SV Verlag

SV Verlag mit Handy oder Tablet entdecken!
Die neue Generation der platzsparenden Bücher - klein, stark, leicht und fast unsichtbar! E-Books bei viereggtext! Wollen Sie Anspruchsvolles veröffentlichen oder suchen Sie Lesegenuss für zu Hause oder unterwegs? Verfolgen Sie mein Programm im SV Verlag, Sie werden immer etwas Passendes entdecken ... Weitere Informationen

.

.
Dichterhain, Bände 1 bis 4

.

.
Dichterhain, Bände 5 bis 8

Übersetze/Translate/Traduis/Tradurre/Traducir/переводить/çevirmek

Posts mit dem Label Christoph Holzhöfer werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Christoph Holzhöfer werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Sonntag, 24. November 2013

Dichterhain, politisch, vertont: Freiheit in Ketten von Erich Mühsam, interpretiert von Christoph Holzhöfer



Freiheit in Ketten (Erich Mühsam) Christoph Holzhöfer



Freiheit in Ketten


Erich Mühsam

Ich sah der Menschen Angstgehetz;
ich hört der Sklaven Frongekeuch.
Da rief ich laut: Brecht das Gesetz!
Zersprengt den Staat! Habt Mut zu euch!
Was gilt Gesetz?! Was gilt der Staat?!
Der Mensch sei frei! Frei sei das Recht!
Der freie Mensch folgt eignem Rat:
Sprengt das Gesetz! Den Staat zerbrecht! -
Da blickten Augen kühn und klar,
und viel Bedrückte liefen zu:
Die Freiheit lebe! Du sprichst wahr!
Von Staat und Zwang befrei uns du! -
Nicht ich! Ihr müßt euch selbst befrein.
Zerreißt den Gurt, der euch beengt!
Kein andrer darf euch Führer sein.
Brecht das Gesetz! Den Staat zersprengt! -
Nein, du bist klug, und wir sind dumm.
Führ uns zur Freiheit, die du schaust! -
Schon zogen sie die Rücken krumm:
O sieh, schon ballt der Staat die Faust! ...
Roh griff die Faust mir ins Genick
des Staats: verletzt sei das Gesetz!
Man stieß mich fort. - Da fiel mein Blick
auf Frongekeuch und Angstgehetz.
Im Sklaventrott zog meine Schar
und schrie mir nach: Mach dein Geschwätz,
du Schwindler, an dir selber wahr!
Jetzt lehrt der Staat dich das Gesetz! --
Ihr Toren! Schlagt mir Arm und Bein
in Ketten, und im Grabverlies
bleibt doch die beste Freiheit mein:
die Freiheit, die ich euch verhieß.
Man schnürt den Leib; man quält das Blut.
Den Geist zwingt nicht Gesetz noch Staat.
Frei, sie zu brechen, bleibt mein Mut -
und freier Mut gebiert die Tat!

Zur Biographie von Erich Mühsam

Donnerstag, 31. Oktober 2013

Dichterhain vertont: IM WOHLFAHRTSAMT (1929) von Paul Körner-Schrader. Interpretiert von Christoph Holzhöfe






Paul Körner-Schrader (1900 - 1962)

Im Wohlfahrtsamt (1929)

Vorn am Schalter is großet Jedränge.
Det Schiebefenster is zu.
Et kommt noch 'ne janze Menge.
Janz hinten dranne stehst du.

Eene Frau erzählt 'ne Jeschichte.
Ihr starb Knall Und Fall der Mann.
Een Jreis hustet dir int Jesichte:
"Wir kommen noch lange nich dran."

Jetzt schiebt sich det Fenster zurücke.
'n Beamter sitzt hinter un jrunzt:
"Sie sind die Witwe Mischicke?
Sie kriejen nischt, der Weg war umsonst."

"Schlumm, Karl! In Ihrem Falle
Is allet abjelehnt."
"Ick muß doch ..." - "Det sagen se alle,
Die Leute sind bloß zu verwöhnt."

"Unjlicksfall? Een Been abjerissen?
Jedenfalls muß er selber erscheinen -
Ham se sich doch nich so beschissen -
Der nächste! - da nutzt doch keen Weinen."

"Ach, een Kind jestorben? Det dut mir ja leid,
Aber 'n Sarg, det sind sone Sachen ...
Die Mittel, die reichen eben nicht weit.
Sehn se zu, wat se da machen."

"Herr, nehm'n se doch Vaständnis an ..."
"Vaständnis. Det hab ick nich hier.
Stelln se sich mal da hinten ran.
Buchstabe Vau, Schalter vier."



Paul Körner-Schrader war das Pseudonym von Karl Schrader, der am 25. April 1900 in Wedderstedt/Harz zur Welt kam und sie am 18. Mai 1962 in Ost-Berlin wieder verlassen musste. Er  war ein deutscher Schriftsteller, der erst am Ende seines Lebens geehrt wurde.

