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Samstag, 13. Juli 2013

Wie war's im Musical COMPANY im Nationaltheater Mannheim?

Fotos: Hans Jörg Michel


Company heißt eine Musical Comedy im Programm des Nationaltheaters, Mannheim, die in der aktuellen Spielzeit läuft. Ich habe mir die Aufführung am 05.07.2013 angeschaut. Dieser Begriff lässt einen ein bisschen grübeln, Musical Comedy, noch nie gehört, aber es ist klar, um was es geht. Es ist ein Musical, und nicht etwa eine Oper, als welche man sie in der Ankündigung oberflächlich betrachtet einordnen würde. Und sie hat Comedy-Momente, die auflockern sollen. Alles am Broadway schon aufgeführt, unter der Regie von Harald Prince. Die Uraufführung war bereits am 26.04.1970 im Alvin Theatre, New York! Die Musik und Texte stammen von Stephen Sondheim, das Buch von George Furth, deutsche Fassung von Michael Kunze.

Es gibt keinen wahren Handlungsstrang, alle Bilder sind Facetten eines Gesellschaftsbildes der entwickelten Staaten des 20. Jahrhunderts. Hier dreht sich alles um New York, die amerikanische Gesellschaft und ihre hohe Anfälligkeit für den schönen Schein, ihre Jagd nach Aufwertung ihrer Person durch scheinbare Superlative. Wie einst schon bei Botho Strauß' Inszenierungen fällt eine Unverbindlichkeit und Neurotizität, wenn nicht gar psychotische Verhaltensweise der Protagonisten auf, ein Leerlauf und eine Kreisbewegung des Geschehens. Das Triviale, Banale kultiviert zum Besonderen, aber reichlich inhaltsleer

Der Geburtstag von Robert, es ist der 35., eines jener Kultdaten, die die älter werdenden Jungerwachsenen bereits schon stark irritiert (kein Wunder, dass 10 Jahre später auf dem Markt der Ofen schon aus ist). Seine Freunde, oder wer sich als solcher sieht, kommen zum Gratulieren und halten ihm ein Ständchen. Die kitschig angebotenen Kerzchen auf den Kuchen will er partout nicht ausblasen: Alle dachten, er würde sich eine Ehefrau wünschen, es ihnen nachmachen ... Nichts da, er ist der festen Meinung, dass er keine Ehefrau braucht, und macht das Ritual nicht mit. Oh! Wie das? Ist er schwul? Das wird einer seiner Freunde später mal antesten, nur spaßeshalber versteht sich, aber er ist es nicht ... 

Dennoch, Bobby ist auf der Suche nach Liebe. Er sieht sich am meisten von den Frauen seiner Freunde angezogen, und nicht oft steht der Seitensprung greifbar zwischen ihnen. Doch die Moral, die Ehe, hält sie zurück. Bobby tingelt durch die Paarleben, schaut, was los ist, in deren Ehen, wie viel sich die Paare vormachen, was sie alles verdecken. Der Trinker catcht mit seiner Kung-Fu-Frau, was die Erotik bringt, der Kiffer lebt mit seiner spießigen Frau zusammen, die beinahe Bobby verfällt und ihren Mann schön versorgt, aber noch schnell die Flucht vor dem Seitensprung antritt. Später geht auch sie fremd. Andere stehen gerade vor der Scheidung, Amy und Paul heiraten nach vielen Jahren wilder Ehe, was Amy hysterisch macht, ob der Lächerlichkeit und der Frage, ob sie den Mann überhaupt will, den sie gerade im Begriff ist zu heiraten, aber Bobbys Heiratsantrag ist hier dann doch zu viel,  and so on ... 

Es ist nirgends Platz für Bobby. Er sieht auch nichts Berauschendes, eher reichlich Befremdliches. Dafür hat Bobby drei Freundinnen, die er näher kennenlernt, eine recht flippige Martha, eine reizende Kathy und eine fesche Stewardess namens April, mit der er auch ein Verhältnis hat, ihr aber direkt sagt, dass er sie für zu dumm hält. So steht er da, der arme Bobby und wünscht sich nun fest eine Seelenpartnerin herbei: Wo ist die Person, "die einen dazu bringt, das Leben zu spüren ..., ich will jemanden, der mich liebt." Heimlich bläst er die Kerzen aus und wünscht sich die Frau seinen Lebens an seine Seite. 

