Nachtjäger
Wir rasten nicht des Nachts, uns wachsen Dornen aus der Haut, unsre blutigen Rosen, wir jagen dem Mond hinterher. Wir sind die hetzende Meute / des Königs beste Wölfe, wir sind die Viehtreiber, die Schlachtenrufer, Purzelbäume schlagend durch unsere vielfältigen Existenzen. Wo oben gestern noch war unten und durcheinander, ich weiß es nicht mehr. Die Sterne kamen und nahmen meine Gedanken mit auf ihre Reise in ihrem Kometenschweif. Explosionen vernichteten die Wegelagerer bei Vollmond, Ektoplasma röchelnd.
Ich gehe von Feuertaufe zu Feuertaufe, ich friere, ich brenne, meine Haut härtet aus. Das gebrannte Kind scheut das Feuer nicht, nicht Brandnarben noch kochende Haut. Sollte es es nicht scheuen, wo sein Kopf die Kindlichkeit ausschwitzt just in diesem Moment? Sollte es es nicht scheuen, die Gedanken ein lichterlohes Kornfeld? Das Ballett der Epileptiker tanzt & lacht, oh ja. Schadenfreude spielt mit: Das arme Kind, es wird sich noch den Kopf zerbrechen.
Warum rennen wir überhaupt? Versuchen wir zu fliehen? Wovor eigentlich? Deine roten Schuhe, Dorothy. Nur ich bin es, der rennt / du bist es nicht / mir kommt es nur so vor durch Merlins große Zauberkugel. Der Löwe sucht seinen Mut die Vogelscheuche ihren Verstand, der Blechmann sein Herz und mit allen dreien eint mich der gemeinsame Verlust dieser Besitztümer. Sie gingen dahin im großen Sturm in Kansas, der die ganze Hütte/Heimat/Trutzburg weggefegt hat.
Plutoniumglühen auf den Wangen von den sanften Flügeln der Komprimierung. Sie stampfen mich ein zu einem Presswürfel in der Schrottpresse eines Autofriedhofs. Mit jedem Tag fühle ich mich mehr und mehr wie ein funkensprühender Sicherungskasten. Heiß und schmorend, kurz vor dem großen Knall. Die Tage des Erschießungskommandos, ich halte den Zettel mit dem schwarzen Fleck in der Hand. Ich liege im Schützengraben, die Hände vor den Ohren und höre die Kugeln über mir sausen. In der Todeszelle warte ich, ohne Nachricht, harre bange Minuten, Stunden, Sekunden. Die Luft kurz vor einem Gewitter: Die Haut kribbelt & juckt, Ozongeruch. Tage des Donners (in Erwartung).
Die Sichel des Mondes ist die Klinge des Sensenmannes / ewiger Schnitter / sein Schatten hängt über der Stadt. Ich spüre die Gegenwart dieses grimmigen Wächters, genauso wie ich den kalten Hauch seiner rücksichtslosen Macht in meinen Gliedern spüre wie Tachyonen Echos in der Zeit. Jemand hat einen Stein ins Wasser geworfen, die Oberfläche zieht Gischtringe, Detonationswelle einer Atomexplosion.
(c) Thomas Reich, 2007
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