TEUFELSKINDER von Jules Amedée Barbey D'Aurevilly
Am 3. und 4. Juli 2013 wurde Antigone im Theater im Pfalzbau Ludwigshafen am Rhein gezeigt, eine Inszenierung aus Kaiserslautern, die viel besucht war. Sophokles' alter Stoff neu aufbereitet, jedoch die Dramatik war dennoch eher schwach. Es liegt auch an der Sprache, die einen zu sehr einlullt, kaum Zäsuren setzt und alles Geschehen um Kreon (Peter Kaghanovitch), der Antigone (Shadi Hedayati) bestrafte, weil sie trotz Verbot ihren Bruder Polyneikes bestattete - zumindest zweimal mit einer dünnen Schicht Erde bedeckte, um ihm Ruhe zu schenken, bis sie erwischt wurde - mehr erzählt, als dass es gespielt wird.
Die Spannung kommt nicht so richtig auf, es bleibt leer, trotzt der radikal neuen Szenerie, Militaryfans oder Hartz IV-Bezieher bzw. Freaks (der Seher Theiresias) im Army-Look auf einem Schrottplatz: Das ist Theben heute, zumindest für Regisseur Hansgünther Heyme. Antigones Schwester Ismene wird von einer kleinwüchsigen Behinderten dargestellt. Ob das ein Hinweis auf die Rache der Gene im Zeichen der Inzucht sein soll?
Der kommentierende Chor bei Sophokles wird bei Heyme durch sechs flimmernde Fernsehapparate, die willkürlich Chormitglieder zeigen, und eine Big-Brother-Stimme aus dem Off ersetzt. Oft herrscht ein Sendeproblem, es rauscht und krächzt im Äther. Gegen Ende der Todeswelle lösen sich die Botschaften auf, sie haben keinen Inhalt und Sinn mehr.
Der klassische Stoff der Aufreibung einer ganzen Familie ist natürlich gewaltig, ohne Zweifel. Antigone, die Tochter des Ödipus und dessen Mutter, zeigt großen Mut, wie der Vater schon, der seine eigene Mutter schwängert, wie der Bruder Polyneikes, der eine Recht auf Kreons Thron hat, aber im Kampf fällt, so wie Kreons Neffe Eteokles. Eine Frau begehrt auf und macht etwas, was man einem Toten nicht verwehren sollte, ihn nicht den Raben, Hunden, Adlern zum Fraß zu überlassen. In Tibet hätte man sie verhaftet, weil sie das verhindern wollte, was vorgesehen ist. In Theben, weil es von Kreon zur Strafe angeordnet war. Aber sie stellt sich, wird inhaftiert und erhängt sich in der Grabeskammer. "Nichts Ungeheueres als der Mensch. Unerfahren geht er dem Nichts entgegen." Ihre Schwester Ismene, die sich solidarisierte, weist sie von sich, um sie nicht mit hineinzuziehen. Ihr Verlobter Haimon, der Sohn des Kreon, kommt zu spät, sie zu retten, greift den Vater an, scheitert und begeht auch Selbstmord. Ihm folgt noch seine Mutter Eurydike, nicht ohne den Vater verflucht zu haben.
Theiresias hatte Recht, alles vorausgesehen, aber Kreon bereut und erkennt erst am Ende, dass er eine Kette von Fehlern begangen hat. Ismene verhöhnt den niedergeschlagenen, verzweifelten Kreon, der sich auch den Tod wünscht: "Das weitaus größte Glück ist Besonnenheit".
Mi, 3.7.2013 I 9.30 Uhr I Theater im Pfalzbau, THEATERSAAL
Antigone
Schauspiel von Sophokles
Deutsch von Wolfgang Schadewaldt
Inszenierung und Ausstattung:
Hansgünther Heyme
Mit: Shadi Hedayati, Jana Zöll,
Peter Kaghanovitch, Wolfgang Robert,
Mathias Wendel, Stephan Wriecz
Koproduktion Theater Im Pfalzbau Und
Pfalztheater Kaiserslautern
Einheitspreis: 18 € / Erm. 10 €
Am Hof in Theben herrscht Krieg, beide Brüder Antigones sind im Kampf gefallen und ihr Onkel Kreon hat die Macht übernommen. Es regiert gegenseitiges Misstrauen, das Militärische dominiert und Kreon trifft die Anordnung, dass Polyneikes, Antigones Bruder, nicht begraben werden darf: Seine Seele soll nicht zur Ruhe kommen, als Strafe für seinen Verrat am eigenen Volk.
Doch Antigone begehrt energisch gegen diesen Befehl auf: Vor irdisches Recht stellt sie den Willen der Götter, Menschlichkeit zählt für sie mehr als verbissene Rechthaberei und Machtdemonstration. Hansgünther Heyme hat seine radikal moderne Aufführung des klassischen Stückes in einem Überwachungsstaat nach dem Vorbild von George Orwell angesiedelt: Überall lauert der Staat, jeder Fleck wird abgehört, es gibt keinen Rückzug ins Private mehr. Mutig und voller Leidenschaft drückt die junge und schöne Antigone ihren Protest gegen Kreon aus. Doch dieser erkennt seine eigene Selbstüberschätzung erst, als es bereits zu spät ist und seine ganze Familie im Strudel der Ereignisse untergeht.
»Die Vorstellung wird nach dem großen Erfolg im Programm der VI. UND VII. FESTSPIELE LUDWIGSHAFEN wieder aufgenommen. Nach ausverkauften Vorstellungen kam es stets zu langen, spontanen Diskussionen und Gesprächen. Unzählige Schulklassen haben die Aufführung gesehen. Im Frühjahr 2011 kam eine TV-Fassung der Aufführung im Offenen Kanal Ludwigshafen heraus. Wir haben die Antigone des Sophokles 2010 quasi als Handlungsnachfolge des König Ödipus von Sophokles erarbeitet – zugleich als Beiprogramm zu Richard Wagners Der Ring des Nibelungen. Wagner leitet Wesentliches der Brünnhilde von Antigone – und viele Motive seiner Wotan-Figur – von Kreon in der Antigone ab.« Hansgünther Heyme