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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Donnerstag, 17. September 2020

Die gesamten Todeszahlen in Europa stehen auf niedrigem Stand, Covid-19 scheint die Brisanz genommen (?)

Haben sich die Politiker im Kampf gegen das Virus Sars 2 erfolgreich durchgesetzt und die Forscher mit ihren Ratschlägen und Empfehlungen recht gehabt? Maske und Händewaschen helfen der Allgemeinhygiene in der Tat und machen uns stark gegen Bedrohungen.

Die Grafiken von EURO MOMO, das ist die europäische Einrichtung zur Früherkennung starker Gefahren und Risiken im Gesundheitssektor zeigen 2020 in Woche 38 mit Daten aus allen 24 teilnehmenden Ländern - Österreich, Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland (Berlin), Deutschland (Hessen), Griechenland, Ungarn, Irland, Italien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Portugal, Spanien, Schweden, Schweiz, Großbritannien (England), Vereinigtes Königreich (Nordirland), Vereinigtes Königreich (Schottland), Vereinigtes Königreich (Wales) - einen natürlichen Mortalitätsverlauf mit niedriger, aber saisonal bedingter leichter Zunahme der Todesrate. Weit entfernt von ernsthaften Bedrohungen extremen, weil tödlichen Ausmaßes.

Die Krankheitsverläufe können sich dennoch schwer auswirken, Komplikationen bei einigen Fällen nehmen ernsthafte Entwicklungen:


(c)  Robert-Koch-Institut


Sonntag, 4. Mai 2014

Wie war's bei RAYAHZONE der Gebrüder THABET in Ludwigshafen?






Rayahzone, das ist tunesisches Tanztheater mit Sufi-Reimen und -Gesängen, mit typisch nordafrikanischer Gefängnisstimmung, voller Isolation, auswegslos, abgeschnitten von der Welt.

Die Brüder Ali und Hédi Thabet, beide heute in Belgien lebend, haben dieses Stück entworfen und treten zusammen mit dem dritten Tänzer Lionel About und fünf, teils wohlgenährten Sufisängern, darunter Ayachi, Brahim, Yahyaoui und Soltan, ins Rampenlicht. Gezeigt wurde die französisch-belgisch-türkische Produktion im Ludwigshafener Pfalzbau am 29.04.2014. 

Die besondere Machart des Stückes, das Exotische und wohl auch die Ausscheidungskämpfe im Fußball waren die Gründe, warum sich nur etwa 200 Zuschauer einfanden, um dieses Special-Interest-Stück zu sehen. In 75 Minuten mit dichter orientalischer Atmosphäre und  atemberaubenden Tanzszenen der Brüder Thabet mit About entwickelte sich diese eingangs beschriebene Ausweglosgkeit als eine Bühnenmetapher für die besondere Situation der Maghrebbewohner. 

Eine ganz spezielle Note bekam das Stück durch den erstmaligen gemeinsamen Auftritt der Brüder Thabet. Hédi (37) bekam mit 18 Jahren Knochenkrebs und verlor sein linkes Bein. Erst 10 Jahre später betrat er wieder die Bühne mit Krücken, um Akrobatik und Tanzeinlagen zu üben. Und diese Darbietungen zeugen heute von extremer Körperbeherrschung, großer Kraft und Beweglichkeit, mit der er sehr viele Defizite durch beste Wendigkeit und Flexibilität wettgemacht hat. 




Zwei Worte sind nach Aussage von Ali Thabet (39) maßgebend, das sind REISE und LIEBE. Das erste ist sehr schwer möglich, wir wissen, wie kompliziert es für die Maghrebbewohner sein kann, eine Ausreisegenehmigung zu bekommen. Dementsprechend richtet sich alles Sinnen und Hoffen auf das Außen, drüben in Europa, fern des heimatlichen "Lagers". Dennoch besteht die große Gefahr zu sterben, denn wer illegal geht, der kann an der Grenze erwischt und getötet werden, im Gefängnis landen oder kommt auf ein überfülltes Rettungsboot nach Spanien, Malta, Lambedusa, Sizilien, Griechenland, Türkei, von denen nicht wenige untergehen oder sogar von der Küstenwache abgewiesen oder beschossen werden. Zuletzt kam es zu einem großen Flüchtlingsdrama vor Lampedusa Anfang Oktober 2013. Eine beeindruckende Liste über 30 Jahre Flüchtlingsstrom nach Lampedusa ist im Blog von Gabriele Del Grande (Fortress Europe) zu sehen. Nicht umsonst schreibt einer der Tänzer auf Französisch einen leider kaum lesbaren Text auf eine Wand über die Wünsche, die Hoffnungen der Ausreisewilligen, die vor Lampedusa für wieder einmal 20 Flüchtlinge im Tod endeten. Es folgt am Ende ein zweiter Text, der wohl auch die Lebenseinstellung der Maghrebbewohner widerspiegelt: Beim Kennenlernen des Lebens war es schön wie eine Verlobte, arm zwar, aber unverstellt und offen. Als die Beziehung länger dauerte, wurde der Zauber zerstört wie bei und von einer rachsüchtigen Ehefrau, nur weil sie nicht so war wie die Verlobte. Eine weitere Textbotschaft lautet Fréderic Mandelbaum ... Gemeint ist wohl der jüdische Autor Fritz Mandelbaum, der Österreich verließ, um in New York als Fréderic Mandelbaum, später F. Morton, neu zu leben. Seine Biographie der Rothschilds ist weltbekannt. Das Schicksal des jüdischen Volkes wird hier auf eine Ebene gestellt mit dem Leben der Maghrebbewohner. Auch die Bedeutung des Kapitalismus für die Betroffenen, im Orient der extreme, menschenverachtende, muss hier beachtet werden.  




