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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Montag, 11. Mai 2015

RAINER HAUER - Soloprogramm Rezitation vom 18. bis 22. Mai 2015

Montag, 18. Mai 2015, 21.00 Uhr
"CRANACH-LUTHER-GOETHE - Alle Wege führ'n nach Weimar" - Moderation + Rezitation

Mittwoch, 20. Mai 2015 - 21.00 Uhr
"Schiller, heiter!" - Moderation + Rezitation

Donnerstag, 21. Mai 2015, 21.00 Uhr
"CRANACH-LUTHER-GOETHE - Alle Wege führ'n nach Weimar" - Moderation + Rezitation

Freitag, 22. Mai 2015 - 18.00 Uhr
"Schillers Meisterszenen" - Moderation + Rezitation

Freitag, 22. Mai 2015 - 21.00 Uhr
"FAUST - Ein Mann geht durch Jahrhunderte" - Moderation + Rezitation

http://www.rainer-hauer.de/

Rainer Hauer studierte Sprachwissenschaften und Schauspielunterricht und arbeitete mit Faßbinder, Zadek, Strehler und Peymann bei zahlreichen Inszenierungen zusammen. Engagements erhielt er u.a. in Frankfurt, Stuttgart, Bochum, Berlin und am Wiener Burgtheater.

Zur Zeit tourt Rainer Hauer mit Vorträgen und Soloprogrammen und ist daneben als Dozent für Sprechtechnik, u.a. an der Ruhr-Universität Bochum, an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Graz und an Wiener Schauspielschulen tätig.

Dienstag, 3. März 2015

Wie war's bei Ben Beckers Lyrikperformance in Mannheim?



(c) Arne Meister
Lyriklesungen können auch ganz anders sein. Nicht langweilig, einschläfernd, Blick auf die Uhr. Das hat uns Ben Becker am Sonntag, den 01.03.2015, in Mannheim gezeigt. Natascha Huber, die den Literarischen Verein der Pfalz in der Sektion Ludwigshafen a.Rh. betreut, war auf meiner Familie-Becker-Runde mit dabei. Meret Becker war ja am Donnerstag davor zu sehen. Bruder Bens Performance "Der ewige Brunnen" ist jetzt schon gut 70-mal über die Bühne und noch immer lebendig und ein Saalfüller. Wer mit Gedichtelesungen und einem schon recht weit bekannten Programm heute noch über 400 Leute mobilisieren kann, weiß, wie man es anstellen muss. Und schuld ist eigentlich nur der 25. Dezember, an dem die Beckers mit Ziehvater Otto Sanders sich an diesem 2005 überarbeiteten Gedichtesammelband "Der ewige Brunnen" ergötzten, labten und sich amüsierten, wie andere an den Klassikern "Deutsche Lyrik aus zwei Jahrtausenden", Gustav Schwabs "Sagen des klassischen Altertums" etc.pp.  Mit Sicherheit auch mal etwas für die Bühne, wenn so viele wichtige Schauspieler wie in der Familie Becker zusammenkommen, Weihnachten mit Gedichtevorlesen zu feiern. Schuld hat aber auch sein Leben als Schauspieler, das an die 60 Filme kennt, wo allein "Schlafes Bruder" oder seine starke Präsenz in Serienkrimis, wie auch seine mehrfache Auszeichnung, ihm große Publicity bringen.

Zum meteorologischen Frühlingsanfang kam Ben Becker also mit zwei Musikern wieder einmal ins ehemalige Lichtspielhaus Capitol. Mit finsteren Mächten und Goethes Erlkönig begann der Sonntagabend, der uns sehr theatralisch, lebendig und plastisch in die Gedichte hineintrug, sie mit jeder Faser erlebbar machte und ihnen viel mehr abgewann, als ein bloßer "Vorleser" es je vermag. Weiter mit Hebbels "Der Heidknabe", der aus dem Albtraum erwacht, tatsächlich Geld zum vom Bösen umlagerten Heideort bringen soll, es ist wie ein Todesurteil. Der für vier Groschen angeheuerte Hirtenknecht ist dann der, der ihn nicht am Heideort beschützt, sondern des Geldes wegen ermordet. Mit einer Bassstimme, die leicht mitkann mit den aktuellen Bassverstärkern, und einer genialen Mimik werden wir auch hier Zeuge von mysteriösen Tötungen. Das schleift sich geradezu ein, denn im dritten Gedicht von Theodor Fontane "Das Trauerspiel von Afghanistan" erhöht sich die Zahl der Opfer um 12.999. Das Drama eines geschlagenen Heeres, mit Frauen und Kindern in der Nacht in alle Richtungen zerschlagen und zerstreut:

Sie bliesen die Nacht und über den Tag,
Laut, wie nur die Liebe rufen mag,
Sie bliesen - es kam die zweite Nacht,
Umsonst, daß ihr ruft, umsonst, daß ihr wacht.

Einer kam schließlich noch heim aus Afghanistan. Dieses 1857 in London geschriebene Gedicht, wo Fontane Auslandskorrespondent war, beschreibt den katastrophalen Ausgang des ersten der drei anglo-afghanischen Kriege zwischen 1839 und 1842. In diesem Konflikt versuchten Briten und Russen die koloniale Vorherrschaft in Zentralasien zu erringen.

Ein direkter Bezug zur Jetztzeit, unsere Beteiligung an einer Fortführung dieses Krieges mit anderen Vorzeichen, der wieder einmal und nun seit über 40 Jahren dieses arme, aber traditionsreiche Land beutelt, der die Russen in ein finanzielles Desaster trieb und die Amerikaner samt allen beteiligten Nationen über alle Gebühr Jahr um Jahr festhält. Kein Wunder, dass der Sinn dieses Einsatzes immer wieder neu hinterfragt wird, so auch von Ben Becker, der zu diesem Trauerspiel einen weißen Pelz wie Schnee über sich wirft und in einem sonoren Sprechgesang "Sag mir, wo die Blumen sind" den trauernden Feldherrn mimt.

