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Dienstag, 6. Februar 2024

Groebners Neuer Glossenhauer #27 - Schatz, es ist nur das, wonach es aussieht

 

©Foto: Dominik Reichenbach / Artwork: Claus Piffl

Schatz, es ist nur das, wonach es aussieht.


Die erste Wahl des Superwahljahr 2024 ist schon geschlagen!
Die Verbraucherzentrale Hamburg hat die Verbraucher aufgerufen die „Mogelpackung des Jahres“ zu wählen. Spannend! Aus zwei Gründen:
Erstens - und das muss an dieser Stelle endlich einmal erwähnt werden - ist ein Verbraucher kein Zeitgenosse, der ein brennendes Zeitwort inhaliert. Einfach, weil das nicht geht. Verbvermeider kennt man ja: „Kann ich mal die Speisekarte?“, aber geraucht werden diese Worte nicht.
Zweitens: Ist das eine gute Idee. Und die verbrauchenden Hanseatinnen und Hanseaten haben ihre Wahl weise getroffen und eine Packung Knabbergebäck gekürt, bei der der Inhalt von 250g auf 150g geschrumpft, während in der gleichen Zeit der Preis von 1,39 € auf 1,89€ gestiegen ist.
Eine echte Mogelpackung sollte man meinen, dabei ist die Packung eigentlich unschuldig. Inhalt und Preis haben sich geändert, die Packung aber ist gleich geblieben.
Der Begriff Mogelpackung ist also selbst eine Mogelpackung, da die Mogelei eigentlich woanders liegt.
Aber vieles ist ja zur Zeit nicht das, was es scheint.
In Russland tut man etwa zur Zeit so, als würde man einen Wahlkampf führen. So als hätten die Wähler eine Wahl. Deswegen gibt es auch Themen, die den Leuten unter den Nägeln brennen. Also vielleicht nicht unter den Nägeln, aber unter anderen Körperteilen. Denn Präsident Putin sorgt sich um: Toiletten. Genauer: Unisextoiletten.
Also - auf gut Wienerisch - a Heisl fia olle.
Er weiß sogar, dass Russen aus dem europäischen Ausland auf der Flucht vor Klos ohne Geschlechtsmerkmale wieder nach Russland ziehen. Was, wenn der Mann erfährt, dass die meisten Familien in seinem Land (wie auch in anderen Ländern) nur Unisextoiletten zur Verfügung haben? Ja, wirklich. Da setzen sich Mama und Papa auf dieselbe Brille, bevor sie die Spülung betätigen. Also nur, wenn sie eine haben. Denn ein Viertel der russischen Haushalte - so zitiert ein russischer Oppositionspolitiker die Statistikbehörde - ist nicht einmal an die Kanalisation angeschlossen. Glaubt man nicht, aber so etwas gibt’s: Russische Oppositionspolitiker.
Ein paar noch. Die meisten haben allerdings ihre Toiletten schon in Sibirien.
Über die Klos der anderen im Land weiß der Präsident anscheinend nicht so gut Bescheid. Warum auch? Er heißt ja auch Put-in, und Toiletten sind ja mehr für Out-put da.
Ja, keine Frage, das war jetzt eindeutig ein „Heislschmäh“.
Also zu deutsch: ein sehr billiger Witz. Wie der ganze Wahlkampf in Russland.
Nicht ganz so traurig ist der Wahlkampf in Österreich. Der hat nämlich gerade begonnen. Der Bundeskanzler und - angeblichem - Chef der Volkspartei persönlich hat angefangen. Und zwar in der schönen Stadt Wels, wo er den „Österreichplan“ vorgestellt hat.
Frei nach dem alten jüdischen Witz: „Wenn Du Gott zum Lachen bringen willst, mach einen Plan“, eröffnet die Volkspartei also den Wahlkampf nach dem Motto: „Wenn Du den Wähler zum Weinen bringen willst, zeig Deinen Plan.“
Denn Forderungen nach Steuersenkungen und Ausbau der Kinderbetreuung von einer Partei, die seit 37 Jahren - in Worten: Siebenunddreißig - ununterbrochen in der Regierung sitzt, klingen etwa so glaubwürdig wie als würde die FDP beteuern, sie würde den Mittelstand schützen. Sind also eine - genau - Mogelpackung.
Nur dummerweise sagt die FDP das wirklich.
Und zwar mit Blick auf das Lieferkettengesetz der EU. Dem sie auch deswegen nicht zustimmen kann. Auch wenn das Lieferkettengesetz erst für Betriebe über 500 Mitarbeiter gilt.
Eine interessante Definition von Mittelstand.
Erinnert ein bisschen an Friedrich Merz, der sich mit Millionen-Einkommen und eigenem Privatjet auch der oberen Mittelschicht zugehörig fühlte. Da fragt man sich doch: Was für Leute müssen die kennen, dass ihnen solche Ausstattungen „mittelständisch“ vorkommen? Ist für die Jeff Bezos nur ein gutverdienender Gemischtwarenhändler mit eigenem Raumfahrtprogramm? Und solche Menschen wollen dann die „Interessen der Bevölkerung“ vertreten.
Was wissen die denn überhaupt von den eigenen Leuten? Oder ist das eine politische Mogelpackung?
Noch schlimmer sind da nur noch diejenigen, die an einer Persönlichkeitsstörung leiden. Jene also, die nicht nur glauben, sie würden die Leute vertreten, nein, die glauben sogar, sie wären die Leute. Die sagen aber auch nicht „Leute“ zu den Menschen, sondern „Volk“ (weil das wichtiger klingt und sie auch wollen, dass das Volk folgt). Und dann wissen sie nicht mehr, wo sie aufhören und das „Volk“ anfängt und umgekehrt und überhaupt, und alles verschwimmt zusammen zu einem riesigen braunen Brei.