Dazu die eindringlichen religiösen Gesänge der Sufis, die Worte rituell wiederholen oder kurze Sätze, um ihnen mehr Ausdruck zu verleihen. Handtrommeln dienen als Rhythmusgeber. Sofyann Ben Youssef (Türkei) hat die Stücke arrangiert. Die Sufibewegung war verboten, weil die Gottessucher etwas wollen, was der Islam verbietet: Gott, und damit die Liebe, in diesem Leben zu treffen, zu erfahren. Damit stehen sie in völligem Gegensatz zu der moslemischen Anschauung, dieses Leben ist schlecht wie die Frauen, und nur durch Opferung seines Lebens kommt man in den Genuss des Paradieses, des Gotteskontaktes und der 500 Jungfrauen für die Männer dazu. Der Sufi-Chor zieht immer wieder über die Bühne, nimmt an der Seite Platz, bestreitet eine nächtliche Szene voller Erleuchtung, und gibt auch dem Ein- und Ausatmen als spiritueller Grundübung laut vernehmbar eine Stimme. 

Zum Ablauf: Mit einer Publikumsanimation aus dem Zirkus wird ein Begrüßungsklatschen durch About evoziert, der sich in wildes Klatschen und Tanzen steigert.  Die Sufis treten mit einem Schlag auf, eine Wand wird umgeworfen, Überraschung, Respekt und Autorität werden vereint. Mythologisch verankert beginnt das Geschehen mit Hédi als einbeinigem Tierschädelträger (Esels- oder Kamelschädel) auf Krücken, der seinem Bruder Ali im Rundparcours folgt, ihn ab und zu in den Rücken tritt, damit er aus dem Weg ist. Dann tragen sie sich gegenseitig, üben den clownesken Gleichschritt in der Dreibeinigkeit. Am Ende demaskiert der dritte Tänzer (About) den Einbeinigen, der daraufhin einen derwischähnlichen Tanz zum Gesang mit Trommeln der Sufis beginnt. Später kommen die anderen Tänzer hinzu, einer veräppelt den Einbeinigen und spielt den beinamputierten Bettler, der beim Einbeinigen bettelt. Auch muss der Einbeinige die gesamte Last tragen, zwei Personen kleben an ihm, wollen von ihm bewegt werden. Nach Auftritt des Chores folgen wieder eine Zweierchoreographie, danach ein Befreiungstanz, in dem der Einbeinige Fesseln abstreift, und eine Schlägerei, in deren Folge der Einbeinige stirbt und von seinem Bruder an die Wand mit dem Text über das Leben gelehnt wird.

Das Stück ist wie eingangs dargestellt eine exotische Besonderheit. Wie live aus dem Armenteil der Souks übertragen, kam es sehr gut an, die Zuschauer gaben lang anhaltenden Beifall und riefen die Akteure mehr als fünfmal zurück. Ganz besonders ist die kraftvolle Akrobatik des Hédi Thabet hervorzuheben.







Samstag, 26. Oktober 2013

Im Gedenken an den Geburtstag meiner Mutter Gertrud Maria Vieregg, geb. 26.10.1927, gest. 09.02.2013





















Es gibt nichts, was die Abwesenheit 
eines geliebten Menschen 
ersetzen kann. 
Je schöner und voller die Erinnerung, 
desto härter die Trennung, 
aber die Dankbarkeit 
schenkt in der Trauer 
eine stille Freude.
Man trägt das vergangene Schöne 
wie ein kostbares Geschenk in sich.

