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Sonntag, 15. November 2015

Enjoy Jazz 2015: Wie war's bei CÉCILE MCLORIN SALVANT in der Heidelberger Stadthalle?

(c) Stefan Vieregg

Wer einmal einen ganz anderen Jazzgesang hören möchte, und dennoch einen Profi, der sich bei allen möglichen Stars anlehnen kann, der hat mit der 26-jährigen Cécile McLorin Salvant einen Riesenspaß. Gerade ihr unkonventionelles Singen, Geschichtenerzählen mit Esprit, Humor und einer Prise pfiffiger Frechheit, ihre Vielseitigkeit vom Kinderreimsingen bis zu voller souliger Stimme und echter Jazzdynamik alter Stars macht den Abend so unterhaltsam, dass man auch ansatzweise nicht das Gefühl bekommt, das Immergleiche des traditionellen Jazz serviert zu bekommen. Sie singt übrigens auch in Französisch und Spanisch. Enjoy Jazz 2015 hat sie nach Heidelberg geholt und das Publikum begeistert.

Cécile M.S. wurde 1989 in Miami, Florida als Tochter einer französischen Mutter und eines haitianischen Vater geboren und erzogen. Sie begann klassische Klavierstudien bereits mit 5 Jahren und Singen in der Miami Choral Society mit 8. Nach dem College zog sie 2007 nach Aix-en-Provence, Frankreich, um Jura sowie klassischen und barocken Gesang am Darius Milhaud Konservatorium zu studieren. Bei dem Saxophonisten und Pädagogen Jean-François Bonnel lernte sie Improvisation, Instrumental- und Vokalrepertoire. Vor allem die vergessenen Lieder zwischen 1910 und 1935 bereicherten ihr Repertoire. Zwei Jahre später nahm sie ihr erstes Album "Cécile" mit Jean-François Bonnel und dem Pariser Quintett in Japan auf. 2010 ein großer Schritt: Sie gewann den Thelonious-Monk-Wettbewerb in Washington DC als beste Nachwuchskünstlerin. 2012 zwei weitere Meilenschritte: Meisterpianist Jacky Terrasson ließ sie auf seinem Album „Gouache“ den John-Lennon-Song „Oh My Love“ singen, und Cécile nahm das Album "WomanChild" für das Mack Avenue Label auf, zusammen mit Aaron Diehl, Rodney Whitaker, Herlin Riley und James Chirillo. Neu nun das Album "For One to Love", eine Suche nach Liebe und Leidenschaft, aus dem sie Titel vorstellte.

Céciles Spezialität sind ganz eigene und sehr überzeugende Interpretationen von unbekannten und kaum erfassten Jazz- und Blues-Kompositionen. Sie gestaltet ihre Performance abwechslungsreich, interessant und bestimmt mit renommierten Musikern wie Jean-Francois Bonnel, Rodney Whitaker, Aaron Diehl, Dan Nimmer, Sadao Watanabe, Jacky Terrasson, Archie Shepp und Jonathan Batiste auf internationalen Festivals. In Heidelberg mit dem New Yorker Trio Aaron Diehl am Steinway & Sons, Paul Sikivie am Bass und Lawrence Leathers an den Drums. Ihre Lieder waren durchgehend klasse, sehr fein und dezidiert, mit klaren Details. Ob nun ein Song von Judy Garland über die hör- und erlebbare Fahrt in einer Straßenbahn, "Let's face the music and dance" von Fats Irving, total witzig die Geschwisterrivalität befördernd "I wish I can shimming like my sister Kate" und sehr einprägsam "Laugh Clown laugh" über die Berufsmelancholie des Clowns und sein Dazugehören zum Leben - "Life is a Game where we all play a Part, the Dreamers, the Clowns ..." Am Ende des Liedes die Stimme variiert mit einem Zittertimbre der klingenden Säge, wie sie häufig im Zirkus eingesetzt wird. Als Mittel gegen Eifersucht "Stepsister's Lament" aus dem Musical "Cinderella". Billie Holiday's "What a little Moonlight can do"


(c) Stefan Vieregg

 mit einer enormen Beschleunigungsstrecke im Drumsolo und zurück zur Langsamkeit und Liebe im Ensemble. Auch der zweite Teil des Abends ungebrochen überzeugend, "Fog", ein Song von ihr, nachdenklich, ruhig, oder das frech-witzige "Cheapest Creepers" von Billie Holiday, "Look at me" wieder von ihr. Mit "Most Gentlemen don't like Love" (Cole Porter) einmal die Männerwelt kritisch beleuchtet, sie liebt mehr den Quickie als die Liebe und ohnehin "they like kicking it around". Weiter mit "Wives and Lovers", mit hoher Geschwindigkeit "I get a Kick out of You" (Cole Porter), wundervoll "So in Love" (Cole Porter). "I'm yours till I die" kontrastiert sie mit der Absage an die Ewigkeit: "Never will I marry".

Donnerstag, 12. November 2015

Enjoy Jazz 2015: Heute Abend in Heidelberg - Cécile McLorin Salvant (Frankreich / USA)

(c) John Abbott

Do 12.11.2015  +  Stadthalle, Heidelberg
Cécile McLorin Salvant
Frankreich / USA


Einlass 19 Uhr / Beginn 20 Uhr
VVK 46-16 € zzgl Geb.
AK 51-20 €
bestuhlt
» Tickets online kaufen
» Termin merken: .ical | .vcs

Cécile McLorin Salvant : voc
Aaron Diehl : p
Paul Sikivie : b
Lawrence Leathers : dr