Im Kontrast zu diesem traurigen Thema dann ein Ausflug in Klatsch und Tratsch mit Hintergrund, womit der Künstler die ganze Ernsthaftigkeit wieder aufhob und Platz für Ulk und Witz ließ. Ob nun der Frisör von Ursula von der Ley(Leid)en, die mit anderen immer durch salbungsvolle Worte für die Fortführung der Mission in Afghanistan wirbt, und sein Draht zum Networkmarketing, das es schafft, ein Billigparfüm mit seinem Namen für viel Geld zahlreich unter die Leute zu bringen, oder der Schalterbeamte am Flughafen, der Becker wohl verklagen wird, wegen ... einer Sonnenbrille und einer Beleidigung. Wir erfahren bei der Gelegenheit auch, dass der Abend mal brutto ca. 15.500 € bringt, die zwischen Raummiete, Technik, Personal, Becker und seinen Musikern aufgeteilt werden müssen. Das sind vielleicht zwei Tage Parfümverkauf, der Monat hat allerdings 30 Tage ... und Performances sind nicht jeden Abend. Ursula v.d.L.'s Frisör Udo Walz bleibt im Vorteil.


Credits to www.faceland.com
Und weiter geht es mit einem fulminanten "Der Zauberlehrling" von Goethe, der uns so lebendig wird, als ob der Hexenmeister direkt auf uns spränge. Becker zieht den Hexenhut aus Schloss Hogwart auf und schon ist er mittendrin im Gedicht, breitet eine Zauberstube aus wie ein vom Schauspiel gebautes Pop-up. Herrliche Fühlbarkeit und Nahrung für die Fantasie. So weiter über Heines "Ritter Olaf", der beim König in Ungnade fiel, weil er Beischlaf mit dessen Tochter hatte, o h n e  verheiratet zu sein. Das Beil wartet, und Olaf darf vor der Hinrichtung noch Hochzeit mit der Geliebten (an der Tafel) feiern. Um Mitternacht ist es um ihn geschehen. Auch in Heines "Belsazar" der Tod des Gotteslästerers König von Babylon, dessen Hohn ihm die alttestamentarische Flammenbotschaft an der Wand einbringt, die den Untergang Babylons voraussagt, und ihm den nächtlichen Tod durch seine Knechte, die Gottes Zorn fürchten. Den Übergang zu Schillers "Der Handschuh" (kein Todesopfer, aber ein Frauenverächter) übt Becker mit seinen Leuten und dem Publikum zur Belustigung ein paar Mal ganz engagiert, bis es sitzt.

Wir betreten sodann die Welt der harten Männer. Emanuel Geibels "Die Goldgräber" beschreibt  den Gold Rush nach 1848, bei dem sich viele gegenseitig umlegten, um das Körnchen vom anderen auch noch zu bekommen. Die Hinterhältigkeit, Fiesheit und Habgier dieser Goldgräber spüren wir intensiv zwischen den Fingerspitzen bei der Rezitation der Zeilen des Lübeckers, der im 19. Jahrhundert Rang und Namen gewann.
Ein weiterer Knüller, der jedoch nicht nur für Beckers, auch für die Zuschauer sicher einen Seltenheitswert hat, ist die Ballade "Nis Randers", die von vielen bearbeitet, hier stammt sie von Otto Ernst (Schmidt), dargeboten wird. Ein vermisster Sohn, ein gestrandetes Schiff, ein Mann "todesmatt" im Mast und ein Nis, der tapfer hinüberrudert und seinen Bruder findet. Wie der drei Jahre im Mast oder auf dem Schiff überlebte, will ich gar nicht reflektieren, hartes Männerzeug halt. Im Gewitterblitzlicht kehrt das Boot zurück: „Sagt Mutter, ’s ist Uwe!“ Dieser Satz, so modern und küstennah, hat was von düsterem Hans-Albers-Film und Sonntagnachmittagprogramm, obgleich schon lange vorher, 1901, veröffentlicht. Beckers amüsieren sich über diesen Schlusssatz regelmäßig.
Zum Ende noch die berühmt-berüchtigte Ballade "John Maynard" von Theodor Fontane, die viele Schüler im Haupt- und Realschulbereich fesselt und dessen Opfer- und Heldentod sie zumindest in der Pfalz tatsächlich dazu bringt, ein Gedicht auswendig zu lernen. Beeindruckend auch Ben Beckers folgende Liedinterpretation mit broadwaymäßiger Beweglichkeit zum Vorhang.

Gedichte erleben, Lyrik sichtbar werden lassen, das ist die kurzweilige Kunst, die nur einige Schauspieler wirklich gut beherrschen, Ben Becker gehört dazu. Der Abend macht Spaß, ist "lehrreich", obwohl ihm an den germanistischen Interessen nichts liegt, und bleibt außergewöhnlich.

Sonntag, 31. März 2013

Meine Gedichteklassiker: DER OSTERSPAZIERGANG von Johann Wolfgang von Goethe

Rodt unter der Riethburg



Der Osterspazierung
von Johann Wolfgang von Goethe


Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
durch des Frühlings holden, belebenden Blick;
im Tale grünet Hoffnungsglück.
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
zog sich in rauhe Berge zurück.

Von dorther sendet er, fliehend nur,
ohnmächtige Schauer körnigen Eises
in Streifen über die grünende Flur;


aber die Sonne duldet kein Weißes:
überall regt sich Bildung und Streben,
alles will sie mit Farben beleben;
doch an Blumen fehlt's im Revier,
sie nimmt geputzte Menschen dafür.

 
Kehre Dich um, von diesen Höhen
nach der Stadt zurückzusehen!
Aus dem hohlen finstern Tor
dringt ein buntes Gewimmel hervor.


Jeder sonnt sich heute so gern;
sie feiern die Auferstehung des Herrn,
denn sie sind selber auferstanden,
aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
aus Handwerks- und Gewerbebanden,
aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
aus der Straßen quetschender Enge,
aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
sind sie alle ans Licht gebracht.

 
Sieh nur, sieh! Wie behend sich die Menge
durch die Gärten und Felder zerschlägt,
wie der Fluss, in Breit' und Länge
so manchen lustigen Nachen bewegt,
und bis zum Sinken überladen
entfernt sich dieser letzte Kahn.