Ein Musical, das man nicht unbedingt gesehen haben muss, das aber genug unterhält, um es nicht zu bereuen - es bleiben zweieinhalb Stunden Spielzeit ohne tiefere Substanz. Das Musical hat keine (super-)starken Tanz- und Gesangspassagen, wohl aber beeindruckende Szenenbilder mit sehr stimmungsvoller Ausleuchtung, die positive Anker im Verlauf setzen. Es plätschert und bleibt so inhaltsleer wie seine Personen. Da bringen Frank Nimsgern oder Neunkirchen/Saar meines Erachtens lebendigere und dynamischere Musicals auf die Bühne, an denen man lange zehrt. Aber Company ist ja nun schon 43 Jahre alt, das darf man nicht vergessen.

Samstag, 1. Juni 2013

Heute Abend im Pfalztheater: AIDA - großes Musiktheater von Elton John

01.06.2013   I   19:30 - 22:15 Uhr   I   Pfalztheater, Großes Haus
Durch einen Planungsfehler kam der Hinweis gestern schon. Ich hoffe, keine zu große Verwirrung 
hervorgerufen zu haben. 




Elton John & Tim Rice`s AIDA.

Der Stoff von Verdis Meisteroper als spektakuläres Broadway-Musical.

Musical von Elton John und Tim Rice
Musik von Elton John, Gesangstexte von Tim Rice, Buch von Linda Woolverton, Robert Falls & David Henry Hwang
Deutsch von Michael Kunze

Eine Koproduktion mit dem Staatstheater Darmstadt.


Siehe meine Besprechung

Mittwoch, 29. Mai 2013

Wie war's in der Avenue Q im Nationaltheater Mannheim?

v.l.n.r.: Daniel; Daniel+Princeton; Kate, Brian, Christmas, Daniel, Princeton; Kate+Princeton
Fotos: Hans Jörg Michel

Ein Musical mit Puppen in der Machart von Muppetshow, Sesamstraße, Alf, (DSDS), und wie sie alle heißen. Ja, auch das geht. Und wie! AVENUE Q von Robert Lopez und Jeff Marx macht's möglich. Ab 2003 sechs Jahre im Golden Theatre im Broadway Theatre, und danach im off-Broadway-Theatre New World Stages weiter, in Europa seit 2006, zuerst Großbritannien (London), dann Schweden, Finnland und 2011 St. Gallen Schweiz, 2012 dann Erstaufführung in Deutschland im Nationaltheater Mannheim. 

Es bedarf einer Umgewöhnung, das ist klar, denn die Puppen werden von einem bis zwei Schauspielern geführt und gespielt. In Mannheim absolut wendige, gelenkige und einfühlsame Puppenträger, die die Comic-, Puppencharaktere hervorragend präsentieren. Aber wenn man sich auf diese amerikanische "Sesamstraße" oder besser "Lindenstraße" einlässt, kommt eine Menge zum Vorschein, nicht sonderlich tief, aber die Themen Rassismus, Homosexualität, Dating, One-Night-Stand, Liebe, Ehe, Partnerschaft, Pornografie, Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit der (Hoch-)Schulabgänger werden angesprochen („What Do You Do with a B.A. in English?“ - wohl dieselbe Problematik wie bei uns mit dem hochfrequentierten, aber nicht akzeptierten Germanistikstudium). Die Themen werden nicht analysiert oder tiefer beleuchtet, aber sozial verträglich zu einem Ergebnis geführt.

Die Lust am Tabubruch wird immer wieder deutlich. Ob das der fesche Brian ist, dessen Sensation am Straßenfest im „Around the Clock Café“ darin besteht in Hosen, aber ohne Unterhosen aufzutreten und das ordentlich zu besingen („I'm Not Wearing Underwear Today“), oder Kate Monster und Princeton, die sich kräftezehrend nach einigen Vodka Redbull intensiv auf der Bühne lieben („You Can Be as Loud as the Hell You Want - When You're Makin' Love“) - was übrigens von Daniel (Küblböck), der in die Mannheimer Fassung geschmuggelt wurde, mit "so lang der Teufel schreit" im Schottenrock tanzend kommentiert wird -, ein Traum vom homosexuellen Leben zu zweit zwischen Rod und Nicky („Fantasies Come True“) oder der extreme Pornofreak Trekkie Monster („The Internet Is for Porn“), Toleranz wird gepredigt, nicht zuletzt auch in Sachen Rassismus („Everyone's a Little Bit Racist“). Wenn wir uns eingestehen würden, dass wir ein bisschen Rassist sind, Witze über Türken, Schwarze, Schwule - man könnte noch ergänzen - Lesben, Behinderte, Saarländer, Ostfriesen, Pfälzer, Schwaben, Bayern, Juden, Verrückte - etc. erzählen oder gut finden, wäre die Welt ein Stück besser. Das ließe sich allerdings schnell und stark bezweifeln. Vielleicht nur zur Abregung der Rassisten untereinander? Die würden dann eine Witzorgie feiern, aber sich nicht verändern, vielleicht noch mehr lachen drüber. Aber ist das zum Lachen? 


