Fotos: Hans-Jürgen Brehm-Seufert |
Ausgezeichnet mit vier Tony Awards, u. a. für die beste Originalmusik, sowie mit einem Grammy Award für den besten Musicalsoundtrack konnte der Besucher in der Premiere die Bekanntschaft mit einer veränderten, gefälligen, aber nicht weniger dramatischen und heroischen AIDA machen. Die Inszenierung übernahm Johannes Reitmeier, Intendant aus Innsbruck, vormals langjähriger Intendant in Kaiserslautern. Liebe über allem, Sehnsucht nach Völkerverständigung, Niederlegung der Waffen, die Rache des Pharaos bzw. sein Tochter Amneris jedoch unbezwingbar grausam. Kein Wunder, die Intrige von Radames' leiblichem Vater Zoser (der Sohn wusste bis kurz vor seinem Tod nicht, dass sein Förderer und Ausbilder auch sein Vater war und schuld daran, dass seine Mutter im Hurenhaus sterben musste), den Pharao mit Gift zu beseitigen, um Radames zum mächtigsten Mann in Ägypten zu machen - Amneris, die Tochter der Isis (ägyptische Göttin) an seiner Seite -, ist eines der schwersten, manchmal durchaus sinnvollen Kapitalverbrechen in der Geschichte der Menschheit, handelt es sich doch um den Regentenmord! Diese Freiheit haben sich Tim Rice und die Buchverfasser Linda Woolverton, Robert Falls & David Henry Hwang genommen, denn Verdis Librettist bestraft nur den Versuch, einen Fluchtweg zu offenbaren. Zoser ist allerdings wirklich ein Bösewicht, er führt Schlimmes im Schild, der Pharao krank und schwächlich, bangt um das ägyptische Reich, er wird hinterhältig angegriffen. Bei Verdi existiert dagegen der Oberpriester Ramphis.
Alles geglättet, in den Mainstream mündend, ist AIDA mit der poppigen, rockigen Musik von Elton John und den Gesangstexten von Tim Rice zwar weder in der Aktreihenfolge von Verdi zu sehen noch in dessen Handlungsaufbau, das gegnerische Königreich auch geändert, dafür aber in einer neuen, anderen, aber dennoch vergleichbaren Story. Bisweilen kitschige Elemente machen auch die Breitenakzeptanz aus.
Zu Beginn gelangen wir in eine Art ägyptisches Museum oder Mausoleum, das die Geschichte von Ramades und Amneris verbirgt, dessen Todesruhe dann tatsächlich in Handlung übergeht. Alles erzählt von der Pharaonenkultur, die Videoprojektionen, die in diesem Musical sehr häufig eingesetzt werden, und die Musik. Aus diesem Bild erscheinen die Ägypter, Amneris singt von dem Land der harten Gesetze (Deutsch von Michael Kunze). Bei Verdi wurde Äthiopien/Theben bereits vor langer Zeit besiegt.
Bei John/Rice ist Nubien (historisch mal Kolonialstaat von Ägypten, mal Herrscher über Ägypten, 5000 Jahre alt, heute Sudan) zwar bereits von Ägypten besetzt, die Kämpfe haben aber eher gerade angefangen. Ramades ist der oberste Befehlshaber der Heere und siegreicher Feldherr. Sie machen wieder einmal Gefangene. Unter ihnen AIDA, die Tochter des nubischen Königs, die gleich zeigt, was edle Gesinnung ist, und ihren Kopf riskiert, um ihre Dienerinnen von Übergriffen und Vergewaltigungen freizupressen. Ramades wird aufmerksam auf sie, die ihren Lebenstraum in der Gefangenschaft zerbrechen sieht. Sein Diener zu Hause in Ägypten ist wie viele andere im Palast und in Ägypten auch Nubier. Mereb erkennt seine Herrin und versucht sie mit allen anderen auch zu beschützen und ihre Herkunft zu vertuschen. Sie ist ein Geschenk Ramades an Amnires, die sie aufnimmt, da sie gebildet ist und Modeberatungen leisten kann.