 
Selbst von des Berges fernen Pfaden
blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
hier ist des Volkes wahrer Himmel,
zufrieden jauchzet groß und klein.
Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein!


(aus Faust)

Montag, 29. Oktober 2012

Buchvorstellung: DER GEHEIME BERICHT ÜBER DEN DICHTER GOETHE


Uwe-Michael Gutzschhahn / Rafik Schami

Der geheime Bericht über den Dichter Goethe, der eine Prüfung auf einer arabischen Insel bestand

Die beiden Autoren unternehmen einen gelungenen und gelobten Versuch, Goethes Werk zu erschließen, der sich an Jugendliche und Erwachsene richtet.

Zum Inhalt:
Wir schreiben den 26. Mai 1890. Herrenlos treibt der britische Segler Black Prince im Persischen Golf. Perlentaucher, die sich dem Schiff vorsichtig nähern, machen eine grausige Entdeckung. Die Besatzung wurde getötet. Die ganze Region ist in Aufruhr. Es gibt nur zwei Überlebende, die sich an Land retten können: Thomas und seine Mutter, eine deutsche Fürstin.

Auf der Insel Hulm finden sie Asyl und der Junge freundet sich bald mit Hakim, dem Sohn des Sultans, an. Hakim träumt von einer friedlichen Welt, und als er selbst Sultan wird, beschließt er, das Haus der Weisheit zu bauen, um einen Dialog zwischen Ost und West zu entfachen. In der Bibliothek dieses Hauses sollen nur die besten und spannendsten Bücher der Weltliteratur stehen. Thomas, der seit langer Zeit Prinz Tuma genannt wird, studiert die Literatur Deutschlands in Berlin. Als er zurückkehrt, hat er die Werke Goethes im Gepäck. Vor einer großen Kommission muss er fortan berichten und jede Nacht entscheidet die Kommission, ob er einen weiteren Vortrag halten darf.

In neun Nächten stellt der junge Prinz die Werke Goethes vor: Er erzählt von Wilhelms Meisters Lehrjahren, Reineke Fuchs, von Werther und seiner unglücklichen Liebe, vom Erlkönig und dem Zauberlehrling.

In diesen neun Nächten zieht der Prinz Tuma nicht nur die Kommission, sondern auch den Leser in seinen Bann.

dtv, Reihe Hanser, 208 S., illustriert, 7,95 €

Dienstag, 31. Juli 2012

Buchbesprechung: Das neue GOETHE-JAHRBUCH (2011)

Goethe-Jahrbuch 2011
Hg. von Jochen Golz, Albert Meier und Edith Zehm Goethe-Jahrbuch
(Im Auftrag des Vorstands der Goethe-Gesellschaft)
Göttingen 2012, Bd. 128, 2011, 512 S., 39 Abb.,
brosch., 29,95 € (D), Wallstein Verlag
 

Das Goethe-Jahrbuch 2011 versammelt die Vorträge der Konferenz »Goethe und die Künste«, die im Juni 2011 ca. 600 Goethefreunde aus 20 Ländern in Weimar zusammengeführt hat. Es enthält zudem Abhandlungen und Miszellen zu Goethes Leben und Werk.
Veröffentlicht werden auch die Essays der Preisträger des 3. internationalen Essay-Wett­bewerbs der Goethe-Gesellschaft. Ein umfangreicher Rezensionsteil zu wichtigen Neuer­scheinungen sowie Berichte über das Wirken der Goethe-Gesellschaft im In- und Ausland ergänzen den Band.


Aus dem Inhalt:
  • Ernst Osterkamp
    Das letzte Jahr. Die Künste im Leben eines Mannes, der den Tod nicht statuierte
  • Lucia Ruprecht
    Werthers Walzer: Tanz als kulturelle Kodierung von Liebe und Intimität
  • Tina Hartmann
    Von »Erwin und Elmire« zum »Faust«-Libretto – warum Goethe ein Leben lang Opern schrieb
  • Dieter Martin
    »Genien« im »Gedränge«. Die »Wilhelm Meister«-Lieder und ihre Komponisten
  • Helmut Schanze
    »man möchte sich fürchten, das Haus fiele ein«. Goethe und die ›absolute‹ Musik
  • Sabine Schneider
    »ein strenger Umriß« – Prägnanz als Leitidee von Goethes Formdenken im Kontext der Weimarer Kunsttheorie
  • Johannes Grave
    Illusion und Bildbewusstsein. Überraschende Konvergenzen zwischen Goethe und Caspar David Friedrich
  • Werner Busch
    Goethe und Neureuther. Die Arabeske: Ornament oder Reflexionsmedium?
  • Susanne Muller-Wolff
    »von der Kunst zur Natur, von der Natur zur Kunst zurück«. Goethe als Gartenkünstler und Kritiker der Gartenkunst
  • Sabine Doering »so fand ich ihn«. Goethe und Hölderlin – Stationen einer komplizierten Begegnung
  • Mathias Mayer
    Warum eigentlich »Thule«? Goethes Ballade »Der König in Thule« als Ausnahme
  • Rudiger Nutt-Kofoth
    Erzähltes Leben zwischen Überlieferung und Konstruktion. Goethes »Hackert«-Biographie und das Problem des ›congruenten Ganzen‹
  • Gabrielle Bersier
    Kulturbruch und transkulturelles Einvernehmen: Goethes deutscher Brief an Madame de Staël in Dresden
  • Gerhard R. Kaiser
    Mme de Staëls »De l’Allemagne« und Goethes Überlegungen zur ›Weltliteratur‹
  • Ivo Schneider
    Goethe als Vorbild für die Einstellung deutscher Bildungsbürger zur Mathematik?
  • Jochen Golz
    Ein ›Selbstdenker‹ im unklassischen Weimar. Aus Anlass von Eberhard Haufes »Schriften zur deutschen Literatur«
  • Herbert Muller, Dieter Herrig
    Goethes Hexen-Einmaleins – ein neuer Erklärungsansatz
  • Sabine Schafer
    Alexander Palmer alias Blankenstein – auf der Spur eines Hochstaplers

Mittwoch, 7. Dezember 2011

Heidis Gedichtetipps: Goethe

(Ohne Titel)

Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen
Und haben sich, eh' man es denkt' gefunden;
Der Widerwille ist auch mir verschwunden,
Und beide scheinen gleich mich anzuziehen.

