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Michel Friedman Foto: Robert Schittko |
In der Oper Frankfurt a.M., die 2024 zum wiederholten Mal "Opernhaus des Jahres" wurde, ist eine Gesprächsreihe moderiert von Michel Friedman, dem eigenwilligsten Philosoph und Autor, Jurist und Opernbesucher, eingerichtet. Zum fünften Mal in der aktuellen Saison fand am 6. Mai 2025 ein Talk-Abend statt, dieses Mal mit Volker Kitz, Bestsellerautor und Jurist. Nicht ganz leichtes, oft tabuisiertes und verdrängtes Thema: der Tod. Die Diskussion knüpfte an Aribert Reimanns Oper L’invisible an, die sich mit der Vergänglichkeit und dem Verlust einer vermeintlich intakten Realität auseinandersetzt. Zugrunde liegen drei Theaterstücke von Maurice Maeterlinck (Belgien).
Das letzte Buch von Volker Kitz heißt Alte Eltern – Über das Kümmern und die Zeit, die uns bleibt. Darin behandelt er die Herausforderungen des Alterns, insbesondere im Zusammenhang mit Demenz und der Verantwortung innerhalb der Familie. Hier startete das sehr interessante Gespräch, in der Kitz und Friedman ihre Erfahrungen mit dem Tod schilderten.
Eine Situation, die jeder kennt: Der Tod ereilt die Eltern, Großeltern, Geschwister - plötzlich und unerwartet oder nach langer Krankheit, keiner oder alle haben damit gerechnet. Bereits dementiell erkrankt, aber dennoch plötzlich gestorben der Vater von Kitz. Eine Überraschung, unerwartet, und eine Täuschung seitens des Todes. Kitz und sein Bruder erwarteten den Tod an diesem Tag genau nicht.
Michel Friedmans Leben ist stark von der Geschichte des Nationalsozialismus geprägt. Seine Familie stammt aus Krakau und wurde während der NS-Zeit ins Ghetto gezwungen. Fast alle Mitglieder seiner Familie wurden im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ermordet. Seine Eltern und seine Großmutter überlebten jedoch, weil sie auf Oskar Schindlers berühmter Liste standen und durch ihn gerettet wurden. Diese Vergangenheit beeinflusste Friedmans Identität und Engagement. Er setzt sich aktiv gegen Antisemitismus und für Erinnerungskultur ein. In Interviews betont er immer wieder die Bedeutung von Widerstand und Menschlichkeit, inspiriert von Schindlers Handlungen. Mit dem Tod hat er heute abgeschlossen, er akzeptiert ihn nun. Der Tod war in seiner Familie allgegenwärtig. Viele Mitglieder wurden bewusst getötet. Der Tod der Eltern, vor allem der krebskranken Mutter, trafen ihn damals stark.
Was bedeutet es zu sterben, wie ist Tod, welcher Zustand ist das? Gibt es etwas, das wir nicht kennen, wie etwa ein Leben danach? Diese Gedanken wurden ebenso behandelt wie der Alltag vor oder nach einem Todesfall. Nicht so detailliert, wie es ist in der Realität, weil das Philosophische im Vordergrund stehen sollte, wie Friedman klar machte. Es gibt so viele Theorien, Spekulationen, keiner weiß es, aber darüber nachdenken hilft.
Dennoch: Der Gedanke an den eigenen Tod oder den Verlust eines geliebten Menschen kann starke Angst, Trauer oder Stress, aber auch Fragen und Probleme auslösen. Und wenn es dann passiert, sind viele Menschen überfordert, sie trauern, leiden und sollen einen Lieben ihrer Familien bestatten. Man muss also vorher darüber sprechen und braucht Energie diesen Marathon der Vorbereitung zu bewältigen. Es ist eine Rennerei, ein Verwaltungskampf, man muss noch viel organisieren, z.B. der Grabstein. Welcher Bestatter? Erdbestattung oder Urne? Pfarrer und Messe? Wie viele Tausender wird das alles kosten? Es gibt finanzielle Belastungen - Beerdigungskosten, offene Schulden oder unklare finanzielle Regelungen können unerwartete Schwierigkeiten für die Familie mit sich bringen. Wenn keine klaren Anweisungen, Vorstellungen für die Bestattung oder Erbschaft vorhanden sind, kann es zu Konflikten unter den Hinterbliebenen kommen. Die Beantragung von Sterbeurkunden, die Regelung von Versicherungen und die Abwicklung des Nachlasses können kompliziert und zeitaufwändig sein. Ohne Patientenverfügung können schwierige Entscheidungen über lebenserhaltende Maßnahmen oder die medizinische Versorgung im Sterbeprozess notwendig sein. Wenn Immobilien oder Besitz nicht klar zugeordnet sind, kann es zu langwierigen Erbstreitigkeiten kommen. Der Umgang mit Trauer erfordert oft professionelle Hilfe, die nicht jeder sofort in Anspruch nimmt. Es hilft frühzeitig über diese Themen zu sprechen und sie mit Fachleuten wie Anwälten, Bestattungsunternehmen und Versicherungsagenten zu planen.
Auf Sterben und Tod sollte man sich mental vorbereiten - eine tiefgründige und oft herausfordernde Aufgabe, die mit Reflexion, Akzeptanz und praktischen Schritten erleichtert werden kann. Jeder sollte sich bewusst mit der Endlichkeit des Lebens auseinandersetzen und akzeptieren, dass der Tod Teil des natürlichen Kreislaufs ist. Ob Tagebuch oder Briefe, Gespräche mit vertrauten Personen, sie helfen Ängste zu mildern und Trost zu finden. Es gibt auch eine spirituelle oder philosophische Vorbereitung, Friedman würde Beten weglassen, es hat etwas Unmündiges. Literatur hilft, die Stoiker? Praktische Vorbereitung (s.o.) mildert den Stress, emotionale Annäherung verwendet Erinnerung, Erlebtes, den Rückblick, Gespräche, sich bereit zu machen.
Geht es weiter mit dem monotheistischen Weltbild? Gott lenkt alles, unsere Seele wird ins Paradies, Nirwana, Jenseits aufsteigen, die Hülle bleibt zurück. Wartet der Garten Edens hinter der schnöden Welt? Nobody knows, kann man da nur hinzufügen, oder mit Woody Allen: Man sollte seine Unterhosen zum Wechseln bei dieser Reise nicht vergessen ...