„Haltung, Eleganz, Soul, Humor, Gefühl, Kraft, Virtuosität, Erkenntnis, Intelligenz, Tiefe und Schönheit“ – kein geringerer als Wynton Marsalis hat sich zu dieser Eloge hinreißen lassen, adressiert an die Sängerin Cécile McLorin Salvant. Man muss diese Frau auf der Bühne erleben: Theatralik und Witz paaren sich mit untrüglicher Stilsicherheit und perfektem Timing, und die Liebe zum klassischen Jazz ist in jeder Blue Note spürbar. Das Material wird von der jungen Interpretin allerdings nicht nur fort-, sondern zugleich überschrieben. Wenn sie Bert Williams‘ Song „Nobody“ aus dem Jahr 1905 performt, dann gerät ihr jede Silbe zum Spielzeug, jedes Wort wird zelebriert, gedehnt, umgarnt, überhöht oder mit ironischem Understatement dargeboten. Sie kokettiert mit der Tradition und hat ein Bewusstsein für die Fallstricke der Rezeption solcher schon sehr oft aufgenommenen Songs. Vielleicht liegt das an der Perspektive der 1989 in Miami als Tochter eines haitianischen Vaters und einer Mutter mit französisch-guadeloupischen Wurzeln geborenen Sängerin: Sie hat Sarah Vaughan, Billie Holiday oder Abbey Lincoln – alles Säulen, auf die sich ihr eigener Gesang stützt – nicht mit der Muttermilch aufgesogen, sondern erst während des Studiums in Aix-en-Provence kennengelernt. So bleibt eine Distanz zur Vergangenheit, die McLorin Salvants Musik bei aller jugendlichen Leidenschaft eine schöne Reife verleiht.

Dienstag, 10. November 2015

Kontrastprogramm Rhein-Neckar: Wie war's bei NIK BÄRTSCH im EMBL (enjoy jazz 2015) und bei RASTER-NOTON im Pfalzbau?

Zwei Welten, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, obwohl sie beide experimentell komponieren und arbeiten, mit Kunst und Literatur in Verbindung stehen, waren am Samstag im Heidelberger European Molecular Biology Laboratory (EMBL) und im Glasfoyer des Ludwigshafener Pfalzbaus zu erleben.



(c) Stefan Vieregg
Fangen wir mit Heidelberg an. Im Rahmen von Enjoy Jazz 2015 spielte Nik Bärtsch und sein Team (Sha : bcl, as, Kaspar Rast: dr, Nicolas Stocker: perc, Simon Heggendorn, Ola Sendecki: vl, David Schnee : vla, Solme Hong, Ambrosius Huber: vc, Daniel Eaton: lights & visuals, Christian Reiner: voc) am 07.11.2015 MOBILE EXTENDED SPIRAL SPACE II - acoustic luminescence. 

Mit Instrumenten, Percussion und Stimme zauberte die Crew einen hoch sensiblen, anspruchsvollen und extrem beruhigenden Klangzauber in das EMBL, das aufgrund seiner modernen Architektonik es erlaubt, im Inneren an den Außenwänden des runden Atriums sich fast unendlich wirkende girlandenförmig nach oben drehende Gangways ohne Treppen bis zur Kuppel hochzulaufen, zwei Brücken zum Überqueren der Höhe zu verwenden und an allen Stellen durch die gläsernen Schutzballustraden oder über die Geländer nach unten zu schauen und die Musiker aus allen Perspektiven zu beobachten. Große Projektionssegel dienten der Darstellung von Nebelwolken im Schweinwerferlicht. Wer müde war konnte sich vor dem Bürobereich zwischen Atrium und Außenwand in Aufenthaltsnischen legen oder setzen, eine Runde schlafen, meditieren oder einfach nur zuhören. Weiter oben im Café-Bistro konnte man etwas zu sich nehmen, in luftigen Höhen mit fantastischen Blick über Heidelberg und die Rheinebene nach draußen gehen, die Terrasse benutzen oder theoretisch außen mit ähnlichen Girlandengangways nach unten laufen, um innen wieder hochzuwandern. 


(c) Stefan Vieregg
Eine sehr gute Wahl, die Enjoy Jazz hier getroffen hat, ein unglaublicher Abend mit hohem Anspruch in einer außergewöhnlichen Umgebung. Die Veranstaltung dauerte von Sonnenuntergang/16:54 Uhr bis in die Morgenstunden zum Sonnenaufgang/7:25 Uhr. Wer wollte konnte um 5:30 Uhr frühstücken ... Über allem die Klangwolken der Musiker, Bärtschs Soli mit präpariertem Klavier, minimalistische Percussionsequenzen, Streicherklänge, Lesungen aus der Literatur und Philosophie. Erste Wahl für Ästheten!


Schauen wir nach Ludwigshafen: Im Pfalzbau hatte sich raster-noton angekündigt, und wer sie nicht kannte, hatte vielleicht auch anspruchsvolle elektronische Kompositionen, Installationen, Kunst etc. erwartet. Auch war es nur ein "Konzert", keinerlei Ansichten oder Anwesenheit von Exponaten. 


 (c)  Stefan Vieregg
Geboten hat sich zum Entree mit Grischa Lichtenberger eher ein stumpfes Bass-Hämmern von Technosound in gesundheitsbeeinträchtigender Lautstärke zur statischen Projektion einer Soundclockoszillographie an der Wand hinter dem "DJ" bzw. "Performer" und der hochwertigen, sündteuren Technikbatterie, die doch keinen sauberen Sound wegen Übersteuerung hervorbrachte. Unwillkürlich dachte man an Bilder, in denen die Köpfe der Zuhörer zu Punching-Balls der Lautstärken und des Techno werden. Jedenfalls zertrümmerte der Lärm jede Art von Widerstand, was den Boden für ein sehnsüchtiges Aufsaugen der folgenden Dichterlesung im Technostyle von Anne-James Chaton bereitete. raster-noton lässt sich offensichtlich nicht definieren, es gibt viele verschiedene Richtungen von Kunst und Können. So waren es auch sieben verschiedene Musiker an diesem Abend. Kommen die einen ins Museum of Modern Art, vermutet man die anderen eher im Jugendzentrum.

Das Kätzchen (ein Mann) aus Frankreich jedenfalls angenehm monoton oder rhythmisch, mit stetiger experimenteller Vorwärts- oder Seitwärtsbewegung. Total verfremdete Gedichtsfetzen werden stoisch proklamatorisch vorgetragen, hier ist noch Substanz zu spüren. Chaton wurde 1971 in Bescancon geboren und ist seit 10 Jahren mit seinen Gedichten auf der Bühne. Er hat eine Menge Kunst oder dergleichen geschaffen und ist Festivalgründer von Sonorité in Montpellier.

