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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Sonntag, 29. September 2013

Heidis Gedichtetipps: ICH LADE DICH EIN von Hilde Domin




  Ich lade dich ein

    Liebster, ich lade dich ein,
    komm in das Haus unsrer Wünsche
    und häng deinen Hut an die Wand,
    den Hut mit dem kleinen Schußloch.
    Denn ich habe das Haus
    ganz nach deinem Befehle gebaut.
    Es ist alles darin, was wir brauchen.
    Der blaue Himmel der Tropen,
    die leichte Luft von Madrid,
    doch ohne den lästigen Wind, der
    dir die Papiere zerzaust.
    Die Zimmer sind im gobelinweichen Grün
    der Hänge von Heidelberg gestrichen.
    Ich geb dir die alte Brücke als Bett
    mit einer Lastexmatratze darauf.
    Es riecht nach den Glyzinien
    der Via Monte Tarpeo,
    Marc Aurel ist wieder unser Portier.
    Des Abends vergoldet die Sonne den Tiber,
    dann singt uns die Nachtigall am Palatin.
    Danach gehen wir in die Kammerspiele,
    in die Scala oder Old Vic,
    oder sehn den großen Barrault,
    ob Paris ihn gerade mag oder nicht.
    Du hast immer Zeit,
    und es fällt dir was ein, wenn du Zeit hast.
    (Die Schreibmaschine kopiert von allein,
    völlig geräuschlos, versteht sich.)
    Und was du schreibst,
    wird im ersten Monat gedruckt
    und sofort darauf rezensiert
    und gefällt dir und den andern, und das mit Recht,
    denn es ist bahnbrechend, einfach und gut
    und zur richtigen Stunde gesagt. -
    Und für die Flauten schreibt Händel
    dir neue Concerti Grossi,
    weil du die alten schon kennst,
    und der tote Busch dirigiert.
    Dann ißt du gebratene Enten
    und Frühlingssalat aus Florenz.
    Wir spülen nie. Die Teller
    werfen wir zum Fenster hinaus,
    wie in Rom in der Neujahrsnacht.
    Sei unbesorgt, sie fallen
    niemand auf den Kopf,
    denn unten ist keine Straße.
    Deswegen ist's auch so ruhig,
    und nichts stört deinen Schlaf
    (und morgens bleibt dir nie
    ein weißes Haar an der Bürste).
    Dabei sind die Oper und das Kino
    mit ausgewähltem Programm
    gleich um die nächste Ecke,
    und dort stehen auch die Museen.
    Die frühen Kulturen sind gut vertreten,
    die fernöstliche Sammlung ist exquisit,
    und ein Wiener Cafe in der Nähe.
    Dort sehen wir rasch die Zeitungen durch,
    sie sind, wie immer,
    empörend interessant,
    nur ist alles viel weiter weg.
    Wir lesen mit kopfschüttelndem Entsetzen,
    wie die Schwalben vom Himmel fallen
    nach den Atomexplosionen
    auf einer anderen Erde.
    Dann gehn wir nachhause, und du schläfst Siesta,
    und für mich steht bei der Terrasse ein Baum
    mit dem unentbehrlichen grünblauen Muster.
    Wir arbeiten viel,
    und wir lachen noch mehr,
    und wir haben reizende Gäste
    - wer käme nicht gern in das Haus? -
    denen liest du in allen Sprachen,
    am liebsten auf deutsch,
    das Geschriebene vor.
    Dann fahren wir zusammen zu Martha Graham
    oder zum Negerballett von Port-au-Prince,
    oder machen einen kurzen Mondscheinspaziergang
    in den Löwenhof der Alhambra.
    Der Briefträger, mein Herz, kommt pünktlich
    zum Frühstück,
    gleich nach dem blauweißen Gruß
    der kleinen Möwen über der See,
    und bringt Liebesbriefe von deinem Verleger
    und Angebote von Stellen, die du nicht brauchst.
    Denn du hast, was du wünschst,
    und du tust, was du magst.
    Und du tobst nur ganz selten,
    damit ich behalte, wie gut du es kannst,
    und bist viel geduldiger als sonst.
    Liebster, nimm deinen Hut von der Wand,
    den Hut mit dem kleinen Schußloch,
    und geh auf ein Wohnungsbüro, ich bitt dich,
    und sieh,
    was sie uns anbieten können.
    Sonst stürz ich mich noch aus dem Fenster
    dieses Hauses, das es nicht gibt.
    Und das Fenster, glaub mir, ist hoch.

