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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Samstag, 14. Februar 2015

Wie war's bei DIE REICHSGRÜNDER oder DAS SCHMÜRZ in Kaiserslautern?

Boris Vian, geboren 1920 und gestorben 1959, war eine schillernde und schräge Figur  im französischen Literaturbetrieb.  Als Schriftsteller, Jazztrompeter, Chansonnier, Schauspieler, Übersetzer und Leiter der Jazzplattenabteilung bei Philips behauptete er einen nicht sehr berühmten, aber doch bekannten und posthum kultigen Stand. Nicht nur sein Streit mit Sartre, der sich für Vians Frau interessierte und sie auch als Geliebte gewann, brachte neuen Schwung ins zeitgenössische Geistesleben, sondern auch der Roman "J'irai cracher sur vos tombes" / "Ich werde auf eure Gräber spucken" (1946). Als satirische Imitation der Trivialliteratur - angeboten als angebliche Übersetzung eines Sex-and-crime-Romans eines afro-amerikanischen Autors namens Vernon Sullivan - erregte er die Gemüter und holte er sich eine Verurteilung wegen "Unmoral". Später gab es einen Film dazu, der den herzkranken Vian vor der Preview schon so belastete, dass er starb. Gegen Sartres "Les Temps modernes" stellte er aus besagtem Grund (Vians Ehe wurde 1952 geschieden) eine regelmäßige ironische "Chronique du menteur" / "Chronik des Lügners".
Sein Roman "L'Écume des jours" / "Der Schaum der Tage" (1946), eine surrealistisch verfremdete, elegisch-tragische Liebesgeschichte brachte ihm erst nach seinem Tod  in den 60er/70er Jahren des 20. Jahrhunderts ordentlichen Erfolg. Er wurde zum Kultbuch bei jungen Lesern. Der Roman wurde 1968, 1993 und 2013 verfilmt.

Ebenfalls Erfolg brachte ihm neben seinen 400 Gedichten sowie seinem Aufruf zur Fahnenflucht wegen Indochina und Algerien das Theaterstück "Les Bâtisseurs d'empire ou Le Schmurtz" / "Die Reichsgründer oder das Schmürz" (UA 1959).
Diese Spielzeit in Darmstadt und Kaiserslautern zu sehen. Ich habe eine Vorstellung im Pfalztheater Kaiserslautern auf der Werkstattbühne besucht.



Was sich im Laufe des Spiels als Abkömmling des absurden Theaters zeigte, mit vielen grotesken, irrealen und unsinnigen Reden und Handlungen, ist eine sehr gelungene Bühnenmetapher für die französische Situation in den 1950er Jahren. Nicht nur das Nachhallen der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg, die Kollaboration des Vichy-Regimes mit den Nazis, die vergangene und noch nachwirkende Akzeptanz des Faschismus, auch die Indochina- und Algerienkrise ließen Frankreichs Intellektuelle Stellung beziehen. Das Klima im Land war nationalistisch, konservativ, die Kolonialstaaten standen auf dem Spiel, die Linken waren für Aufklärung und Beendigung des Kolonialzeitalters. In diesen Zeiten haben sich sicher Konservative zusammengefunden, aber auch Faschismusanhänger und -täter in Frankreich zurückgezogen und bedeckt gehalten. Dass die Vergangenheit einen nicht loslässt zeigt Vian in seinem Stück anhand von Léon, dem Vater und Reserveoffizier, heimlichen Anhänger des Faschismus, wie die Regie unter Harald Demmer mit Melanie Pollmann als Dramaturgin herausarbeitet.

Die Familie, Léon und Anna als Eltern, Zénobie, die Tochter, zu Beginn noch an Bord Cruche, das Dienstmädchen, flüchten aus den unteren Stockwerken eines recht absurden Hauses. Einfallsreich die Bühne von Manfred Schneider, der ein Schranklabyrinth aufeinandergesetzt hat, in dem die Schauspieler immer wieder mal verschwinden oder sich "ablegen" können, wie Cruche, die eigentümliche Relaxstellungen einnimmt. Léon (überzeugend Henning Kohne) ist laut und dominant, schreit viel und spricht laut, er muss sich behaupten, die Vergangenheit ist hinter ihm her. Zwei Ausprägungen davon gibt es: ein unheimliches bedrohliches Geräusch und ein fast leblos herumrobbender blutig verbundener Mensch, das Schmürz. Kommt das Geräusch, wird Schmürz aktiv, stellt sich und wird von Vibrationen heimgesucht, während er auf die anderen zutorkelt. Dieses personfizierte schlechte Gewissen aus der Vergangenheit, das kollektive Opferlamm, das sich auch an Léon erinnert, bekommt unentwegt Aggressionen zu spüren. Es ist sogar für alle Familienangehörige Pflicht, es zu bestrafen, zu schlagen, zu quälen. Der Punchingball der Gefühle, der Schwächere, der alles abbekommen muss. Nur Zénobie versucht ihm Gutes zu tun, es artet in eine Art dankbaren Übergriff von Schmürz aus ...