Kyoka aus Japan bot wieder eher Stampftechno mit "Gesang" dazu, trotz aller Witzigkeit des kleinen Persönchens vor der großen Wand konnte sie für mich die Grenze des Primitiven nicht hinter sich lassen.

Robert Lippok wiederum hatte deutlich mehr Substanz, Abwechslung und Farbe in seinem Stück. Er hatte tatsächlich auch die absolut kontrastiven klassischen Klänge eines Streichensembles mit eingebaut. Ein Stück Paradies :-) 

Auch Alva Noto kam mit eher harmonischen, mit dem richtigen Händchen komponierten elektronischen Klängen. Die anderen Musiker - byetone und atom tm - fielen für mich aus.

Freitag, 6. November 2015

Enjoy Jazz 2015: Morgen in Heidelberg - Nik Bärtsch's MOBILE EXTENDED SPIRAL SPACE II - acoustic luminescence


Sa 07.11.2015
Nik Bärtsch's MOBILE EXTENDED
SPIRAL SPACE II - acoustic luminescence
Schweiz

EMBL, Heidelberg
Beginn Sonnenuntergang 16.54 Uhr / Einlass 16 Uhr / Ende Sonnenaufgang So 08.11.15, 7.25 Uhr
VVK 32 € zzgl. Geb. /
AK 36 €
» Tickets online kaufen
» Termin merken: .ical | .vcs


Nik Bärtsch : p, arr
Sha : bcl, as
Kaspar Rast : dr
Nicolas Stocker : perc
Simon Heggendorn, Ola Sendecki : vl
David Schnee : vla
Solme Hong, Ambrosius Huber : vc
Daniel Eaton : lights & visuals
Christian Reiner : voc

Time Shadows: Lisa Ramstein, Bettina Zumstein, Kostüme by Christa De Carouge

Letztes Jahr war nur der Anfang. Mit seiner Band Mobile Extended zelebrierte der Schweizer Komponist und Pianist Nik Bärtsch im European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg vier Stunden lang seine rituellen, eigentümlich funkigen Grooves, dabei Soundskulpturen entwerfend, die auf abstrakte Weise mit der einer Doppelhelix nachgebildeten Architektur des Hauses zu korrespondieren schienen. Das Experiment – spirituelle Klangwelten im wissenschaftlichen Raum zu präsentieren – gelang auf spektakuläre Weise. In diesem Jahr wird das Projekt nun weiter entwickelt: „Spiral Space II – acoustic luminescence“ ist eine eigens entwickelte Nacht-Komposition, die am 7. November zu Sonnenuntergang (um 16.54 Uhr) beginnt und am 8. November bei Sonnenaufgang (um 7.25 Uhr) endet. Musik, Licht, Visuals und Texte entfalten sich im Raum zu einem poetisch-musikalischen Geflecht. Als Gast liest der Sprechkünstler Christian Reiner, dessen suggestive Rezitation von Hölderlins „Turmgedichten“ bei ECM erschienen ist, kurze lyrische, wissenschaftliche und wissenschaftsphilosophische Texte. Während der Performance kann man sich übrigens frei im Haus bewegen. Das Konzert endet mit einem gemeinsamen Frühstück im obersten Stockwerk des Gebäudes. Und wer nach dieser Nacht noch nicht genug hat, sollte am Morgen einfach zu Nik Bärtschs Matinee bei SAS im Haarlass weiterziehen.


Das wichtigste zusammengefasst:

• Beginn 16:54 Uhr / Ende 7:25 Uhr
• Getränke und Essen können die ganze Nacht über erworben werden.
• Ab 5:30 Uhr gibt es Frühstück.
• Der Wiedereinlass ist die ganze Nacht möglich.
• Es stehen Ausruhmöglichkeiten zur Verfügung, ein kleines Kissen und eine Fleecedecke können für 3€ erworben werden.
• Es wird einen Shuttlebus geben, der jede voll Stunde vom EMBL und jede halbe Stunde vom Crowne Plaza Hotel abfährt (reservieren unter anmeldung@enjoyjazz.de).

Mittwoch, 28. Oktober 2015

Wie war's bei Nicole Johänntgens RHYTHM DANCE bei Enjoy Jazz 2015?



(c) Stefan Vieregg



Nicole und die 7 Mehr-Riesen-als-Zwerge

Wie spannend Jazz sein kann, zeigt der Auftritt von Nicole Johänntgen mit ihrer Überraschungscrew. Noch nicht zusammen gespielt, erst am Auftrittstag nachmittags getroffen und mit ganz verschiedenen Kulturkreisen konfrontiert - so Schweiz, Türkei, Syrien, Brasilien, Polen - hat sich die Gruppe um die Lead-Musikerin geschart und ein umwerfendes Programm aus dem Stehgreif verwirklicht.

Mal Songs von Johänntgen, mal Songs der Orientalen, die mit Originalinstrumenten spielten, wie der türkischen Sas oder der syrischen Oud, der jeweils andere Teil der Gruppe improvisierte dazu und schuf unvergessliche Kompositionen voller Groove, Funk, türkischer Halbton-Melancholie oder Liebeslieder aus Syrien zur Oud ... Die Orientalen unterrichten und spielen in der Akademie für orientalische Musik in Mannheim. Nicole J. holte sie voller Erwartung dort ab, da sie auch an einem Kompositionsauftrag vom türkischen Symphonieorchester laboriert, und genau den Flair hatte der Abend auch zwei Drittel der Strecke ...
(c) Stefan Vieregg

RHYTHM DANCE war die Bezeichnung für ihren Musikstil, das Programm an diesem Abend des 26.10.2015. Spontane Improvisationen zu den Istanbul-Ankara-Antalya-Damaskus-Klängen, zur Folklore moderne Saximprovisationen oder umgekehrt zu Johänntgen-Titeln, wie Waves oder Flugmodus, das Lösen der orientalischen Musik und Instrumente aus geordneten Reihen und der totale Exzess im Klang, Miteinander und Chaos. Das Publikum soll dabei gerne in eine Art Trance geraten, so will es die Komponistin und Musikerin, die sich selbst in einen speziellen Zustand spielt, in dem jeder Ton eine Herausforderung ist oder ein gelungener Höhepunkt.

