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Mittwoch, 1. Juli 2015

Wie war's bei "Der Barbier von Sevilla" in Mainz?


Rossini
Wer ganz eintauchen wollte in eine Märchenwelt,  der konnte die vergangene Saison im Mainzer Staatstheater mit Gioachino Antonio Rossinis "Der Barbier von Sevilla (oder die nutzlose Vorsicht"), ital.: Il barbiere di Siviglia (Originaltitel: Almaviva, o sia l'inutile precauzione) eine ganz andere Szenerie erleben, als Rossini in seiner Opera buffa vorsah. In der letzten Vorführung in dieser Saison, aber ich bin mir sicher, eine Wiederaufnahme zwingend erwarten zu können, denn das Haus war voll, die Zuschauer begeistert, konnte man Regisseur Ronny Jakubaschks Inszenierung als eine komplette Veränderung des Handlungsortes erleben. Nicht die Stadt und der Balkon, auf dem Rosina (entzückend Geneviève Kingzu Beginn erscheint, der Park, das Haus des Dr. Bartolo (Peter Felix Bauer), sondern eine Unterwasser-Märchenwelt, wie in einem riesigen Aquarium. Die Protagonisten alle gar Meeres(boden-)bewohner!

In lustigen Kostümen agieren sie in einer Höhlenlandschaft als bunte Fische, Dr. Bartolo als Tintenfisch oder Krake mit langen Fangarmen, Don Basilio (Georg Lickleder) als Schildkröte, Bedienstete oder Musikanten als Fische, Krebse/Hummer und andere Arten, Rosina umrahmt von Quallen usw. Interessant ist auch der Kunstgriff, Graf Almaviva/Lindoro (Youn-Seong Shim) als Fisch mit lustigem Flossenkammkäppchen, zu Beginn noch menschlich gekleidet, gar nicht ins Geschehen reinlassen zu wollen. Wie mit einer Zauberwand verschlossen gibt es erst nach einigen Versuchen den Sprung ins Geschehen, sonst hätte er ja gar keine Chance gehabt. Die Zuschauer hätten wieder gehen können. :-)

Und so müht er sich ab und kämpft um seine Geliebte, will sie aus den Fängen des Dr. Bartolo befreien, es gelingt ihm auch.... aber! Am Ende springt Rosina aus dem Geschehen und lässt alles hinter sich, auch den Grafen und Geliebten! Keinerlei "Besitzerwechsel", die Gute macht sich aus dem Staub! Und Graf Almaviva ist nun enttarnt im Geschehen gefangen. Das war der Preis für ihn!

Diese bunte und witzige Szenerie setzt sich auch in Details fort, Figaro (Brett Carter) lebt in einem Eisschrank am Meeresboden, Rosina spielt gelegentlich verspielt mit den Fangarmen des Dr. Bartolo, Diener Lindoro, als der sich Graf Almaviva ausgibt, einfach nett als betrunkener Soldat, wie er durch die Gegend saust, oder später, auch ein Tipp des Figaro, der ja alles als bestes Faktotum der Stadt abwickelt, Briefe und Nachrichten übergeben, Schlüssel besorgen, Lindoro beraten, gegen Geld noch mehr nachzudenken und Einfälle, wie die der Verkleidung als Soldat und Musiklehrer, zu entwickeln.

Das Geschehen, bunt und quirlig, dreht sich fast 3 Stunden um die Frage  "Schaffe ich es, oder nicht?" Als Almavira sie sehen möchte, versucht der Dr. sie zu heiraten, um sie noch mehr an sich zu binden. Seinen Widersacher will er mit Verleumdung ausschalten, Basilio will ihm helfen, und zwar mit einer Verleumdung, die "erst ein Lüftchen", schließlich als "Kanonenknall" den Gegner besiegen soll. Figaro, das Faktotum, geht auch nicht leer aus, den ein oder anderen Kuss kann er schon rauben, bei einem mit Schokoladenspuren allerdings schon argwöhnisch von Bartolo beäugt. Es werden natürlich Briefe getauscht, fingierte und echte, auch Liebesbriefe von "Lindoro" an Rosina. Der Dr. ganz eifersüchtig und grantig:

"Einen Doktor meinesgleichen
Fängt man nicht durch solche Lügen;
Will Rosine mich betrügen,
Muss es feiner noch geschehn,
Feiner, feiner, feiner, feiner!
Will Rosine mich betrügen,
Muss sie schlau zu Werke gehn."