Im Palast wartet Amnires, der Pharao, die Pläne, Ramades in sieben Tagen durch Hochzeit zum Nachfolger zu machen, da der Pharao von einer schweren Krankheit erfasst zu sein scheint. Radames mag und lockt Amnires, aber gerät zwischen die beiden Frauen, da er AIDA zu lieben beginnt. Er liebt sie so und findet Erwiderung, dass er sein Hab und Gut an die Nubier verteilt: "Ich trag einen Traum in mir, ein neues Leben, nur mit ihr..." Eines Tages bringen die Truppen auch den König von Nubien, AIDAS Vater, nach Ägypten, er landet im Kerker. Ein beeindruckendes Bild der Verbundenheit der Nubier mit ihrer Prinzessin, ihrer zukünftigen Königin, mit bunten Bändern miteinander verbunden, lässt Teil 1 enden.
Der zweite Teil beginnt mit einer Szene zur "Liebesblindheit" von AIDA, Amnires und Ramades mit schwarzen Brillen. AIDA und Mereb erkaufen sich den Zugang zum Kerker, um mit dem König einen Ausbruch zu planen, der pharaonische Hochzeitstag wird auserkoren. Währenddessen erfährt Ramades die Wahrheit über seinen Vater, die beiden geraten aneinander, wegen der Vergangenheit und weil Zoser seine Pläne durchziehen will. Ramades gewinnt den Kampf. Zoser befiehlt die Ermordung AIDAS, die misslingt, weil eine andere Nubierin sich opfert. Wieder ein großes Handlungsgeschehen, in dem das nubische Volk seine Königstochter schützt und verehrt. AIDA fordert Ramades aus guten Gründen auf, seinen Hochzeitsplan einzuhalten, sie weiß, dass eine Liebe zwischen ihnen obendrein unmöglich ist. Ramades kann sie nicht halten, bietet eines seiner Schiffe für die Flucht an und gibt ihr sein Amulett als Pass mit. Die Flucht fliegt auf, Ramades deckt sie, aber nachdem ihr Diener Mereb verletzt wird, bleibt sie bei ihm, lässt den Vater alleine fliehen. Zoser weiß, dass nun alles auffliegen wird, zumal der Pharao Kenntnis davon hat, was ihn krank machte. Zoser vergiftet sich. Amnires versucht Ramades noch zu schützen, aber wie im Original gibt er alles zu und muss nun sterben. Die Tochter des Isis verurteilt ihn und - abweichend von Verdi - auch AIDA dazu, unter der Wüste eingemauert zu sterben. Bei Verdi war AIDA erfolgreich geflohen, schlich sich aber in das gemauerte Verlies und starb freiwillig mit ihrem Geliebten, während oben Amneris den Tod ihres Geliebten betrauert. Im Pfalztheater ein gigantisches Bühnenbild vom versinkenden Verlies, nachdem die Liebenden ihre Zuneigung füreinander bestärkt hatten.
Die Hauptpersonen alle überzeugend, besonders Sigalit Feig als konturreiche und stimmgewaltige AIDA, Martin Pasching mehr ein Smartboy als ein Feldherr Ramades, aber ein Bilderbuchliebhaber, Amneris von Astrid Vosberg eine starke Stimme verliehen, Mereb von Daniel Böhm gewitzt, lustig und kämpferisch gespielt. Zoser von Randy Diamond der kantige Kämpfer und Machtbesessene, der über Leichen geht, beeindruckend geschminkt, der Pharao von Thomas Kollhoff krank und gebrechlich, und schließlich der König von Nubien in einer nicht ganz klaren Indianerkostümierung (Bernhard Schreurs). Ballett und Chöre sehr farbenfroh und lebendig gestaltet. Ein beeindruckendes Bühnenbild mit vielen optischen Effekten zauberte das alte Ägypten auf die Bühne des Theaterhauses.
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