Schneewittchen bringt es fertig, ihre sieben Musiker rasend zu machen und sich selbst auch in ein Tanzderwisch-Wahrnehmungsmodus zu kippen. Kein ewiger Schlaf, sondern die ewige Dynamik! Dieses orgiastische Feiern steckt wirklich an, das Publikum ist begeistert und wären keine Stühle da, würde das Publikum leicht in Bewegung kommen und mindestens eine Stunde Zugabe fordern...




Hier ein Musikvideo, das zeigt, wie gut Nicole Johänntgen Stimmung machen kann:








Montag, 26. Oktober 2015

Heute Abend in der Mannheimer Alten Feuerwache: Nicole Johänntgen (Enjoy Jazz 2015)



Mo 26.10.2015
Nicole Johänntgen
Rythm Dance
Deutschland / Schweiz
Alte Feuerwache, Mannheim
Einlass 19 Uhr / Beginn 20 Uhr
VVK 15 € zzgl. Geb. /
AK 18 €
» Tickets online kaufen


Nicole Johänntgen : sax
Mehmet Ungan : oud, ney
Kenan Tülek : sas, voc
Feras Hasan : perc
Malcolm Braff : p
Thomas Lähns : b
Domi Chansorn : dr


Die aus dem Saarland stammende Nicole Johänntgen ist in Mannheim keine Unbekannte. Sie hat hier studiert, oft ist sie hier aufgetreten, und wenn sie mit ihrer Musik inzwischen alle möglichen Genre- und Ländergrenzen überschreitet, so ist es für sie doch etwas Besonderes, nach Mannheim zurückzukehren. Johänntgen, die einst durch einen Candy Dulfer-Auftritt zum Saxophon kam, muss sich längst nicht mehr hinter Vorbildern verstecken. Aus berufenem Mund wurden ihr in den letzten Jahren Elogen gesungen. Barbara Dennerlein bewundert die kraftvolle Verbindung zeitgemäßer Grooves und zündender Funk-Rhythmen; Dave Liebman schwärmt von ihrer außergewöhnlichen Energie: „Sie spielt, als würde ihr Leben davon abhängen, und sie zieht jeden in Reichweite ins Zentrum ihrer Musik.“ Die Idee hinter „Rhythm Dance“ ist es, so Johänntgen, „saftige und romantische Melodien in einen würzigen Rhythmus-Apparat“ zu verpacken. Das Publikum soll dabei gerne in eine Art Trance geraten, zumindest aber nicht mehr ruhig sitzen bleiben, wenn Johänntgen mit dem brasilianischen Pianisten Malcolm Braff, dem polnischen Schlagzeuger Bodek Janke und dem Schweizer Kontrabassisten Thomas Lähns loslegt. Einen Special Guest wird es an dem Abend auch geben: „Die Idee ist“, sagt Johänntgen, „mit jemandem aus der Umgebung zu musizieren, dessen Wurzeln aus dem Orient stammen.“ Wer mit auf der Bühne stehen wird, bleibt allerdings bis zum Konzert ein Geheimnis.

Sonntag, 18. Oktober 2015

Wie war's bei GIANLUCA PETRELLA "EXP AND TRICKS" im Heidelberger Headquarter des Filmfestivals?

 (c) Stefan Vieregg


Jazz und Film zusammenzubringen liegt sehr nahe, sind doch Jazzelemente in etlichen Filmen als Hintergrund hinterlegt. Im Rhein-Neckar-Raum einen Schritt aufeinander zu zu machen war nun eine andere Aufgabe und ein Schritt zur Weiterentwicklung der Kulturregion Rhein-Neckar. Dr. Michael Kötz vom IFFM - Internationales Filmfestival Mannheim-Heidelberg meets Rainer Kern von Enjoy Jazz.

Ein verbindendes Element der neuen Kooperation in der Region ist das Crescendo als wichtiger Bestandteil der Filmmusik. Es wurde am Mannheimer Hof vor 250 Jahren erfunden und ist damit eindeutig Ankerpunkt im frühen Kino bis heute. ;-)

Und damit war auch die Brücke geschlagen zu sieben alten Filmen von 1909 bis 1930, die im Hintergrund der kommenden Stunde abliefen. Gianluca Petrellas Programm „Exp and Tricks“ vereinte - ganz ohne seine 2009 vom „Musica Jazz“-Magazin zur besten Band Italiens gewählte eigene Cosmic Band - in der Tradition seiner Jazzposaune und seines Heimatlandes und den Filmen der Cineteca Bologna die 100jährige Beziehung zwischen Jazz und Film.

Die persönlich ausgewählten, mal bekannten, mal gänzlich unbekannten bewegten Bilder zeigten auf wunderbare Weise, wie früh Filmemacher sich mit Kunst, Ästhetik und Experiment auseinandersetzten. Mit ungeheurem Aufwand - wie der legendäre und großartige Georges Méliès in Frankreich - wurden alle Requisiten mühsam gebaut und Filme coloriert, um Effekte zu generieren und Experimente zu machen. Aufwändige Bühnentechnik und heute kitschig wirkende Bühnenbauten oder schauspielerische Posen brachten das nahe, was der Zuschauer verstehen sollte. Beeindruckend und künstlerisch hochwertig das berühmte expressionistisch-futuristische „Le Ballet Mécanique“ von Fernand Léger und Marcel Duchamp (1924), dem späteren WC-Becken-Künstler, und dem surrealistischen „Un chien andalou“ von Luis Buñuel (1929), der mit Dutzenden von ungewöhnlichen Filmen in den Jahrzehnten danach aufwartete, so z.B. "Der diskrete Charme der Bourgoisie". Alle diese Filme, vor allem die künstlerischen, arbeiteten bereits mit Collagen, Überblendungen, Tricks und Illusionen. Ferner Kurzfilme des italienischen Filmpioniers Segundo de Chomón, außerdem Francis Bruguière, Oswell Blakeston, und als letzter (1930) Charlie Chaplins "The rounders". Darin zwei Betrunkene, die heimkehren, Streit mit ihren Frauen bekommen, ihnen das Geld klauen und erneut auf die Piste gehen, um im Lokal einzuschlafen, nicht ohne vorher alles durcheinander gebracht zu haben.