(Dietrich Bonhoefer)

Donnerstag, 25. Juli 2013

Dichterhain: FALLHÖHE von Norbert Sternmut

Fallhöhe



Die Rede am Morgen
am ersten Zweifel, gramgebeugt
verschweigt sich der Tag.

Der Blutkörper quillt

beim Anblick der Geschwulst.

Sonne gebiert den Tod

über der Kiefer im Wald.


(c) Norbert Sternmut
Aus: Zeitschrunden, 2013

Donnerstag, 18. Juli 2013

Kurzfilm: LEAVE ME von Ryan Dunlap



Leave Me
from Ryan Dunlap // Daros Films
A recent widower deals with his grief through his wife's broken camera.

Sonntag, 14. Juli 2013

Kurzfilm: DEAR SHANE von Ryan Dunlap



Dear Shane
from Ryan Dunlap // Daros Films
A young man views his father's hometown through the lens of his old camera.

Dienstag, 30. April 2013

Fantasie zur Hexennacht: BEFREIUNG von Stefan Vieregg


BEFREIUNG (frei nach Faust)

Wenn lüsterne Flammen die Warzen verbrennen
greift Hexe zum rettenden Ginsterbesen
doch es hat keinen Sinn mehr zu rennen
denn Hex wird bald Hex gewesen ...

Da! Der erlösende Griff in das brodelnde Hitzefass
zieht sie empor aus dem sicheren Tod.
Ihr Lover, ein Magier, außer Atem schon ganz nass
rettet sie galant aus der schweren Not.


Voll füreinander entbrannt und mehrfach entfacht
reiten sie mit den anderen um die Wette
hinauf und hinab die Bögen der Nacht.
Heute gilt's! Gesprengt die widerliche Kette.

(c)  Stefan Vieregg

Montag, 11. März 2013

11. März: 2. Jahrestag von Fukushima

Harma-Regina Rieth: Fukushima, Acryl
11. März 2011: 14:46 Uhr Ortszeit erschüttert mit einer Stärke von 9,0 das gewaltigste Erdbeben, das Japan je erlebt hat, den Nordosten des Landes, ein nachfolgender Tsunami überflutet große Teile der Küstengegend und sorgt für eine Spur der Verwüstung.
Opfer dieser Naturgewalten wird auch das Atomkraftwerk Fukushima Daiichi. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, da die unkontrollierte Kernschmelze mit ungeahnten Folgen droht.

25 Jahre nach dem durch menschliches Versagen verursachten Atomunfall von Tschernobyl zittert die ganze Welt mit, ob die Japaner - mit oder ohne Hilfe aus dem Ausland - die Situation in den Griff bekommen werden. Schließlich sind weite Teile der Infrastruktur rund um das havarierte Atomkraftwerk zusammengebrochen, müssen Zehntausende Menschen evakuiert und erstversorgt werden. Katastrophenalarm und die Angst vor ebenfalls verheerenden Nachbeben schwebt wie ein Damoklesschwert in der Luft. Ministerpräsident Yoshihiko Noda, der als Atomphysiker mit seinem energischen Durchgreifen wohl den befürchteten GAU verhindert hat, und Regierungssprecher Yukio Edano arbeiten unermüdlich im Katastrophenmanagement. Edano informiert - stets im blauen Schutzanzug - die Weltöffentlichkeit am laufenden Band über die Folgen der Katastrophe und die Maßnahmen der Regierung.

Nachdem sich das Ausmaß der Katastrophe im politischen Berlin erkennen lässt, wird Fukushima und seine Folgen zur Chefsache von Kanzlerin Angela Merkel. Im Jahr der 150-jährigen Freundschaft Deutschland - Japan kann sie nicht mehr verhindern, dass die Atomkatastrophe in Nordostasien das ausschlaggebende Thema der Landtagswahl in Baden-Württemberg sein wird. Am 27. März machen die Wähler den Weg frei für die erste grün-rote Landesregierung in Deutschland - und mit dem endgültigen Ausstieg bis 2022 einen radikalen Wandel in der deutschen Atompolitik.

Japan hat sich mittlerweile dem deutschen Vorbild angeschlossen und den schrittweisen Ausstieg aus der Atomkraft bis zum Jahr 2040 angekündigt. 

Harma-Regina Rieth (siehe Gemälde) hat nicht nur ein beeindruckendes Bild geschaffen, sondern auch eine sehr ergreifende Geschichte zum Thema geschrieben. Die Geschichte siehe Tschernobyl, Fukushima, Cattenom... BLUTIGE TRÄNEN VON FUKUSHIMA.

Donnerstag, 14. Februar 2013

Dichterhain: HALSABSCHNEIDER von Norbert van Tiggelen

Halsabschneider

Seine Macht wird immer größer,
er regiert tagtäglich mehr.
Bist Du ihm einmal verfallen,
gibt es kaum `ne Gegenwehr.