Und das ist dann der „Volkswille“. Sieht aus wie Kotze. Und ist in der Zusammensetzung auch 
sehr, sehr ähnlich.
Umso erstaunter sind diese breiigen, braunen Menschen mit „Volkswillen“, wenn die Bevölkerung wirklich auf die Straße geht. Und zwar in mehreren Städten. Zu Hunderttausenden. Von Hamburg bis München, von Köln bis Berlin. Sogar in Salzburg - und Wien!
Da stellen sie dann fest, dass sie  gar nicht „das Volk“ sind - sondern nur „völkisch“. Sie sind auch nicht die „bürgerliche Mitte“, sondern nur extrem rechts.
Dann sind sie auf ihre eigene Mogelpackung reingefallen. 
Und wenn sie das nicht aushalten, schreien sie „Betrug!“ und behaupten, Bilder wären manipuliert. Denn damit kennen sie sich ja aus. Schließlich lassen sie sich ja von digitalen, russischen Fake-News-Schleudern täglich online ihr Weltbild zurecht desinformieren. Hat gerade eine Untersuchung des deutschen Aussenministeriums herausgefunden. Ein „automatisiertes Trommelfeuer“ nennen die Beamten das. Das bedeutet: Russlandversteher und Rechtsextreme sind letztendlich Menschen, die glauben in der Mehrheit zu sein, weil sie sich ständig mit russischen Robotern unterhalten, die dieselbe Meinung wie sie selbst haben. Automatische Mogelpackungen.
Betrug also, wohin man schaut. Es ist traurig.
Aber wo kann man noch etwas Echtes erleben?
Auf der Straße. Da war ich kürzlich. Mit ein paar zehntausend anderen. Kann ich nur empfehlen. Macht sehr gute Laune.

Echt!



Groebner Live mit dem Programm „ÜberHaltung“: 

Sonntag 28.1. Frankfurt, Stalburg Theater - Samstag 10.2. Offenbach, Filmklubb - Samstag 17.2. Wien, Kabarett Niedermair - Freitag 23.2. Karlsruhe, Orgelfabrik, alle Termine HIER.


Der „Neue Glossenhauer“ ist ein Projekt der freiwilligen Selbstausbeutung, wer es dennoch materiell unterstützen will, hier wäre die Bankverbindung für Österreich: 

Severin Groebner, Bawag, IBAN: AT39 6000 0000 7212 6709 

Hier die jene für Deutschland: 

Severin Groebner, Stadtsparkasse München, IBAN: DE51 7015 0000 0031 1293 64