Zu den Filmen mit sehr beeindruckenden Bildern und Impressionen die herumgeisternde Posaune Petrellas, der mal leise und mal ganz laut bei insgesamt zu hohem Lärmpegel aufdringlich-sympathisch sich in die Hirne wand. Im Halbdunkel seiner Mischmaschinen kaum auszumachen, nur das blitzende Gold seiner Posaune immer wieder aufleuchtend, turnte er im Dunkel vor der Leinwand und setzte seine akustischen Marker und Kommentare. Ein sehr interessantes Spektakel, bei dem leider gut ein Fünftel der Zuschauer bei sonst vollem Kinoraum I wegen der Lautstärke flüchtete. Eines seiner letzten Alben ist WILD DANCE - zusammen mit Enrico Rava Quartet, wo sein Sound ebenfalls gut zu bewundern ist.

Mittwoch, 14. Oktober 2015

ENJOY JAZZ 2015 - Heute Abend in Heidelberg: Gianluca Petrella - "Exp and Tricks"

(c) Rosanna Bandieri

Mi 14.10.2015
Gianluca Petrella - "Exp and Tricks"
Italien


Festivalkino 1 auf dem ehem. Gelände des Mark Twain Village und der Campbell Barracks in der Südstadt (Römerstraße 131), Heidelberg 


Beginn 20 Uhr / Einlass 10 Min. vor Beginn
Eintritt 18 € / erm. 15 €

» Tickets online kaufen


Gianluca Petrella : tb
fender Rhodes, laptop, eff


Erstmals kooperiert Enjoy Jazz 2015 mit dem 64. Internationalen Filmfestival Mannheim - Heidelberg und präsentiert ein gemeinsames Programm: „Exp and Tricks“. In seiner Heimat Italien zählt Gianluca Petrella, geboren 1975 in Bari, zu den bekanntesten, weil vielseitigsten Jazzmusikern. Mit Enrico Rava verbindet ihn eine langjährige Zusammenarbeit, mit internationalen Jazz-Größen wie Steve Swallow, Steve Coleman, Paolo Fresu oder Pat Metheny arbeitete Petrella ebenso wie mit Pop-Musikern wie Nicola Conte und Electronica-Musikern wie Matmos oder Ricardo Villalobos / Max Loderbauer („re:ECM“). Seine eigene Cosmic Band wurde 2009 vom „Musica Jazz“-Magazin zur besten Band Italiens gewählt. Mit seinem Soloprojekt „Exp and Tricks“ wagt sich der erklärtermaßen cinephile Musiker, der u.a. auch eine wunderschöne Hommage an Nini Rota eingespielt hat, an die über 100jährige Beziehung zwischen Jazz und Film. Tief eingetaucht ist Petrella in die Geschichte des frühen Films, um ein faszinierendes Programm präsentieren zu können: Zu persönlich ausgewählten, mal bekannten, mal gänzlich unbekannten bewegten Bildern tritt der Musiker in einen Dialog. Neben den berühmten „Le Ballet Mécanique“ von Fernand Léger und Marcel Duchamp (1924) und „Un chien andalou“ von Luis Buñuel (1929) sind u.a. zwei Kurzfilme von Segundo de Chomón und ein Film von Francis Bruguière und Oswell Blakeston zu sehen. Eine Reise-Einladung mit Traum-Qualitäten!





Montag, 12. Oktober 2015

ENJOY JAZZ 2015 - Mathias Eick (Norwegen) in Ludwigshafen a. Rh.

(c) Colin Eick
Mo 12.10.2015
Mathias Eick
Norwegen

dasHaus, Ludwigshafen
Beginn 20 Uhr / Einlass 19 Uhr
VVK 24 € zzgl. Geb. /
AK 29 €
bestuhlt

» Tickets online kaufen



Mathias Eick : tp
Erlend Viken : v
Audun Erlien : b
Abdreas Ulvo : p
Torstein Lofthus : dr



Schubladen, die Unterscheidung zwischen Jazz und Pop, zwischen „E“ und „U“, zwischen „High“ und „Low“ sind dem norwegischen Trompeter und Komponisten Mathias Eick wesensfremd. 

„Norwegen ist ein kleines Land mit sehr vielen Musikern, da kann man sich den Luxus von Schubladen gar nicht leisten“, erklärt der stets neugierige Radiohead-Fan Eick, der in der Vergangenheit mit Chick Corea und Manu Katché, aber ebenso selbstverständlich auch mit Motorpsycho spielte und zudem Gründungsmitglied der erklärten Freigeister von Jaga Jazzist ist. 

Mit „Skala“ (2011), seinem zweiten „ECM“-Album als Leader, schien er mit forcierter Elektrifizierung und ungebremster Melodik das Pop-Publikum fast schon provokativ in den Blick zu nehmen. Doch im Laufe einer anstrengenden US-Tournee entdeckte Eick Ähnlichkeiten zwischen der Weite des Mittleren Westen der USA, wohin es im 19. Jahrhundert viele Einwanderer gezogen hatte, und seiner norwegischen Heimat. 

Sein aktuelles Album „Midwest“ (2015) erzählt von diesen Reise- und Heimat-Erfahrungen ohne viel Electronics, dafür mit der thematisch stimmigen Violine von Gjermund Larsen. Ob Folklore-Roots oder imaginäre Folklore – „Midwest“ steht auch für den erstaunlichen Reifeprozess des Mathias Eick.