Hilde Domin (1909-2006)

Donnerstag, 18. Juli 2013

Heidis Gedichtetipps: GLÜCKWÜNSCHE von Kurt Marti

Glückwünsche

Dass du dir glückst.
Dass dir das glück anderer glücke.
Dass durch dich
ein oder zwei menschen
besser sich glücken.
Dass das glück dich nicht blende
für das unglück anderer.
Dass du dir glückst
auch im unglück.
Dass eine welt werde,
wo zusammen mit dir
viele sich glücken können.

Kurt Marti

Samstag, 15. Juni 2013

Heidis Gedichtetipps: LIEBESKALENDER von Kurt Marti


liebeskalender
april
Sich self-verwirklichen
oder
ein anderer werden? dilemma
(dilelsa dileila dilettissima)
wirrlust vertagt uns
(c) Marlin Whoop  
featuring Eea Elena

november
Die blätter lassen sich gehen
grabfeuchte dämmerung mahnt
uns aber bleibt "tod"
noch immer ein wort ratlos

vom leib buchstabiert

calendrier d'amour
avril
Se self-réaliser
ou
devenir autre? dilemma
(dilelsa dileila dilettissima)

la confujoie nous ajourne

novembre
Les feuilles se laissent aller
l'humidité du crépuscule somme
"mort" pourtant demeure
pour nous juste un mot épelé
par le corps perplexe
(c) Kurt Marti
Extrait de : "Là vois la vie - da geht dasein" © Editions Empreintes - Collection Poche/Poésie 8
Préface de Peter Utz -
traduction par Patricia Zurcher

Sonntag, 24. März 2013

Heidis Gedichtetipps: ERMUTIGUNG von Heinz Kahlau

Ermutigung
 
 
Wenn sich zwei in ihre Liebe schlagen
wie in Mäntel gegen Zeit und Wind
und nach nichts als nach sich selber fragen,
machen sie auch ihre Liebe blind.
Zeit und Wind wird ihren Kuß verwehn.
 
Eine Liebe läßt sich nur zu zweit ertragen,
wenn die Türen, die zur Welt gehn,
offen sind.
 
 
Heinz Kahlau

Mittwoch, 13. Februar 2013

Die beliebtesten Gedichte der Woche 5 / 2013

Mit Blick auf die Kalenderwoche 5/2013 ergeben sich zwei boomende Werte mit Kurt Marti auf Platz 1 und Viktoria Vonseelen auf Platz 2, Ute AnneMarie Schuster mit ihrem starken Schokoladengedicht auf Platz 3:

1    Heidis Gedichtetipps: LEICHENREDEN von Kurt Marti 

2    Dichterhain: OHNE TITEL III von Viktoria Vonseelen

3    Dichterhain: ROSA SCHOKOLADE von Ute AnneMarie Schuster

Freitag, 4. Januar 2013

Heidis Gedichtetipps: GLÜCKWÜNSCHE von Kurt Marti

 

Glückwünsche

Dass du dir glückst.
Dass dir das glück anderer glücke.

Dass durch dich
Ein oder zwei menschen
Besser sich glücken.

Dass das glück dich nicht blende
Für das unglück anderer.

Dass du dir glückst
Auch im unglück.

Dass eine welt werde,
wo zusammen mit dir
viele sich glücken können.