Es gilt wohl nur ein redliches Bemühen!
Und wenn wir erst in abgemeßnen Stunden
Mit Geist und Fleiß uns an die Kunst gebunden,
Mag frei Natur im Herzen wieder glühen.

So ists mit aller Bildung auch beschaffen:
Vergebens werden ungebundne Geister
Nach der Vollendung reiner Höhe streben.

Wer Großes will, muss sich zusammenraffen;
In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,
Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.

                            Johann Wolfgang von Goethe (um 1800)

Mittwoch, 20. Juli 2011

Rainer Hauer wieder in Weimar zu hören

An mehreren Abenden in Juli ist der stimmgewaltige Wiener Burgschauspieler Rainer Hauer mit seinen Rezitationen aus den Werken von Goethe und Schiller in Weimar präsent:

Mittwoch, 20. Juli 2011 - 21.00 Uhr
"MEPHISTO - Heiteres vom Teufel" - Moderation + Rezitation


Der FAUST-Mythos ist auch deshalb so berühmt und beliebt, weil in ihm noch ein zweites Wesen sein Unwesen treibt, ein gewitzter „Gesölle aus der Hölle“ namens Mephistopheles, über den Goethe den Herrn im Himmel sagen lässt: „Von allen Geistern, die verneien, ist mir der Schalk am wenigsten zur Last!“ Rainer Hauer verfolgt mit Lust und Freude die schelmische Spur des teuflischen Gesellen. Ein Panoptikum! Faszinierend, geistreich, besinnlich, vergnüglich, erfrischend!

Donnerstag, 21. Juli 2011 - 21.00 Uhr
"Schillers Meisterszenen" - Moderation + Rezitation


Als Europa auf arte-tv den "King of Drama" wählte, belegte Schiller gleich nach dem großen Briten Shakespeare Platz 2. Verdientermaßen, denn der Weimarer Klassiker verstand mehr vom Theater als mancher seiner Dichterkollegen, inklusive Goethe. Rainer Hauer trägt frei unter dem Motto "Schlag nach bei Schiller!" berühmte Reden, Monologe und Dialoge aus dessen Meisterdramen vor und ergänzt sie durch Anekdotisches und persönlich Erlebtes in Schillerinszenierungen. Und wer's bis jetzt nicht glaubte: Auch bei Schiller kann man lachen!

Freitag, 22. Juli 2011 - 18.00 Uhr
"FAUST - ein Mann geht durch Jahrhunderte" - Moderation + Rezitation


Fast jeder hat ihn gelesen und ein jeder meint ihn auch irgendwie zu kennen, den FAUST. Selbst Goethe hat davor gewarnt: „Faust ist ein so seltsames Individuum, dass nur wenige Menschen seine Zustände nachempfinden können.” Um dem Abhilfe zu schaffen, lädt Rainer Hauer zu einer furiosen Achterbahnfahrt durch die Höhen und Tiefen des Faust-Stoffes kreuz und quer durch fünf Jahrhunderte, wobei auch Hanswurst und manch höllischer Geselle aus dem Cockpit grüßen lassen.

Samstag, 23. Juli 2011 - 18.00 Uhr
"Schiller, heiter" - Moderation + Rezitation


Theater im Gewölbe
Cranach-Haus, Markt 11/12
99423 Weimar

Mittwoch, 1. Juni 2011

Buchbesprechung: Das Goethe-Jahrbuch 2009

Goethe-Jahrbuch
Band 126, 
herausgegeben von Werner Frick, Jochen Golz, Albert Meier und Edith Zehm  
(Im Auftrag des Vorstands der Goethe-Gesellschaft)
Göttingen 2009, 543 Seiten, mit 7, z.T. farb., Abbildungen,
Broschur, 29,95 €, Wallstein Verlag


Das Goethe-Jahrbuch 2009 versammelt die Vorträge der Konferenz »Weite Welt und breites Leben - Goethe, der Weltbürger«, die im Juni 2009 ca. 600 Goethefreunde aus 20 Ländern in Weimar zusammengeführt hat. 
Es enthält zudem Abhandlungen und Miszellen zu Goethes Leben und Werk. Veröffentlicht werden auch die Essays der Preisträger des 2. internationalen Essay-Wettbewerbs der Goethe-Gesellschaft. Ein breiter Rezensionsteil zu wichtigen Neuerscheinungen, eine Goethe-Bibliographie für das Jahr 2008 und Berichte über das eindrucksvolle Wirken der Goethe-Gesellschaft im In- und Ausland ergänzen den Band.


Wer Goethe mag entdeckt in jedem Jahrbuch was Neues: Yoshito Takahashi stellt 2009 Goethe in den Weltbürgerkontext, seine Vorlieben für Orient und China, Hans-Jürgen Schings analysiert Goethe und die franz. Revolution. Goethe war kein Freund der Revolution, das passte gar nicht in seinen Weimarer Musenhimmel. Die Struktur der politischen Pläne Goethes untersucht Gerhard Müller, er hatte wohl keinen "Masterplan", sondern prägte durch seine Einzigartigkeit und sein Charisma die folgenden Jahrzehnte kulturpolitisch und gesellschaftlich. Barbara Beßlich, "am Klavier und hinter den Kanonen...", untersucht die Napoleon-Rezeption bei den deutschen Dichtern. Tatsächlich hat Goethe sie stark beeinflusst. Napoleon als "Kerl" im Sturm-und-Drang-Sinn hatte etwas vom Götz von Berlichingen und viel mehr... Er fand nicht nur Goethes Zuspruch. Nach Napoleons Tod 1821 wurde dieser von vielen Dichtern als schöpferisches Genie, als mit den Traditionen brechender Künstler verstanden und nicht als kriegerischer Eroberer, auf dessen Konto Zehntausende von Toten gingen... Nail Bathi geht wieder auf die orientalischen Einflüsse ein. Der Leser findet noch etliche weitere interessante Vorträge, Abhandlungen, Dokumentationen, Miszellen und Rezensionen.    