ENJOY JAZZ 2015 - Gestriges Highlight für Freunde der literarischen Performance: CHRISTIAN MUTHSPIEL


Soloperformance nach Lyrik von Ernst Jandl
Karlstorbahnhof, 
Heidelberg

Artikel folgt


Sonntag, 11. Oktober 2015

Wie war's bei FILIPPA GOJO QUARTETT in der Mannheimer Klapsmühl?


(c) Stefan Vieregg

Filippa Gojo ist keine Brasilianerin, sondern eine Bregenzerin. Geboren in dieser wunderschönen Landschaft am Fuße des Pfänders mit all den kulturellen und touristischen Möglichkeiten, die Besucher lieben (z.B. den anspruchsvollen Bregenzer Festspielen), hat sie  mit frisch 27, ihrem Quartett und dem Master der Hochschule für Musik und Tanz in Köln in der Tasche, auch den NEUEN DEUTSCHEN JAZZPREIS 2015 für Band und für Solisten zugesprochen bekommen. ENJOY JAZZ hat sie eingeladen.

Am Freitagabend, den 09.10.15, stellte die Sängerin, Komponistin und Gesangspädagogin in der Mannheimer Klapsmühl unter Beweis, dass sie weit über 60 Minuten anspruchsvolles Programm und Repertoire bieten kann, ohne an Grenzen anzugelangen. Gemeinsam mit Sebastian Scobel am Klavier, David Andres am Kontrabass und Lukas Meile (Percussion) bot das Filippa Quartett sehr unterschiedliche Stücke, teils aus eigener Feder, teils gecovert und natürlich kunstvoll verändert. Ihre Lieder zeigten die Vorliebe für poetische brasilianische Texte und Musik, mit dabei zum Einstieg Zitate aus der Nationalhymne, 1822 komponiert von Francisco Manuel da Silva (1795–1865), und ab 1909 mit dem Text von Estrada gesungen.

"[Brasilien] Von Natur aus ein Gigant,
bist Du schön und stark, unerschrockener Koloss,
und in Deiner Zukunft spiegelt sich diese Größe",
so lautet eine Textstelle in der Hymne.


(c) Stefan Vieregg

Der Ausklang ebenfalls ein brasilianisches Lied, dieses Mal aus dem Karneval. Traurig wartet ein Verliebter auf seinen Schwarm, der nicht kommt. Er hat eigens für sie Percussion gelernt und verfeinert. Diese Vergeblichkeit und Vergänglichkeit ist auch ein Thema, das immer wieder bei Stücken mitschwingt. Die Zeit, die nicht aufzuhalten ist, huscht vorbei in TRAIN OF THOUGHT entlang eines Zeitstrahles und wird kontrastiert in RUSH HOUR. Hier stehen das Hektische und (nicht) nützlicher Stress des aktuellen (Kommunikations-)Alltags, man denke an Mailen, Chatten, Whappen, Vipern, Simsen, Facebooken, der beruhigenden Stimmung aus der Kindheit gegenüber. Im Walzertakt lässt sich das Chaotische abschütteln, aber nur für eine gewisse Zeit. Die Wiederkunft ist sicher. Auffallend miteilend und als gekonnter Hektikproduzent neben Voice, Bass und Percussion Sebastian Scobel am E-Piano. In dem wunderschönen Song MY WATER erlebt sie sich selbst als Wasser eines Baches vom ruhigen Dahinplätschern bis zur starken Verwirbelung an der Mündung, lyrisch und treffend eingefangen durch Rhythmus, Geschwindigkeit, Musik und Gesang. Formelhaft mit starker Stimme wiederholt "My water is still going, (....) is still my water..." steigert sich alles bis zum Einswerden mit den unendlichen Wassermassen. Filippa Gojos Singkunst zeigt große Bandbreite, sie huscht die Jazztonleitern rauf und runter, zeigt Ausdruckskompetenz und starkes Engagement.

Ruhig und poetisch F. Gojos eigenes Lied SEHNSUCHT, das diesen schönwettrigen Bodensee im Sonnenlicht, seine Orte und Nischen, aber auch seinen nebelverhangenen Geheimnischarakter schwermütig und heiter zugleich besingt.

Das Quartett pflegt die erwähnte Internationalität im Klang und in der Empfindung durch Einsatz ungewöhnlicher Instrumente und Mischung ähnlich gelagerter Empfindungen in den beiden Großkulturen Europa und Lateinamerika. Ist es bei GANL, einem Lied des Vorarlbergers Ulrich Gabriel (1947) die Jazzstimme, die den Zauber der Vorarlberger Landschaft in einer nächtlichen Spiegelung des Mondes in einem Bach lyrisch und getragen festhält, trägt das Quartett die Jazzstimme bei DER GELBE VOGEL (bras. Titel übersetzt) zum bezaubernden Märchenglück, als Prinz entdeckt zu werden. Es besteht eine deutliche Parallele zum Froschkönig.

Die Taschenorgel zu Beginn verbreitet eine zauberhaft mittelalterlich-volkstümliche Stimmung, die Jahrhunderteschritte impliziert. Bei LAZY AFTERNOON, einem Klassiker der Liederwelt, setzt Filippa zur Stimme eine Art Zither mit Steeldrumsound ein, eventuell mit tibetischem Ursprung. Ein kleines Handzupfinstrument auf Tambourinbasis bringt eine sehr schöne Begleitung zu Joni Mitchells WOODSTOCK. Die Kanadierin hielt ihren Nichtbesuch des Festivals in diesem Song fest. 


(c) Stefan Vieregg

Bei DIE VERWIRRUNG (übersetzt, eigentlich Confusão) verwendet sie ein Megafon, das sie mit erstaunlichem Ergebnis wie eine Stimmsordine zur Veränderung, Verzerrung und Verfremdung der Stimme einsetzt. Hier, dem vierten Lied des Abends, reißt sie die Schranken erst einmal ein, tobt sich mit wilden Jazztonbögen aus, integriert ein Wiehern genauso wie Experimentalklänge.