Er hat Menschen hingerichtet,
mehr noch als der längste Krieg.
Wegen ihm so manche Seele
in den Lebenskeller stieg.

Greift sich eiskalt jedes Wesen,
ganz egal, ob arm, ob reich.
Spielte schon den besten Ehen
einen wirklich üblen Streich.

Verursachte Millionen Tode
auf den Straßen, im Verkehr.
Schuldlos starben viele Kinder,
Elternhäuser, sind jetzt leer.

Ist für schwache Seelen alles,
Untergang und Ruhepol.
Er wird uns noch ganz vernichten,
der verfluchte Alkohol.

© Norbert van Tiggelen

Mittwoch, 23. Januar 2013

Kleine philosophische Gedanken über die Zeit ... von Karin Michaeli

Die Zeit

Manchmal sehe ich Menschen nach Jahrzehnten und nichts, aber auch nichts deutet darauf hin, dass eine „Zeit“ zwischen uns lag.
Manchmal besuche ich Orte, die ich Jahrzehnte nicht sah und ich spüre keine Zeit in mir.

Ich frage mich, ob es die „Zeit“ überhaupt gibt. Menschen versuchen seit Jahrtausenden, die Zeit festzuhalten, sie zu katalogisieren. Künstlich festzulegen, wann ein Jahr beginnt und wann es aufhört.

Und wir machen diesen Quatsch alle mit. Warum? Weil wir in einer Kunstgesellschaft leben, die für alles ein Konstrukt erfindet. So ist auch die Zeit ein willentliches menschliches Konstrukt. Ich wage mittlerweile zu bezweifeln, dass es sie wirklich gibt.

Wir werden auf die Welt geboren, wachsen heran, durchlaufen verschiedene Institutionen und denken uns, es sei „an der Zeit“, einen Beruf auszuüben, sind dafür aber möglicherweise noch viel zu kindlich, um zu wissen, WAS genau wir denn machen sollen.
Alles packen wir Menschen in einen zeitlichen Rahmen, um uns die Welt, das Leben zu erleichtern. Wir schaffen kleine Kästchen für uns und da wird das alles hineingepackt: die Zeit, das Alter, die Heirat, die Fortpflanzung, der Tod.

Aber wir sehen auch immer wieder, dass genau der Tod sich an keine Zeiten hält. Er kommt, wann er will, zu wem auch immer er will.
Auch die Einsamkeit hält sich an keine Zeiten – baue ein Haus mit Deiner Liebsten, bekomme Kinder mit ihr und dann verschwindest Du mit Deiner Sekretärin in der Mittagspause im Wald und treibst es mit ihr auf dem Rücksitz und fängst an sie wirklich zu lieben. Haus, Frau und Kind werden Dir egal – die Zeit fragt nicht danach, wen Du wann liebst.

Die Zeit fragt nicht, wann Du Hunger oder Durst hast – manchmal liegst Du Tage in den Bäumen und magst weder sprechen noch sterben. Dann bist Du zeitlos.

Kennen die Tiere eine Zeit? Nein! Sie haben ihre biologische Uhr, die sie wachwerden lässt und die sie in den Schlaf schickt – ohne Tagesschau.

Kennen die Banken, die Hedgefonds eine Zeit? Nein! Sie machen zu Zeiten, wo wir überhaupt nicht damit rechnen, die Welt kaputt! Der Ölpreis, kennt der eine Zeit? Eine Winterzeit, wo wir angewiesen sind auf den Stoff? Nein – gnadenlos liegt er jetzt bei 95 Euro pro 100 Liter. Hat sich innerhalb 10 Jahren zeitlos verdoppelt.

Aber dennoch arbeiten sie mit der Zeit, die Politiker, die Ölmagnaten und die Banken. Wenn bis zu einem bestimmten Termin bestimmte Leute auf ihr Gehalt verzichten, dann, ja dann gibt es wieder mal eine kleine Zulage für die stets hungrigen zeitlosen Banken.

Sie arbeiten alle mit der Zeit: die Schönheitschirurgen, die die Alterslefzen abschneiden, die Politiker, die, die Milliarden ausschütten an das Bankenpack, die Kriegstreiber, die nicht aufhören mit ihrem ständigen Bombardement. Alles nur eine Frage der Zeit, bis auch die letzten sogenannten unliebsamen Diktatoren vom Stuhl gewischt sind. Zu welchem Zweck, frage ich mich? Was kommt denn danach? Ja, die Zeit wird es richten, bis irgendwann in jeder Stadt der Welt Mac Donalds innerhalb kürzester Zeit Dir den Hunger stillt.

