Die Geschichte von Gülünt und Maria
1. Der Händedruck
Jahrelang lebte sie schon mit ihrem Ehemann zusammen, dessen Lendenkraft längst erlahmt war. Damit hätte sie sich ja noch abgefunden, aber das er sie so gar nicht mehr beachtete, sie weder umarmte noch Komplimente machte, wenn sie mal wieder eine neue Frisur ihr Eigen nannte oder mal wieder fünf Kilogramm an Gewicht verloren hatte, konnte sie ihm nicht so ohne Weiteres verzeihen.
Schwer gearbeitet hatte sie in all den Jahren ihres Lebens draußen auf dem Feld. Ihre Hände waren voller Schwielen und sie hatte die kräftige Muskulatur, wie sie nur eine Bäuerin haben kann, die morgens schon mit dem Vieh aufsteht, um es rechtzeitig zu füttern.
Seit ihr klar war, dass ihr Ehemann sie nie wieder küssen und lieben würde, nahm sie zeitweise kleine Fluchten vor. Sie erlaubte sich hin und wieder, sich fein zu kleiden und verschiedene Städtetouren durchzuführen mit einer Freundin. Auf diesen Touren lachten sie sehr viel und erfreuten sich am Knüpfen kurzlebiger neuer Kontakte.
Ihr Mann nahm ihr das nicht übel – im Gegenteil: Er gönnte ihr die kleinen Auszeiten, weil es auch für ihn Auszeiten waren. Er hatte so einfach mal ein paar Tage Ruhe und konnte entspannt sein Haus genießen, in dem er sich seit dem Erwerb eines Plasmabildschirms vorwiegend aufhielt.
Sie vertrauten einander sehr, die beiden Eheleute und hätte es nicht eines Abends bei ihnen geklingelt, wäre auch alles weiter so harmonisch verlaufen wie bisher.
Aber die Kusine Maria aus der etwas weiter entfernten Stadt hatte sich zu Besuch angemeldet mit ihrem türkischen Freund Gülünt, den sie im Urlaub kennen gelernt hatte. Dieser Freund war ein Mensch, der ausschließlich für die Liebe lebte, vielleicht, weil er auch sonst nichts konnte. Frauen aller Altersstufen mit ihren diversen Problemen waren seine Leidenschaft und er hatte die natürliche Gabe, sich in jede hineinzuversetzen und ihre innersten Wünsche herauszufinden und zu erfüllen. Das war nicht so schwierig, wie es sich anhört. Die innersten Wünsche in uns Menschen sind meist sehr ursprünglicher Natur und kreisen vorwiegend um die Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Nähe.
Die Kusine Maria klingelte also an der Haustür und als die Gastgeberin die Tür öffnete, gab sie erfreut erst ihrer Kusine die Hand – und danach dem türkischen Gast, den sie nie zuvor gesehen hatte. In dem Moment, wo die beiden sich die Hände reichten, geschah etwas sehr Magisches. Beide konnten die Hände nicht mehr voneinander lösen. Trotz aller Unterschiedlichkeiten zwischen den beiden Menschen hielten sie einander fast fünf Minuten fest an den Händen und schauten einander an, während sie irgendeine nichtssagende Konversation betrieben.
Die Kusine betrachtete das Spiel erst mit Erstaunen und dann doch mit einigem Unverständnis. Ja, es sei Liebe gewesen, gestand der türkische Freund am anderen Tag. Es sei wie Magie und er würde sich sehr freuen, wenn man doch noch mal dorthin zu Besuch gehen würde.
Er hatte sich an diesem Abend verliebt.
Die Bäuerin wiederum vergaß an jenem Abend die emotionale Einsamkeit, die sie neben ihrem Mann seit Jahren durchlebte und dachte immer wieder an den türkischen Freund ihrer Kusine. Sie würde so gerne in Kontakt mit im sein und wusste nicht, wie sie es anstellen sollte, den Kontakt herzustellen. Es war seit jenem Abend, als würde sie neu anfangen zu leben. Alle Last fiel von ihren Schultern ab und sie dachte angestrengt nach, wie sie diesen Mann wiedersehen könne. Die Kusine war ihr dabei völlig gleichgültig.
Die Liebenden fanden zueinander. Die Kusine Maria hingegen fackelte nicht lange. Nachdem sie sich klar war über diese „Liebe auf den ersten Blick“ stellte sie den Freund Gülünt einfach vor dem Haus des Ehepaares ab mit den Worten „Du wolltest doch nochmal dorthin, nicht wahr ?“ und fuhr dann mit dem Auto einfach weiter.