Zwischen diesen Kulturkreis-, Stimmungs- und Leidenschaftspolen kam ein überzeugendes Programm zur Darbietung, das noch viel Platz für Weiteres bietet, voll ist mit Experimentierlust an Innovativem und Kreativem, und insgesamt sehr gefällt.

Freitag, 9. Oktober 2015

ENJOY JAZZ 2015 - Heute Abend in Mannheim: Preisträgerkonzert 'Neuer Deutscher Jazzpreis' Filippa Gojo Quartett

Fr 09.10.2015
Preisträgerkonzert 'Neuer Deutscher Jazzpreis'
Filippa Gojo Quartett - 
Deutschland / Österreich


Foto: Manfred Rinderspacher

Klapsmühl' am Rathaus (IG Jazz), Mannheim
Einlass 19.30 Uhr / Beginn 20 Uhr
VVK 17€ normal / 14€ ermäßigt / 12€ IGjazz (jeweils zzgl. Gebühren!)
AK 19€ normal / 16€ ermäßigt / 12€ IGjazz
Diese Veranstaltung ist bestuhlt.
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Filippa Gojo : voc
Sebastian Scobel : p
David Andres : kb
Lukas Meile : perc



Es ist mittlerweile eine schöne Tradition bei Enjoy Jazz den Gewinnern des Neuen Deutschen Jazzpreises Mannheim im Herbst ein zweites Mal in der Region eine Bühne für ihre Kunst zu bieten. Das Publikum erhält so die Gelegenheit, das Urteil vom Frühjahr anhand eines nun kompletten Konzertes zu überprüfen, denn im Finale des Neuen Deutschen Jazzpreises Mannheim ist die Auftrittsdauer bekanntlich auf eine halbe Stunde beschränkt. Genau diese halbe Stunde reichte allerdings am Abend des 14. März 2015 der gebürtigen Vorarlbergerin und längst in Köln lebenden Sängerin Filippa Gojo und ihrer Band, um das Publikum in der Alten Feuerwache zu erobern. Das klare Ergebnis: Hauptpreis des Abends an die Band, Solistenpreis an die Sängerin. Der Juror Kenny Garrett bekannte noch auf der Bühne, dass Gojos Stimme ihn berührt habe. Das Debütalbum „Nahaufnahme“ des Filippa Gojo Quartetts zeigt aber auch, dass die Band musikalisch sehr überlegt und konzentriert daran arbeitet, die musikalische wie textliche Intuition ihrer Sängerin in einen prägnanten Gruppensound zu betten. 


Donnerstag, 8. Oktober 2015

ENJOY JAZZ 2015 - Heute Abend in Heidelberg: Troyka (Großbritannien)

Do 08.10.2015
Foto: Tom Barnese

Troyka
Großbritannien

Karlstorbahnhof, Heidelberg
Beginn 20 Uhr / Einlass 19 Uhr
VVK 18 € zzgl. Geb. /
AK 22 €
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Christopher Montague : g
Christopher (Kit) Downes : k
Johsua Blackmore : dr

Und noch eine dieser spannenden experimentellen Bands aus dem Vereinigten Königreich, bei deren noch recht jungen, aber viel beschäftigten Mitgliedern man gerne mal einen Blick auf die Schallplattensammlungen werfen würde! Sofern es noch welche gibt. Troyka selbst nennen Tim Berne, Aphex Twin, Deerhoof und Flying Lotus als Einflüsse und charakterisieren ihre Musik lustvoll als „polyrhythmic post-dance, haunting trip-hop and atmospheric post-rock“. Ältere Hörer würden vielleicht noch Gentle Giant, Soft Machine, Yes oder auch John Zorn herbei assoziieren. Ist also eine ziemliche Wucht, diese wilde, verspielte Mischung aus Melodik, Vamps, Riffs, Cleverness, Aus-dem-Stand-Rhythmuswechseln, Filmmusik-Assoziationen, Klangfarbenreichtum und tongue-in-cheek-Checkertum, die darüber hinwegtäuscht, dass wir es hier im Grunde mit einem Hammond-Gitarre-Schlagzeug-Trio zu tun haben. „Ornithophobia“ lautet der Titel des dritten bzw. – denkt man das großformatige „Troykestra“ (2013) hinzu – des vierten Albums des Trios, das von Petter Eldh (Marius Neset, Django Bates, Schneeweiß & Rosenrot) in Berlin kongenial produziert wurde. „Vogelangst“ – ein Schelm, wer dabei nicht an Hitchcocks „Die Vögel“ und Charlie Parkers „Ornithology“ denkt. Innovativer, mit allen Wassern gewaschener Brit-Jazz!

Wie war's bei PAOLO FRESU und DANIELE DI BONAVENTURA in Mannheim?

(c) Stefan Vieregg

(c) Stefan Vieregg

Am Dienstagabend, dem 06.10.2015, traten Paolo Fresu und Daniele di Bonaventura im Rahmen von Enjoy Jazz 2015 in der Alten Feuerwache in Mannheim auf. Ganz sich ihren eigenen Ressourcen überlassend erforschten sie eine breite Palette von musikalischen Traditionen zwischen Argentinien, Italien und Deutschland. Selbst ein Thema aus Puccinis La Bohème, liturgische Musik, Stücke des legendären chilenischen Barden Victor Jara and des uruguayischen Liedermachers Jaime Roos, Musik des neapolitanischen Komponisten Ernesto de Curtis, “O que sera” des Brasilianers Chico Buarque, sardische Volksmusik und vieles mehr werden zitiert und angespielt.

Daniele Di Bonaventura hat viel Zeit darauf verwandt, Jazz und lateinamerikanische Traditionen zusammenzubringen, und Paolo Fresu bringt seine europäisch-sardisch-italienischen Traditionen mit und formierte sie zu einer exponierten Stellung innerhalb der lyrischen Stimmen des zeitgenössischen Improvisierens.