v.l.n.r.: Princeton; Mi re: Kate+Treckie; Princeton+Kate beim Sex; Lucy Schlampe; Rod+Nicky; Princeton
Fotos: Hans Jörg Michel

Die Texte sind  oft ein bisschen gegen den logischen Strich gebürstet, verfremdend ins Witzige gezerrt, kein Pathos oder hohe Philosophie, sondern Wendungen, die sich aus einem absurden, auch ein bisschen unsinnigen oder übertriebenen Licht nähren. Witzig besungen und getanzt in dieser Hinsicht die Liebe Kates zu Princeton, der in dem etwa drei- oder viertägigen Geschehen in zwei Akten Kate vernascht, sich wieder distanziert und am Ende wieder zu ihr findet. "Je mehr du jemanden liebst, desto mehr willst du ihn töten", grollt Kate.  Ihre Liebe schlägt in Mordgelüste um. Oder der Rassismussong, siehe oben. 

Das Leben in der Avenue Q ist dennoch sympathisch. Brian und seine Chinesin Christmas Eve, die sich lieben und zanken, eine große Hochzeit feiern, die denn auch dazu dient, dass Nicky, der entdeckte, dass er schwul ist, seinen Freund Rod, der ihn aufgenommen hat, verrät bzw. bewusst outet, was Rod entsetzlich verletzt und durch eine Geschichte von einer Freundin in Kanada („My Girlfriend, Who Lives in Canada“), die ganz scharf auf ihn wäre, wieder zurechtzubiegen versucht. Die allgemeine Lebenseinstellung ist "Es kotzt mich an", und wie Princeton zu Beginn des zweiten Aktes ergänzt: "... Es kotzt mich an, 20, Single und arbeitslos zu sein". 

Sehr lyrisch und tief dagegen der Song von Kate "Nur ein schmaler Grat trennt Lüge von Flunkerei. (...) Es ist ein ganz schmaler Grat zwischen Liebe und verlorener Zeit." 

Daniel Küblböck, der uns vor 10 Jahren durch seine ungeheure Dynamik, tolle Stimme und spezielle schwule Exaltiertheit auffiel, und weil er ungerecht behandelt wurde, weil er viel besser ist, als Bohlens DSDS feststellte, taucht als Hausmeister und neugieriger Postbote im Mannheimer Musical auf und hat an allen entscheidenden Stellen eine wichtige Kommentarfunktion: "Das Leben ist nicht schwarz, das Leben ist nicht weiß, lass dir das sagen von Daniel Küblböck aus Niederbayern, der ganz unten war." 

Alle kämpfen um Arbeit, Wohnen, Liebe, Zukunft, Perspektive ... Kate verliert ihren Job, weil sie aus Liebe zu Princeton Alkohol trank, was sie gar nicht vertrug, daraufhin einem One-Night-Stand nicht abgeneigt war und am nächsten Morgen, die große Aufgabe, die Kinder im Kindergarten allein zu beaufsichtigen, komplett durch Zuspätkommen um drei Stunden versaute. 

Eine schöne Wendung im Stück, dass Nicky - durch Rausschmiss von Rod abgestraft, als Penner in der Mülltonnenlandschaft leben und betteln muss, auch Daniel lehnt ihn ab - seine "Beute" von Princeton abgenommen bekommt, um Kate Monster bei ihrer Schule (sozusagen die Selbstständigkeitslösung aus dem Jobverlust heraus) zu helfen. Über „The Money Song“ entwickelt sich eine kleine Fundraising-Orgie, und siehe da, den Riesenbatzen zur Schule stiftet Trekkie Monster, der wohl Dutzende von Millionen (!) im Pornogeschäft gemacht hatte, denn er kann 10 Mio in den Pott werfen. Lopez/Marx und Buchautor Jeff Whitty schrecken nicht davor zurück, eine Monsterssori-Schule durch Geld aus Prostitution, Gewalt und Ausbeutung zu finanzieren. Herrlich absurd und schwarzer Humor. 

Kate und Princeton kommen wieder zusammen, ihre Widersacherin Lucy, die Schlampe, die den jungen Kerl nach der Liebesnacht mit Kate gekrallt hatte, wird - große Absurdität - durch die herabfallende Glücksmünze, die Kate von Princeton bekam und die sie nach einem geplatzten Date auf dem Empire State Building loswerden will, so schwer verletzt, dass schwere Kopfverletzung und Intensivstation aus ihr einen religiösen Menschen machen. 
Was deutlich und leitmotivisch in den Vordergrund tritt ist die Ablehnung einer Auffassung, die Beständigkeit, Bestimmung, Schicksal, Absicht, für immer und ewig propagiert. Die Hochzeit von Brian und Christmas wird entsprechend witzig kommentiert, sie führt die beiden nur von der Avenue Q in die Bronx, und auch sonst klingt es durch. Am Ende dann die Auflösung: Wir sind nur einen Moment am Leben, lieben, arbeiten, haben Freunde nur einen Moment. "Außer den Steuern und dem Tod ist alles im Leben nur - für einen Moment." 

