Heulend rannte die Kochazubiene aus der Küche. Dabei hatte sie es doch nur gut gemeint! Weil Jakob, alias Zwerg Nase, die Befürchtung hatte, dass die Desserts nicht reichen könnten, hatte sie ihm den Zaubertopf, den ihr damals die alte Frau geschenkt hatte, angeboten. Musste er sie deswegen so anbrüllen? „Geh mir bloß weg mit der süßen Pampe!! Ich biete doch den Gästen des Königs keinen Grießbrei an, du dumme Kuh! Sieh lieber zu, dass du die Früchte für den Obstsalat klein schneidest!! UND HÖR AUF ZU HEULEN!!“
Jakob verdrehte die Augen. Die jungen Leute heutzutage! Anstatt froh zu sein, dass man ihnen was beibrachte! Nein, da kam die mit so einem Fertigfraß an! Wenn sie so weitermachte, würde sie nie ihre Prüfung bestehen. Na ja, zur Not konnte sie dann immer noch im „Tischlein-deck-dich“ anfangen. Für Fast-Food würd es grad noch reichen!
So, er musste sich beeilen. Die letzten Vorbereitungen für den großen Ballabend treffen. Heute wollte er sich selbst übertreffen, eine bessere Werbung für sein Restaurant und den Partyservice konnte es nicht geben. Ach ja, wenn er so zurückdachte – es war schon ein langer Weg gewesen, bis hierhin. Das hätte er sich auch nicht träumen lassen, dass er, der Sohn eines Flickschusters und einer Marktfrau, es mal zu einem eigenen Restaurant bringen würde. Leicht war es nicht gewesen!
Er erinnerte sich noch gut an jenen Tag, als er seiner Mutter auf dem Markt geholfen hatte. 13 Jahre war er alt – gerade in der Pubertät. Eigentlich wollte er mit Freunden Fußballspielen gehen, aber nein! Mutter verdonnerte ihn dazu, Gemüse zu verkaufen. Dementsprechend schlecht war seine Laune. Ausgerechnet an dem Tag kam diese hässliche Alte, steckte ihre lange Nase in sämtliche Kräuter und fasste mit ihren ekligen Spinnenfingern alles an. Das brachte ihn noch zusätzlich in Rage. „Heh! Quasimoda! Nimm die Griffel da weg! Und schmier deine Popel nicht an den Weißkohl. Ist ja eklig!“, pöbelte er sie an. Seine Mutter stieß ihm den Ellenbogen in die Rippen. „Jakob! Sei nicht so frech!“ „Ist doch wahr! Wer soll denn noch was kaufen, wenn die sich ihren langen Zinken daran abwischt? Und wenn die weiter so mit dem Kopf wackelt, dann fällt der gleich ab!“
Hätte er doch nur die vorlaute Klappe gehalten! Gerade im Märchenland muss man sehr aufpassen, was man zu wem sagt. Die Alte kaufte den halben Stand leer und ließ sich das Zeugs von ihm nach Hause schleppen. Dort angekommen war sie auf einmal die Freundlichkeit in Person! Bot ihm sogar etwas zu essen an. Dämlich, wie man mit 13 halt noch ist, hatte er die Suppe natürlich gegessen. Mörderlecker, das Zeug. Und eine Mörderwirkung! Er war voll auf den Trip gegangen – und es dauerte 7 (in Worten: sieben!) Jahre, bis er da wieder runterkam. Er bildete sich ein, ein Eichhörnchen zu sein. Ein Eichhörnchen, das kochen lernte! Krass!
Als er wieder zu sich kam – er dachte ja, er hätte höchstens ein paar Stunden verpennt – war er natürlich sofort nach Hause gedackelt. Er wunderte sich noch, dass er mit der Nase überall anstieß.. aber er schob es darauf, dass er vom Schlaf so benommen war. Auf dem Markt angekommen, ging er sofort zu Mutters Gemüsestand, um sich zurück zu melden. „Hey, Mom! Da bin ich wieder!“, rief er fröhlich – und bekam den Anschiss seines Lebens! „Unverschämtheit!“, keifte seine Mutter „Sag nicht Mom zu mir, du hässlicher Gnom! Als wenn es nicht schlimm genug wäre, dass mein Sohn vor sieben Jahren verschwunden ist – da kommt so ein Rüpel und macht sich auch noch lustig über mich!“ Soviel zum Thema Mutterinstinkt!
