteswissenschaftlichen Universität Moskau. Sie war Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin und am Institut für die Wissenschaften vom Menschen in Wien. Veröffentlichungen u.a.: Unruhige Zeiten. Lebensgeschichten aus Russland und Deutschland (2006); Russlands Gedächtnis. Jugendliche entdecken vergessene Lebensgeschichten (2003); Nur ein Wunder konnte uns retten. Leben und Überleben unter Stalins Terror (2000).