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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Montag, 6. Oktober 2025

Wie war's bei BLÜHEN, einer modernen Oper von Vito Žuraj, im Bockenheimer Depot, Frankfurt?

Vokalensemble und Ensemble Modern
unter der musikalischen Leitung
von Michael Wendeberg
Bildnachweis: Barbara Aumüller



Abrupte Verwelkung des Aufblühens – Zur Tragik der Oper BLÜHEN

Die Oper BLÜHEN im Frankfurter Bockenheimer Depot wagt sich an ein gewagtes Sujet: den Moment, in dem ein Leben, gerade als es sich noch einmal gegen das Verblühen aufbäumt, mit einem Schlag vergeht. Händl Klaus’ Libretto nach Thomas Manns Die Betrogene und die Komposition des Slowenen Vito Žuraj (Jg. 1979, Maribor) übersetzen diesen paradoxen Augenblick in eine abstrahierende Oper, in der der Operncharakter neben einer psychoanalytischen Analyse von starker postmoderner Intensität steht. Das Ensemble Modern lieferte 80 Minuten hohe und höchste musikalische Konzentration und fantastische Interpretation der interruptiv-chaotischen Klangwelt Žurajs. Brigitte Fassbaenders Inszenierung integriert den Chor mit aristotelischen Aufgaben als Kommentator, Zeuge und Eingreifender in das absurde Geschehen.  

Alfred Reiter (Dr. Muthesius) und Bianca Andrew (Aurelia)

 Bildnachweis: Barbara Aumüller

Im Zentrum steht die Mutter eines Nachhilfeschülers, Aurelia, die sich – in einem späten, fast zärtlich-verzweifelten Versuch, ihrer Lebensmüdigkeit zu entkommen – auf eine Affäre mit dem jungen Lehrer ihres Sohnes einlässt. Dieser Moment der Hingabe, der wie eine Rückkehr zur Jugend wirkt, bildet den entscheidenden Wendepunkt: Auf das Aufblühen folgt unmittelbar das Verlöschen. Der Körper, der noch einmal Lust und Lebenskraft zu spüren meint, wird zum Schauplatz des endgültigen und schnellen Zerfalls. Bianca Andrew spielt das blühende Leben perfekt und mit reizendem Charme, sie muss eine Ewigkeit das absurde Sterben einer krebskranken Frau ertragen. Ihre Tochter Anna (Karolina Bengtsson), mit einem Klumpfuß geboren, reagiert eher hysterisch, teils aggressiv und verliert sich dann wieder in der Kinderrolle. Auch sie wirft ein Auge auf Ken (Michael Porter), den Nachhilfelehrer, der allerdings magnetisch von Aurelia angezogen wird. Ihr Sohn Edgar (Jarrett Porter) pflegt homoerotische Fantasien der Zweisamkeit und geht ebenfalls leer aus. Wer sich ganz engagiert und kritisch verhält ist der Chor. Er geht fast dazwischen, als es zum Koitus kommt, und zieht Ken jedenfalls regelrecht weg von Aurelia. Der Chor ist der Allwissende im Spiel, er weiß scheinbar, welche Folgen auftreten können, das Aufgehen der Metastasen, das Bluten ... 

Das Blut übernimmt an diesem Punkt eine exponierte Rolle im Geschehen: Rhythmische Impulse, die wie ein Herzschlag pulsieren, anströmen und dann stocken. Es ist Ausdruck eines existentiellen Paradoxons: Das Auflodern der Lebenslust, (scheinbare) Wiederkehr der Fruchtbarkeit im Zeugungsakt stehen einer Unmöglichkeit der Befruchtung und dem Sterben des Organismus gegenüber.

"... alle Räume bluten ... unser Haus, die Stadt ... und die Wege in den Wald ..."
 

Diese schroffe dramaturgische Bewegung – von der Eruption zum Erlöschen – ist das emotionale Zentrum der Oper. Žurajs Musik macht diesen Übergang physisch spürbar: vom leuchtenden Klangfarbenspiel des Erwachens zur klanglichen Erstarrung des Geschehens im nahenden Tod. Doch gerade hier liegt auch der kritische Punkt der Inszenierung: Die Oper verweilt fast zu lange im Sterben, beinahe kontemplativ, und verliert dabei die Dynamik des Moments, der sie antreibt. Das „Blühen“ bleibt ein musikalisches und psychologisches Versprechen, das nur kurz eingelöst wird, bevor es in struktureller Strenge und klanglicher Reflexion erstickt und zum "Absterben" in Handlungserlahmung wird.

Man könnte sagen: BLÜHEN will das Paradox des Lebens im Angesicht des Todes ausloten – doch seine formale Konsequenz, seine intellektuelle Kühle, Leere in den Emotionen untereinander, lassen die emotionale Sprengkraft der Geschichte erfrieren. Der Schock des Wendepunkts – eine Frau, die durch das Wiedererwachen ihrer Sinnlichkeit in den Tod getrieben wird – artikuliert sich in der formalen Konzentration der Musik. Das Werk bleibt bewundernswert, obwohl es wegen seiner speziellen Konkretheit distanziert: ein kunstvolles Sezieren von Lebenshunger und Verfall, mehr als ein Erzittern vor deren Unvereinbarkeit.

v.l.n.r. Jarrett Porter (Edgar; kniend), Karolina Bengtsson (Anna; stehend),
Bianca Andrew (Aurelia; liegend),  Michael Porter (Ken; sitzend)
und Alfred Reiter (Dr. Muthesius; stehend)

Am Ende bleibt BLÜHEN eine Oper über das Unmögliche: Der Versuch, das Sterben im Akt des Lebens zu überwinden – und das tragische Wissen, dass gerade dieser Versuch das Ende beschleunigt. Die Musik bringt das zum Klingen, das Libretto benennt es, die Regie zeigt es. 