Ein Stück für (junge) Erwachsene und Jugendliche, die durch Puppenfiguren, Comics und Familienserien geprägt sind, das Leben belachen in seinem bunten Durcheinander, die Auflösung von Formen, Anschauungen und Idealen in Witz und Humor, aber auch ernste und tiefe Worte begrüßen ... Das Mannheimer Publikum war von dieser letzten Aufführung in der Saison mehr als begeistert. Die Leute gingen heiter, befreit von Sinnhaftigkeit, teilweise tanzend aus dem Opernhaus.

Donnerstag, 23. Mai 2013

Wie war die Premiere von Elton Johns AIDA in Kaiserslautern?



Fotos: Hans-Jürgen Brehm-Seufert

AIDA, die vielgeliebte, berühmte Oper Guiseppe Verdis, ritualmäßig immer in Verona zu sehen, ein Musical? Tatsächlich, und nicht nur das, auch noch mit Musik von "Sir" Elton John, der seit Jahrzehnten die Popwelt mit Songs von Rang und Namen versorgt, so dass selbst Queen Mum ausflippte und ihn zum Ritter schlug. In Kaiserslautern brachte man das 1999 in Chicago in einer ersten Fassung zu Wasser gelassene Bühnenspektakel und 2000 seine Premiere am New Yorker Broadway feiernde Musical letzten Samstag, den 18.05.2013, im Pfalztheater auf die Bühne. 

Ausgezeichnet mit vier Tony Awards, u. a. für die beste Originalmusik, sowie mit einem Grammy Award für den besten Musicalsoundtrack konnte der Besucher in der Premiere die Bekanntschaft mit einer veränderten, gefälligen, aber nicht  weniger dramatischen und heroischen AIDA machen. Die Inszenierung übernahm Johannes Reitmeier, Intendant aus Innsbruck, vormals langjähriger Intendant in Kaiserslautern. Liebe über allem, Sehnsucht nach Völkerverständigung, Niederlegung der Waffen, die Rache des Pharaos bzw. sein Tochter Amneris jedoch unbezwingbar grausam. Kein Wunder, die Intrige von Radames' leiblichem Vater Zoser (der Sohn wusste bis kurz vor seinem Tod nicht, dass sein Förderer und Ausbilder auch sein Vater war und schuld daran, dass seine Mutter im Hurenhaus sterben musste), den Pharao mit Gift zu beseitigen, um Radames zum mächtigsten Mann in Ägypten zu machen -  Amneris, die Tochter der Isis (ägyptische Göttin) an seiner Seite -, ist eines der schwersten, manchmal durchaus sinnvollen Kapitalverbrechen in der Geschichte der Menschheit, handelt es sich doch um den Regentenmord! Diese Freiheit haben sich Tim Rice und die Buchverfasser Linda Woolverton, Robert Falls & David Henry Hwang genommen, denn Verdis Librettist bestraft nur den Versuch, einen Fluchtweg zu offenbaren. Zoser ist allerdings wirklich ein Bösewicht, er führt Schlimmes im Schild, der Pharao krank und schwächlich, bangt um das ägyptische Reich, er wird hinterhältig angegriffen. Bei Verdi existiert dagegen der Oberpriester Ramphis.


Alles geglättet, in den Mainstream mündend, ist AIDA mit der poppigen, rockigen Musik von Elton John und den Gesangstexten von Tim Rice zwar weder in der Aktreihenfolge von Verdi zu sehen noch in dessen Handlungsaufbau, das gegnerische Königreich auch geändert, dafür aber in einer neuen, anderen, aber dennoch vergleichbaren Story. Bisweilen kitschige Elemente machen auch die Breitenakzeptanz aus.


Zu Beginn gelangen wir in eine Art ägyptisches Museum oder Mausoleum, das die Geschichte von Ramades und Amneris verbirgt, dessen Todesruhe dann tatsächlich in Handlung übergeht. Alles erzählt von der Pharaonenkultur, die Videoprojektionen, die in diesem Musical sehr häufig eingesetzt werden, und die Musik. Aus diesem Bild erscheinen die Ägypter, Amneris singt von dem Land der harten Gesetze (Deutsch von Michael Kunze). Bei Verdi wurde Äthiopien/Theben bereits vor langer Zeit besiegt. 