Aber eigentlich erinnert Léon sich ja nicht. Er tut mal so. Wie seine Frau. Sie trällert Opern, strickt und ist immer guter Dinge. Dass sie früher mal in einer großen Wohnung mit 6 Zimmern, Salon, luxoriös gelebt haben, heute nur noch in 2 Zimmern, heruntergekommen. "Nur die Jungen erinnern sich, die Alten vergessen alles!", bemerkt Zénobie. Er träumt und fantasiert alles gut: "Es wird wie früher sein, nur weniger schön [...], und dann werden wir nur ein einziges Zimmer haben." Die Alten tun naiv so, als ob alles immer neu wäre, dabei ist es die immergleiche Flucht. Geräusch, Bedrohung, Flucht in die nächsthöhere Etage, das Schmürz krabbelt, bekommt Schläge, Hiebe, Tritte, Stiche mit den Stricknadeln und Cruches Geschenk, bevor sie geht, gar eine Ohrreinigung mit dem Korkenzieher. Das ist theatralisch aufbereitet und spürbar schmerzhaft.
So wie es draußen ist, deklamiert Léon, wäre alles ein Opfer der schwindenden Demagogie und verfällt zugleich in Hitlers knarzende Rhetorik. Während er eine Nazipostille liest, wird klar, dass der Sohn des Nachbarn mysteriös verstorben ist: "Weil er die Treppe hinunterging?" Die Tochter soll sich ein Bett beim Nachbarn ausleihen, der sehr interessiert an Frau Mama ist, und verschwindet auch. Mit den lapidaren Worten, dass Kinder schnell aufwachsen und manchmal auch schnell weg sind, wird das Ganze vergessen: "Irgendwann verlassen Kinder eben die Eltern. Und das ist gut so." Die Frau verlässt ihn wenig später auch, hat genug, und zurück bleibt Léon, 49, alleinstehend, Gebiss in gutem Zustand, der manchmal glaubt, dass er die Erinnerung eines anderen hat. Er erinnert das, was ein anderer erinnern könnte, und das reicht für eine Flucht. In seiner Reserveoffiziersuniform ruft er aus: "Ich habe keine Zeit für Inventur! [...] Ich habe keine Rechenschaft abzugeben! [...] Ich war immer allein! [...] Ich wusste nicht!" und stürzt sich von der letzten Station seiner Reise, dem 1-Zimmer-Raum unterm Dach, auf die Straße.

Markus Penne als Schmürz hat die undankbarste Rolle in diesem Stück und überlebt nur, weil er gut gegen Schläge gepolstert ist. Nikola Norgauer als Anna spielt frisch und lebendig die abwiegelnde, immerlustige, unterwürfige und liebevolle Frau. Zénobie, die Tochter, ist für ihren Infantilismus zu groß geraten, zu langbeinig und verführerisch, schwer regrediert und infantilisiert. Cruche, das genervte Zimmermädchen, fordernd, gerade noch genug servil für ihren Job und kess von Natalie Forester. Dominique Bals als Überbleibsel der kleinbürgerlichen Salonlöwenkultur im französischen Morgenmantel. Ein eigenwilliges Stück, mit viel paradoxem Nonsense und absurd-grotesker Leere wie bei Harold Pinter.