Montag, 23. August 2010

Saisonevent: 3 Abende hintereinander ab 23.08.2010 Rezitationen von Rainer Hauer

Rainer Hauer im
Theater im Gewölbe,
Cranach-Haus, Markt 11/12,
99423 Weimar

Telefon: 03643/777377
Montag, 23. August 2010 - 21.00 Uhr: Schiller heiter!  - Rezitation

Dienstag, 24. August 2010 - 21.00 Uhr: FAUST - ein Mann geht durch Jahrhunderte - Rezitation
„Faust ist ein so seltsames Individuum, dass nur wenige Menschen seine Zustände nachempfinden können” Goethe). Um dem Abhilfe zu schaffen, lädt Rainer Hauer zu einer furiosen Achterbahnfahrt durch die Höhen und Tiefen des Faust-Stoffes kreuz und quer durch fünf Jahrhunderte, wobei auch Hanswurst und manch höllischer Geselle aus dem Cockpit grüßen lassen.

Mittwoch, 25. August 2010 - 21.00 Uhr: Schillers Meisterszenen - Rezitation
Als Europa auf arte-tv den "King of Drama" wählte, belegte Schiller gleich nach dem großen Briten Shakespeare Platz 2. Verdientermaßen, denn der Weimarer Klassiker verstand mehr vom Theater als mancher seiner Dichterkollegen, inklusive Goethe.

Montag, 26. Juli 2010

Kunstevent: Ab 26.07. 3x hintereinander um 21 Uhr - Rainer Hauer liest in Weimar

An drei Abenden ist Rainer Hauer mit seinen Rezitationen zu den Werken von Goethe und Schiller in dem Theater im Gewölbe in Weimar zu sehen, bei denen er den Zuhörern Furioses, Fantastisches und Fröhliches aus bekannten und unbekannten Faust-Dichtungen vorstellt und mit humorigen und heiteren, komisch übertriebenen und paradoxen Passagen aus Friedrich Schillers Werken erstaunt.

Theater im Gewölbe, Markt 11 - 12, 99423 Weimar
:
Montag
, 26. Juli 2010 - 21.00 Uhr, Schiller heiter! - Rezitation
Dienstag
, 27. Juli 2010 - 21.00 Uhr, FAUST - ein Mann geht durch Jahrhunderte - Rezitation
Mittwoch, 28. Juli 2010 - 21.00 Uhr, Schillers Meisterszenen - Rezitation

Rainer Hauer studierte Sprachwissenschaften und Schauspielunterricht. Er erhielt Engagements u.a. in Frankfurt, Stuttgart, Bochum, Berlin und am Wiener Burgtheater. Hauer arbeitete mit Faßbinder, Zadek, Strehler und Peymann. Zur Zeit tourt Rainer Hauer mit Vorträgen und Soloprogrammen und ist daneben als Dozent für Sprechtechnik, u.a. an der Ruhr-Universität Bochum, an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Graz und an Wiener Schauspielschulen tätig. 
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Donnerstag, 10. Juni 2010

3x Lyrik: Der Garten der Poesie + Zu mir oder zu dir? + SMS-Lyrik

A.G. Leitner und Gabriele Trinkler (Hrsg.)
Der Garten der Poesie
Gedichte
München Neuausgabe 2010, Hardcover, dtv, 8,90 €

Anton G. Leitner, geboren 1961 in München, ist Verlagsleiter und Publizist. Seit 1993 gibt er die Zeitschrift »DAS GEDICHT« heraus, deren ›Erotik Special‹ im »Focus« auf die Bestenliste gelangte. Anton G. Leitner wurde mit vielen Förder- und Kulturpreisen ausgezeichnet.

Gabriele Trinckler, geboren 1966 in Berlin, lebt als Lyrikerin und Verlagsmitarbeiterin in München. Sie ist Redakteurin der Zeitschrift ›Das Gedicht‹ und gibt zusammen mit Anton G. Leitner Lyrik-Anthologien heraus.

Die Herausgeber laden ein, sich in den Garten zu begeben, ihn zu suchen, vielleicht den verlorenen, das Paradies, vielleicht den noch nicht geschaffenen. Dichter über die Jahrhunderte, vom Barock bis in die Gegenwart, führen durch die Jahreszeiten des Lebens, vom Sprießen und Blühen bis zum Welken und Vergehen. Umrahmt von einer Einstimmung und einem Ausklang ...
Im Garten treffen wir über 100 Dichter, so unterschiedliche wie Ulla Hahn, Heinrich Heine, Karl Krolow, Hölderlin und Goethe. Wir machen uns auf den Weg vom Eingang über die Ernte bis zum Ausklang, wohl wissend, dass da noch einiges vor uns liegt  ...

Eingang

Einst waren wir alle im glücklichen Garten ...
 Peter Huchel

Vom Reifen und Ernten

 Glückwunsch

die äpfel waren reif
als du zur Welt kamst
und das licht machte sie durchsichtig
wie dein schwarzes haar
die wolken liefen fröhlich und leicht
wie von pferdchen gezogen
schneller rief ich ein neuer mensch kommt
die äpfel blummsten ins gras
ich teilte sie mit den vögeln
und erzählte von dir und dem schneiderlein
bald sitzen wir untern baum
essen lichtäpfel
die angepickten sind süßer
und die wolken laufen uns davon

Dorothee Sölle (1929-2003)

 Ausklang
Neuer Frühling gibt zurück,
Was der Winter dir genommen.
Heinrich Heine




 
Anton G. Leitner (Hrsg.)
Zu mir oder zu dir?
Verse für Verliebte
München 2008, 128 S., Broschur, Reihe Hanser bei dtv,  6,95 €

Vita zu Anton G. Leitner, siehe oben

Wer nicht recht weiß, wie er es dem oder der Geliebten sagen soll oder wie er es neu und immer wieder sagen soll, greift gerne zu Liebesgedichten. A. G. Leitner hat davon 100 Stück aus 250 Jahren gesammelt und zusammengestellt, dabei die 15-jährige Schülerin Marina Elsner um ihre Stimme gebeten. Heraus kam dieses reizvolle Bändchen, das alle Phasen der Liebe begleitet, vom Vorspiel, zum Flirt und Liebesschwur, vom Kuss zum Liebespiel, vom Liebesschmerz zum neuen Glück und ein Nachspiel ... Hier ein kleiner Spaziergang über den Höhepunkt...