Bei John/Rice ist Nubien (historisch mal Kolonialstaat von Ägypten, mal Herrscher über Ägypten, 5000 Jahre alt, heute Sudan) zwar bereits von Ägypten besetzt, die Kämpfe haben aber eher gerade angefangen. Ramades ist der oberste Befehlshaber der Heere und siegreicher Feldherr. Sie machen wieder einmal Gefangene. Unter ihnen AIDA, die Tochter des nubischen Königs, die gleich zeigt, was edle Gesinnung ist, und ihren Kopf riskiert, um ihre Dienerinnen von Übergriffen und Vergewaltigungen freizupressen. Ramades wird aufmerksam auf sie, die ihren Lebenstraum in der Gefangenschaft zerbrechen sieht. Sein Diener zu Hause in Ägypten ist wie viele andere im Palast und in Ägypten auch Nubier. Mereb erkennt seine Herrin und versucht sie mit allen anderen auch zu beschützen und ihre Herkunft zu vertuschen. Sie ist ein Geschenk Ramades an Amnires, die sie aufnimmt, da sie gebildet ist und Modeberatungen leisten kann. 
Im Palast wartet Amnires, der Pharao, die Pläne, Ramades in sieben Tagen durch Hochzeit zum Nachfolger zu machen, da der Pharao von einer schweren Krankheit erfasst zu sein scheint. Radames mag und lockt Amnires, aber gerät zwischen die beiden Frauen, da er AIDA zu lieben beginnt. Er liebt sie so und findet Erwiderung, dass er sein Hab und Gut an die Nubier verteilt: "Ich trag einen Traum in mir, ein neues Leben, nur mit ihr..." Eines Tages bringen die Truppen auch den König von Nubien, AIDAS Vater, nach Ägypten, er landet im Kerker. Ein beeindruckendes Bild der Verbundenheit der Nubier mit ihrer Prinzessin, ihrer zukünftigen Königin, mit bunten Bändern miteinander verbunden, lässt Teil 1 enden.

Der zweite Teil beginnt mit einer Szene zur "Liebesblindheit" von AIDA, Amnires und Ramades mit schwarzen Brillen. AIDA und Mereb erkaufen sich den Zugang zum Kerker, um mit dem König einen Ausbruch zu planen, der pharaonische Hochzeitstag wird auserkoren. Währenddessen erfährt Ramades die Wahrheit über seinen Vater, die beiden geraten aneinander, wegen der Vergangenheit und weil Zoser seine Pläne durchziehen will. Ramades gewinnt den Kampf. Zoser befiehlt die Ermordung AIDAS, die misslingt, weil eine andere Nubierin sich opfert. Wieder ein großes Handlungsgeschehen, in dem das nubische Volk seine Königstochter schützt und verehrt. AIDA fordert Ramades aus guten Gründen auf, seinen Hochzeitsplan einzuhalten, sie weiß, dass eine Liebe zwischen ihnen obendrein unmöglich ist. Ramades kann sie nicht halten, bietet eines seiner Schiffe für die Flucht an und gibt ihr sein Amulett als Pass mit. Die Flucht fliegt auf, Ramades deckt sie, aber nachdem ihr Diener Mereb verletzt wird, bleibt sie bei ihm, lässt den Vater alleine fliehen. Zoser weiß, dass nun alles auffliegen wird, zumal der Pharao Kenntnis davon hat, was ihn krank machte. Zoser vergiftet sich. Amnires versucht Ramades noch zu schützen, aber wie im Original gibt er alles zu und muss nun sterben. Die Tochter des Isis verurteilt ihn und - abweichend von Verdi - auch AIDA dazu, unter der Wüste eingemauert zu sterben. Bei Verdi war AIDA erfolgreich geflohen, schlich sich aber in das gemauerte Verlies und starb freiwillig mit ihrem Geliebten, während oben Amneris den Tod ihres Geliebten betrauert. Im Pfalztheater ein gigantisches Bühnenbild vom versinkenden Verlies, nachdem die Liebenden ihre Zuneigung füreinander bestärkt hatten.


Die Hauptpersonen alle überzeugend, besonders Sigalit Feig als konturreiche und stimmgewaltige AIDA, Martin Pasching mehr ein Smartboy als ein Feldherr Ramades, aber ein Bilderbuchliebhaber, Amneris von Astrid Vosberg eine starke Stimme verliehen, Mereb von Daniel Böhm gewitzt, lustig und kämpferisch gespielt. Zoser von Randy Diamond der kantige Kämpfer und Machtbesessene, der über Leichen geht, beeindruckend geschminkt, der Pharao von Thomas Kollhoff krank und gebrechlich, und schließlich der König von Nubien in einer nicht ganz klaren Indianerkostümierung (Bernhard Schreurs). Ballett und Chöre sehr farbenfroh und lebendig gestaltet. Ein beeindruckendes Bühnenbild mit vielen optischen Effekten zauberte das alte Ägypten auf die Bühne des Theaterhauses.