Ich behaupte, es gibt sie nicht, die Zeit. Es gibt Erlebtes, es gibt die Geschichte der Menschheit – aber es läuft alles auf irgendeine Art und Weise parallel.

Der Vollmond, die Sterne und die Sonne – sie sind zeitlos und unschuldig. Die Natur hat ihre sich stets wechselnden Momente der Erneuerung, des Sterbens und des Wiederauferstehens.
Gott oder das „höchste Wesen“ sind ebenfalls zeitlos. Das macht doch irgendwie Mut – oder? Ich möchte mich von der Zeit verabschieden, ja – aber nicht von meiner Uhr. Sie ist nur ein kleines Signal, mich zu einer bestimmten Zeit einzustellen. Aber Zeit? Das hat nichts mit der Uhr zu tun – weil ich denke: Es gibt sie nicht.
(c) Karin Michaeli, Düsseldorf

Samstag, 1. Dezember 2012

Dichterhain: LEBEN LERNEN von Hannes Pum














Leben lernen

von Hannes M. Pum

IN, UM UND MIT UNS - STÄNDIG TOD.
WILL VERSUCHEN, STERBEN ZU LERNEN.
KEINE SEKUNDE WIEDERHOLBAR. UNSERE NOT.
LEBEN? DAS SICH VOM JETZT ENTFERNEN.

MONTAIGNE GREIFT IN MEIN HERZ.
DU BESTIMMST, WAS WIE VIEL WIEGT,
VERHINDERST BÖSEN SEELENSCHMERZ.
GLÜCK NUR IN DEINEN HÄNDEN LIEGT.

VOR JAHRHUNDERTEN ER DARUM RANG,
AUSSCHLIESSLICH SICH SELBST ZU LEBEN.
NIE GAB ER SICH HIN ÄUSSEREM ZWANG.
KÖNNTEN WIR UNS BEDEUTSAMERES GEBEN?


["Montaignes berühmte Todesmeditationen beschreiben die Möglichkeiten, mit dem Tod im Leben umzugehen. Entstanden ist keine Philosophie der Weltabgewandtheit oder gar der Weltflucht, wie sie etwa Schopenhauer vorlegte, sondern ein Zugriff auf das Leben im Wissen um dem Tod. Haben wir nicht zu leben gewusst, ist es abwegig, uns sterben zu lehren. Der Tod, zwar immer anwesend,  ist gleichwohl weder Zweck noch Ziel des Lebens. Dieses muss vielmehr auf sich selbst gerichtet sein." Virtuelle Textbaustelle]

Sonntag, 18. November 2012

Meine Klassiker: ABER VIELLEICHT von Nelly Sachs
















ABER VIELLEICHT
haben wir
vor Irrtum Rauchende
doch ein wanderndes Weltall geschaffen
mit der Sprache des Atems?
Immer wieder die Fanfare
des Anfangs geblasen
das Sandkorn in Windeseile geprägt
bevor es wieder Licht ward
über der Geburtenknospe
des Embryos?
Und sind immer wieder
eingekreist
in deinen Bezirken
auch wenn wir nicht der Nacht gedenken
und der Tiefe des Meeres
mit Zähnen abbeißen
der Worte Sterngeäder.
Und bestellen doch deinen Acker
hinter dem Rücken des Todes.

Nelly Sachs, aus: Späte Gedichte

Mittwoch, 17. Oktober 2012

Dichterhain: DIE WITWE AUS AFGHANISTAN von Shekir Pavo

Die Witwe aus Afghanistan

 
 
 
 
 
Einst das Kind im Sarg
getragen wurde zu Grab´,
die Witwe aus Afghanistan
nach Gnade flehend und laut klagend:

„Gott, verlassen hast du uns,
genommen unsere Liebsten,
wie Rosen, Tulpen pflückst du uns,
fremd ist längst der Frieden.
In meinem Arm, mein totes Kind
lasse, wo immer seine Mörder sind.
Solange wir leben, solange wir wein´,
unsere Schmerzen auch ihre sein.
Doch lasse ihre Kinder am Leben,
mögen ihre Seelen in Frieden ruhn´,
der Fehler liegt nicht in ihrem Tun!
Und erfülle uns einen letzten Wunsch,
die Überlebenden, lasse uns segnen,
und solange blutverschmiert, lasse regnen,
lasse regnen über Wiesen, Hütten und Stein,
bis Straßen und Gärten sind wieder rein,
bis Landschaften und Berge von Blumen verziert,
damit Afghanistan nie seinen Glanz verliert.