Mit seiner Trompete und seinem Flügelhorn spielt Fresu Zeitgenössisches, zitiert Miles Davis, kommt mit Pastoralem und Klassischem. Sein nachdenkliches Flügelhorn, die romantische oder lebendige Trompete verbreitet eine Magie und Anziehungskraft, die ihresgleichen sucht. Und er bewegt sich wie ein Taucher im Mittelmeer ohne Hilfsmittel mindestens zwei Minuten unter Wasser ... mit einem nicht enden wollenden Ton entlockt er seiner Lunge Reserven enormen Ausmaßes. Typisch auch seine angestrengte Embryohaltung, worin er wirkt, wie in wenigen Sekunden nach vorne oder hinten abrollend. Mit Sordine und elektronischem Hallverstärker schafft er mit dem grandiosen Bandoneonspiel von Daniele di Bonaventura eine raumfüllende Akustik, die aus Dialogelementen von Instrumenten und Hall besteht, so wie unter anderen Pierre Boulez ganze Stücke komponiert hat.

Der geniale Bandoneonspieler Daniele di Bonaventura eröffnet uns ungewohnte Weiten des Erlebens, vom argentinischen Tangocafé und dieser unvergleichlichen melancholisch-lebendigen Seelenstimmung, bis zum europäischen Narrativ der Südeuropäer. Saluzzi, Volksfest, Feierlaune der Italiener - alles ist in jedem Atemzug seines Spiels zu spüren und dennoch wischt alles nur vorüber wie eine kurze Impression, um einer anderen Platz zu machen.

Die Beziehung zwischen den Musikern und Instrumenten wechselt zwischen den Attributen Nähe und Fern, Laut und Leise, Dominanz und Begleitung, Melancholie und Lebensfreude, Tänze und Meditation, Geselligkeit und Einsamkeit.
(c) Stefan Vieregg
(c) Stefan Vieregg

Ein großartiger Abend mit zwei sensiblen und großartigen Musikern vor einem vollem Saal. Die beiden letzten beeindruckenden Alben waren MISTICI MEDITERRANEO und IN MAGGIORE.





Dienstag, 6. Oktober 2015

ENJOY JAZZ 2015 // Heute Abend in der Mannheimer Feuerwache: Paolo Fresu / Daniele di Bonaventura

Di 06.10.2015
Paolo Fresu / Daniele di Bonaventura
Italien

Alte Feuerwache, Mannheim
Einlass 19 Uhr / Beginn 20 Uhr
VVK 25 € zzgl. Geb. /
AK 30 €

Paolo Fresu : tp
Daniele di Bonaventura : band

Ein Abend der leisen und auch der ganz leisen Klänge! 

Der sardische Trompeter Paolo Fresu, immer mal wieder mit erstaunlichen Projekten bei Enjoy Jazz zu Gast, ist ein großer Freund der intensiven Zwiesprache, wie sie nur die kleine Form ermöglicht. Wir erinnern nur an die unvergesslichen Festivalabende mit Gianmaria Testa, Ralph Towner oder das Trio mit Omar Sosa und Trilok Gurtu. Fresu und di Bonaventura lernten sich über die gemeinsame Arbeit mit dem korsischen Gesangsensemble A Filetta für das Album „Mistico Mediterraneo“ kennen und intensivierten ihre Zusammenarbeit als ungewöhnlich besetztes Duo aus einer gespürten Wesensverwandtschaft heraus. Davon erzählt auch das im Frühjahr erschiene Album „In maggiore“, das Eigenkompositionen mit höchst originellem Fremdmaterial zu einem bemerkenswerten Wurf kombiniert. Etwas Puccini, etwas Neapolitanisches, ein Kirchenlied, Fresu klingt mal nach Miles Davis, mal nach Nino Rota und lässt sich vom Südamerika-Kenner di Bonaventura über den Atlantik locken, wo Kompositionen von Victor Jara, Chico Buarque und Jamie Roos warten. 

Ein wunderbares Programm – und ein schöne Nuance im kleinen Trompetenschwerpunkt des diesjährigen Programms.




Montag, 5. Oktober 2015

ENJOY JAZZ 2015 // Heute Abend in Ludwigshafen: SWR Jazzpreis 2015 Georg Graewe

Mo 05.10.2015
SWR Jazzpreis 2015 
Georg Graewe
Deutschland, Niederlande, USA

dasHaus, Ludwigshafen
Beginn 20 Uhr / Einlass 19 Uhr
VVK 17 € zzgl. Geb. /
AK 20 €
bestuhlt

Georg Graewe: p
Ernst Reijseger: vc
Gerry Hemingway: dr

Seit 2012 findet das Preisträgerkonzert des renommierten und mit 15.000 € dotierten Jazzpreises des SWR und des Landes Rheinland-Pfalz, der seit 1981 vergeben wird, im Rahmen von Enjoy Jazz im Kulturzentrum dasHaus statt. 2015 fiel die Wahl der Jury auf den Komponisten und Pianisten Georg Graewe, der schon mehrmals – zum ersten Mal vor 30 Jahren – schon einmal für den Preis nominiert war. Was allein schon für die künstlerische Bedeutung des Ausgezeichneten spricht. Georg Graewe, Jahrgang 1956, steht für eine individuelle musikalische Sprache und Ästhetik im experimentellen Jazz, die auf der Auseinandersetzung mit der europäischen Musiktradition basiert und von einem „Willen zur Klarheit“ zeugt. Von der „Ausformung einer ebenso freien wie konzisen Klangund Formsprache“ spricht die Jury des SWR Jazz Preises in ihrer Begründung. Graewe, der in den frühen 1970er Jahren als Rock-Gitarrist begann, wurde 1981 einem größeren Publikum bekannt, als er mit Theo Jörgensmann das Grubenklangorchester als Experimentierfeld nahe der zeitgenössischen Avantgarde für Projekte wie „Bergmannsleben“ (1982) oder „Hanns Eisler“ (1984) gründete. Graewe komponierte Opern, Kammermusiken und Orchesterstücke und spielt seit 1989 immer wieder „Sonic Fiction“ (Albumtitel) in dem frei improvisierenden Trio mit Ernst Reijseger und Gerry Hemingway.