Samstag, 3. März 2012

Für sie besucht: Das legendäre "Haus am See", das eng mit Henry Fondas Tod in Verbindung steht, in Neunkirchen/Saar

Manchmal ist der beste Weg nach vorne der zurück in die Kindheitstage. Ob das die eigene Geschichte betrifft oder die einer Familienbeziehung, einer Partnerschaft …, im Vergangenen ruhen oft viele schöne Szenen des Glücks, der Einheit, des positiven Lebensgefühls und der Unfrustriertheit. Was keine Regel darstellen soll, denn in anderen Fällen liegt das Glück im Heute und Morgen, niemals aber im Gestern.
In Ernest Thompsons Theaterstück „Haus am See“ (Uraufführung 1979 am Broadway) wird das back to the roots, Neuanfang und Lösung des Generationenkonflikts zitiert und bemüht. Beim Gastspiel des Theaters aus Kempf im Bürgersaal Neunkirchen/Saar am Schalttag 29. Februar 2012 spielten Volker Brandt, Viktoria Brams und Susanne Meikl die Familie Thayer, die ihre Konflikte der Vergangenheit und Zukunftsgestaltung in einem entscheidenden der vielen Sommer im Ferienhaus am See bearbeiten und lösen. Die Tochter Chelsea kündigt sich mit ihrem neuen Mann Bill und dessen Sohn Billy zum Geburtstag Normans an. Der Alltagstrott kommt durcheinander und mischt die Karten neu. Das Stück kommt etwas langweilig in Fahrt, aber nach 10 Minuten greift der Wortwitz Normans, auch Ethel gewinnt an Fahrt, die anfangs gegen ihn zu bescheiden und blass wirkt, und wird zur agilen Tatkräftigen. Volker Brandt und Viktoria Brams ein ganz authentisches Ehepaar Norman und Ethel Thayer. Sehr überzeugend auch Susanne Meikl - Bill und Billy leisten ebenso gute Arbeit.
Die Handlung:
Das Ehepaar Norman und Ethel Thayer hat eine lange Strecke Ehe zurückgelegt, ist saturiert und voll im Alltagsehetrott. Norman ist pensionierter Literaturprofessor der Universität Pennsylvania, mit beginnender (frühzeitiger) Alterssenilität, sprich: Demenz, der völlig larmoyant und latent depressiv seinen Tod imaginiert, das Ende in allen Varianten reflektiert. Er weiß, dass er seines Gedächtnisses verlustig gehen, dass der Alltag schlimm sein wird. Er möchte nicht überflüssig, alt und abgestellt sein, deswegen studiert er die Stellenanzeigen und prüft jede Betätigung, die in Frage kommen könnte: Zeitungen austragen, Betreuer für Senioren und Jugendliche undundund, alles nur nichts mehr in seinem Beruf, den er nicht mehr gut ausüben kann – wegen des Gedächtnisverlustes. Er hat keine sonderliche Lebenslust mehr, lässt die kaputte Fliegentür kaputt sein, obwohl Tausende von Fliegen dieses Jahr wieder unterwegs sind, hockt im Haus und kann sich an seinem Seeparadies – ganz im Gegensatz zu seiner viel aktiveren und genussfähigen Ehefrau - schon lange nicht mehr erfreuen. Dennoch ist er der intelligente, schlagfertige und eloquente Mensch geblieben, der er schon immer war. Als sich Tochter Chelsea (42) mit Anhang zu Normans Geburtstag ankündigt, ist das zunächst eine Belastung, die das Zurückgezogensein stört. Als sie aber alle da sind und der Sohn des Freundes Bill die Opa- und Vaterseite in Normans Wesen anspricht, entwickelt sich alles anders. Eine große Wendung tritt ein.