(c) Kurt Marti

Freitag, 30. November 2012

Heidis Gedichtetipps : LASST UNS von Rose Ausländer


Laßt uns

Laßt uns sein
was wir sind

Poeten

Laßt uns
unsern Wortwillen
unsere Gesinnung

Gebt unsern Worten
nicht
euren Sinn

Laßt uns
in unserm Zeitnichts
traurig oder selig sein

ihr hart-herzigen
Verteidiger der Vernunft


(c) Rose Ausländer

Sonntag, 28. Oktober 2012

Heidis Gedichtetipps: BLAUER SCHMETTERLING













Blauer Schmetterling

Flügelt ein kleiner blauer
Falter vom Wind geweht,
Ein perlmutterner Schauer,
Glitzert, flimmert, vergeht.
So mit Augenblicksblinken,
So im Vorüberwehn;
Sah ich das Glück mir winken,
Glitzern, flimmern, vergehn.


Hermann Hesse

Montag, 3. September 2012

Heidis Gedichtetipps: JEDE MINUTE von Rose Ausländer

Jede Minute
 
Kostbar der Herzschlag
jeder Minute
sie schenkt dir den Atem
erlaubt dir anzufangen
aufs neue
 
In deinem Augenstern
kreist die verwirrende Welt
ruht das Himmelsherz
jede Minute
 
 
(c) Rose Ausländer

Freitag, 27. Juli 2012

Heidis Gedichtetipps: WAHRNEHMEN von Hilde Domin


Alle Rechte: Nikolaj Ullmann, erlangenwladimir.wordpress.com

Wahrnehmen

Nicht müde werden
sondern dem Wunder
leise
wie einem Vogel
die Hand hinhalten.


Hilde Domin
, geborene Löwenstein, verheiratete Hilde Palm (* 27. Juli 1909 in Köln; † 22. Februar 2006 in Heidelberg), war eine deutsche Schriftstellerin. Sie war vor allem als Lyrikerin bekannt. Nach ihrem Exil in der Dominikanischen Republik, von der Domin ihren Namen nahm, lebte sie von 1961 an in Heidelberg. (wikipedia)

Dienstag, 21. Februar 2012

Heidis Gedichtetipps: Logik


Logik
Die Nacht war kalt und sternenklar,
Da trieb im Meer bei Norderney
Ein Suahelischnurrbarthaar -
Die nächste Schiffsuhr wies auf drei.
Mir scheint da mancherlei nicht klar,
Man fragt doch, wenn man Logik hat,
Was sucht ein Suahelihaar
Denn nachts um drei am Kattegatt?
                                            Joachim Ringelnatz

Freitag, 13. Januar 2012

Heidis Gedichtetipps: Liebes Leben


Liebes Leben
 
Liebes Leben, fang mich ein,
halt mich an die Erde.
Kann doch, was ich bin, nur sein,
wenn ich es auch werde.
Gib mir Tränen, gib mir Mut,
und von allem mehr.
Mach mich böse, mach mich gut,
nur nie ungefähr.
Liebes Leben, abgemacht?
Darfst mir nicht verfliegen.
Hab noch so viel Mitternacht
sprachlos vor mir liegen.

                                            Konstantin Wecker

Sonntag, 8. Januar 2012

Heidis Gedichtetipps: Blau des Himmels

glücklich,
die ihr betrunken sein könnt
vom blau des himmels
möge der rauschtrank
nie mangeln
und süffig
ein leuchtvorrat
auch unter finstergewölk
aus schuh und angel
euch heben
trinkt blau
trinkt nicht kummer!
                                                   Kurt Marti
31. Januar 1921 in Bern,
ist ein Schweizer Pfarrer und Schriftsteller

Samstag, 24. Dezember 2011

Heidis Gedichtetipps: Lieben von Rilke

Lieben

Und wie mag die Liebe dir kommen sein?
Kam sie wie ein Sonnen-, ein Blütenschnein,
kam sie wie ein Beten? - Erzähle:

Ein Glück löste leuchtend aus Himmeln sich los
und hing mit gefalteten Schwingen groß
an meiner blühenden Seele ....

                                  Rainer Maria Rilke