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Mittwoch, 29. Januar 2014

Serie: (4) Die wunderbaren Begebenheiten des Grafen Alethes von Lindenstein. Von Friedrich Baron de la Motte Fouqué


Viertes Kapitel


Schon seit Wochen befanden sich Alethes und Berthold in Paris, ohne in dem Gewimmel des üppigen Hofes Freude und Befriedigung anzutreffen. Obgleich das Geschäft, wegen dessen Alethes hier war, einen nicht ungünstigen Gang nahm, fühlte er dennoch sich selbst auf eine wunderliche Weise befangen und verstört. Er wollte sich den Antheil nicht ganz gestehn, den die abwesende Yolande an den Bewegungen seines Innern hatte, und doch übte ihr Bild eine so gewaltige Herrschaft über ihn aus, daß fast sein ganzes jetziges Leben unwillkürlich nur in Bezug auf sie verlebt ward. Wie ein edler Hirsch, hart verwundet, in den laubreichsten, herrlichsten Wald unter kleineres Wild entkommen, und dorten in lustigen Scherzen das tiefe innre Weh vergessen wollend, wenn auch sein eigner Purpur den Rasen reichlich tränkt, und ihn schwer des kranken Herzens Schläge an seine Verletzung mahnen, – so erging sich Alethes in der prächtigen Hauptstadt, unter den galanten Hofleuten, die nicht unterlassen konnten, ihn zu bewundern, ob sie ihm gleich mit einer Art von Gutmüthigkeit mehr savoir vivre anwünschten. Berthold war noch unzufriedner mit der umgebenden Welt, dagegen er aber in seinem Gemüthe einiger war. Er gehörte unveränderlich ganz Similden, und überließ sich der süßen Neigung reinen Gewissens und gern, nur daß er gehofft hatte, an Alethes Seite zu Schlachten und reichen, stets neuen romantischen Thaten zu fliegen, statt dessen er sich nun von einem formellen, und wie es ihm vorkam, engherzigen Hofhalt befangen sah. Die gesellige Lustigkeit, welche hier herrschte, entschädigte ihn wenig oder gar nicht. Er verstand sie nicht, und fühlte wohl, daß er darin nicht gefallen könne.
Als sie eines Abends allein zu Haus waren, befragte ihn Alethes über seine Verstimmung, und erwiederte auf seine offenherzigen Klagen: es sey nun einmal nicht anders im Leben. Wer bedeutende Früchte schau'n wolle, müsse auch warten können; nothfalls in der freudlosesten Umgebung, welches doch hier nicht einmal der Fall sey.
Für mich wohl! entgegnete Berthold. Die Leute hier sind mir fremd, und ich ihnen. Wir stehn von einander ab, wie durch meilenlange Wüsten geschieden, wo man unterweges so oft hat gähnen müssen, daß Jedwedem beim endlichen Zusammentreffen der letzte Rest von Lebenskraft und Lebenslust entschwunden ist, so, daß beiden Parthen wieder nichts übrig bleibt, als abermals zu gähnen, einen Reverenz zu machen, und zu sagen: adieu, Monsieur, au plaisir de Vous revoir. Und wollt mich nur nicht überreden, edler Graf, Euch sey hier besser zu Muthe. Die Falten Eurer Stirn, das düstre Feuer Eures Auges, Euer ganzes Wesen spricht laut und unwiderruflich dagegen. Bei mir ist's anders, sagte Alethes. Und wenn ich Euch sagen möchte und könnte, wie es anders ist, fändet Ihr freilich an mir noch weit mehr Ursach zu Vorlesungen, als ich an Euch.
Sie wurden unterbrochen. Gaston, ein junger, sehr vornehmer und beim Könige beliebter Franzose, der in Alethes Entwürfe mit vielem Eifer befördernd einging, ward gemeldet und angenommen.
Der kann doch nicht anders, als Euch gefallen, lieber Berthold; sagte Alethes, während man den Eintritt des Gastes erwartete.
Es ist wahr, antwortete Berthold, er ragt unter den Andern weit hervor, und verbindet mit seiner Zierlichkeit eine Innigkeit, die jene liebenswerth macht. Zudem hat er eine Ahnung dessen, was ihm und seinen Landsleuten fehlt, und blickt deshalb mit der schuldigen Ehrfurcht zu Euerm Ernst und Biedermuth und zu Eurer strengen Ritterlichkeit hinauf.
Sie glichen ihm ehemals alle, diese Franzosen, sagte Alethes, wie Ihr es aus ihren alten Geschichten und Liedern wahrnehmen könnt.
Noch viel besser wären sie, als er! rief Berthold; denn wo er nur mit guten Wünschen hinstrebt, lebte bei ihnen die Wahrheit und Kraft freudig auf erstiegnen Gipfeln. Aber was helfen jene trefflichen Vorfahren uns, die wir mit den heutigen Nachkommen umzugehn verdammt sind!
