Grün wie ein Gurkerl, braun wie süßer Senf. © Foto: Dominik Reichenbach, Artwork: Claus Piffl
Das ist mir nicht Wurst.
Als Wiener hab ich das ja eigentlich immer schon gewusst. Es gibt Dinge, die sind so groß, so bedeutend, so herrlich, dass man an Ihnen eigentlich gar nicht vorbei kann. Und trotzdem braucht die Welt sehr viel Zeit, diese prächtigen Offensichtlichkeiten anzuerkennen.
Aber Geduld zahlt sich aus: Die UNESCO hat dieser Tage - Tatatataaaa! - den Wiener Würstelstand in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Da sagt man sich als Wiener (nicht als Wurst, die heißt bei uns „Frankfurter“, sondern als Einwohner): „Na endlich!“. Einerseits.
Andererseits fragt man ängstlich:
„Warum immateriell? Heißt das, dass ich da nichts mehr zum Essen krieg’?“
Das wäre katastrophal.
Versorgt doch der Würstelstand die Bewohner der Stadt je nach Öffnungszeiten gerne bis in die tiefe Nacht und auch am frühen Morgen mit Bratwurst, Burenheidln, Eitrigen und an Krokodil. Dazu wird nicht selten gerne ein Aluweckerl gereicht.
(Für die Leserinnen und Leser aus Deutschland: Aluweckerl heißt eine Dose Bier, Krokodil ist eine aufgeschnittene Essiggurke, Eitrige ist eine Käsekrainer, Burenheidl eine Bockwurst, und Bratwurst… da kann man selber drauf kommen.)
Dieser Schritt der UNESCO war überfällig. Nicht nur, weil jetzt die Welt weiß, wo sie sich im Fall des Falles einen „gfülltn Ärme“ (siehe: Burenheidl) besorgen kann, sondern auch aus Gründen der Wiedergutmachung.
So hat ja nur Tage zuvor eine Umfrage unter „ExPats“ (nein, das sind keine ehemaligen Haustiere) ergeben, dass Wien nicht mehr die unfreundlichste Stadt der Welt ist. Sondern nur die drittunfreundlichste. Geschlagen wurde Wien ausgerechnet von München und Berlin.
Berlin! Dieser ehemaligen preußischen Garnisonsstadt, deren Einwohner auch noch glauben, ihre Unfreundlichkeit wäre charmant. (Was sie nicht ist, sie ist nur unfreundlich.)
Aber die glauben ja auch Currywurst ist Essen. Die verstehen doch gar nicht den tieferen Sinn der Unfreundlichkeit.
Wir Wiener wissen wenigstens, dass wir unfreundlich sind. Und sind es gerne. Aus Überzeugung.
Verstehst mi, Du Ohrwaschlkaktus mit dein deppertn Watschngsicht… oiso hau Di übad Heisa, sonst reiss i da den Schädl ab und scheiß da in Hois.
Wie soll solche lyrische Kraft der Beschimpfung, so eine poetische Formulierungskunst im Zeichen der Misanthropie von einer „Berliner Schnauze“ übertroffen werden?
Da stimmt was nicht.
Und das ist ja bei weitem nicht das Einzige, was nicht stimmt zur Zeit.
Und da spreche ich noch gar nicht von dem Papier der FDP. Ein Papier voller Kriegsvokabeln wie „offene Feldschlacht“ und „Torpedo“. Ein Papier, das es zuerst offiziell gar nicht gegeben hat, dann aufgetaucht ist, dann den Generalsekretär und den Geschäftsführer den Job gekostet hat und das bis jetzt dem Spitzenkandidat, ehemaligen Finanzminister, Parteichef und Porschefahrer völlig unbekannt ist, was ihm alle, alle ganz bestimmt glauben.
Warum auch nicht? Es sind ja nicht einmal mehr drei Monate und dann muss sich der glaubwürdigste, ehrlichste und aufrichtigste Politiker Deutschlands sowieso einen neuen Job suchen.
Man darf sich schon jetzt auf die Instagram-Story freuen:
„Meine letzten Weihnachten als FDP-Chef“
Während der ehemalige deutsche Finanzminister also das Land langsam in die innere Emigration verlässt - ohne ein Budget für das laufende oder gar das kommende Jahr zu hinterlassen - weiß man ein paar hundert Kilometer weiter östlich dafür genau, wofür es sich lohnt Geld auszugeben.
Der einzige Gartenzwerg der Welt, der statt Vollbart eine Glatze trägt und nebenbei eine Atomstreitkraft befehligt, also Waldemar der Widerwärtige, hat das russische Budget für die nächsten zwei Jahre genehmigt. Und das ist natürlich von strategischem Weitblick und nicht-endenwollender Intelligenz geprägt, wie sie seine Fans immer wieder in seinem Handeln erkennen. Allerdings nur die.
Denn ein Staat, der knapp 33 Prozent seines Budgets für Militär ausgibt und gleichzeitig die Sozialausgaben um zehn Prozent streicht, der schafft eine Haushaltslage, die Historiker womöglich als „vorrevolutionär“ bezeichnen würden.
Ludwig XVI. von Frankreich etwa - genannt der „Kopflose“ - gab 1781 für Militär noch etwa 25 Prozent des Gesamtbudgets aus. Zwölf Jahre später musste er sich darüber keinen Kopf mehr machen.
(Apropos: Finanzen. Unten sieht man, wie man diesen Newsletter unterstützen kann.)
Ganz andere Gedanken macht sich Donald Trump. Der besetzt gerade sein künftiges Kabinett mit willfährigen Karrieristen und TV-Moderatoren, die ihm sympathisch sind.
Der Posten des Zentralbank-Chefs ist aber noch nicht vergeben.
Mein Tipp: Fed-Chef wird Homer Simpson. Den kennt Trump ja von Fox.
Und wenn der dann einmal nach Wien kommen sollte, wohin wird der dann gehen? Na?
Genau: Zum Würstelstand.
Und dort isst er dann nachts ganz bestimmt eine Eitrige mit einem Krokodil.
Mahlzeit!
P.S.:
Mein Korrekturprogramm hat mir übrigens statt „Burenheidl“ „Brünhilde“ vorgeschlagen.
Besser hätte ich den Zeitgeist auch nicht zusammenfassen können.
Groebner Live:
Freitag 13.12 - Frankfurt - Buchhandlung Buch&Wein - Quartalsweise - Der Vierteljahresrückblick
Kabarett-Karten als Weihnachtsgeschenk? Großartige Idee!
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