Vorspiel 
Das Lieben macht schön /Das Lieben macht klug. 
Es braucht sehr wenig. /Zwei sind genug.
Das Lieben macht krank. /Das Lieben macht matt. 
Es braucht sehr wenig. /Weh, wer es hat. 
                                                             Peter Maiwald

Vom Kuss zum Liebesspiel

Annette an ihren Geliebten

Ich sah, wie Doris bei Damöten stand,
Er nahm sie zärtlich bei der Hand;
Lang sahen sie einander an,
Und sahn sich um, ob nicht die Eltern wachen,
Und da sie niemand sahn,
Geschwind - Genug, sie machtens,
wie wirs machen.

Johann Wolfgang von Goethe

satzzeichen

wir entworten
entsilben
buchstabieren uns

fallen ohne komma
und fragezeichen
übereinander her

punkt

Claudia Angerer

Nachspiel
Vergißmeinnicht
Ein Blümchen ist so wunderschön, /Gelobt von allen, die es sehn, 
Es ist das Blümchen, welches spricht: /Vergißmeinnicht. 
Dies Blümchen hab ich oft gepflückt, /Die Farbe hat mich stets entzückt, 
Weil jedesmal sie zu mir spricht: /Vergißmeinnicht.

Annette von Droste-Hülshoff




Anton G. Leitner (Hrsg.)
SMS-Lyrik
160 Zeichen Poesie
München 2002, 100 S., Broschur, Reihe Hanser bei dtv,  6,00 €

Vita zu Anton G. Leitner, siehe oben


Das klassische Handy erlaubt 160 Zeichen, die aktuelle Generation der Handys gar Power-SMS mit 300 Zeichen, um anderen wichtige und weniger wichtige Botschaften zukommen zu lassen. A. Leitner hat in diesem Bändchen 160 poetische Kurzbotschaften von 87 bekannten Autoren, zu denen Erich Fried, Gottfried Benn, Reiner Kunze und Christian Morgenstern gehören, und Slammern zusammengestellt, mit denen man nicht nur Liebesausbrüche, sondern auch dezente Verzückung, Verwunderung, immer aber Lesen hervorruft. Alle Gedichte hochgradig SMS-tauglich und dringend weiterzugeben... Der Simser findet etwas über das Handy, Liebeserklärungen, Absagen, Ratschläge und Wortwitz.

2 Kostproben der "modernen" Simser:

Sie sagte nichts
und gab sich dazu her.
Ich erklärte sie
zu einer Magnolie
und bog sie zurecht -
für meine Hände.
Sie nahm die Huldigung an.

                                 SAID

genium sos
solaris zelle mutter fernbedienung
vater salz + pfeffer sexkrieg halleluja
roh stoffe leid + software salsa
effexive hiphop sos mix punkt
byebye my love

Augusta Laar



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Montag, 10. Mai 2010

Gerade besucht: Renate Wandel im Kleinen Kunstbahnhof St. Julian-Eschenau

Was mich bei Renate Wandel (zur Vita siehe meine Vorschau) auf ihrer Homepage sofort fesselte, obwohl ich noch nichts von ihr gesehen hatte, das ist dieser Widerspruch zwischen kirchlich-religiösen Motiven und einem offenkundig entflammten Eros und Sexus. Ihre Installation "... immer richtig!" (siehe hier) ist alles andere als eine religiöse Darstellung oder Transport von religiösen Wünschen. Oder das Bild "Salomé", die Verführung aus dem Altertum hereingeholt in die Gegenwart. Salomés verführerischer Tanz, um den Kopf Johannes des Täufers zu bekommen, aufgeführt in einer Table-dance-Bar. Der biblische Mythos und Richard Strauss' Oper wie ein Charles Bukowski, serviert an Arnold Schönberg.

Genauer betrachtet ist nichts anderes und auch nicht viel weniger virulent als dieser monströse Abgrund zwischen Himmel und Hölle, Universum und Nichts, Liebe und Perversion, Kirche und Freudenhaus, Versteinerung und Sinnestaumel, Gott und Teufel, Sehnsucht und Verführung, Zärtlichkeit und Geilheit, die uns allen innewohnt. Gerade in den aktuellen Kindesmissbrauchskandalen zeigen sich diese Abgründe genau so, wie wir sie in unseren diabolischsten Ahnungen und Ängsten erleben ... Pädophilie statt Pädagogik, Pornographie statt Zölibat, Lüsternheit statt Kinderliebe, bei jenen, die nicht in der Lage sind, die widerstreitenden Kräfte zu zähmen und in positive Produktivität umzuleiten. Der umgekippte, perverse Sexus, das Verbot vergoren zum Lustcocktail.


In ihrer aktuellen Ausstellung im Kleinen Kunstbahnhof in St. Julian-Eschenau, vom Galerist und nicht minder aussagekräftigen Künstler Dietmar E. Hofmann-Leitmeritz betrieben, zeigt sich die Breite der thematischen Fertigkeiten Renate Wandels. Die Ausstellung wurde am 9.5.2010 eröffnet, geht bis 7.7.2010 und empfiehlt sich jedem, der die Rauschhaftigkeit und Lüsternheit des Menschseins ebenso wie Abgründe aller Art als eine künstlerische Herausforderung sieht.

Religiöse, mythologische Szenen ("Amor und Venus", Gipsguss; "Die Kathedrale").





Erotische und literarische, so die heilige Johanna aus Friedrich Schillers "Die Jungfrau von Orleans" und der Großinquisitor aus "Don Carlos", neben Szenen aus Goethes "Faust", hier "Auerbachs Keller".


























 
Außerdem sozialkritische Welten, Krieg, Gewalt, Kriminalität, ganz eigenwillig in dem Gemälde "Licht und Schatten", in dem aus einem höllenähnlichen Dasein ein Übertritt in die hellere Welt, bis hin zu einem Lichtwesendasein, stattfindet.