Thompson hat sein Theaterstück klassisch aufgebaut, die Pyramidenstruktur des historischen Dramas in fünf Akten mit unveränderter Illusionsbühne und einem einzigen Schauplatz komplett übernommen, aber schelmisch aus dieser Dramenstruktur eine Komödie gemacht. Selbst das tragische Ende findet nicht statt, sondern ein Ausweg in die Schönheit der untergehenden Sonne. Mit einem stark an John Irving oder andere große, sehr befähigte und unnachahmliche angelsächsische Schriftsteller erinnernden Wortwitz sorgt Norman bis zum Ende gewollt/ungewollt für Turbulenzen, und weil er anders ist als die anderen, darf er das sagen, was normalerweise nicht geäußert wird. Die Aktwechsel wurden mit der ansprechenden und kritischen Musik von Neil Young aus den 70ern unterlegt.
In Akt 1 startet das Stück mit der Exposition, Situationsklärung und Beschreibung der Demenz, u.a. durch ein lustig erscheinendes Telefonat mit der Auskunft. Norman ist der Meinung, die Auskunft hätte ihn angerufen. Das Alter und die Interpretation durch die Eheleute erfährt in einem witzigen Dialog eine Klärung. Ethel ist der Meinung im mittleren Alter zu sein, er korrigiert: „Nein, die Menschen werden doch nicht 150 Jahre, du bist alt, ich aber steinalt.“ Man muss nicht rechnen, um auf die 75 Lenze der beiden zu kommen.
Das Thema läuft weiter in Akt 2, die Steigerung kommt hinzu: Norman fühlt sich überflüssig, fühlt sich wie 108: „Was fängt man nur mit einem alten Kauz wie mir an? Ich habe nicht die leiseste Ahnung.“ Er lebe nur noch auf Abruf, Zeitungslesen sei sein einziger Kontakt zur Realität. Die Vergesslichkeit erneut... Postbote Charly kommt mal wieder mit seinem Boot vorbei und erkundigt sich nach Chelsea und ihrem Alter: „Da müssen Sie ihre Mutter fragen...“ Chelsea kündigt sich mit Begleitung an, Billy soll in den Ferien im Ferienhaus bleiben.
Als in Akt 3 Billy mit gerade 15 auftritt, Rucksack, Kopfhörer, viel zu weite Bermudas und laut, ändert sich alles. Norman erkennt die völlig andere Welt der Jugendlichen wieder. Er ist über die Verrohung und Kulturlosigkeit entsetzt und beauftragt ihn sofort, das erste Kapitel der „Schatzinsel“ zu lesen und am nächsten Morgen Bericht zu erstatten. Mit Chelseas Mann, der ihn überanständig fragt, ob er mit seiner Tochter in einem Bett schlafen dürfe, redet er unverblümt über Sex mit, gar gleich Missbrauch seiner Tochter und bietet den Platz vorm Kamin für Sex an, sodass der liebe Zahnarzt Bill Ray sich ziemlich veräppelt fühlt und sich das verbittet.
Die Ferien gehen weiter, in Akt 4 dann schon ein verwandelter Norman, der Steg und die Fliegentür repariert, Norman verwechselt Billy immerzu mit Chelsea. Der alte Vater-Tocher-Konflikt wie auch ihre emotionale Beziehung wird auf den Jungen übertragen und abgearbeitet. Die beiden gehen angeln, der Junge lernt Französisch, hat Marcel Prousts: „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ kennengelernt. Chelsea taucht auf, um ihren Eltern ihre in der Zwischenzeit erfolgte Eheschließung mitzuteilen, beschimpft in einem Gespräch ihren Vater verärgert als „Der alte Scheißkerl“ und wird dafür von ihrer Mutter geohrfeigt. Die Klärung setzt sich fort, die Tochter sucht das Gespräch mit ihrem Vater und kann auch viel klären - immer hatte sie das Gefühl, ihm nicht genügen zu können. Norman findet die neue Ehe sehr gut, denn dadurch bleibt ihm Billy erhalten. Mit dem Postboten Charly werden von Mutter und Tochter alte Zeiten voller Tollereien heraufbeschworen: „Wir sind die Mädchen vom Goldenen See ...“
Im letzten Akt wird die Szenerie wieder für den Winter eingemottet und abgebaut, das Saisonende ist da. Der neue Schwiegersohn ruft an und lädt zu einem längeren Besuch in Kalifornien ein, Chelsea erklärt ihrem Vater ihre Liebe am Telefon, und Billy findet es obercool, wenn sein „Opa“ kommt. Hier lässt Thompson Norman geschickt in einen fingierten Herzinfarkt fallen, ruft kurz eine Reminiszenz an das klassische Drama hervor, sabotiert die Tragik jedoch wieder, da der Infarkt einzig dazu dient, dass auch Ethel ihrem Mann ihre Liebe erklärt und sie erneuert. Norman freut sich jetzt nach langer Zeit wieder über die Eistaucher am See, deren Liebesspiel und -gesang seine Frau schon zu Beginn der Ferien in Aufregung versetzten. Norman und Ethel, die Familie neu geeint, wenden sich ihrem Lebensende zu. Happy End ...