Dienstag, 29. Oktober 2013

Buchtipp: Boris Vian. Der Prinz von Saint-Germain. Von Klaus Völker



Klaus Völker 
Boris Vian
Der Prinz von Saint-Germain
WAT [529]. 2006

192 Seiten. Broschiert
Überarbeitete Neuausgabe.

12,90 €
ISBN 978-3-8031-2529-3
Die legendäre Pariser Kulturrevolution, die unter dem Stichwort »Existentialismus« in die Nachkriegsgeschichte einging und den Stadtteil Saint-Germain-des-Prés samt vielen seiner Bewohner berühmt machte, hat in dem Schriftsteller, Ingenieur, Drehbuchautor, Schauspieler und Jazzmusiker Boris Vian ihren vielseitigsten, lautesten, zugleich aber auch sensibelsten Chronisten gefunden.Seine vielen Talente: prächtig. Seine Versteckspiele: frech. Seine Täuschungen: raffiniert. Ein leidenschaftlicher Provokateur, der unter schwerer Weihwedelphobie litt, Sartre zu seinen besten Freunden zählte und sich zuweilen selbst übersetzte.
Klaus Völker hat den Prinzen von Saint-Germain noch selbst erlebt: Er sammelte zahllose unbekannte Dokumente, Erinnerungen seiner Freunde, seines Entdeckers Raymond Queneau, seiner Feinde in Justiz und Klerus und rare Photos von Boris Vian und seiner Umgebung. Seine viel gelobte Biographie – in einer überarbeiteten und aktualisierten Neuausgabe – ist die einzige auf deutsch lieferbare.

Freitag, 4. Oktober 2013

Seit 3. Oktober im Kino: DER SCHAUM DER TAGE von Michel Gondry



Der Schaum der Tage ist die Romanverfilmung des Debütromans ’L’écume des jours’ von Boris Vian aus dem Jahre 1947, mit dem der damals 27-jährige Nachwuchsautor sein Vorbild Jean-Paul Sartre beeindrucken wollte – was ihm gelang. Vian war ein französischer Schriftsteller, Chansonnier und Jazz-Musiker, dessen Romane nach seinem frühen Tod 1959 oft vergessen wurden. Heute allerdings gilt er als einer der bedeutendsten und interessantesten Autoren der französischen Nachkriegszeit. Er zeichnete sich vor allem durch die Übertragung des amerikanischen Pulp-Genres (I Spit On Your Grave) nach Frankreich aus, aber auch surrealistisch-bizarre Stoffe waren eine Vorliebe des Autors. Boris Vian war auch als Schauspieler tätig, wie zum Beispiel in der Verfilmung von Choderlos de Laclos’ Briefroman Gefährliche Liebschaften aus dem Jahre 1959.



Dieses cineastische Meisterwerk von Kultregisseur Michel Gondry nach dem visionären Roman von Boris Vian mit Audrey Tautou und Roman Duris in den Hauptrollen hat eine irreale Handlung.
Romain Duris kann das Leben seiner Ehefrau Audrey Tautou nur retten, indem er sie mit frischen Blumen umgibt.
Michel Gondry, der aus Filmen wie Vergiss mein nicht! und The Green Hornet bekannt ist, inszeniert Der Schaum der Tage sehr nahe am Roman – und damit sehr weit weg von der alltäglichen Realität. Wie er in Science of Sleep – Anleitung zum Träumen zeigte, hat auch er eine Vorliebe für surrealistische Stoffe. In weiteren Nebenrollen sind Gad Elmaleh, Omar Sy und Alain Chabat zu sehen. 

In einer Welt, in der man auf einer Wolke durch die Luft reisen kann und Pianos Cocktails mixen können, je nachdem welche Töne man anschlägt, lebt der wohlhabende Fantast und Tagträumer Colin. Er liebt Partys, Jazz und den Müßiggang, doch zu seinem großen Glück fehlt ihm ... die wahre Liebe. Da hilft es auch nichts, dass sein Koch und Vertrauter Nicholas (Omar Sy) versucht, ihn mit kulinarischen Skurrilitäten aufzuheitern. Als Colin auf der Geburtstagsparty des Pudels einer Freundin die wunderschöne Chloé (Audrey Tautou) trifft, wendet sich das Blatt: Sie verlieben sich und feiern bald eine schillernd-schräge Hochzeit. Doch bereits auf der Hochzeitsreise erkrankt Chloé an einer rätselhaften Krankheit: Eine Seerose wächst in ihrer Lunge. Die Ärzte sind ratlos und nichts scheint zu helfen. Aber Colin ist entschlossen die Liebe seines Lebens zu retten, koste es, was es wolle. Der einzige Weg, ihre Krankheit aufzuhalten, besteht darin, sie ununterbochen mit frischen Blumen zu umgeben. Die Kosten dieser Behandlung zehren schnell das Vermögen des Erfinders auf. Auf der Suche nach Hilfe begibt er sich auf den Weg durch ein phantastisches Paris und kann dabei nur auf die Hilfe seiner Freunde zählen: Den loyalen Frauenschwarm Nicolas (Omar Sy) und Chick (Gad Elmaleh), den Verehrer des Philosophen "Jean-Sol Patre".