(Ausschnitt aus Licht und Schatten)




Aktuell arbeitet die Künstlerin an einer Afghanistan-Reihe, die die Auseinandersetzung mit dieser ersten deutschen Konfliktbeteiligung nach vielen Jahren des Verbots thematisiert.




Auffällig sind noch drei andere Werke:

Ein mit Wein vom Hildegard-von-Bingen-Weinberg gemalter Engel ("Kristallin II"), was Pfälzer Winzern mit Kunstgefallen sofort inspierieren sollte, einen farbintensiven Malwein zu kreieren ;-).

Das Gemälde "Tempus fugit!", das die Entstehung des Universums und des Menschen in einer sekundenschnellen Metamorphose aus der anfänglichen Urknall- und "Big-Bang"-Explosion zum "Ecce homo" Friedrich Nietzsches festhält.








Ungesättigt gleich der Flamme
Glühe und verzehr’ ich mich.
Licht wird alles, was ich fasse,
Kohle alles, was ich lasse,
Ja, ich weiß, woher ich stamme,
Flamme bin ich sicherlich.

Friedrich Nietzsche









Und ein Gemälde namens "Floating". Vor dem Hintergrund des reichen Frankfurt-Mainhattan, dem wichtigsten Börsen- und Bankenplatz Deutschlands, der Stadt der Geldverwaltung, -vernichtung und -pflege (frei nach R.W. Fassbinder: "Die Stadt, das Geld und der Kollaps") schwimmen kleine Euroscheinschiffchen den Main, nicht den Orkus hinab, obwohl beides nebeneinanderliegen könnte wie Euphrat und Tigris. Das Gemälde lag Ministerpräsident Koch zur Ansicht vor, fand aber nicht den ihm eigentlich zustehenden Platz im hessischen Landtagsbüro des Ministerpräsidenten.


Renate Wandel ist auch zu sehen auf der 1. Bazonnale "Lust 2010" von 7.Mai bis 30. Juni 2010 in Weimar. Benannt ist diese Ausstellungsreihe nach Bazon Brock, 70 Jahre, dem ungewöhnlichen Professor für Ästhetik und Kulturvermittlung sowie eigenwilligen Kunstschaffenden und -förderer (Begründer der Kunstformen "Fluxus" und "Happening"), der zurzeit eine Vorlesungsreihe in Karlsruhe zur Förderung der Bürgermündigkeit durchführt ("Der professionalisierte Bürger"). Die Bazonnale soll alle 6 Monate ein breites Angebot von Künstlern zu wichtigen Themen bieten und die Zuschauer zu ästhetischer Urteilskraft erziehen.


(Alle Fotos: viereggtext)




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Donnerstag, 21. Januar 2010

Buch: Sigrid Damm - Goethes letzte Reise

Sigrid Damm: Goethes letzte Reise, Insel Verlag 2007


(Sigrid Damm wurde 1940 in Gotha geboren, lebt als freie Schriftstellerin in Berlin und Mecklenburg. In Jena studierte sie von 1959 bis 1965 Germanistik und Geschichte. Anschließend war sie als Hochschullehrerin in Jena und Berlin tätig, 1970 promovierte sie. Die Autorin ist Mitglied des P.E.N. und erhielt für ihr Werk zahlreiche Auszeichnungen, u. a. den Feuchtwanger-, Mörike- und Fontane-Preis.)

„Ich war immer gerne hier. Ich glaube, es kommt von der Harmonie, in der hier alles steht, Gegend, Menschen, Clima, Thun und Lassen“ , so beschreibt Goethe sein Thüringer Arkadien. Hier im Thüringer Wald hat Goethes Gespräch mit der Erde, hat sein naturwissenschaftliches Interesse begonnen, ausgelöst durch die Verantwortung für den Ilmenauer Bergbau. Das schönste lyrische Ergebnis dieses Gesprächs, das berühmte Gedicht "Über allen Gipfeln", schrieb er 1780 an die Wand einer Jagdhütte auf dem Kickelhahn. 


Den Handlungsrahmen für Sigrid Damms Buch bilden die sechs Tage der letzte Reise Goethes im August 1831. Es wird eine Fahrt in die Vergangenheit, um Dauerndem und Verschwundenem zu begegnen, eine Wallfahrt zu den Stätten früherer Leiden und Freuden. Der große Weimarer Dichter fährt mit seinen beiden Enkeln Walther und Wolfgang nach Ilmenau. Zweck der Reise ist in erster Linie, den Weimarer Feierlichkeiten zu seinem 82. Geburtstag zu entgehen. Der alte Meister zieht sich von solchen Anlässen gern zurück. Lieber verreist er als geduldiger Großvater mit „dem kleinen Volk im zweyten Grad“. Trotz seiner Liebe mussten sich Goethes Enkelkinder später im Leben der Last des großen Namens beugen. Die Erzählerin nutzt nun diesen Ausflug des alten Mannes als Metapher für seine letzten geistigen Wanderungen, wie die Vollendung des zweiten Teils des „Faust“, Goethes Liebe zu Ulrike von Levetzow, Erinnerungen an seinen in Italien verstorbenen Sohn August, seinen Glauben an das Fortbestehen des Geistes nach dem Tode und seine Reise ohne Rückkehr im März 1832.

Für Goethe ist am 26. August 1831 die Kutsche angespannt, „früh um halb Sieben aus Weimar“. In Ilmenau angekommen, feiert er seinen Geburtstag. Es ist der letzte, den er erlebt. Früh gratuliert der zehnjährige Wolf, mit dem Goethe frühstückt, während „der gute Walther sein Morgenschläfchen“ fortsetzt. Festlich begehen die Ilmenauer den Tag. An seinem Geburtstag packt Goethe einen Gegenstand aus und stellt ihn vor sich hin: ein zerbrechliches böhmisches Glas mit den Eingravierungen von drei Namen, denen der Amalie von Levetzow, ihrer Tochter Ulrike und einer der jüngeren Schwestern. An diesem Abend schreibt Goethe an Frau von Levetzow…