Karl Schrader kam aus sozialdemokratische Haus, durchlebte eine harte Kindheit und Jugend und war gezwungen, eine Lehre als Gärtner abzubrechen. 1917 wurde er zum Militär einberufen und bald darauf wegen eines selbstverfassten pazifistischen Gedichts als Hochverräter zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt, die er in der Festung Thorn verbüßte.

Nach der Novemberrevolution von 1918 gehörte Schrader einem Soldatenrat an; er wurde Mitglied des Spartakusbundes und 1919 der KPD. Wegen seiner Teilnahme am Mitteldeutschen Aufstand im Jahre 1921 wurde er in Abwesenheit zu sieben Jahren Haft verurteilt. Schrader tauchte unter und arbeitete unter dem Namen Paul Körner in der Industrie, im Bergbau und in der Landwirtschaft. Nachdem sein Urteil 1928 durch eine Generalamnestie aufgehoben worden war, wurde Körner-Schrader Redakteur der kommunistischen Zeitung Die Rote Fahne und Mitglied des Bundes Proletarisch-Revolutionärer Schriftsteller. In den folgenden Jahren brachten ihm seine Veröffentlichungen mehrere Prozesse und insgesamt fünf Jahre Haft unter anderem wieder wegen „literarischen Hochverrats“ und Gotteslästerung ein. Sein erster Roman Schlagende Wetter wurde 1929 noch vor dem Erscheinen verboten.

Nach der politischen Misere 1933 wurde sofort ein Schreibverbot über ihn verhängt; er war in den folgenden Jahren permanenter Verfolgung und Repressalien ausgesetzt und wiederholt inhaftiert. Dennoch schaffte er es, weiter in der deutschsprachigen Exilpresse zu veröffentlichen. 1939 wurde er als Sanitätssoldat zur Wehrmacht eingezogen und nahm bis 1945 am Zweiten Weltkrieg teil.

Nach Kriegsende lebte Körner-Schrader in Ost-Berlin und war Mitarbeiter zahlreicher Zeitungen und Zeitschriften sowie des DDR-Rundfunks.

Paul Körner-Schraders Werk umfasst Romane, Erzählungen, Kinderbücher, Gedichte, Laienspiele und Hörspiele, in denen er häufig eigenes Erleben aus der Zeit des Kaiserreichs bis zum Zweiten Weltkrieg verarbeitete.


Paul Körner-Schrader wurde 1959 mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Silber, 1960 mit der Franz-Mehring-Ehrennadel des Verbandes der Deutschen Presse (DDR) und mit der Ernst-Moritz-Arndt-Medaille ausgezeichnet (= Medaille der DDR, von 1955 bis 1975 für den Kampf um die Sicherung des Friedens an etwa 10 000 Personen, darunter etliche Kulturschaffende, verliehen).

Mittwoch, 9. Oktober 2013

Dichterhain vertont: IN DEN ALTEN WINKEL-ECKEN (Erich Mühsam), gesungen von Christoph Holzhöfer




Interpretiert von Christoph Holzhöfer


In den alten Winkel-Ecken

In den alten Winkel-Ecken,
Wo ich mit den andern Jungen
Greifen spielte und Verstecken,
Such ich nach Erinnerungen.

Such in väterlichen Räumen
Hinter wackelndem Gemäuer,
Was den knabenhaften Träumen
Hoffenswert erschien und teuer.

Und die heimlich trüben Lichter,
Die aus krummen Gassen schielen,
Zeigen flimmernd die Gesichter
Meiner kindlichen Gespielen.

Über plumpe Pflaster holpern,
Zwischen längst vergessnen Sachen,
Seh ich Spukgestalten stolpern,
Eingehüllt in Kinderlachen.

Morsche Giebelhäuser neigen
Ihre Firste auf mich nieder.
Grüne Musikanten geigen
Aus den Kneipen Heimatlieder.

Schiffe schwanken, traumbeladen,
In der Jugend frommen Hafen.
Laßt mich, gute Kameraden,
Laßt mich träumen, laßt mich schlafen.

Oh, die Sehnsucht, die die Ecken,
Die die Winkel, Höfe, Mauern
In dem fremden Herzen wecken!
Oh, die Sehnsucht! Oh, das Schauern!

Meine Heimat! Meine Kindheit!
Meine frohen Jugendstunden!
Oh, wo hätte meine Blindheit
Wieder soviel Licht gefunden! - - -

Fort von den gestorbnen Steinen!
Liebe! schreit aus meinen Süchten.
Dir am Herzen will ich weinen,
Und zu dir die Heimat flüchten.

Erich Mühsam, 1878-1934, aus: Wüste - Krater - Wolken, 1. Auflage 1914