Letzten Freitag, den 03. Mai 2013, wurde Othello (der Mohr von Venedig) im Nationaltheater Mannheim gespielt, nicht als der traditionelle Dramen-Fünfakter, wie er von Shakespeare stammt, sondern auf zwei Akte und 22 Szenen Handlungsballett verändert.
Ballettdirektor und Chefchoreograf Kevin O'Day hat alle wesentlichen Botschaften rausgearbeitet und das Drama ohne gesprochenen Text in Szene gesetzt. Bisweilen verwendet die Musik Zitate aus der Dramatik der Stummfilme, gerade in Szenen der Handlungszuspitzung. Dem tänzerischen und musikalischen Ausdruck fließt sehr viel mehr Bedeutung zu, innerpersönliche Konflikte werden in Bewegungen umgesetzt, die Waffenübungen Othellos, Cassios und Jagos als Spannungsmomente, die Liebesdramatik herausgestellt ebenso wie die Beziehungen der Protagonisten allgemein.
O'Day setzt mit seinem musikalischen Leiter Joseph Trafton Musik der Minimal Music und des Postminimalismus ein, aufwühlende und aufregende Musik von John Adams, Jefferson Friedman, Philip Glass, Aaron Jay Kernis, David Lang. Tatyana van Walsum baute aus der Drehbühne des Nationaltheaters große, eliptisch abgeteilte Handlungsfelder, so dass alles im Fluss und nichts statisch wirkt. Es entstehen immer Nischen und versteckte bzw. verdeckte Räume in der Zirkulation, die genug Zauber aufbauen, um eine große Handlungsfläche auf die Bühne zu imaginieren. Das Lichtkonzept von Mark Stanley setzt auf beeindruckende Kontrastspiele und Romantizismen, aber auch auf klare helle Handlungsfelder.
Großes Lob auch für das Ensemble, das große Erfahrung und ausgereifte Techniken zeigt. Ein überzeugender Othello, Jago und Cassio, eine reizende Desdemona, Emilia, Bianca und Lodovica.
Die Handlung
Der Mohr Othello ist Feldherr in der Armee der Republik Venedig. Er hat die junge, schöne und wortgewandte Desdemona heimlich und ohne das Wissen ihres Vaters Brabantio geheiratet. Der gehässige Fähnrich Jago, der gehofft hatte, von Othello zum Leutnant befördert zu werden, sieht nun den unerfahrenen Cassio diese Stelle einnehmen. Othello vertraut ihm vollkommen, Jago sinnt hingegen auf Rache. Der junge Rodrigo, der unglücklich in Desdemona verliebt ist, hilft Jago bei seiner Intrige, wird jedoch von diesem ausgenutzt und schließlich ermordet.
Als Brabantio durch Jago von der Liebschaft erfährt, will er Othello vor Gericht zerren, weil er vermutet, dass Zauberei im Spiel gewesen sei – niemals könne seine Tochter freiwillig einen Mohren lieben. Othello und Desdemona versichern ihm und dem Dogen, der als Vermittler eintritt, dass die Liebe ganz ohne Magie zustande gekommen sei, so dass Brabantio ihnen widerwillig seinen Segen geben muss. Dann wird Othello jedoch nach Zypern abkommandiert, wo ein Angriff der osmanischen Flotte erwartet wird. Desdemona, Cassio, Jago und dessen Ehefrau Emilia begleiten ihn.
Jago spinnt nun eine Intrige: Mit Rodrigos Hilfe gelingt es ihm, Cassio in einen Streit zu verwickeln, der ihn Othellos Zorn aussetzt. Dem verzweifelten Cassio rät er freundschaftlich, bei Desdemona Vermittlung zu suchen, um die Gunst Othellos wieder zu erlangen. Als Othello Augenzeuge des Treffens von Desdemona und Cassio wird, fällt es Jago leicht, Othellos Eifersucht zu wecken und ihm einzureden, dass Desdemona ihn mit Cassio betrüge. Ein Taschentuch, das Desdemona verliert, wird ihm zum entscheidenden Indiz: Emilia liest es auf, Jago entreißt es ihr und schiebt es dem unwissenden Cassio unter. Desdemonas Unwissen über den Verbleib des Taschentuchs deutet Othello als Lüge. Als er schließlich das Tuch in Cassios Händen sieht, ist er endgültig von Desdemonas Untreue überzeugt. Blind und rasend vor Eifersucht glaubt er ihren Beteuerungen nicht und erdrosselt sie in ihrem Ehebett. Jagos Frau Emilia kann Othello zwar noch über den wahren Sachverhalt aufklären, wird dann aber von ihrem Ehemann ermordet. Jago wird verhaftet und die Intrige kommt ans Licht. Als Othello seinen Irrtum begreift, ersticht er sich. Das Urteil über Jago liegt zum Schluss bei Cassio, der mit Othellos Tod das Amt des Gouverneurs erbt. (wikipedia)
Handlungsballett erfordert eine große Abstraktionsfähigkeit und auch Vorkenntnisse des Stückes. Ohne die Kenntnisse der Handlung und handelnden Personen gerät alles leicht zur Verwirrung. Eine Beschäftigung mit der Materie vorab ist ratsam.