Mit diesem Ritual beginnt der Rückblick auf Goethes letzte Liebe, die Reisen nach Böhmen in den Jahren 1821 bis 1823, in dem ein bewegendes Bild dieser glücklichen und doch von Beginn an überschatteten Begegnung gezeichnet wird, deren schmerzliche Verarbeitung Goethe erst in der großen „Marienbader Elegie“ gelingt. Verknüpft mit dem Ablauf des 29. August in Ilmenau sind Hinweise auf Goethes Lektüre und auf den vom Hof in Weimar als offiziellem Vertreter entsandten Oberforstmeister von Fritsch: Erinnerungen an gemeinsam Erlebtes und einstige Freunde, so an Knebel. Der Abschluss der Reise naht. Goethe erinnert sich: „Bey einem außerordentlich schönen, dieses Jahr seltenem Wetter befuhr ich auf neuerrichteten Chausseen die sonst kaum gehbaren Wege, freute mich an den Lindenalleen, bey deren Pflanzungen ich vor 50 Jahren zugegen war…“

Sigrid Damm kennzeichnet auch das schwierige Vater-Sohn-Verhältnis als eine Konsequenz der Bedingungen: „Es ist dieses Weimar mit seiner fürchterlichen Prosa, Kleinheit, Missgunst, Häme und seinem Neid. August von Goethe, der Sohn der geschmähten Vulpius, kann die uneheliche Geburt nie abstreifen, wie sehr sein Vater sich auch vor ihn stellt, ihn in jeder Weise protegiert. Genau das verstärkt die Abwehr gegen ihn geradezu.“ Um den Meister besser zu verstehen, geht die Autorin auf sein Reisetagebuch ein: „Eine Ahnung von der Tragödie dieses Mannes … zeigen seine Aufzeichnungen aus Italien: als lateinische Grabschrift bestimmt er: „Goethe, der Sohn, seinem Vater vorangehend, starb vierzigjährig, 1830“, am 27. Oktober 1830.

Am 31. August 1831 brechen die Reisenden schließlich von Ilmenau aus zur Heimfahrt auf. Goethe verbleibt noch ein Lebensrest von 202 Tagen. Das Werk „Faust II“ geht er mit der Schwiegertochter Ottilie als Vorleserin im Winter durch. Das Siegel des im August des vorigen Jahres verschlossenen Manuskripts wird noch einmal geöffnet. An „Dichtung und Wahrheit“ und der „Farbenlehre“ arbeitet er weiter. Besonders in seiner Rolle als Hausvater wird Goethe uns nochmals vorgestellt. Er plant die Frühjahrsbestellung im Garten und weilt am 20. Februar zum letzten Mal im Gartenhaus im Park an der Ilm. Dann das Ende, Krankheit und Tod.

Die Autorin schließt mit den Worten des Malers Friedrich Preller: „Vorliegende kleine Zeichnung habe ich selbst aufs genaueste nach dem Hochseligen gezeichnet und darf wohl sagen, dass sie wirklich ähnlich sei. Welchen schönen, ruhigen Ausdruck er auch nach seinem Leben noch hatte, können Sie wohl sehen…“ Schon früh beschäftigte sich Goethe mit dem Altern und dem Tod, den er stets floh. 1823 steht in einem Brief: „Lange leben heißt gar vieles überleben, geliebte, gehasste, gleichgültige Menschen, Königreiche, Hauptstädte, ja Wälder und Bäume, die wir jugendlich gesäet und gepflanzt. Wir überleben uns selbst…“, und im Jahr der wirklichen Reise: „Im hohen Alter, wo uns die Jahre nach und nach wieder entziehen, was sie uns früher so freundlich und reichlich gebracht haben, halte ich für die erste Pflicht gegen uns selbst und gegen die Welt, genau zu bemerken und zu schätzen, was uns noch übrig bleibt.“ Es ist ein Buch mit rührenden Passagen, das zeigt, dass Altern und Tod Geben und Nehmen bedeutet, das aber auch wenig Überraschendes für den Leser enthält, dem Goethes Briefe oder die Gespräche mit Eckermann bekannt sind.

Der aufmerksame Leser findet kleine Schwächen im Werk der Autorin. Fragen wie „Stellt nicht diese Dichtung die höhere Wahrheit dar?“ bleiben unbeantwortet. An manchen Stellen bleibt Damms Lektüre der Originale etwas oberflächlich, was einem aufmerksamen Leser nicht entgeht. So zitiert die Autorin einen Brief Goethes an Amalie von Levetzow, der Mutter Ulrikes: „Dabey, hoff ich, wird sie nicht abläugnen, daß es eine hübsche Sache sey, geliebt zu werden, wenn auch der Freund manchmal unbequem fallen möchte.“ Dann stellt die Autorin einige Fragen, die ihre eigene Interpretation wiedergeben „Und der Schluss des Satzes, worauf deutet er? Wohl nicht auf den Troubadour, der vor den Augen der Angebeteten auf den Knien liegt, sondern auf den alten Mann, der ausrutscht und sich nicht wieder aufzurichten vermag? (S. 207)“ Sie verstand die Wendung „unbequem fallen“ als „stürzen“, nicht als „lästig fallen“, wie sie wahrscheinlich gemeint war. Dann wiederum wird vergessen, was nur wenige Seiten zuvor berichtet wurde. Aus einem Brief des Enkels Wolfgang wird berichtet, der die geplante Rückreise nach Weimar über Schwarzburg und Rudolstadt ankündigt. Der Enkel ist enttäuscht, dass die Reisegesellschaft den gleichen Weg zurück nehmen wird, den sie gekommen ist. Sigrid Damm schreibt: „Bei der Herfahrt hat man die Bestellung aufgegeben. Da die Gasthofrechnung nicht überliefert ist und auch Krauses Tagebuch keine Auskunft gibt, können wir es nur vermuten.“ Warum soll Goethe allerdings ein Mittagsmahl bestellen, wenn er weder den Rückreisetag kennt, noch plant, auf der Rückfahrt wieder vorbeizukommen? Sigrid Damm bringt uns Goethe im Alltag als liebenden Großvater, großzügigen Gastgeber, zweifelnden Greis und begehrenden Mann nahe. Für den ernsthaft an Goethes Gedanken Interessierten lässt es zu viele Fragen offen. Trotzdem tauchte ich schwer aus dem Vergangenem auf, das Sigrid Damm zur Gegenwart werden ließ.




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