Lasse den Schnee tauen, als Trinkwasser für die Bauern
und lasse Land und Vieh überleben, damit
Kinder stark genug, das Holz zu heben
für den Kamin, worin unser Brot gebacken
und wovor unsere Kleider hängen am Haken.
Lasse im Tal die Blumen wachsen,
damit die Bienen uns beschenken
mit der Süße des Honigs.
Lasse an das Licht,
auch wenn nur eine Kerze,
damit die verlorenen Seelen
sich nicht verirren in der Dunkelheit,
und bei Helligkeit
lasse die Winde zu uns wehen,
damit die Tauben schneller
die Nachrichten der Vermissten bringen.
Bringe bitte alle Vögel dieser Welt,
damit sie übersingen unterm Himmelszelt
die Schüsse und Klagen der Opfer.
Denn der einzige Ort, an dem wir
glücklich sind, welch´ rar, und kaum
ist im Schlaf
der kurze Traum
vom Frieden."

(c) Shekir Pavo, 1998

Dienstag, 25. September 2012

DAS HAUS - eine Novelle von Anner Griem

Das Haus
Eine Novelle von Anner Griem
(Auszug)

In Ordnung, diesen Sommer komme ich, wenn Du es endlich möblierst und ich nicht auf dem Fußboden schlafen muss. Weit über eine halben Stunde redete Wanna am Telefon auf mich ein, sie endlich in ihrem Haus zu besuchen, schließlich wohne sie bereits seit dreizehn Monaten dort und irgendwie seien wir immer noch verheiratet, auch wenn ich diese Tatsache nicht unbedingt wahrhaben möchte.
Sie fing an zu weinen und meinte mit von Schluchzern unterbrochener Stimme, dass sie ihrem letzten Liebhaber wegen mir den Laufpass gegeben habe.
Ob sie ihm oder er ihr den Laufpass gab, war nicht so deutlich herauszuhören, es interessierte mich letztlich nicht, als ich mich entschloss, sie zu besuchen und ich ihr zusagte.
Nach der vorläufigen Trennung, wie sie es seinerzeit nannte, hatte ich mir ein möbliertes Zimmer bei einem älteren Herrn genommen, dessen Frau kurz zuvor verstorben war.
Bad und Küche gemeinsam, im Kühlschrank gehörte mir die untere Hälfte, getrennte Haushaltskasse.
Er die Waschmaschine Montag bis Donnerstag, den Rest der Wochentage konnte ich sie benutzen.
Wir, er, der alte Mann und ich hatten einander schnell gewöhnt.
Schweigsam zurückhaltend, trug er noch an seiner Trauer um den Tod seiner Frau.
Ich, schweigsam zurückhaltend, trug noch an der Trennung von Wanna.
Sonntags kochten wir abwechselnd und luden uns gegenseitig ein. Er trank nur gekühltes Mineralwasser, Medium; ich nur gekühlten Rheingauer Riesling, beide Flaschen standen einträchtig nebeneinander im Kühlschrank.
„Meine Frau kochte niemals, immer ich. Dafür durfte ich mir das Dessert bei ihr holen“.
Als er mir das am vorletzten Sonntag zwischen zwei Gabelbissen mitteilte, hatte ich erst nicht begriffen. Zum ersten Mal unterbrach er das ansonsten vorherrschende Schweigen während unserer gemeinsamen sonntäglichen Mahlzeiten.
„Wie, bis zu ihrem Tod?"
„Einen Tag vorher noch! Plötzlich ist sie gegangen, einfach so, von eben auf jetzt, kurz nach dem Essen, ich hatte mich gerade meiner Weste entledigt. Dort, da auf dieser Chaiselongue lag sie, wie immer! Plötzlich ein Laut, nein, eher ein lauter Seufzer, irgendwie melodisch. Ich glaubte, sie wolle singen, sie sang oft, bis sie sich kurz aufbäumte und dann zurück in das Kissen sank."
„War sie denn jünger als Sie, Ihre Frau?"
„Nein, drei Jahre älter! Wieso? Ist das wichtig für Sie?"
„Nicht wichtig, habe ja keine Ahnung."
„Keine Küche, keine Kinder und keine Kirche; dies waren ihre Bedingungen, die sie mir in unserer Hochzeitsnacht stellte. Hätte ich nicht zugestimmt, wäre sie am nächsten Tag zu einem Anwalt gegangen."
„Sehr konsequent und resolut, die Dame“, meine Anmerkung fiel sachlicher aus, als beabsichtigt.
„Die Geschichte mit dem Dessert dachten Sie sich aus, sozusagen als Ausgleich?"
„Nein, nein! Im Gegenteil! Es war eine ihrer weiteren Bedingungen."
„Ich verlangte niemals etwas von ihr; sie gab, gab mit freudigem Herzen. Ich musste nur zugreifen."
„Jeden Tag? Jeden Mittag nach dem Essen?" Er nickte und griff zu seinem Wasserglas.
„Wie lange waren Sie verheiratet?"
„Heute wären es 47 Jahre geworden." Sein Kopf geriet nach diesem Satz in heftige Bewegungen, sein plötzliches Aufschluchzen machte mich befangen. Sich entschuldigend stand er vom Tisch auf und lief rüber ins Bad, Wasserrauschen drang zu mir in die Küche.
Siebenundvierzig Jahre, jeden Mittag, von montags bis sonntags, immerfort auf der Chaiselongue dort drüben an der Wand? Meine Gedanken waren verwirrt.
„Entschuldigen Sie meinen kleinen emotionalen Ausrutscher“, mit diesen Worten betrat er wieder die Küche, setzte sich auf seinen Stuhl und aß weiter.
„Nein, keine Entschuldigung bitte, für mich aber kaum zu glauben."
„Was ist für Sie nicht glaubwürdig?" Während er dies frug, senkten sich seine beiden Hände, so, dass Gabel und Messer den Rand seines Tellers berührten.
„Dass Sie jeden Mittag nach dem Essen dort auf der Chaiselongue …."
„Mein Herr, ich durfte kosten und naschen, mal von dieser, mal von jener Frucht. Niemals habe ich es gewagt, mehr zu nehmen, als sie gestattete."
„Siebenundvierzig Jahre das gleiche mittägliche Ritual nach festgelegten Spielregeln, die Sie sich bemühten, nicht zu verletzen?"
Er wendete seinen Kopf vollends mir zu, legte sein Besteck ab, griff zur Serviette, tupfte sich mit ihr über den Mund.
„Sie verstehen nicht!"
„Ich gestehe, nicht ganz! Ich bin leicht verwirrt, ja, konsterniert."