Almadiva ist vor Aufregung währenddessen schon reichlich hyperaktiv. Eine Gegenüberstellung führt zu Streit, die Wache kommt (alles Tiefseefische mit floureszierenden Fühlern), will Almaviva verhaften, der sich erst einmal durch einen Sprung durch die Zauberwand aus dem Geschehen verabschiedet.

Rosina ist entsetzt, weil der Geliebte sich verflüchtigte: "Starr wie eine Statue stehe ich hier, mir fehlt die Luft zum Atmen." Ihre Not und Pein steigert sich zu einem Verlustwahn - eine der Spezialitäten Rossinis, dass er Geisteskrankheiten und ähnlichen Zuständen Raum ließ in seinen Opern - in dem sie Höllenlärm vernimmt, der auch durch hämmernde Töne unterstützt wird: "Ich werd schon verrückt...", "Mir ist als stecke mein Kopf in einer Höllenmaschine."

Im Original:

"Ist mir doch, als wär im Kopfe
Eine grosse Feuerschmiede,
Und das sausende Geklopfe
Tobet immer, wird nicht müde,
Tobet immer fort und drauf."

Im zweiten Akt dann wieder zurück ins Vergnügen. In ihrer berühmten Arie klagt Rosina Lindoro/Almaviva als Musiklehrer ihr Leid:

"Gegen ein Herz von wahrer Liebe,
Das im Busen warm erglüht,
Richtet nutzlos böse Triebe
Der Tyrann, so sehr er sich müht.
Mag er noch so grausam sich stellen,
Die Liebe, sie triumphiert!
Ach, Lindoro, mein Geliebter,
Sähest du doch meine Leiden,
Die mein hinterlist'ger Vormund
Gern bereitet uns beiden!
Mein Geliebter, nahe helfend,
Schütze mich vor seinem Grimme;
Ja, es leite dich der Liebe Stimme, ja, ja, ja!
Mein Geliebter, nahe helfend,
Schütze mich vor seinem Grimme;
Ja, es leite dich der Liebe Stimme."

Er verspricht zu helfen. Das Singen steht im Vordergrund, der Figaro, Rosina und schließlich verfremdet der Dr. als Eros Ramazzotti. Mit einer Comedyeinlage löst sich der historische Rahmen vollends auf. Rosina hört der Dr. bei ihren Bemühungen zu, hatte allerdings einen Kopfhörer auf, Figaro lenkt vom Lehrer ab und lässt sich schnell behandeln. Lindoro und Rosina verabreden sich für Mitternacht. Der Dr. erkennt das Spiel, wirft Figaro und Lindoro raus. Ein fingierter Liebesbrief einer Fremden an Lindoro verärgert Rosina, die dem Dr. vor Wut alles erzählt. Beim nächtlichen Treffen kommt es zur Klärung und Gegenüberstellung und fast Verhaftung, nur die Aufdeckung der Verkleidung und Preisgabe der wahren Identität des Grafen beendet alles. Rosina ist entzückt, hat wohl aber doch mit dem Diener Lindoro gerechnet und verlässt wie erwähnt das Geschehen. Vielleicht war ihr das Spiel einfach zu viel? Nun ist's der Almaviva, der begossen da steht.

Eine unterhaltsame, lebhafte, bunte Oper, die einen lange hinhält, bevor es zur Klärung und Aufdeckung kommt, und dann noch das dreiste Wegnehmen der Rosina am Ende! Ein Spaß das Ganze. Die Uraufführung war kein Erfolg, noch schlimmer bei "Cenerentola", dennoch setzte sich der "Barbier von Sevilla" über die Jahrzehnte durch und wurde zu Recht eine der beliebtesten Opern überhaupt.