Dienstag, 23. Juli 2013

Fotoausstellung "Fragmente - Ästhetik des Verlassenen" im PENGland, Mainz

18.07.2013 -
27.07.2013 Fragmente - Ästhetik des Verlassenen - PENG, Binger Straße 23, 55131 Mainz


Kristin & Carolin Hartmann
Eine Fotographie-Ausstellung

Was passiert mit Gebäuden, die nach ihrer gewerblichen, privaten, ursprünglichen Nutzung verlassen werden? Leerstehende Lagerhallen, aufgegebene Wohnungen und Häuser, alte Fabriken. Sie werden zu verlassenen Orten. Wenn man sie betritt, scheint die Zeit still zu stehen. Was bleibt sind Fragmente einer vergangenen Zeit, Spuren von Leben, die diese Gebäude einst durchzogen.
DIe beiden Fotografinnen zeigen eine deutliche Leidenschaft zu alten, aufgegebenen, abgewrackten Gebäuden, so genannten ‘Lost Places’, und die Liebe zur Fotografie. Eine fotografische Dokumentation des Verfalls.

Donnerstag, 11. November 2010

Für Sie besucht: Almut Martiny, noch bis 16.12.2010 im Kleinen Kunstbahnhof St. Julian-Eschenau


Wie schon angekündigt findet zurzeit eine Ausstellung der Frankfurter Künstlerin Almut Martiny im Kleinen Kunstbahnhof St. Julian-Eschenau statt.
Bei der gemütlichen Vernissage, untermalt vom Walerian Galuszka Trio mit recht rockigen, teils sanften Tönen und Blues-Passagen mit passender Harp, erklärte die Künstlerin sehr detailliert und engagiert, welche Intentionen sie verfolgt, wie sie die Werke komponiert und was ihr ein wichtiges Anliegen in der Aussage ist. Ich hatte dieses Mal Glück und habe ein reizendes kleines Martiny-Acrylgemälde bei der Verlosung gewonnen. Das einzige Acrylbild übrigens in dieser Ausstellung, alle anderen sind mit Öllasurfarben gemalt bzw. getupft. Denn Almut Martiny arbeitet sehr viel mit Tupfen der Öllasurfarben mittels Tüchern. Und das sehr, sehr schön und ästhetisch im jeweiligen Farbverlauf.


Almut Martiny, "Wandelbar", Fotografie trifft Öllasurmalerei, 
weitere Bilder in winner's cool blog


Die Bilder in St. Julian-Eschenau sind der Jahreszeit angepasst, sie haben herbstliche Töne. Nur wenige zeigen etwas mehr Farbe. Was nicht charakteristisch für Ihre Werke ist, denn wie man beim Besuch Ihrer Website sieht, sind sehr farbintensive Bilder dabei. Hier dominiert dagegen Rost, ohne dass echter Rost beim Malen eingesetzt wird, die Künstlerin mischt alles passend und ruft durch die hohe Treffgenauigkeit die Rostassoziation hervor.
Rost an sich ist ihr jedoch ein in ihre künstlerische Aussage passendes Material, denn Kern dieser Aussage ist die Unendlichkeit der Entwicklung. Die Natur, die Stofflichkeit der Dinge, der Mensch, das Leben, die Erde enden nicht wirklich, sie werden nur in einen andern Zustand übergeführt und erblühen, existieren anders, neu weiter. In diesem globalen Wiederkehrprozess oder fließend verlaufendem Werden und Vergehen ist der Zerfall von Eisen, die Entwicklung von Rost, die allmähliche Erodierung, der unaufhaltsame Zerfall hin zum Neuentstehen in einer beliebigen modifizierten Form.
Anfahrtsplan,  DKK an der B 420
Almut Martinys Kombination mit Fotos in den Bildern weist in dieselbe Richtung. In einem täuschend gemalt und plastisch wirkenden, nach Implantation eines Stückes Natur ausschauenden Zentrum des Bildes befindet sich eine Fotografie eines gemalten Werkes, die perfekt in ein dann von dort aus entstehendes Gemälde integriert ist. Sie kann sogar unmerklich einen Großteil des Bildes ausmachen. Die Ränder werden mit Farben verfugt und stellen eine nur schwach erkennbare Bruchstelle von geborgter und doch künstlerischer Wirklichkeit mit dem restlichen Kunstwerk dar. Die sozusagen entliehene, weil abgelichtete Parzelle eines Ursprungskunstwerkes wird in den Prozess der Neuentstehung eines weiteren Kunstwerkes integriert. Insofern verstehe ich alle Bilder von Almut Martiny als Metaphern für ein nie endendes Werden und Vergehen ohne Bruch mit einem Vorzustand, das Alte im Neuen oder das Kommende wird das Gewesene sein und gleichzeitig wieder Neubeginn des Kommenden. Diese Haltung zeugt von einem sehr hohen Reifegrad der künstlerischen Philosophie, wie auch die Bilder eine fließende Sanftmut und Beruhigung, etwas Meditatives, Zerfließendes wie aus einer fernöstlichen Weisheitslehre verkörpern.


KÜNSTLERWEBSITE


Der Kleine Kunstbahnhof bei viereggtext
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