Jakob war total verdattert. Okay, dachte er bei sich, statte ich mal dem Herrn Erzeuger einen Besuch ab. Mal sehen, ob der mich erkennt. War natürlich auch Fehlanzeige. Der Alte jammerte nur rum wegen des verlorenen Sohnes. Langsam dämmerte es Jakob, dass er wohl doch einige Zeit weg gewesen war. Er fragte nebenan beim Friseur, ob er mal einen Blick in den Spiegel werfen durfte. Au weia! Schöner war er nicht geworden, in all den Jahren. Und leider auch nicht größer. Bis auf die Nase! Das war ein Mörderteil! Trotzdem - liebende Eltern sollten ihr Kind schon erkennen, oder?
Wat nu? Keine Knete, kein Dach über dem Kopf und keiner, der was mit ihm zu tun haben wollte. Er entschloss sich, ins Menschenreich auszuwandern. Dort fand er auch gleich eine Stelle bei einem König. Na gut, es war nur ein Burger – King, aber besser als nix. Lange hielt er es allerdings nicht da aus. Er schämte sich in Grund und Boden für den Fraß, den er dort zubereiten musste. Dann las er in der Zeitung, dass beim Fernsehen ein Koch gesucht wurde, der mit Stars aus dem Menschenreich kochen und ein bisschen plaudern sollte. Sofort bewarb er sich und wurde auch zum Casting eingeladen. Leider, leider wurde nichts daraus. Angeblich war er zu hässlich! Ein gewisser Biolek bekam die Stelle. Na, ob der besser aussah, das wagte Jakob zu bezweifeln.
Nein, so richtig gefiel es ihm nicht bei den Menschen. Da ging er lieber wieder dahin zurück, woher er gekommen war. Außerdem hatte er erfahren, dass ein gewisser „Kleiner Muck“ Obst verkaufte, von dem lange Nasen schrumpften. Es dauerte eine ganze Zeit, bis er den Typen gefunden hatte – und der wollte ihm auch nicht garantieren, dass das Mittel in seinem Falle half. Aber einen Versuch war es wert! Kostete ihn seine letzten paar Kröten, doch zumindest wurde die Nase so klein, dass er damit leben konnte. „Krüger-Nase“ nannte Muck dieses Modell, warum auch immer.
Nun ja, er sah immerhin annehmbar aus. Zwar war er nicht mehr gewachsen, aber da er mit 13 ja schon 1.68 m groß gewesen war, konnte er damit leben. Er fand dann auch eine Anstellung als Küchenchef bei König Drosselbart. Dort lernte er seine Adelheid kennen. Was für ein süßes Frauchen! Er war sofort verknallt in sie! Bei ihr dauerte es etwas länger – sie hatte wohl auch ein bisschen Angst, sich zu verlieben. Schlechte Erfahrungen! Der Drosselbart, dieser hinterlistige Giftzwerg, hatte ihr ja ziemlich übel mitgespielt. Aber was lange währt, wird endlich gut! Endlich funkte es auch bei ihr! Als der fiese Möpp das mitbekam, gab es eine Riesenszene, obwohl es ihm doch egal sein konnte, der stand doch eh auf Männer. Seine arme Heidi war hinterher fix und foxi. Keinen Tag länger wollte sie dort auf dem Schloss bleiben.
Tja, so kamen sie dann auf die Idee, sich selbstständig zu machen. Gourmet-Restaurant und Partyservice „Jakobissimo“! Heidi hatte ja einiges bei ihm gelernt und half tatkräftig mit. So richtig fluppte das Restaurant ja noch nicht, aber der Auftrag von König Erdal konnte den Durchbruch bedeuten. Darum musste heute Abend alles vom Feinsten sein! Wenn der Ball auch nur dazu da war, um Rotkäppchen auf andere Gedanken zu bringen. Es wusste immer noch keiner, was sie gesehen hatte. Ihm konnte es schnuppe sein. Er hatte auch keine Zeit mehr, darüber nachzudenken. Zuviel zu tun!
Wahrscheinlich war sie eh nur bekifft gewesen!
(c) Siglinde Goertz
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