[ ... ]

(c) Anner Griem, Cannobio

Freitag, 14. September 2012

Fantasien zur Nacht: SPINNEN von Stefan Vieregg

S ieh, eine süße Dunkle nackt unterm knappen Arbeitskleid, wie sie uns beäugt
P einlich berührt sollten wir wegschauen - oder sie?
I ntimes Spinnenleben ist nichts für diese Piratin mit wohlgeformten Brüsten
N ackt unsere Beine und Körper im Fokus ihrer braunen lüsternen Augen
N ackt unsere Wünsche vor ihrem großen roten Mund und dem Saugerrohr
E inmal noch dich küssen, bevor sie achtlos uns wegfegt
N iemals uns wiedersehen, wenn der Turbo uns einsaugt.

Mittwoch, 5. September 2012

Late Night Story - Horror: SMERT von Rolf Netzmann

SMERT

Bläuliche Rauchschwaden waberten durch den Gang, als Xius schwer atmend um die Ecke bog. Erschöpft hielt er inne. Weiter, Weiter...hämmerten seine Gedanken. An die kalte Metallwand gepresst, bewegte er sich vorwärts. Seine klammen Finger tasteten nach der kleinen Vertiefung. Schon wieder war er über einen der leblosen Körper gestolpert, die in diesem schmalen Gang lagen. Blau stiegen geruchslose Gase aus ihnen, vernebelten sein Gehirn und umhüllten ihn. 
Endlich hatte er sie gefunden. Wie weit entfernt nahm er das leise Zischen der Hydraulik war und schlüpfte geschmeidig durch die sich öffnende Tür. Den Schließmechanismus fand er sofort. Unruhig blickte sich Xius um. Glänzend weiß war der Raum, seine Augen schmerzten. Aus seinem Kopf quoll es ohne Unterbrechung, er spürte, wie es seine linke Gesichtshälfte zu zerfressen begann. 
Schaumig-grau tropfte es auf den Boden.
Ein Schlag, heftig und unerwartet, zwang ihn in die Knie. Das kalte Metall in seinem Rücken ließ ihn für einen kurzen Moment den Schmerz vergessen. 
Vor ihm auf dem Boden sammelte sich das klebrige Gelee, floß in kleine Rinnsale und breitete sich aus. 
Xius spürte, wie ihn seine Kräfte verließen, als der nächste Schlag ihn traf und ihn in die andere Ecke des Raumes drückte. Ein entsetzlicher Schmerz durchfuhr ihn, ehe er das Knacken seines Schädels spürte. 
Nun schoß es aus ihm heraus, zerfrass seine Haut bis auf die Knochen.
Seine Augen brannten wie Feuer, aus seinem Körper stiegen blaue Gase auf. 
Das schaumig-graue Gelee bewegte sich vor ihm, es formte sich zu Buchstaben. Regungslos blickte 
Xius auf den weißen Boden. Seine Sinne schwanden, er versank in einem Nebel.
SMERT
erkannte er und verstand den Sinn nicht.
Tief unten aus seinem Sein bahnte sich die Erinnerung einen Weg in das Heute. SMERT, ein Wort aus einer schon lange ausgestorbenen Sprache, hunderte Jahre alt. 
Die Buchstaben flossen auf ihn zu, sie bemächtigten sich seines Körpers, verschlangen ihn langsam. 
Sein Gehirn splitterte, wie in Zeitlupe fielen kleinere Stücke auf den Boden und wurden von dem grauen Gelee aufgenommen. 
Wie ein Beobachter sah Xius zu, wie das Gelee seine Beine aufnahm und seine Hüften umhüllte. Stumm und regungslos sah er, wie sein Gehirn zerfiel.
SMERT
Kurz vor seinem Herz stoppte das Gelee plötzlich. Die Arme hatte es schon vernichtet, Xius bestand nur noch aus einem leeren Schädel, Halsknochen, Lungen und Herz. Doch er spürte keine Schmerzen, fühlte sich wie in Watte gepackt schwebend.
Das Gelee erhob sich, schwebte auf Xius zu und hüllte ihn ein. Angenehm kühl war es, wie ein leichter Wind. Von allen Seiten drang das Gelee nun in ihn ein. Seine Lungenbläschen platzten, und als die Aorta vom Herz getrennt wurde, floss nicht ein Tropfen Blut. Bevor er starb, fiel ihm plötzlich die Bedeutung des Wortes ein. Es ergab alles einen Sinn.
SMERT -- TOD

