Lisa Fitz als Putzfrau Hilde (c) Stefan Vieregg |
Lisa Fitz, seit rund 32 Jahren mit bissig-bayrischem Kabarett auf der Bühne, und noch länger als Schauspielerin und Sängerin, hat im Mannheimer Capitol gezeigt, dass man auch mit 64 Jahren noch locker ein unterhaltsames Programm mit einigen Speerspitzen in alle Richtungen zelebrieren kann. Kein giftiger Biss, der zum überraschten Nachdenken zwingt, aber viele Probleme, bei denen die Leute sagen: Genau, so sehe ich das auch! Und wie viele Frauen haben bei all den eindringlichen Frauenproblemen mit den Männern aufgelacht, endlich sagt das mal wieder jemand frei und frech von der Bühne runter!
"Weltmeisterinnen - gewonnen wird im Kopf", das ist der Titel des aktuellen Programms. Die Frauenfiguren Hilde Eberl, Putzfrau, die Feministin Inge von Stein in Leder, die verführerische Geheimagentin Olga Geheimnikowa wie aus einem billigen Film und die CSU-Abgeordnete Gerda Wimmer im schrillen Landei-Look sollen Weltmeisterinnen in ihrem Universum sein. Jedenfalls haben sie die große Klappe dazu. Falls das nicht, dann wenigstens kollektive Weltmeisterinnen im Fußball. Männer sind passé, bei allen. Na ja, Olga noch ein bisschen. Die erste tratscht ein bisschen beim Arbeiten, die zweite hat kapiert, dass das Abhören eine Katastrophe ist, die dritte betont, dass die Geostrategie nach wie vor die Taktik der Stunde ist, und Gerda erkennt, dass Bayern arabisch wird.
Bei Hilde wissen wir gleich, wo's lang geht, die Lage der Politik eindeutig offen auf dem Tisch: "Politiker gehen nicht arbeiten, und wir nicht wählen." Kein Wunder, dass so viel Stuss passiert. Gerade das mit dem Radio-frequency identification (RFID)! Wahrscheinlich demnächst ab Geburt zur Abrechnung an allen möglichen Orten bereits implantiert, zum Beispiel beim Discobesuch freies Konsumieren, und bei Mama läuft die Rechnung auf. Nichts mehr von all dem Aufbegehren der Hilde-Zeitgenossen früher, Widerstände, Demos, Glaubenskriege, nein, die Generation, die damals schon lieber Wirt, Postler, Bahner oder Polizist wurde, gibt es heute noch mehr. Böse, böse: Wer nix kann und nix ist wird Polizist, hieß es damals. Dazu ein Liedchen.
Inge ist Journalistin mit Magister, schreibt Kritiken, und zwar kräftige, so dass es häufig zu Auseinandersetzungen kommt. Sie ist von der Kommunikationswelt entsetzt, die Kinder simsen sich am Tisch schweigend Gespräche zu. Vorteil: Es erzieht und hält ruhig! Für Erwachsene ist das Handy das beste Kontrollinstrument. Der Abhörspion sitzt nicht in den USA, sondern "in der Jackentasche"! Alles wird geortet und überprüft, auch die Kinder oder umgekehrt, müsste man hinzufügen, und dennoch nur verschwindend kleine Terroristen-Funde ... Unsere Kommunikation und Überwachung hat sich gravierend geändert, auch für den "ferngesteuerten Hosenanzug" Angela M. in Berlin. Wir als Verbraucher sind letztlich nur noch Laborratten mit Geldbeutel. Alle Überwachung nur Wirtschaftsspionage ... Das perfekte Bild des Verbrauchers wird also gesucht, das steht dahinter! Auch ein Indiz für die elektronische Überbetonung: Ip-Adressen gibt es so viele pro mm², dass man aufpassen muss, nicht Millionen beim Gehen zu zerstören.
Olga macht klar, dass alle Überwachung in Russland noch stärker ist. Wäre unser Reichstag fest in russischer Hand, würde er leuchten vor lauter Wanzen. Außerdem beschäftigt man sich viel mit Geostrategie, vor allem die der USA, um es dann selbst auch richtig zu machen. Fitz macht hier keinen Schlenker zu der aktuellen geostrategischen Absurdsituation Syrien, wo wochenlang unkoordiniert zwischen den Großmächten ganz andere Interessen verfolgt wurden als IS-Bekämpfung. Beide Mächte am Strategiepunkt Öl und Mittelmeerzugang. Die einen Richtung Krim, die anderen Richtung Gibraltar. Ärgern soll sich immer der Dritte bei der Geostrategie, laut Olgas Definition, das wäre hier Syrien, die ihren Konflikt nicht verlassen sollen (dürfen). Hat die rebellische Opposition in Syrien das Geld, Waffen, Know-how der Amerikaner zur IS getragen, ist Assad keinen Schritt weiter. Soll so sein? Die Achse beginnt bereits im Irak und und dem Öl und geht durch bis Kasachstan und dem Öl. Und auf dieser Achse gibt es Konflikte, an denen beide basteln. Drogengeschäfte der ganz großen Art noch dazwischen. Wie wahr ... Die US-Politik erscheint als überzeugte Aktion, Demokratie in die Länder zu bomben, wo Öl ist. Ob die gegenwärtige Flüchtlingssituation auch damit zusammenhängt, dass dem Alkohol in Europa - wir haben ja nationale Hauptdrogen und unterschiedliche Fahnen, die uns unterscheiden - stark zugesprochen wird? Lisa Fitz via Olga sagt nichts darüber, dass er stumpf im Verstand macht und so manches verschleiert.
Und Gerda? Als (wie sich später rausstellt) fast schon anarchistisches Mitglied in der CSU weiß sie, dass die Partei alles fest in der Hand hat. Vom frühen Praktikum bei der CSU für die Schüler bis zum Horstifat, das man sich bei den Migranten abgeschaut hat. Sie glaubt erst an wahre Emanzipation und Arabisierung, wenn der Mann hinter der Frau läuft, eine Trachtenburka auf dem Markt ist und wenn alle zum Dauerslogan "Hopfen und Malz, Allah erhalt's" übergehen. Der Pfarrer als Muezin vom Kirchturm sowieso! Im Übrigen ist der Landtag nebst seinen männlichen Vertretern so stur, dass Frecking unterm Fundament wirklich Sinn machen würde.
Und zuletzt Lisa Fitz als Vorleserin eines eigenen Textes, der die wahren Grabenkämpfe zwischen den Geschlechtern und erzkonservative Sturköpfigkeit beleuchtet: "Salz fehlt!" Die Verweigerung, dem Ehemann Salz zu holen, führt zu wahren Abgründen, alle beteiligen sich an dieser sinnlosen Diskussion, auch die Kinder, Frontenbildung und Spannung, in der der echte Sturkopf drauf beharrt: "Die Frau holt das Salz!" Die Wurzel vielerlei Übels, vom Frauenunterdrückung bis Fremdenfeindlickeit. Nur Frauenpower kann den Unsinn abstellen.
Ein runder Abend, unterbrochen mit harmlosen Liedern, der so vieles bestätigt, manches nicht angesprochen und ganz Krasses weggelassen hat. Großer Beifall der Fans im komplett besetzten Capitol für eine immer noch streitbare Kabarettistin, die nicht an Rente denkt.