Gaston trat in's Gemach, und wandte sich gleich nach den ersten Begrüßungen freundlich an Berthold. Er habe seine Stimme bereits auf der Treppe vernommen, sagte er; nur leider verstehe er kein Deutsch, sonst könne er ihm gewißlich alles von Wort zu Wort wiederholen.
Wer weiß, ob Ihr Behagen daran fändet? antwortete Berthold.
O, mais sans doute, – meinte Gaston, und sich auf ein Sopha werfend, machte er allerhand Spaß über die ernsthafte Begeisterung, in die Berthold, und wohl endlich ein jeder Deutscher so leicht über geringfügige Dinge gerathe, und wie sich das immer durch ein recht imposantes Erheben der Stimme äußre.
Ich möchte wohl einmal mit einer flüsternden Begeistrung zusammen treffen, so um der Seltenheit willen; sagte Alethes lächelnd. Berthold aber begann finster zu werden, und suchte eine Gelegenheit, sich zu entfernen, als Gaston mit recht innigem Ernste über die Herrlichkeit solcher Augenblicke sprach, wo der Geist nur sich selbst kenne, und seine Liebe, wo seine Ergüsse zu rücksichtslosen, Alles hinreißenden Strömen würden, und die conventionelle Klugheit zusammenschrumpfe oder verstäube vor der gewaltigen Erscheinung. Und wehmüthig klagte er weiter, wie immer seltner solche Lichtblicke durch die Säle der parisischen Schlösser drängen, wie es in seiner Kindheit, als er noch auf einer Burg seines Vaters bei Marseille gelebt habe, viel hübscher gewesen sey – dann plötzlich seine Rede unterbrechend sang er einige provenzalische Liedchen, deren Refrain er mit stillem Behagen, wie ein sehnsüchtiges Echo, wiederholte.
Die beiden Deutschen fühlten sich dadurch bewegt, als Gaston aufsprang, und freundlich zu Alethes sagte: übermorgen ist Ball und Souper im Park von Fontainebleau, wie Ihr wißt. Wir tanzen eine Quadrille von Wilden; Ihr thut uns wohl nicht den Gefallen dabei zu seyn, lieber Graf?
Er sagte das mit einer so kindlichen Weichheit des Ton's, wie noch aus den Liedern herübergenommen, daß Berthold fast unwillig ward, als Alethes sehr fremd und höflich antwortete: es würde mir viel Ehre seyn, aber mein eignes Ungeschick schließt mich von allen Vermummungen aus.
Da nun Gaston sich mit einigen fragenden Worten in derselben Angelegenheit an Berthold wandte, gab dieser seine Einwilligung auf' s liebreichste, um, wie er meinte, dem freundlichen Jüngling sein Vergnügen nicht zu verderben.
Nun ja, sagte Gaston. So kann ich's dem Marquis de Saint Croix, oder dem fremden Prinzen – ja das ist besser – dem kann ich's absagen lassen. Ja, ja, es wird gehn. Es soll dabei bleiben, mein Lieber. Sie können mittanzen.
Und nach einigen ganz unbedeutenden Redensarten drehte er sich zur Thür hinaus.
Berthold sah ihm zornglühend nach. – Leiden wir's, rief er endlich, daß er seinen Spaß mit uns trieb? Daß er uns weichherzig gemacht hat, um über uns lachen zu können?
Gott bewahre, sagte Alethes. Das ist ihm nicht eingefallen. Er dachte vorhin wirklich an den blauen Himmel der Provence, und an die singenden Mädchen und blühenden Sträucher in den Thälern dort, und da ward's ihm weich und mild, so, daß er uns zum Tanze einlud, wie in den Tagen seiner lieblichen Unschuld die Gefährten zum Spiele. Sobald er aber die Quadrille zu Stande hatte, und recht lebhaft an Fontainebleau erinnert ward, wie auch daran, daß er ein Elegant dieses Hofes sey, schämte er sich vermuthlich seiner und unser zugleich, und spielte statt eines süßen Kinderspiels die Beschützerrolle. Jetzt redet er sich vielleicht selbst ein, er habe uns mit seiner Weichheit nur geneckt. Es ist aber nicht wahr.
Daß ich nun mit in seinem Tanze figuriren muß! murmelte Berthold unwillig.
Er figurirt vielmehr in Euerm, sagte Alethes, wenn Ihr Euch und ihn ordentlich versteht, denn wo ihn sein wahrhaftes, eigentliches Gemüth lenkt, ist er ein liebevoller Mitspieler in dem großen Reigen der Gottheit, und wo er was Anders will, dient er, wie all dergleichen Kunsttänzer thun, der Schöpfung zum recht possierlichen Affen.