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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Freitag, 27. Juni 2025

Wie war's bei FRIEDMAN IN DER FRANKFURTER OPER, Thema "Verführung?

Oliver Reese
Foto: Julian Baumann

„Ihr Zauber hat mir
den Verstand geraubt. 

Ich war verwirrt, jetzt
komme ich wieder zu mir.“

– Ruggiero in Händels „Alcina“, Leitmotiv des Abends


Was ist Verführung – ein subtiles Spiel? Ein Machtmittel? Oder doch ein Spiegel unserer tiefsten Wünsche? Ist sie immer sexuell, oder geht es auch anders? Wie funktioniert Verführung in Systemen, in denen Menschen Macht ausgeliefert sind? Warum lassen sich Menschen verführen? Welche psychologischen und gesellschaftlichen Mechanismen machen sie empfänglich? Oliver Reese und Michel Friedman beleuchteten, wie Verführer:innen emotionale Grenzen verschieben und Kontrolle ausüben. Jeder kann Verführter und auch Verführer sein. In der Oper Frankfurt im Rahmen der Gesprächsreihe Friedman in der Oper, diesmal zur barocken Händel-Oper Alcina, wurde diese Frage am 24. Juni 2025 mit herrlicher Brillanz zwischen Michel Friedman und Oliver Reese, Intendant des "Berliner Ensembles", diskutiert. Produktionen aus seiner Feder sind "Bartsch, Kindermörder", "Emmy Göring an der Seite ihres Mannes", "Goebbels" (Lektüre von 10000 Seiten Briefe erforderlich), "Ich bin Nijinsky. Ich bin der Tod" oder  "Wille zur Wahrheit ─ Bestandsaufnahme von mir", eine Theaterfassung des Genies Thomas Bernhard und seiner fünfbändiger Biografie.
  

Michel Friedman moderierte klug, stets den roten Faden im Blick: Ist Kunst selbst eine Form der Verführung? Und wenn ja, wann ist sie konstruktiv – und wann manipulativ? „Kunst darf verführen – aber sie muss auch entlarven“, so Michel Friedman zur Rolle der Kunst im gesellschaftlichen Diskurs. Oliver Reese stand Rede und Antwort. Mit souveräner Eloquenz und Präzision führte er das Publikum durch Jahrhunderte theatraler Verführungsstrategien – von den historischen und Theaterfiguren der Salome, Shakespeares Macbeth, Kleists Medea, Ibsens Nora, Schnitzlers und Wedekinds Frauenfiguren, Döblins Berlin Alexanderplatz, bis hin zum Gegenwartstheater der Elfriede Jellinek oder bis zur gegenwärtigen Medialisierung der Macht in vielen Aufführungen. Beispiele aus dem hochdifferenzierten Gedankengebäude eines sehr beeindruckenden Theatermachers, Regisseurs und Dramaturgs. 

Seine These: Verführung ist die subversivste Form von Macht. Sie tarnt Kontrolle als Hingabe, sie erschafft Illusionen, denen wir uns freiwillig unterwerfen. Und genau darin liegt ihre theatralische, aber auch politische Kraft – Zuschauer und Wähler werden immer verführt, eine gewisse Perspektive durch Deutung anzunehmen und einmal nachzuverfolgen. Sie können in der Regel auch wieder aussteigen. Wie aber funktioniert Verführung in politischen Systemen anders, in denen Menschen einer Macht ausgeliefert sind? Reese und Friedman beleuchteten, wie Verführer:innen emotionale Grenzen verwischen und Kontrolle ausüben. Das ist genau das, was uns im Moment seitens der AfD vorgeführt wird: Statt Argumenten dominieren und bestimmen echauffierte hochgeschaukelte Emotionen die Politik. Ein Programm des Protests und der brodelnden Empörung über alles und jeden der demokratischen Schule (bei gleichzeitiger Affinität zu Putin), Ausstieg unerwünscht, die Anhänger haben ja auch über Jahre ihr gefordertes Narrativ gelernt, die lässt man so schnell nicht mehr gehen (und die Stimmen erst!). Und natürlich müsse man auch Verführung von Manipulation bei den Nationalsozialisten differenzieren. Das Weltbild der Nazis bestand aus einer kompletten Manipulation der Wahrheit, es war keine Verführung mehr, sondern viel stärker Manipulation hin zu einem extremistischen und rassistischen Menschenbild. 

Abende wie diese schenken uns gehaltvolle Gespräche und Hilfe bei der Deutung von Gegenwart und Vergangenheit. Die Diskussion war immer anspruchsvoll, aber nicht überfordernd, sondern blieb beispiel- und bilderreich, eloquent und intelligent.

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