Ernest Thompson (* 6. November 1949 in Bellows Falls, Vermont) ist ein US-amerikanischer Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor, der für das Drehbuch zu "Am goldenen See" (1981) den Oscar für das beste adaptierte Drehbuch, den Golden Globe Award für das beste Filmdrehbuch sowie den Preis der Writers Guild of America (WGA Award) für das beste adaptierte Drehbuch gewann und außerdem 1983 für einen British Academy Film Award (BAFTA Film Award) für das beste Drehbuch nominiert war. Er ist Eigentümer eines Theaters in Kittery und ist auch als Regisseur tätig.

"Am goldenen See" war der letzte Kinofilm von Henry Fonda und gleichzeitig der erste Film, den er gemeinsam mit seiner Tochter Jane gedreht hatte. Der Film wurde am Squam Lake in New Hampshire gedreht. Der unvergleichliche und einmalige Henry Fonda starb im Sommer nach den Dreharbeiten. 

Mittwoch, 14. Dezember 2011

Für Sie besucht: A Soulful Christmas im Bürgerhaus Neunkirchen

Monika Groß, Markus Bill, Dieter Meier (u.l.)
Dem Publikum entgegeneilend präsentierte sich im 7. Jahr die sensationelle saarländische Weihnachtsshow "A Soulful Christmas 2011", die die Zuschauer auf mehreren Ebenen abholt.
Es wird sehr guter Gesang geboten, ob von Markus Bill oder Monika Groß, gekonnte Tanzeinlagen und Bewegungschoreografie, wobei Markus Bill der Wirbelwind und gekonnte Dancer auf der Bühne ist. Monika Groß wird erst am Ende bei "Run, Moni, Run" auf der Bühne herumgescheucht.
Wir erleben theatralischen Ausdruck in der Gestik und Mimik, Musikstücke voller (fast schon religiöser) Tiefe und Pathos, überschäumender Lebenslust und mit Swing und Drive à la Broadway, kritische, emotionale, witzige und nachdenkliche Texte und hier muss als eine reizvolle Darbietung in der Darbietung die lustige, in drei Teilen ins Programm gestreute Weihnachtsgeschichte vom Schweinnachtsmann hervorgehoben werden. Dieter Meier vom Dudweiler Statt-Theater mimt als Dialektkenner und Umschaltkünstler in verschiedenen Mundarten die Versammlung der Weihnachtsmänner, die mangels Wahl ein Schwein zum Weihnachtsmann ernennen, das seine Arbeit dann doch sehr gut macht.
Am Ende des Abends noch mal Dieter Meier mit einem unvergesslichen Whiskeycream-Rezept, das niemals fertiggestellt wird.
Background-Vocals, Christian Hautz (Guitar), Tobias Klee (Keyboard)
Was ebenfalls dazugehört sind der häufige Stimmungswechsel, eben das Broadway-Feeling mit einem schicken dreiköpfigen Go-Go-Chor und Young-Ladies-Background-Vocals sowie komödiantische Einlagen, mehrfache Anläufe das Propagandistenhandwerk durch Hinweise auf die CD-Angebote zu verfeinern, eine starke Musikbegleitung durch die Band und eine fantasievolle Lightshow. Außerdem Versprecher, Pech, Pleiten und Pannen sowie Blackouts bei der Ansage! Publikumsbeteiligung wird ab einem bestimmten Punkt Pflicht, die Zuschauer dürfen mitsingen, üben noch schnell was ein, stellen sich und schwingen Leuchtstäbchen wie beim Pink-Floyd-Konzert früher die Feuerzeuge. Sogar das Weihnachtsbäumchen auf jedem Tisch muss zu Beginn erst mal fast wie ein Maibäumchen aufgerichtet und geschmückt werden. Zum Glück hatte ich einen befähigten Tischnachbar, seine Begleiterin eine perfekte "Schnipperin" ;-)  Mit "Winter in Kanada", "Slay Ride", "Es ist für uns die Zeit angekommen", "Oh lasset uns anbeten", einer Mitschnipp-Nummer "Me and my Drum", "It's Christmas Time", George Michaels "Last Christmas" und "Petit Papa Noel" kann man sich mehrfach so richtig in diese emotionale Weihnachtswelle werfen und surfen. Jedenfalls der, der einen Sinn dafür hat. Geboren wurde die Idee 2004 von den Neunkirchenern Musikern Christian Hautz und Tobias Klee und ab 2005 jedes Jahr in die Tat umgesetzt. Dieses Jahr das letzte Mal im Bürgerhaus, da die Neunkirchener eine neue Bühne im alten Hüttengelände neben der Stummschen Reithalle einrichten. Ein prall gefüllter Abend, der einen in die Weihnachtszeit katapultierte, ob man es wollte oder nicht.