(c) Karin Michaeli
1. Der Händedruck
Jahrelang lebte sie schon mit ihrem Ehemann zusammen, dessen Lendenkraft längst erlahmt war. Damit hätte sie sich ja noch abgefunden, aber das er sie so gar nicht mehr beachtete, sie weder umarmte noch Komplimente machte, wenn sie mal wieder eine neue Frisur ihr Eigen nannte oder mal wieder fünf Kilogramm an Gewicht verloren hatte, konnte sie ihm nicht so ohne Weiteres verzeihen.
Schwer gearbeitet hatte sie in all den Jahren ihres Lebens draußen auf dem Feld. Ihre Hände waren voller Schwielen und sie hatte die kräftige Muskulatur, wie sie nur eine Bäuerin haben kann, die morgens schon mit dem Vieh aufsteht, um es rechtzeitig zu füttern.
Seit ihr klar war, dass ihr Ehemann sie nie wieder küssen und lieben würde, nahm sie zeitweise kleine Fluchten vor. Sie erlaubte sich hin und wieder, sich fein zu kleiden und verschiedene Städtetouren durchzuführen mit einer Freundin. Auf diesen Touren lachten sie sehr viel und erfreuten sich am Knüpfen kurzlebiger neuer Kontakte.
Ihr Mann nahm ihr das nicht übel – im Gegenteil: Er gönnte ihr die kleinen Auszeiten, weil es auch für ihn Auszeiten waren. Er hatte so einfach mal ein paar Tage Ruhe und konnte entspannt sein Haus genießen, in dem er sich seit dem Erwerb eines Plasmabildschirms vorwiegend aufhielt.
Sie vertrauten einander sehr, die beiden Eheleute und hätte es nicht eines Abends bei ihnen geklingelt, wäre auch alles weiter so harmonisch verlaufen wie bisher.
Aber die Kusine Maria aus der etwas weiter entfernten Stadt hatte sich zu Besuch angemeldet mit ihrem türkischen Freund Gülünt, den sie im Urlaub kennen gelernt hatte. Dieser Freund war ein Mensch, der ausschließlich für die Liebe lebte, vielleicht, weil er auch sonst nichts konnte. Frauen aller Altersstufen mit ihren diversen Problemen waren seine Leidenschaft und er hatte die natürliche Gabe, sich in jede hineinzuversetzen und ihre innersten Wünsche herauszufinden und zu erfüllen. Das war nicht so schwierig, wie es sich anhört. Die innersten Wünsche in uns Menschen sind meist sehr ursprünglicher Natur und kreisen vorwiegend um die Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Nähe.
Die Kusine Maria klingelte also an der Haustür und als die Gastgeberin die Tür öffnete, gab sie erfreut erst ihrer Kusine die Hand – und danach dem türkischen Gast, den sie nie zuvor gesehen hatte. In dem Moment, wo die beiden sich die Hände reichten, geschah etwas sehr Magisches. Beide konnten die Hände nicht mehr voneinander lösen. Trotz aller Unterschiedlichkeiten zwischen den beiden Menschen hielten sie einander fast fünf Minuten fest an den Händen und schauten einander an, während sie irgendeine nichtssagende Konversation betrieben.
Die Kusine betrachtete das Spiel erst mit Erstaunen und dann doch mit einigem Unverständnis. Ja, es sei Liebe gewesen, gestand der türkische Freund am anderen Tag. Es sei wie Magie und er würde sich sehr freuen, wenn man doch noch mal dorthin zu Besuch gehen würde.
Er hatte sich an diesem Abend verliebt.
Die Bäuerin wiederum vergaß an jenem Abend die emotionale Einsamkeit, die sie neben ihrem Mann seit Jahren durchlebte und dachte immer wieder an den türkischen Freund ihrer Kusine. Sie würde so gerne in Kontakt mit im sein und wusste nicht, wie sie es anstellen sollte, den Kontakt herzustellen. Es war seit jenem Abend, als würde sie neu anfangen zu leben. Alle Last fiel von ihren Schultern ab und sie dachte angestrengt nach, wie sie diesen Mann wiedersehen könne. Die Kusine war ihr dabei völlig gleichgültig.
Die Liebenden fanden zueinander. Die Kusine Maria hingegen fackelte nicht lange. Nachdem sie sich klar war über diese „Liebe auf den ersten Blick“ stellte sie den Freund Gülünt einfach vor dem Haus des Ehepaares ab mit den Worten „Du wolltest doch nochmal dorthin, nicht wahr ?“ und fuhr dann mit dem Auto einfach weiter.
(c) Karin Michaeli