Verdi
mal ganz anders: Dieter Ilg (Bass), Rainer Böhm (Piano/Flügel) und
Patrice Heral (Percussion, Kehlkopf-Elektronik) haben sich in ihrem
letzten Projekt die Oper "Otello" von Verdi vorgenommen, und
das sehr überzeugend und ansprechend. Warum ausgerechnet diese Oper?
Weil sie Dieter Ilg, Deutschlands führender Bassist, während seines
klassischen Bass-Studiums am meisten ansprach und er diese Übungen
am wenigsten vergessen wird. Ein schwieriges Terrain, das er
allerdings wahrscheinlich nicht nur auf der Bühne mit Bravour
bestanden hat.
|
Fotos von Klaus Braße, nk-Kultur.de |
Hier
haben sich drei Jazzmusiker zusammengefunden, die ausgezeichnet
miteinander Verdi analysieren und interpretieren können, den der
Ungeübte kaum noch zu entdecken vermag, am ehesten vielleicht noch
in der Ballade "A questa tua".
Der
Abend begann mit "M'ascolta" (Höre mir zu), das
experimentell durch Patrice Heral beeinflusst eine sehr moderne und
auch archetypische Szene von Zerfall und Veränderung, Sturm, Laden-,
Türgeklapper und Gesang aus dem theatralischen Off heraufbeschwor.
Aus diesem Sturm, dieser Wüste traten die Musiker herein ins
Geschehen und bauten eine getragene Jazzstimmung auf, die sich in
"Fuoco di gioia" (Freudenfeuer) mit wiederum starker
Präsenz steigerte. Es folgte "O là", bei dem sich das
Piano ebenbürtig zeigte - wie auch in den anderen Liedern immer
präsent den Dialog führte. Von jedem Musiker konnten gehaltvolle
und konzentrierte Interpretationsphasen erwartet werden. Im lyrischen
"Quando narravi" auch feines Pianospiel, leises Rühren des
Schlagzeugs und der Bass als Taktgeber - von der Konstanten zum
Monolog und zurück.
Guiseppe
Verdis "Otello" hieß in seiner Urfassung "Jago".
Nach dieser Fassung benannt erlebten wir einen kräftig virtuosen
Bass-Solo, der allmählich ins Ensemble überging, sich zu einem
rasanten, nervösen, lustigen Staccato - mit Patrice Herals witzigem
Gesang, offensichtlich eine - im positiven Sinne - Anleihe beim letztjährigen 60-jährigen
Jubiläum der vielbekannten Comicfigur Mickey Mouse - entwickelte und
mit dem Klang einer zerreißenden Saite abrupt endete. Meine Begleitung
assoziierte spontan: "Rumpelstilzchen reißt entzwei".
Es
folgte die schon erwähnte Ballade "A questa tua", ein
trauermarschähnliches, aber beschwingteres Voranschreiten des
Pianos, das sich immer mehr zum Jazz-Dialog auflöst, von Heral mit
einem vom Besen gerührten Percussionsteppich untergelegt. Mit "Dio!
Mi potevi" folgte ein schneller Rhythmus mit einer einprägsamen
Melodie.
|
Fotos von Klaus Braße, nk-Kultur.de
|
Über
zwei Medleys näherte sich der Abend seinem Ende, das jedoch reich
mit Zugaben bedacht schmerzfrei sein durfte und noch eine Steigerung
parat hielt.
Das Medley zu "Ave Maria" eine Mischung
aus Oper-Rock-Jazz, bei dem sich Dieter Ilg wegen der Verquickung mit
einem italienischen Rocktitel ausnahmsweise zum Durchhalten der
durchgehenden Achtel-Töne entgegen seinem Jazzgrundgedanken, alles
und jeden interpretatorisch aufzulösen, überreden konnte. Nach
seiner glasklaren Basslinie kehrte er wieder zurück zu seinem
Ursprungsverständnis und wir fanden mit ihm nach Hause. Das Ende
wieder mit experimentellen, zeitgenössischen Tönen und Gesängen
von Patrice Heral heraufbeschworen, ein symbolisches Hinaustreten der Musiker ins Off, dann klassisch-melodisch und
plötzlich ein vertikaler Tempiwechsel, verlängert in die Zugabe.
Ganz am Ende dann "Auf Wiedersehen in Monte Ewig", eine
sehr besinnliche und ausdrucksvolle Erinnerung und Hommage Dieter
Ilgs und seiner Musiker an Charlie Mariano, mit dem sie CDs produzierten und der letztes Jahr
gestorben ist. Ein Abend mit diesem Trio ist ein gelungener Abend, an
den man sich sehr gerne erinnert.