TEUFELSKINDER von Jules Amedée Barbey D'Aurevilly
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Foto: Kasia_Mikolajewska |
Im Ludwigshafener Pfalzbau konnte man am 12.06.2013 ein außergewöhnliches Tanztheater genießen: die norwegische Formation Carte Blanche (seit 1989) mit dem Stück Corps de Walk. Eine exotische, erotische, existenzielle, schwer zu fassende und sehr moderne Bühnenmetapher über den Mensch als der in seiner Nacktheit ins Dasein Geworfene. Fast im Sinne von Martin Heidegger sind die Menschen in dem am 13.05.2011 in Turku (Finnland) uraufgeführtem Stück der Israelin Sharon Eyal Geworfene - und Getriebene.
Wie aufgezogene Männchen stolzieren sie in einer Reihe durch die Gegend, als ob sie eine militärische Übung absolvieren müssten oder auch mal hektisch, als ob der Leibhaftige zumindest halb hinter ihnen her wäre. Dann wieder ein majestätisches Schreiten, immer, immer Fortbewegung, Strecken zurücklegen, selten Ruhe. Ein Hinweis auf Israel, das ständig Selbstverteidigung oder -behauptung praktizieren muss?
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Foto: Kasia_Mikolajewska |
Die Angst als Grundbefindlichkeit? Aber auch Neugier und eben das Getriebensein scheinen sie nicht zur Ruhe kommen zu lassen. Zu Technorave-Klängen und anderer elektronischer Musik bewegen sie sich hektisch, maschinenhaft, was auch immer wieder die Assoziation Marschieren im Krieg oder zur Übung desselben hervorruft.
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Foto: Kasia_Mikolajewska |
Sharon Eyal und ihr Mann Gai Bahar haben das Konzept entwickelt, die Choreographie besorgt und die Kostüme kreiert. Und die haben einen ungeheuren Sex-Appeal, weil die schlanken Tänzer und Tänzerinnen sich wie mit einer weiteren dünnen Haut überzogen bewegen. Die Musik arrangierte der DJ Ori Lichtik: Zu hören gibt es David Byrne, Claude Debussy, Noize Creator, Aphex Twin, Tuxedomoon, Elemental Act vs. Our Scoring, Einstürzende Neubauten, Fumiya Tanaka, Ori Lichtik, Öl' Dirty Bastard, Coil, David Lynch.
Es beginnt alles ganz harmlos: Froschgequake, rhythmisches Summen und der Song: "Sometimes I do believe, sometimes I'm wrong", und schon setzt das militärische "Walken" ein, sich steigernd mit Streichmusik. Es entstehen wunderschöne Bilder, wackelnde Hände wie Laub und alles nach Wald aussehend. Dann ein magisches Ritual mit entsprechenden Bewegungen. Einige Konstellationen lassen sich als Kommunikationsversuche deuten, dann tanzen Roboter gegen Grazien, finden Studien zum Gehen statt, wird alles ekstatisch, umringt die Bewegung ein Standbild, das wie die ruhende Mitte wirkt. Der Walking Act dreht sich im Kreis. Die Elektrosongs dazu auch mal verzerrt, die Auflösung der harmonischen Klänge. Es scheint kein Entkommen zu geben. Rast- und atemlos walkt dieser - wie der Name sagt - riesengroße Verband um ... sein Leben? Den Tod auf den Fersen ... Das Ganze kann auch eine Metapher für die verheerenden Kriege nicht nur des 20.Jahrhunderts sein. Immer wieder Kriege und Einsätze der Bevölkerung, auch wenn Friedenspausen existieren ...
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Foto: Kasia_Mikolajewska |
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Foto: Erik Berg |
12.6.2013 I 19.30 Uhr I Theater im Pfalzbau, Theatersaal, Tanztheater
Carte Blanche
Corps de Walk
Choreographie: Sharon Eyal, Gai Bachar
Musik: Ori Lichtik
Preise: 38 Euro 32 Euro 26 Euro 20 Euro
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Foto: Erik Berg |
Die norwegische Company Carte Blanche besteht seit 1989 und gilt als das führende Ensemble des Zeitgenössischen Tanzes in Norwegen. Ihre kreative Heimat befindet sich in Bergen, der zweitgrößten Stadt Norwegens, wo zwei bis drei neue Choreographien pro Jahr entwickelt werden. Das Selbstverständnis der Company beruht auf den Werken einer neuen Choreographen-Generation, die für spannende Produktionsprozesse, Vielseitigkeit und nicht zuletzt für eine hohe Qualität des Repertoires sorgen.
Zu dieser neuen Generation gehört auch die israelische Choreographin Sharon Eyal, die über zehn Jahre in der Batsheva Dance Company getanzt hat. 2003 feierte sie mit dem poetischen Stück Love ihren Durchbruch als Choreographin. Dem großen Anklang, den die Produktion sowohl beim Publikum als auch bei der Presse fand, hat sie es zu verdanken, dass sie seitdem in der Tanzszene enorm gefragt ist. Sharon Eyal ist für ihr kraftvolles, einmaliges Bewegungsvokabular bekannt, das oft überflutet ist mit sinnlichen Bezügen. Der Tanzkritiker Gabi Aldor beschreibt ihren sehr eigenen Stil folgendermaßen: »Eyal lässt das Feminine im Tanz so prachtvoll erscheinen, dass es in herrlicherem Glanz erstrahlt als im Leben, ja dem Göttlichen gleichkommt. Sie nähert sich dem Weiblichen in einem erfrischend alternativen Feminismus, vielleicht mit dem von Madonna vergleichbar, die sich jeden Tag neu erfindet.«
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Foto: Erik Berg |
In ihrer ausgeklügelten Choreographie Corps de Walk hat Sharon Eyal eine geradezu mathematisch angelegte Schrittfolge bis zur perfekten Synchronisation getrieben, sodass die Tänzerinnen und Tänzer wie Roboter erscheinen. Dadurch wird eine mechanische Energie freigesetzt, die fast beänstigend, aber zugleich auch betörend schön ist. Man wagt als Zuschauer kaum zu blinzeln, damit einem keine einzige Bewegung der marschierenden Beine und fliegenden Arme entgeht. Mit Corps de Walk zelebriert Sharon Eyal eine hypnotisierende Techno-Party, die einen ungeheuren Sog entfaltet.