Freitag, 24. August 2012

Fantasien zur Nacht: WEIB von Ute AnneMarie Schuster

Der geschundene Mann, "Sebastiane", GB
Weib

Fast hüllenlos der weiße Leib,
geschaffen ihm zum Zeitvertreib.
Sie liebt und lacht, verhöhnt ihn dann,
den armen so gequälten Mann.

Schmetterlinge Flügel reiben,
ihn bis in den Wahnsinn treiben.
Sie zieht ihn an sich, stößt ihn weg,
er fühlt sich wie der letzte Dreck.

Splitternackt die böse Hexe,
windet sich wie grüne Echse.
Jagt ihn, hetzt ihn, gibt ihn frei,
erstickt die Lust mit einem Schrei.

Ausgezogen und in Ketten,
will und kann er sich nicht retten.
Schmerzen spürt er überall,
durch das Dunkel zischt ein Knall.

Abschiedstränen wird’s nicht geben,
Hass regierte stets ihr Leben.
Trauer um den Herrn Galan?
Ach, die Zeit, sie wär vertan!

Mittwoch, 8. August 2012

Dichterhain: DIE ZEIT von Karin Michaeli










Die Zeit

Wenn Du frierst – hab' keine Angst
Die Zeit legt über alles ihre Decke.
Du magst lieben, hoffen, planen,
Dich freuen auf morgen, wirst ahnen
nichts, aber auch nichts ist heute, wie
es morgen sein soll und gestern war.

Die Zeit ist das Luder, der Tod
Deiner Illusion – unsichtbar lauert sie
über deinen Bildern, die bunt und rot
Dich erwärmen in diesem Moment.
Was schenkt sie dir, wenn Du weinst?
Es kommt die Zeit, flüstert sie leise.

Ja, vielleicht ist sie auch weise,
die Nebelgestalt im Sonnenschein,
die neben Dir rennt wie ein Geist.
„Ich hab' keine Zeit“ magst du sagen -
aber sie ist da, streng, unerbittlich,
macht sie ihren Job ohne zu fragen.

(c) Karin Michaeli

Samstag, 14. Juli 2012

Ankes Fundstücke: IMMER UNGELEGEN von Eugen Roth

 
















Immer ungelegen

Ein Mensch, gemartert von der Hitze.
Fleht dürstend nach dem ersten Blitze.
Ein Wolkenbruch wär selbst gesegnet:
Zwölf Wochen lang hat's nicht geregnet.
Jetzt endlich braut sich was zusammen:
Es schlagen die Gewitterflammen
Schon in den Himmel eine Bresche -
Doch, wie?! Der Mensch hat große Wäsche
Nur heute, lieber Gott, halt ein
Und lass noch mal schönes Wetter sein!
Der Tod, der Gläubiger, der Regen,
Die kommen immer ungelegen:
Rechtzeitig zweifellos an sich -
Doch nie zur rechten Zeit für Dich.

                                                       Eugen Roth